Prophecy-Konzertnacht (DORNENREICH, BLAZING ETERNITY, MYSTERIUM & PARAGON OF BEAUTY), Bielefeld, Falkendom, 12.05.2001

Eine Prophecy-Konzertnacht ist etwas besonderes – ein Erlebnis voller guter Musik, interessanter Menschen und einer wunderbaren Atmosphäre. So war es auch an diesem Abend im Bielefelder Falkendom…

Eine Prophecy-Konzertnacht ist etwas besonderes – ein Erlebnis voller guter Musik, interessanter Menschen und einer wunderbaren Atmosphäre. So war es auch an diesem Abend im Bielefelder Falkendom, einem kleinen autonomen Veranstaltungszentrum, das über und über mit Graffitti und Plakaten verziert ist. Der Konzertraum selbst machte einen sehr familiären Eindruck, etwa 150 Leute fanden Platz, und eine Bühne von knapp 60 cm bot beste Gelegenheit für ein intimes Musikerlebnis. Ich war sehr gespannt auf dieses Ereignis, und irgendwie hatte ich bei einem Konzert mit ausschließlich Prophecy-Bands einen etwas intellektuellen Anstrich erwartet, doch wie sich herausstellte, war es ein ganz normales Metal-Konzert. Bis natürlich DORNENREICH auf der Bühne standen – aber dazu später mehr.

Der Abend begann mit PARAGON OF BEAUTY, die angereist waren, um ihr neues Album „Comfort me, infinity“ vorzustellen, und leider spielten sie auch ausschließlich Songs von diesem Werk, das offenbar sehr in Richtung Alternative Rock gehen wird, wofür auch das Outfit der Musiker sprach. Ich halte diese Entwicklung für sehr schade, denn „The Spring“ ist meiner Meinung nach eins der besten Alben im „Romantic Dark Metal“-Bereich, und es ist, auch dank der wunderschönen Texte, sehr eigenständig. Diese Eigenständigkeit wurde nun, ähnlich wie bei AUTUMNBLAZE, offenbar zugunsten dieses neuen „Alternative“-Stempels zumindest teilweise aufgegeben. Damit hinterließ der Auftritt einen sehr zwiespältigen Eindruck – die neuen Sachen sind sicherlich auch gut, aber irgendwo fehlte einfach etwas. Außerdem hätte man doch wenigstens einen alten Song spielen können. Trotzdem, man konnte spieltechnisch überzeugen und auch ordentlichen Applaus ernten.

Als nächste Band betraten MYSTERIUM die Bühne, und sie boten genau das, was ich von ihnen erwartet hatte – ordentlichen „Keyboard Black Metal“ ohne große Eigenständigkeit oder Spannung. Zum Moshen eignen sich die Songs der Band allerdings ausgezeichnet, und so flogen nun auch schon ein paar Haare. Eine gute Live-Band sind MYSTERIUM sicherlich, aber nichtsdestoweniger erwarte ich heutzutage einfach mehr von einer Band als diese Normalität, die dem Black Metal mit der Zeit einfach die Mystik genommen hat. Trotzdem ein schöner, kurzweiliger Auftritt.

Danach flogen dann die Fetzen. BLAZING ETERNITY betraten die Bretter, und mit ihnen kam der Rock´n´Roll nach Bielefeld. Nun flogen nicht nur ein paar Haare, die ersten Reihen tobten geradezu. Und mit ihnen die Musiker, die, sichtlich angetrunken (wie es sich für Rock´n´Roller gehört), einen wahnsinnigen Spaß an der Sache hatten. Ich weiß nicht, was bei diesen Dänen anders ist als bei anderen melodisch angehauchten Death Metal-Bands, aber irgendwie wirkt das, was die machen, so wahnsinnig eigenständig, daß man gar nicht anders kann als sie klasse zu finden. „Nordic Night Metal“ ist das ja, wie wir wissen, und darin liegt wahrscheinlich das Geheminis – nordische Nächte sind nunmal feuchtfröhlich und dunkel. Und das hört man.

Dann, nach einer weiteren kurzen Umbaupause (die waren ohnehin sehr kurz), kamen DORNENREICH. Und hier setzte mein Verstand komplett aus. Ein einziger Rausch war es. Ein Erlebnis, das keinem anderen Konzert glich, das ich je gesehen habe. Der reine Wahnsinn. Kurz die Fakten: Acht Songs (Eigenwach, Ich bin aus mir, Wer hat Angst vor Einsamkeit?, Grell und dunkel strömt das Leben, Schwarz schaut tiefsten Lichterglanz, Trauerbrandung, Leben lechzend Herzgeflüster, In die Nacht), kaum Show, durchschnittlicher Sound. Aber was wirlich geschehen ist, kann man vielleicht ansatzweise erahnen, wenn man liest, was ich gestern nacht, als ich aus Bielefeld wieder zu Hause war, geschrieben habe:

DORNENREICH – Gelebte Momente im schimmernden Schattenlicht

Dann hebt sich der Vorhang. Dunkelheit erklingt, und mit ihr die Stille. „Was zieht her von welken Nächten?“ wispert es durch den Raum, mein Herz droht vor Spannung zu bersten, und dann: „SIE SCHON BRACHTEN!!!“ Ein Urschrei. Es sollte nicht der einzige bleiben.

DORNENREICH sind der ursprünglichste und beste Beweis dafür, daß Hören gleich Fühlen ist. Ein Menschenwesen, das ich im Rahmen dieses Konzertes kennengelernt habe, sagte: „DORNENREICH hört man nicht, DORNENREICH fühlt man.“ Es ist völlig unmöglich, das Gefühl der Freihit zu beschreiben, das mich umfaßt, durchströmt, an den Rand des Wahnsinns getrieben hat, als Eviga die „Trauerbrandung“ intonierte. Oder welch geradezu wahnsinnige Euphorie sich mir durch den Körper und vor allem die Seele zog, als „Schwarz schaut tiefsten Lichterglanz“ erklang. Jeder Muskel meines Körpers war erfüllt von der geballten Kraft, die ein so winziges musikalisches Etwas erzeugen konnte – Gitarre, Synthesizer und Schlagzeug wurden zu Spielzeugen wahnwitzigen Enthusiasmus’, gespielt wie die Bessessenen, und bessessen war auch das Publikum. Der Raserei verfallen waren zwar nicht viele, aber diese um so stärker. DORNENREICH zu erleben bedeutet Hingabe zu erleben, am eigenen Körper und am Körper der Musiker. Und wie durch ein Wunder bin ich jetzt, da ich um 02:33 diese Zeilen verfasse, nicht so heiser wie ich sein sollte, angesichts der Tatsache, dass ich alles mitgebrüllt, geschrien, gelebt habe, was dort auf der Bühne passiert ist. Viele Leute werden das nicht verstehen. Aber einige wenige Leute werden wissen, was ich meine, wenn ich sage, dass hier Magie im Raume war. Magie, die man in den Augen der Musiker ebenso leuchten sehen kann wie in den Augen jener Menschen, die die Musik in sich tragen. Der Ausdruck unseres Seelenfeuers, die geballte Kraft unserer eigenen Magie, gelebt, verstanden, und manchmal, an solchen Abenden, ausgebrochen, wie im Rausch. Dafür liebe ich DORNENREICH, dafür, daß sie Konzerte geben, die immer anders sind, immer neu, immer großartig, immer intensiv, in einem Wort: immer lebendig. Und ich weiß, solange es noch Wesen wie uns gibt, die dieses Leben in sich tragen, denen es egal ist, ob jeder Ton sauber war, die wissen, daß es darauf nicht ankommt, die sich auch nicht scheuen, ihren Wahnsinn vor aller Leute Augen zu zeigen – dann ist mir nicht mehr bange um diese Welt, denn dann weiß ich, wie man sie, im wahrsten Sinne des Wortes, überlebt.

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Nach dem Konzert beobachtete ich noch ein wenig die Feierlichkeiten der dänischen Suffköppe BLAZING ETERNITY, wobei ich es für besonders amüsant ansah, wie fanatisch Teile der Band in bezug auf den Grand Prix d’Eurovision, welcher an diesem Abend stattfand, sind – Drummer Lars hatte gar nach dem Gig zuhause angerufen (!), um das Ergebnis zu erfahren, was wiederrum Kim Larsen fassungslos die Augen aufreißen ließ, hatte er doch versucht, Lars einen Streich zu spielen, indem er ihm durch einen Dritten die Nachricht zukommen ließ, Dänemark habe gewonnen. Mit einer Antwort wie „Nein nein, wir sind Zweiter geworden!“ hatte er wohl nicht gerechnet…

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