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OWL: Owl

Der beeindruckende Jungfernflug des Totenvogels.

Die Eulen sind nicht, was sie scheinen. Das wusste schon Major Briggs nur zu gut, als er diese Botschaft inmitten eines Datensalates fand. Der Totenvogel, der so geheimnisvoll, wie wunderschön mit strengen Augen die Welt um ihn herum beobachtet und wann immer sich unsere Blicke mit dem seinen kreuzen, es jagt uns einen Schauer über den Rücken. Das ist doch nicht die schlechteste Basis für eine Formation, die sich nach diesem Vogel benannt hat und noch dazu komplexen wie atmosphärischen Death Metal spielt. OWL stammen auf dem Umfeld der ZEITGEISTER und ist die rituell-böse Seite von Christian Kolf, der mit ISLAND früher einen zumindest atmosphärisch ähnlichen Weg beschritt.

Fünf Songs mit einer Länge von insgesamt über sechzig Minuten zeigen jedoch nicht nur sich windenden, unter spastischen Zuckungen leidenden, unheimlichen Death Metal, sondern auch einen großen, unheimlichen Ruhepol. Doch zunächst beginnt das Album mit komplexem Doom-Death, verbindet Elemente von ANATHEMA zu frühesten Serenades-Zeiten und MORBID ANGEL, als sie den God Of Emptiness auferstehen ließen. OWL beginnen mit dem dreizehnminütigen, bitterem Conquering The Kingdom Of Rain (Entering Her Holy Halls) und winden sich durch diesen unzugänglichen Koloss von einem Song, der sich nach und nach als wirklich facettenreiche, reife Komposition erweist. Danach gesellen sich Chaos wie von GORGUTS und rituelles Gepolter, das nicht ganz an die Kakophonie der genialen PORTAL heranreicht, aber eine ebensolche Sogwirkung entfacht. Mit Lost In Vaults Underneath The Melting Mountain Of The Saints ist ein, von einem einzigen Blast Beat durchzogenes Biest gelungen, das einem schwarzen Loch gleicht, in dem sich Realität und Fiktion vermischen.

Die kommenden beiden Kompositionen verknüpfen beide Extreme schließlich und sorgen für eine unwahrscheinlich atmosphärische wie anspruchsvolle erste Hälfte des Albums, das vor Ideenreichtum, Authentizität und Originalität kaum zu fassen ist, und durch das man sich viele Male hindurcharbeiten muss, bis es wirklich beim Hörer sitzt. Dazu zählen die komplexen Riffs, die fast schon surrealen Arrangements, die dissonanten Leadgitarren und das vollkommen irre Schlagzeugspiel von Gastmusiker Patrick Schroeder, das perfekt zur Musik passt. Christian Kolf selbst sorgt für tiefes, boshaftes Gebrüll, hat aber auch selten feierlichen Gesang parat. Und immer wieder verstummt die Musik und wird ersetzt durch unheimliche, atmosphärische Geräusche, kurze Synthesizer-Interludes, die simpel klingen, aber mehr sind, als nur Klebstoff zwischen den kruden Death Metal-Eruptionen, sondern die verkohlte Welt zwischen den rituellen Stürmen repräsentieren.

Das kürzlich erschienene Doom Of The Occult von NECROS CHRISTOS legt schon die Daumenschrauben an, aber OWL und ihrem selbstbetiteltem Debütalbum haben die Berliner nichts entgegen zusetzen. Owl ist eine einzige, im positiven Sinne, musikalische Entgleisung, eine Grenzerfahrung des Death Metals der Neunziger, wie er nur von einem Liebhaber dieser Musik, fast zwanzig Jahre später gespielt werden kann. Die Death Metal-Seite von Christian Kolfs neuem Baby endet bereits nach fünfunddreißig Minuten, danach folgt Threnodical Ritual At The Spectral Shores Of The Eternal Sunset, das eigentlich nur auf einem dunklen, aber sanften und beruhigendem Synthesizer-Thema basiert und den surrealen Gesamteindruck des Albums unterstreicht, indem es das exakte Gegenteil zum vorher gehörten bietet. Ob die enorme Länge von über dreißig Minuten für ein abschließendes Instrumentalstück, das eher atmosphärischen Gründen dienst wirklich angebracht ist, ist fraglich, wäre es nur halb so lange, hätte es wohl genauso gewirkt. Dem intensivem Gesamteindruck von Owl tut dies jedoch keinen Abbruch.

OWL haben ein unglaublich atmosphärisches, tiefes Album parat, eines von einer Qualität, nach denen man im Death Metal-Genre heutzutage wirklich sehr lange suchen muss und das trotz dem wirklich hohem Niveau Atmosphäre über technisches Können stellt. Christian Kolf erweist sich einmal mehr als begnadeter Musiker, der all diejenigen an seiner morbiden Vision teilhaben lässt, die sich trauen. Und wer auf den Urschleim des Doom-Death und Tech-Death abfährt, der wird in den nächsten Wochen zu nichts anderem mehr Gänsehaut kriegen wollen, als zum Jungfernflug des Totenvogels.

Veröffentlichungstermin: 7. März 2011

Spielzeit: 65:10 Min.

Line-Up:

Christian Kolf – Vocals, Guitar, Bass, Synthesizer
Patrick Schroeder – Drums

Produziert von OWL
Label: Zeitgeister Music

Tracklist:

1. Conquering The Kingdom Of Rain (Entering Her Holy Halls)
2. Lost In Vaults Undernearth The Melting Mountain Of The Saints
3. The Daimonion Of Dying Summers Looming Through The Golden Mist Of Dreams
4. Spell Of The Ignis Fatuus That Leads To The Impalapable Altar Of Beasts
5. Threnodical Ritual At The Spectral Shores Of The Eternal Sunset

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