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MAYHEM, MARDUK, NIFELHEIM, ASSAULT: Skagerrack, Strömstad, Schweden: 26.02.2011AS

MAYHEM, MARDUK, NIFELHEIM. Jedem trven Black Metaller läuft bei diesem Line-Up das Wasser im Mund zusammen…
 

 

MAYHEMMARDUKNIFELHEIM. Jedem trven Black Metaller läuft bei diesem Line-Up das Wasser im Mund zusammen. Gleichzeitig meldet sich das Misstrauen. Wie viele Schrottbands muss man am gleichen Anlass zuerst ertragen, bis man die unheilige Dreifaltigkeit geniessen darf? Wird man genügend Kondition haben, um sich die Vorbands erträglich zu saufen, aber gleichzeitig noch Stehvermögen für die Hauptbands zu haben? Schliesslich macht die neue grassierende Mode, Festivals mehr und mehr durch Durchschnittsbands auf dem Billing zu verlängern, vor keinem Festival Halt. Nirgends. Egal ob Deutschland, Schweiz oder USA. Wirklich nirgends?
 
Die Metaller eines kleinen Dorfes an der nördlichen Spitze der schwedischen Westküste leisten Widerstand.
 
Strömstad.
Wird im Verlaufe des Abends zur glatten Falle: die Treppe zur Skagerrack-Bar
StrömstadTreppe
Zwei Stunden entfernt vom Black Metal-Mekka Oslo, zwei Stunden nördlich von(und mehr als zwei Stunden trver als) Göteborg liegt Strömstad. Ein kleines Fischerkaff mit Seebademöglichkeiten (für Hartgesottene) im Sommer. Unbedeutend für die Metalszene? Nicht ganz. Denn eine Band namens DISSECTION zog einst aus Strömstad aus, um zur schwedischen Death/Black Metal-Legende zu werden. Und an diesem Abend hat es sich die lokale Band ASSAULT in den Kopf gesetzt, lediglich MAYHEMMARDUKNIFELHEIM und ASSAULT aufs Billing zu hieven und damit der zuvor erwähnten Festivalentwicklung ein qualitativ hochwertiges Gegengewicht entgegenzustemmen. 
 
Davon merkt man allerdings nichts, wenn man nach gut drei Stunden Zugsfahrt aus Göteborg im gottverlassenen Skee eintrifft. Schnee liegt, der Bahnsteig ist gefroren, es ist ruhig. Rasch steigt man in den Bus nach Strömstad, um aus Skee wegzukommen. Die viertelstündige Fahrt reicht, um die Blutspritzer des in Göteborg geschlachteten Neu-IN FLAMES-Fans von der Lederjacke zu wischen. Strömstad selber präsentiert sich derart idyllisch, dass man sich fragt, ob es vielleicht nicht eine zweite Ortschaft mit demselben Namen gibt und man sich somit völlig am falschen Ort befindet. Immerhin, ein paar Metaller lungern am Hoteleingang herum – die Hoffnung stirbt nicht mal, als man die Venue erblickt, die kitschig-weiss am Hafen steht.
 
Nach einer leckeren Pizza Banan gehts ab zum Skagerack-Restaurant. NIFELHEIM lärmen gerade ihren Soundcheck runter, der Securitymann lässt einen nicht in den Saal, sondern verweist auf die maritim-stilvolle Kellerbar als Warteort. Ungefähr 20 Metaller haben sich am frühen Abend hier eingefunden und man fragt sich, ob die abgelegene Location wohl dem für das Billing verdienten Erfolg im Wege stehen wird. Denn füllen tut sich diese Bar nur langsam.
Langsam aber sicher. Kaum ist im Saal die Schranke gefallen, macht sich dort doch schon eine veritable Meute von gut 100 Metallern bemerkbar. Gleichzeitig sorgt die Öffnung des Merchandise-Standes für Gedränge im Eingangsbereich. MAYHEMs Merchandiser hat seinen Flug in Ungarn verpennt, weswegen die norwegischen Black Metaller lediglich ein spezifisches, auf 23 Stück limitiertes (die Illuminaten lassen grüssen) Strömstad-Shirt verkaufen (De Mysteriis Dom. Strömstad). Glücklich diejenigen, die eines davon erhaschen können. MARDUK haben gar keine Shirts zum Verkauf, sind aber dank zahlreicher Fans shirttechnisch gut in der Menge vertreten. NIFELHEIM erweisen sich erneut als Merchandise-Kult-Meister – mehrere spezielle Designs, ein neuer Kapuzenpulli, ein Strömstad-Shirt und eine Shirt-Variante in Grau. Klarer Fall, wer an diesem Abend trotz anständiger Preise den grössten Reibach macht.
 
ASSAULT
Die Strömstader Band ASSAULT erfüllt sich mit diesem Auftritt wohl einen Traum. Im Sinn eines einheitlichen Bühnenoutfits tragen alle Bandmitglieder Henkershauben und treten ordentlich aggressiv auf. Der Gesang ist aggressiv und hat zeitweise eine Tendenz zum Shouting und ASSAULT wirken vor allem zu Beginn eher amerikanisch als schwedisch, man wähnt sich bisweilen am MARYLAND DEATH FEST statt in der schwedischen Pampa.
ASSAULT_marcus_26022011_vonArletteHuguenin 
Souveränes Drumming: Marcus (ASSAULT)
Souverän aufzufallen weiß vor allem Schlagzeuger Marcus, der wohl für jede extreme Metalband ein wertvoller Taktangeber wäre. Während sein Drumming mit Klasse auffällt, vermögen die Eigenkompositionen von ASSAULT es nicht wirklich, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Im weiteren Verlauf des Sets mischen die Schweden jedoch einen gewissen neueren AT THE GATES-Touch und einige an DISSECTION erinnernde Gitarrenleads in ihre Songs. Diese Schwedenkomponente steht den Songs wesentlich besser zu Gesicht als die zerfahreneren, hektischeren Anfangssongs – und wer den heimatlichen Wink bis jetzt nicht verstanden hat, kriegt noch ein gut gespieltes Heaven`s Damnation-DISSECTION-Cover aus deren The Somberlain”-Zeiten. 
 
Die Setliste von ASSAULT präsentiert sich wie folgt: 
Obsessed By Darkness
Lies
The Slave
Prayers and Lies Become Silent
Immortal
Heavens Damnation (DISSECTION-Cover von The Somberlain)
Eating Hobby
Angels of Death
 
ASSAULT_26022011_byArletteHuguenin 
Kriegen ordentlich Applaus – ASSAULT 
ASSAULT kriegen ordentlich Applaus für ihre Darbietung und können so am Ende ihres Sets eine solide Darbietung ihr eigen nennen. Zudem wird schon jetzt klar, dass es in Strömstad wohl keine Sperrstunde geben wird – es wird so lang gespielt, wie gespielt wird, und der Strom wird keinem abgestellt.
 
Die Umbaupause für NIFELHEIM ist nicht eben kurz – satanisches Backdrop und Totenköpfe wollen schliesslich stilvoll arrangiert werden. Inzwischen hat sich der Saal gefüllt, die Location dürfte wohl trotz allem kein Hindernis für den Erfolg dieses hochkarätigen Konzerts gewesen sein. Und es ist klar – wenn NIFELHEIM in Schweden Heimspiel haben, kennen weder das Publikum noch die Band allzu grosse Hemmungen.
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Hemmungsloses Heimspiel: Tyrant (NIFELHEIM) 
NIFELHEIM betreten gewohnt Nägel-, Ketten- und Nietenbeladen die Bühne. Enge, schwarze Hosen sind genauso Bandpflicht wie der hohe Metallgehalt der Bühnenkleidung. Obwohl der Sound anfangs nicht optimal ist, geht die Meute ordentlich ab bei Black Curse, Unholy Death und Satanic Sacrifice. Danach verstummen die Ansagen von Hellbutcher, weil sein Mikro kurzerhand den (satanischen) Geist aufgegeben hat. Wütend macht er seinem Ärger Luft und verzieht sich an den rechten Bühnenrand. Sollte der NIFELHEIM-Auftritt nach drei, gewohnt klasse gespielten Songs schon vorüber sein? Würde der technische Defekt die Spielzeit empfindlich beschneiden?
 
NIFELHEIM_26022011_band_vonArletteHugueninD 
Fangen sich trotz technischer Schwierigkeiten wieder teuflisch gut: NIFELHEIM 
Die Fans fürchten genau das – und kennen kein Pardon. Flaschen fliegen Richtung Bühne. Und da machen NIFELHEIM das, was eine professionelle Band macht – sie unterhalten das Publikum trotz der technischen Schwierigkeiten. Da Hellbutcher zwangsläufig Pause hat, fängt der dank unter anderem ENTOMBED tausendfach bühnenerprobte Insulter of Jesus Christ! an, einen Rhythmus zu spielen. Basser Tyrant folgt gleich mit und Vengeance from Beyond stimmt einen düster-unheimlichen Gitarrenlead an. Apocalyptic Desolator stimmt ebenfalls mit ein, und so jammen sich die Instrumentalisten von NIFELHEIM improvisationsmässig durch die unfreiwillig sängerfreie Tonzone. Absolut souverän, absolut professionell – und wer NIFELHEIM bis anhin lediglich als blendermässige Kult-Truppe ohne musikalisches Gewicht gesehen hat, darf diese Meinung angesichts dieses Impromptu Jams eingehend überdenken.
 
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Professionell und mit Mut zur Improvisation: Drummer Insulter Of Jesus Christ! (NIFELHEIM) 
Nachdem Hellbutcher wieder zu seiner lauten Stimme zurückgefunden hat, spielen NIFELHEIM ihren Gig gewohnt superb zu Ende. Tyrant und sein Zwillingsbruder Hellbutcher posen, was das Zeug hält, Insulter of Jesus Christ! liefert sauberes Drumming, Apocalyptic Desolator legt rassige Riffbretter und Vengeance from Beyond überzeugt mit schneidigen Gitarrenleads. Das Bass-Spiel von Tyrant erinnert immer wieder an IRON MAIDEN, und dass der zerschundene Bass mal bei MORBID instrumental mitgewirkt hat, tut der Qualität und der Trveness des Spiels keinen Abbruch. NIFELHEIM reissen mit, die Meute ist begeistert und völlig zurecht außer Rand und Band.
 
Denn die Setliste lässt keine Wünsche offen:
Souveräner Saitensatan: Vengeance from Beyond (NIFELHEIM) 
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Black Curse
Unholy Death
Satanic Sacrifice
Improvisation – Jamsession
Infernal Flame of Destruction
Evil Blasphemies
Demonic Evil
Claws of Death
Bestial Avenger
Storm of the Reaper
Sodomizer
Possessed By Evil
 
NIFELHEIM sind und bleiben also ein fester Wert und sind allein schon die Reise nach Strömstad wert. Denn diese Band kann alles, nur nicht schlecht performen. Immer wieder atemberaubend…
 
Obwohl das Fehlen von MARDUK-Merchandise merkwürdig erscheint im Licht der extremen Tourerfahrung und Präzision dieser Band, kommt beim Aufbau die beinahe schon militärische Effizienz der Schwedenband zum Zug. MARDUK stellen ihr Equipment rasch auf, und obwohl man in Schweden wegen der NIFELHEIM-Verzögerung kaum eine verfrühte Sperrstunde fürchten muss, so wird der Abend dank MARDUK doch nicht konditionsintensiv in die Länge gezogen.
 
MARDUK_26022011_drums_vonArletteHugueninD 
Kalt, unerbittlich, professionell: MARDUK 
Gewohnt kalt, schwarzmetallisch und unerbittlich bieten MARDUK einen ausführlichen Überblick ihrer imposanten Diskographie. Die Meute reagiert weniger ausgelassen und frenetisch als bei NIFELHEIM, was auf eine Art die Performance der Band widerspiegelt. MARDUK bieten sowohl Klassiker wie Wolves von ihrem Meisterwerk Those Of The Unlight, wie auch weniger gehörte Tracks à la Departure From The Mortals (von Dark Endless). Azrael von La Grande Danse Macabre und Steel Inferno von Plague Angel kommen genauso zum Zug wie neuere Tracks von ROM 5:12.
 
Liefert Klassiker und neue Songs in gewohnter Qualität ab: Mortuus (MARDUK) 
MARDUK_26022011_Mortuus_vonArletteHugueninD
Allerdings kristallisiert sich mehr und mehr auch eine Attraktion neben MARDUK auf der Bühne heraus. Die Rede ist nicht vom chronisch überforderten Barpersonal, sondern von der Treppe, die hinunter führt zur unteren, gemütlichen Maritim-Bar, wo viele die Wartezeit bis zur Saalöffnung verbracht haben. Je betrunkener die Schweden werden, desto feuchter scheint die Treppe zu werden. Aus Bierpfützen werden langgezogene Seen, die die ganzen Stufen einnehmen. Oben gibt es nur ein Klo, und so machen sich nicht nur Gemütlichkeitssüchtige auf die gefährliche Abwärtsreise. Aus Schwankenden werden Purzelopfer, doch selbst imposante Stürze gehen vorerst glimpflich über die Treppe. Unten locken die Bar, Sofas und kompetentes Metal-DJing. Letzteres macht sich vor allem durch das Vermeiden der typischen Hits von Klassikern beliebt – statt dem Hit gibt es einen weniger oft gehörten Song des gleichen Albums. Sehr verlockend.
 
So spielen MARDUK vor einem gut gefüllten Saal und liefern einen gewohnt professionellen Gig ab, der mit anständigem Sound stilvoll abgerundet wird. Die ernsthaften Black-Metal Connaisseure kommen definitiv auf ihre Kosten.
 
Aber was wäre ein solcher Black Metal-Edelabend ohne eine norwegische Legende. MAYHEM haben sich diesen Status musikalisch und skandalträchtig-historisch über Jahrzehnte erarbeitet und es ist klar, dass sie sich vor ihrem norwegisch-schwedischen Publikum keine Blöße geben werden. Im Sinne der Performance brauchen die Norweger entscheidend länger, ihren Bühnenaufbau fertigzustellen, als dies bei den vergleichsweise untheatralischen MARDUK der Fall gewesen ist.
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Wenn trve ein Kompliment ist – MAYHEM
So ist nicht nur Hellhammers Drumkit eine Welt für sich, sondern auch Attila Csihars persönliche Spielwiese im vorderen Teil der Bühne – denn totes Getier muss bei MAYHEM einfach sein. An diesem Abend gibt es an Seilen aufgehängte Schweineköpfe – wenn schon, denn schon. Natürlich gestalten MAYHEM ihre Eroberung der Bühne entsprechend dramatisch. Nebel, Intro, Schweineköpfe – und der von seiner Statur eh schon imposant-einschüchternde Attila Csihar erscheint als furchterregender Hohepriester. Der Höllenfürst hätte seine helle Freude – denn MAYHEM huldigen ernsthaft und aufrichtig, ohne jeglichen Platz für Lächerlichkeiten oder Stillosigkeiten. Und anders als bei vielen Nachahmern wirken MAYHEM zu jeder Sekunde ihres Gigs echt. Darf man – trotz den nervigen Bassdrumtriggern, an welche ich mich trotz meiner Bewunderung für Hellhammer nie gewöhnen werde – das Adjektiv trve komplett ironiefrei und zutreffend anwenden, dann ist MAYHEM eine der wenigen Bands, für die es gilt. 
 
MAYHEM_26022011_band_lights 
Dramatisch zu jeder Sekunde – MAYHEM
Und die Setliste der schwarzen MAYHEM-Messe an diesem Abend hat es wahrlich in sich:
Satanische Zärtlichkeiten für Schweineköpfe: Attila Csihar (MAYHEM)
MAYHEM_26022011_attila
Pagan Fears
Ancient Skin
My Death
Cursed in Eternity
A Time to Die
View From Nihil
Illuminate Eliminate
Anti
Freezing Moon
Crystalized Pain…
Silvester Anfang
Deathcrush
Buried By Time and Dust
Carnage
De Mysteriis Dom. Sathanas
Pure Fucking Armageddon
 
Fehler leisten sich MAYHEM keine, und Attila liebkost und spielt immer wieder mal mit den Schweineköpfen. Hier und da lässt er sie auch in weiten Bahnen hin- und herschwingen, was besonders im blau-violetten Licht gespenstisch ausschaut. MAYHEM lassen sowohl performance- wie auch songauswahltechnisch keine Wünsche offen und beschliessen diesen Konzertabend niveauvoll. Selbst wer den Abend unten in der Bar bei THIN LIZZY und IRON MAIDEN ausklingen lässt, weiss: Ein solch hochkarätiges Black Metal-Billing wird es 2011 wohl nur einmal gegeben haben. Am 26. Februar im verpennten schwedischen Fischerdorf Strömstad – da gibt es kein Wenn und Aber und keine unerklärlichen Mysterien!
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Fotos und Layout: Arlette Huguenin Dumittan
Bildbearbeitung und Titelgraphik: Markus Hampel 
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