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DEATHSPELL OMEGA: Paracletus

Ein relevantes und vollkommen entrücktes Stück Black Metal, das polarisieren wird.

Stell dir vor, vor deinen Füßen klafft wie aus dem Nichts plötzlich ein riesiges Loch, das einem Strudel gleich, alles in ein Nichts reißt. Wie fühlt sich das schwarze Loch an, wie sehr strebst du dem Frieden entgegen, wenn du alles weltliche hinter dir lässt? Hier gehen die Interpretationen meilenweit auseinander. Der Buddhismus sagt, alles wird leicht, alles wird Frieden, alles wird sanft, das Nichts, die Erlösung. Der Gegenentwurf zu diesem friedvollen Ende von allem, was blüht und atmet, ist das Chaos. Diejenigen, die das Chaos beherrschen, die es dressieren wie einen Hund, diejenigen erschaffen etwas, das den nächsten logische Schritt zu dem darstellt, was die bisherigen Innovatoren des Black Metals bis dato abgeliefert haben.  

DEATHSPELL OMEGA vollenden mit Paracletus ihre Trilogie, die vor sechs Jahren mit Si Monumentum Requires, Circumspice sehr ausladend und bizarr begann. Paracletus setzt dabei das fort, was vor dreieinhalben Jahren mit Fas – Ite, Maledicti, in Ignem Aeternum konkreter und vor allem eigener wurde. Ob es Black Metal gibt, der näher an den ursprünglichen Idealen dran, und gleichzeitig weiter davon entfernt ist? DEATHSPELL OMEGA lassen das Halbwissen des pubertären, Katholizismus verachtenden Gerumpel liebenden Primaten hinter sich und greifen mit kalter Intelligenz zu, injizieren in den Hörer ihre Philosophien, sowohl lyrischer als auch musikalischer Natur. Wie sehr sich DEATHSPELL OMEGA vom Black Metal wegbewegen, wie wenig sie sich um ihn scheren, machen sie immer wieder deutlich, mal mehr, mal weniger radikal.

Der Grundtenor ist nah an der Basis des Genres. Dissonante Riffs, chaotische Rhythmen, rasende Kälte, böses Geschrei. Erst nach und nach erschließt es sich, wie Paracletus in seinen elf Akten die Grenzen verschwinden lässt. Von totaler Ambivalenz, hin zur Seele niederreißenden, punktgenauen Brachialität und zu überraschend eingängigen, direkten Momenten ragt das, was DEATHSPELL OMEGA bieten. Gekleidet in schierer Schwärze, manchmal ohne erkennbare Songstrukturen, dann wieder aus der Tristesse heraus reißend, mit Material, das in Sachen Können und Wahnsinn das Beste aus dem extremen Metal mit das Schlauste, Vielschichtigste aus dem Bereich der Avantgarde präsentieren. Und nicht nur das, wie sehr die geheimnisvolle französische Formation mit Dynamik experimentiert, ist es kein Wunder, dass wir hier zwischen der ganzen, boshaften Schwärze vor allem Momente purer Schönheit und Reinheit zu hören bekommen.

Wir haben es hier natürlich nicht mit einer simplen Ansammlung an Black Metal-Songs zu tun, Paracletus hat einen Anfang, ein Ende, ein klar definiertes Wirkungsfeld. Ein direkter Beginn mit Epiklesis I, danach neunmal das volle Programm zwischen Entsetzen und Entzücken, mit unglaublichen kompositorischen Leistungen wie Abscission, Phosphene, Devouring Famine und Apokatastasis Pantôn. Namen und Personen sind hier völlig bedeutungslos, es weiß eh niemand so wirklich, wer für dieses kolossale Werk verantwortlich ist. DEATHSPELL OMEGA erklären den Black Metal zur Kunstform, haben nur wenig Instrumentierung, die von den klassischen Bands abgehoben wird, aber wenn, dann sitzt es genau richtig, wie das Ende von Phosphene schauderhaft beweist.

Wo Fas – Ite, Maledicti, in Ignem Aeternum noch mit einigen Längen zu kämpfen hatte, packt Paracletus nun konsequent und kompakt zu. Es ist vor allem gegen Ende dieses Albums zwar extrem schwierig, DEATHSPELL OMEGA noch mit der Aufmerksamkeit zu folgen, die ihnen zusteht, aber je vertrauter wir mit Paracletus werden, desto mehr verwächst es mit unserem Bewusstsein. Getragen von der besten Gitarrenarbeit, die im Black Metal zu finden ist, unterstrichen von einem Drumcomputer, der mindestens so passend ist, wie ein echtes Schlagzeug sowie abwechslungsreicher, boshafter Gesang werden DEATHSPELL OMEGA nun zur Elite des Black Metal.

Paracletus ist ein relevantes, vollkommen entrücktes Stück Black Metal intensiv bis zum Anschlag, mit dem die Unmengen an semiintellektuellen Genrevertreter ebensolche Probleme haben werden, wie diejenigen, die am liebsten immer noch das Gerumpel der frühen Neunziger mögen. Dank vorausschauender, gefährlicher Bands wie DEATHSPELL OMEGA erfährt Black Metal nun Aufmerksamkeit, nicht wegen peinlicher Entgleisungen, die wie alle kennen und müde sind aufzuzählen. Wer durchdachte, extreme, wie finstere und anstrengende Musik liebt, der wird nicht viel besseres, als das alles verschlingende Loch Paracletus finden.

Veröffentlichungstermin: 12. November 2010

Spielzeit: 42:34 Min.
Label: Season Of Mist / Norma Evangelium Diaboli

Tracklist:

1. Epiklesis I
2. Wings Of Predation
3. Abscission
4. Dearth
5. Phosphene
6. Epiklesis II
7. Malconfort
8. Have You Beheld The Fevers?
9. Devouring Famine
10. Apokatastasis Pantôn

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