JALOMETALLI FESTIVAL, Oulu: 14. – 15.08.2009 – Der halbe Festivalbericht

Lohnt sich eine Reise ins nordfinnische Oulu? Nun ja, beim Billing vom JALOMETALLI FESTIVAL bucht sich der Flug schon fast von allein…
 

Finnland ist relativ übersichtlich. Helsinki ist gut erreichbar, zu den drei Satellitenstädten Tampere, Turku oder Lahti fällt einem metal- und verkehrstechnisch ebenfalls rasch was ein und hinkommen tut man ebenfalls. Aber Oulu? Okay, das dort aufgenommene Bootleg eines BEHERIT-Gigs anno 1992 lässt schon mit bei bloßer Nennung jeden Musikproduzenten und Clean-Sound Gitarristen in den Grundfesten erschaudern. POISONBLACK und SENTENCED sind geographisch auch in der nordfinnischen Stadt verortbar. Leider rechtfertigt dies keine vernünftigen Flugverbindungen und wie überwindet man die Wälder, Seen und Mückenkolonien, die dazwischen liegen?

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So komme ich an diesem Samstag erst um 17 Uhr im gut 500 Kilometer von Helsinki entfernten Festivalort an. DAWN OF RELIC, GNOSTIC, TORTURE KILLER, ROTTEN SOUND und ARTILLERY sind somit verpasst. Der nur Finnisch sprechende und offenbar Schweden verachtende Taxifahrer kennt den Club Teatria zum Glück und gegen halb sechs betrete ich das ehemalige Fabrikgelände, das zu einer Location umfunktioniert wurde. 17 Grad, klarer Himmel, Sonnenschein – optimale Bedingungen und sicherlich nicht das Wetter, das man generell mit Nordfinnland in Verbindung bringt. Klar auch, dass diejenigen Bands, die an diesem zweiten Festivaltag auf der Außenbühne spielen, wohl klar die Gewinner sind bei diesen Witterungsverhältnissen…

NIFELHEIM

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Luzifers Liederbote: Vengeance From Beyond

Und leider spielen die Gewinner des Abends (beziehungsweise die primäre Reisemotivation) denn auch viel zu früh: NIFELHEIM stehen seit fünf Uhr auf der Außenbühne. Ungewöhnlich, dass die schwedischen Satansbraten bereits um diese Uhrzeit ihr Unwesen treiben. Nicht ungewöhnlich hingegen, dass man ihre schwarzmetallischen Rasereien sogleich erkennt und zerknischt feststellen muss, dass das Quintett bereits das rasante Storm of the Reaper vom aktuellen Meisterwerk Envoy Of Lucifer zum besten gibt. Dreckig rotzen die Schweden ihre teuflischen Töne und haben die mehrheitlich finnische Meute fest im Griff. Die erste Reihe ist voller Maniacs, die völlig von Sinnen scheinen und in Sachen Aktivität nur von den fünf blutigen Belzebuben auf der Bühne übertroffen werden.

Obwohl NIFELHEIM bei strahlendem Sonnenschein spielen, glänzt das Böse zu jeder Sekunde mit seiner Präsenz. Sodomizer vom 1994 erschienenen Nifelheim-Album brennt wahrlich in der Seele. Zum rhythmischen Herzschlag von Insulter of Jesus Christ gesellt sich der gewohnt bratende, groovende Bass-Sound von Tyrant. Apocalyptic Desolator und Vengeance from Beyond flitzen über ihre Griffbretter als gäbe es kein Morgen. Und Hellbutcher schreit sich die Seele aus dem Leib und verkündet mit Leidenschaft seine dunkle Botschaft. Kein Wunder würden sich nach dem darauf folgenden Storm Of Satan`s Fire (ebenfalls vom Nifelheim-Album) wohl Heerscharen auf die Warteliste für einen Platz in der Hölle einschreiben – vorausgesetzt, NIFELHEIM haben dort eine permanente Bühnenpräsenz.

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 Teuflische Tiefen: Tyrant

Nach dem als letzten Song angekündigten Storm Of Satan`s Fire verlässt das Quintett die Bühne und sofort setzen die Publikumschöre ein. NIFELHEIM, NIFELHEIM, NIFELHEIM. Minutenlang. Kein Verstummen. Pures Verlangen. Verlangen nach mehr. Mehr echter Evilness. Mehr NIFELHEIM. Und die Schreie werden erhört. NIFELHEIM kommen zurück und spielen Gates Of Damnation locker aus dem Handgelenk. Das Publikum flippt aus.

Diese überbordende Emotion wird auch durch den darauf folgenden Devil`s Force-Opener Deathstrike from Hell weiter angeschürt, erhitzt und in gleißendes Begeisterungsfeuer verwandelt. Dieses will denn auch kaum verebben, als sich der Gig der Schweden dem Ende zuneigt. Nur eben – die straffe Organisation des JALOMETALLI wird selbst von solcherart Begeisterungsstürmen nicht erschüttert. Im atemlosen Taumel der Befriedigung wird klar: An diesem Festival gibt es eben nur eine Band, die einen solchen wahrhaftigen satanischen Soundsturm erschaffen kann: NIFELHEIM!

 

 

PARADOX

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 Elektrisieren: PARADOX

Nach der blutigen Vollbedienung zieht es einen so gar nicht rein in die große Teatria-Halle. Trotz der Kürze hinterlassen NIFELHEIM ein musikalisches Nachbeben und das freundliche, kühle Wetter lädt ebenfalls zum Draußenbleiben ein. Das bekommen die drin auftretenden PARADOX zu spüren, die vor allem zu Beginn ihres Gigs mit einer eher spärlichen Meute Vorlieb nehmen müssen.

Rein vom Auftreten her erinnert bei den Deutschen wenig an ihre Vergangenheit in den 80er Jahren. Auf der Bühne wird gehüpft, doch musikalisch gibt es zum Glück nix mit -core im Genrewort, sondern eher Riffs, die die frühe Thrash-Ära und die Zeiten, als Power Metal noch nicht mit MAJESTY in Verbindung gebracht wurde, in Erinnerung rufen. PARADOX grooven, flechten hier und da dreckig-rockende Parts ein und lassen sich nicht vom sich zurückhaltenden Publikum beirren. Das aktuelle Album Electrify werden nach diesem Gig allerdings sicherlich einige Nasen anchecken…

 

 

ASPHYX

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Pure Energie und Spielfreude: Paul Baayens (ASPHYX)

Auf der Außenstage Ulkolava machen sich während des PARADOX-Gigs bereits ASPHYX bereit. Verzögerungen gibt es am JALOMETALLI nicht, Pünktlichkeit ist Trumpf. Die hübsch aufgemachte, rothaarige Ansagerin betritt kurz nach sieben die Bühne und kündigt auf Finnisch die nächste Band an – was im Falle von ASPHYX mit reichlich Applaus quittiert wird. Nach dem Intro legen die Holländer so gleich mit Vermin los – Uraltstoff aus dem Jahr 1991. Das Publikum dankt es ihnen mit noch mehr Applaus und reichlich Headbanging. ASPHYX haben zudem einen fetten Sound erwischt, der ihrem old schooligen Death Metal optimal entgegenkommt.

Danach geht das Quartett über zur Vorstellung ihres aktuellen Albums Death…The Brutal Way. Natürlich bedeutet dies nicht monotonen Bruddu-Frosch-Death, sondern gut gemachte Abwechslung. Mal tödlich walzend, mal brachial rasend spielen sich die Holländer leidenschaftlich durch neuere Songs wie Scorbutics, Death…The Brutal Way oder Eisenbahnmörser. Dazwischen streuen sie ältere Lieder wie MS Bismarck oder Forgotten War und befriedigen so sowohl Anhänger der älteren wie auch neueren Werke. Auch in Wasteland of terror, The Rack und Last one on Earth geben sich die Holländer spielfreudig und sind sichtlich mit Spaß an der Sache – man könnte meinen, es hätte gar nie eine Pause vor der Reunion gegeben… Die Riffs sitzen auf jeden Fall, grooven tuts auch und Frontmann Martin hat im Grunzgesang wohl seinen ewigen Jungbrunnen gefunden. Nach Rite of shades ist leider Schluss – Zugabengeschrei hin oder her. Stark gespielt – ein klasse Gig!

WHIPLASH

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Keine Müdigkeit nach 25 Jahren: Tony Portaro (WHIPLASH)

Nach der ASPHYX-Vollbedienung meldet sich langsam das schwache Fleisch, das nach veganer Verpflegung und Trank verlangt. Mit sieben Euro ist der Gemüsereisteller zwar nicht billig (die große Portion kostet zehn Euro), aber satt wird man davon und die freundliche Köchin schüttet auch immer fleißig Gemüse nach. Trinktechnisch ist alles schon etwas komplizierter, da wegen der rigorosen Alkoholpolitik alle Unter-20jährigen von den Alkoholkonsumenten abgeschirmt werden müssen. Und irgendwie erinnern die aufgestellten Drahtzäune etwas an die isländischen Scherstationen für Schafe. Naja. Immerhin ist die sanitäre Situation erfreulich – drinnen im Club Teatria gibts Luxus und fliessendes Wasser statt Dixiklos. Frau freuts und WHIPLASH können ab acht Uhr genossen werden.

Aufgrund dieser fleischfreien Bedürfnisse werden die gestandenen Heavy Metaller WHIPLASH nicht mit voller Aufmerksamkeit genossen. Immerhin, das Gesehene und Gehörte überzeugt, denn die Amis haben irgendwo zwischen Thrash und Heavy Metal ihren ganz eigenen Stil gefunden und können auch die 80er-Nostalgiker von NIFELHEIM offensichtlich zu ihren Fans zählen. Interessanterweise erinnert das Auftreten von WHIPLASH nicht unbedingt an das, was man sich unter 80er Jahre + Metal vorstellt, vermutlich liegts einfach auch an der Brille von Tony Portaro. Musikalisch überzeugen sowohl neuere Songs à la Pitbulls in the Playground und Feeding Frenzy vom aktuellen Album Unborn Again wie auch Uraltstoff vom Power and Pain-Album, das mit War Monger berücksichtigt wird. Von WHIPLASH kriegt man zwar kein Schleudertrauma, aber klar ist, dass bei den Amis auch nach 25 Jahren das Feuer im Ofen noch lange nicht aus ist.

ATHEIST

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 Bassistengott: Tony Choy (ATHEIST)

Obwohl es vor der Außenstage nun merklich kühler ist, verspricht schon der Soundcheck von ATHEIST die nötige Wärme. Denn die Amis wissen genau, wie man mittels schwer nachvollziehbarer Dissonanzen, verwirrender Tempiwechsel und alles erschlagender Spieltechnik die Gehirne und Gehörgänge der Anwesenden zum Glühen bringt. Tight wie ein Kamelhintereingang im Sandsturm spielen sich ATHEIST nach 21 Uhr durch ihr Set. Das Publikum irgendwo zwischen Staunen und Headbanging – aber so oder so begeistert. Bassist Tony, der sonst schon bei CYNIC für Furore sorgt, spielt als wäre er von einem anderen Planeten (wo er zusammen mit Drummer Steve probt) – schöne Haltung, satter Sound und Groove. Die Bassisten im Publikum lassen sich leicht ausmachen, da ihnen der Gedanke, nach Hause zu müssen um zu üben (üben, üben, üben) ins Gesicht geschrieben steht.

Egal ob Mucke vom Piece of Time-Album (etwa Unholy War), Songs wie Mineral oder Your Life`s Retribution – ATHEIST verzaubern und überzeugen. Gitarrist Jonathan Thompson hat sich sichtlich gut eingelebt und spielt, als wäre er zehn Jahre älter. Ruhigere Anfänge münden fließend in schnelle, progressive Parts und ATHEISTs kriegen sowohl für die jazzigen wie auch für die aggressiveren, frickeligen Passagen den passenden Mischpultklang. Kurz nach Mother Man bedankt sich der gut aufgelegte Fronter Kelly beim Publikum und lobt die europäische Metalszene dank derer sie auf der just vergangenen Tour (mit OBSCURA und GNOSTIC) so viel Spaß gehabt hätten. Statt Heimwehgefühle also ein fetter Abschlussgig – die richtige Wahl!

AGENT STEEL

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Drummer mit Seele: Rigo Amezcua (AGENT STEEL)

Als Bassist(in) einer extremen Metalband nach Tony Choy auftreten? Lieber nicht. Aber der Reiz der gestandenen Recken von AGENT STEEL liegt nicht im Frickeln, sondern darin, dass es denen warm ums Herz wird, die bei Speed Metal nicht an seelenlose Triggernähmaschinendrums denken. Zwar spüren auch die Amis den Nachteil des Hallenauftritts und die Publikumsreaktionen sind anfangs eher verhalten. AGENT STEEL verlassen sich auf die Kraft ihrer alten Songs und tun damit genau das Richtige – Unstoppable Force und Rager entführen die Hörer schon mal ins Jahr 1987, mit Guilty as charged und Bleed for the Godz kommen dann die Zeiten von Skeptics Apocalypse zum Tragen. Sänger Bruce meistert die alten Songs und ist sichtlich mit Spaß bei der Sache – selbst ewige Cyriisfanatiker können an seiner Performance wohl nur wenig aussetzen.

Neuere Songs wie Ten Fists of Nations oder Human Bullet sind denn auch eher in der Minderzahl. Stattdessen gestehen AGENT STEEL, dass sie Backstage eine besonders hartgesottene Fanschar entdeckt haben: NIFELHEIM outen sich als Anhänger der alten AGENT STEEL-Zeiten. Laut Bruce hätten die Nagelmaniacs von alten Zeiten geschwärmt, als 144,000 Gone in einer schwedischen Radiosendung gespielt worden sei – somit ändern AGENT STEEL kurzerhand ihre Setliste und ernten hierfür nicht nur Begeisterung vom Publikum, sondern auch von den am Bühnenrand stehenden prominenten Illuminati-Fans. Nach Agents Of Steel und Mad Locust Rising ist dann Schluss. Ein schöner Nostalgietrip gepaart mit Spielfreude – eine runde Sache!

DEATH ANGEL

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Bay Area Power: Ted Aguilar (DEATH ANGEL)

Um 23 Uhr machen sich dann DEATH ANGEL daran, die Festivaltätigkeiten auf der Außenbühne mittels eineinhalbstündiger Vollbedienung zu beenden. Mehr als nur ein Hauch Hitze bringt die Band aus San Francisco definitiv mit und Fronter Mark hat die Meute von Anfang an unter Kontrolle. Der Sound drückt ordentlich aus den Boxen, Bewegung auf und vor der Bühne ist angesagt, während DEATH ANGEL sich zügig durch älteres Material aus The Ultra-Violence und neuere Songs (Killing Season lässt grüßen) spielen.

Statt aufgesetzter Evilness gibts Groove und gute Laune und egal welches Album die Kalifornier präsentieren – die Finnen sind hin und weg davon. Auch die Kondition DEATH ANGELs ist beeindruckend – keine Spur von Müdigkeit lässt sich während den 90 Minuten ausmachen, lange Reise hin oder her. Und am Ende hat man schon beinahe die Meeresluft der Bay Area in der Nase…

 

ELECTRIC WIZARD
Nach DEATH ANGEL geben in der Halle dann noch die Doomer von ELECTRIC WIZARD den Rausschmeisser. Wabernd dröhnt es aus der Halle, aber Witchcult Today gibt vielen wohl nicht die Energie zurück, die während DEATH ANGEL verbraucht wurde. Auch wenn das JALOMETALLI FESTIVAL so langsam ausebbt – der Trip nach Oulu hat sich gelohnt. Sauberkeit, gute Organisation (abgesehen vom frühen NIFELHEIM-Gig), fetter Sound, interessantes Billing ohne Kommerzmüll – es lohnt sich, die Mückenseen zu überfliegen und die nördliche Region Finnlands aus metallischen Beweggründen zu besuchen…

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Fotos & Layout: Arlette Huguenin Dumittan

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