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CRIMSON GLORY: Transcendence

Kurz, nur allzu kurz konnte sich die einzigartige Magie CRIMSON GLORYs in voller Pracht entfalten: Auf “Transcendence”, einem der stimmungsvollsten Alben in der Geschichte des Heavy Metal.

Nach Veröffentlichung des Band-Debüts hatte die einschlägige Presse CRIMSON GLORY noch als (allerdings hochwertigen) QUEENSRYCHE-Klon deklariert. Zu Unrecht. Wie sehr zu Unrecht belegte dann “Transcendence”, das zweite und zugleich – nach Ansicht des Verfassers dieser Zeilen – letzte “richtige” Album der Musiker aus Florida. Auf dem Nachfolger “Strange And Beautiful” (gängige und in diesem Wortlaut oft vernommene Meinung: mehr “strange” als “beautiful”) vollzogen CRIMSON GLORY einen derart abrupten Stil- und Imagewechsel hin zu zeitgemäßen Sleaze Rock-Plat(t)itüden, dass sie ihre Glaubwürdigkeit auf einen Schlag verloren, das Album selbst ein kapitaler Misserfolg wurde und die Band anschließend in der Versenkung verschwand. Als sie nach Jahren der Szeneabstinenz wieder auftauchte und – musikalisch geläutert – “Astronomica” veröffentlichte, fehlte ein wichtiges Bandmitglied der frühen Jahre: Sänger Midnight. Und mit ihm hatte sich die einzigartige Magie CRIMSON GLORYs wohl endgültig verflüchtigt. Kurz, nur allzu kurz konnte sie sich in voller Pracht entfalten: Auf eben jenem “Transcendence”, einem der stimmungsvollsten Alben in der Geschichte des Heavy Metal.

Selten zuvor bildeten Cover, Texte, Musik und Image eine derart geschlossene Einheit. Die phantasievollen Worte Midnights, mit hoher, eindringlicher Stimme intoniert, schienen geradezu mit den technisch anspruchsvollen, aber ebenso melodischen wie atmosphärisch-dichten Kompositionen zu verschmelzen und entführten den Hörer in mystisch anmutende Klangwelten, die ihre adäquate visuelle Umsetzung im atemberaubenden SF-Fantasy-Artwork erfuhren. Selbst die silber-glänzenden Halb-Masken, hinter denen die Musiker CRIMSON GLORYs ihre Gesichtszüge verbargen und die bei jeder anderen Band alberner Kostümball gewesen wären, fügten sich in das große Ganze dieses einzigartigen Werkes.

CRIMSON GLORY perfektionieren ihren Stil

Schon der Midtempo-Song “Lady Of Winter” belegte eindrucksvoll, zu welcher Perfektion der bandeigene Stil seit dem Debüt herangereift war. “Her wraight rides the crystal sky of changing colors/The glowing clouds are moving through the winter night”: Die ersten – für den bildlastigen Sprach-Stil Midnights typischen – Zeilen des Openers werden umrankt von den trockenen und präzisen Riffs des Gitarrenduos Ben Jackson und Jon Drenning, die – nicht nur in diesem Stück – immer wieder aufs Neue zu phantastischen zweistimmigen Lead- und und Soli-Passagen zusammenfinden. Auch das harte “Red Sharks” glänzt mit jener amerikanischen Variante MAIDENscher Gitarrenprinzipien, die zwar von zahlreichen Bands kopiert, aber nur von wenigen zu einer derart eigenständigen und mitreißenden Kunstform weiterentwickelt wurden wie von CRIMSON GLORY. Und obgleich die Botschaft des Stückes nach dem Ende des kalten Krieges und dem Zusammenbruch pseudo-kommunistischer Utopien kaum mehr zeitgemäß ist, hat sich der Song dank seines Hymnencharakters den Klassikerstatus bewahrt.

Doch es ist erst das dritte Stück des Albums, das die wahre Größe offenbart, die diese Band einst besaß: “Painted Skies”. Perlende Akustikgitarren, dezente, äußerst sparsame, aber effektvoll inszenierte Synthesizer- und Vocal-Effekte, ein betörender Refrain, und einmal mehr überragende Gitarrenarbeit schaffen ein dichtes, faszinierendes Stück Musik, dessen ebenso gefühlvolle wie farbenprächtige Umsetzung eines an sich profanen Themas wie Liebeskummer einem Gedichtwerk der Romantik gleicht: “When she smiles, the world it shines/But the silver clouds are only there/to hide the distant storm/that’s coming soon/The love she let surround her/has become the waves that drown her/in the sea of everchanging warmth and cold”. Ähnlich angelegt: “Lonely”. “Reine Melodie”, nannte Drenning diese Komposition einst. Wie recht er hatte! Fernab vergänglicher Süße entfacht der Song ein wehmütiges, und dennoch mitreißendes Feuerwerk aus bombastischen Chören und singenden Bass- und Doppel-Gitarrenleads, das schon manch’ empfindsamen Hörer Tränen wortloser Euphorie in die Augen getrieben hat.

Auf “Transcendence” trifft Melodiereichtum auf vielschichtige Arrangements

Erstaunlich, wie es CRIMSON GLORY trotz aller – fraglos vorhandenen – poetischen und mystischen Verklärung dennoch gelang, jederzeit und durch und durch nach einer Heavy-Metal-Band zu klingen. Trotz des immensen Melodiereichtums, trotz der vielschichtigen und dichten Arrangements, trotz der ausschweifenden, verschlungenen Lyrik Midnights verloren die Stücke nie den besonderen Biss, den dieses Genre auszeichnet. Im Gegenteil: Die mystische Aura dieser Musik, die rohe Aggressivität durch kraftvolle Anmut ersetzte, verlieh ihr eine Erhabenheit, die umso durchdringender war. Selbst geradlinige Kompositionen wie “Where Dragons Rule”, “Masque Of The Red Death” oder das gigantische “Eternal World” atmen diesen Hauch musikalischer Majestät in jedem Taktschlag und zählen fraglos zum Besten, was der traditionelle US Metal je hervorgebracht hat.

Doch gerade in den Momenten, in denen dieses Album die Szene-Traditionen seiner Heimat aufbricht und seine eigene Klangsprache voll entfaltet, verdient es sich die wahre Unsterblichkeit. “In Dark Places”, “Burning Bridges” und “Transcendence”, so die Namen der Stücke, deren Flamme ob ihrer schieren Größe auf ewig gen Musik-Himmel lodern wird.

CRIMSON GLORY sorgen für beispiellose Momente

“Waves pound the gloomy shores/I watch them roll across my feet so warm”: Mit diesen Worten beginnt “In Dark Places”, und während aus der Tiefe – sirenengleich – eine ätherische Frauenstimme erklingt, wiederholt sich das hypnotisierende Riffmuster immer wieder, als wäre es selbst Teil der Brandung jenes mysteriösen Gewässers, das Midnight in Wort und Ton heraufbeschwört. Die Atmosphäre verdichtet sich, erreicht in der Bridge ihren Höhepunkt, bis schließlich im Refrain Akustik-Gitarren einfallen, und – gemeinsam mit den einprägsamen Gesangslinien – für einen kurzen Moment die finale Katharsis in greifbare Nähe rücken. Doch dann fällt der zarte, aber undurchdringliche Schleier aufs Neue, der die Welt des Traumes und der Sehnsucht von der irdischen Sphäre trennt, und am Ende des Stückes weilt der Hörer immer noch an der nächtlichen Küste einer dunkelschimmernden See, aus deren Tiefe eine bittersüße Melodie in seine Seele dringt…

“Burning Bridges”: das zweite Opus Magnum dieses Albums. Sphärische Synthesizer und akustische Gitarren markieren den Beginn eines Stückes, das seine ausschweifenden Melodie- und Strukturbögen über die volle Länge seiner sechseinhalb Minuten schlägt und dabei nicht eine Sekunde an Faszination verliert. Immer weiter steigert sich das Stück, hinein in einen Rausch aus Chören und Harmonien, der nur mehr einen Wunsch weckt: Möge er doch ewig dauern! Doch alles weltliche, und möge es noch so sehr den Hauch des Himmels in sich bergen, findet dereinst ein Ende, so auch “Transcendence”.

“Transcendence” ist ein Meisterwerk

Die ersten Takte des Titelsongs führen in die Irre: Den wuchtigen Drumschlägen und den eindringlichen Gitarrenlinien folgt die einzige “Ballade” des Albums. In diesem Zusammenhang allerdings ein irreführender Begriff, hat “Transcendence” doch nichts mit dem schwülstig-kitschigen Liebes-Liedgut der harten Szene zu tun, das sich bei Kuschelrock-Produzenten und Wegwerf-Feuerzeug-Herstellern so großer Beliebtheit erfreut. Nein, “Transcendence” kündet vom Übergang, der letzten großen Reise der menschlichen Seele. Und wahrhaftig: Dieses Stück scheint endgültig die Grenzen zwischen Dies- und Jenseits niederreißen zu wollen! Ätherische Akustik-Gitarren, deren Klang sich einem Cembalo annähert, entrückte Sound-Effekte und sanft fließende Melodien, die den Hörer in einen wohlig warmen, meditativen Zustand versetzen und ein letztes Mal, dafür aber umso tiefer in jene geheimnisvollen, und doch so vertraut wirkenden, dunkelbunten Welten abtauchen lassen, die die Musik CRIMSON GLORYs tief im Innern zum Leben erweckt. “Try to find your sky/Your world within yourself!”, proklamiert Midnight, und schließt dieses Meisterwerk mit den Worten: “It never really ends”.

Möge es doch wahr sein… und möge er selbst vielleicht in der Lage sein, das, was er gemeinsam mit seiner ehemaligen Band einst an musikalischer Magie geschaffen hat, zu neuem Leben zu erwecken. Immerhin arbeitet der blondgelockte Sänger schon seit Jahren am “wahren” Nachfolger von “Transcendence”, ohne dass dieser bislang in Sicht wäre. Vielleicht ahnt der Sänger aber auch sein Scheitern an jenem, in Anbetracht der Größe dieses Albums unsagbar hohem Anspruch…

Through arching moonbeams of light we glide
In bending shadows of warm starlight
Angels of colours light the night as they fly
Transcending into the electric sky

Line-Up:

Midnight – Vocals
Ben Jackson – Rhythm Guitar
Jon Drenning – Lead Guitar
Dana Burnell – Drums
Jeff Lords – Bass

CRIMSON GLORY “Transcendence” Tracklist

  1. Lady Of Winter
  2. Red Sharks
  3. Painted Skies
  4. Masque Of The Red Death
  5. In Dark Places
  6. Where Dragons Rule
  7. Lonely
  8. Burning Bridges
  9. Eternal World
  10. Transcendence
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