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CHILDREN OF BODOM, CANNIBAL CORPSE, DIABLO: Z7, CH-Pratteln, 05.02.2009

FUCKFUCKJAUJAU gehen mit den amerikanischen Kannibalen auf Europa-Tour – ob das gut geht? Und wie kommen die beiden Fanlager miteinander klar?

 

 

 

Zwei Konzerte hintereinander in derselben Venue – für das Package CHILDREN OF BODOM und CANNIBAL CORPSE scheint diese Rechnung im Prattelner Z7 aufzugehen. Der Soundcheck fällt entsprechend kurz auf und das Z7 füllt sich beachtlich. Sogleich fällt der hohe Frauenanteil, der niedrige Altersdurchschnitt und die hohe Dichte an CHILDREN OF BODOM– und SLIPKNOT-und-Konsorten Shirtträgern auf. Wer sich keine schwarzen Kleider kaufen kann (oder darf), schreibt sich auf die weißen Flächen der Converse-Sneakers COB, damit trotz fehlender Haarlänge und nettem Aussehen klar ist, was zuhause im CD-Player rotiert respektive die Mp3-Playliste füllt. Möglichkeiten, den Shirtmangel zu beheben, gibt es dank Merchandisestand zu genüge und in gemütlicher Feierlaune warten die Anwesenden auf den Opener des Abends, DIABLO.

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 Solider Gig: DIABLO

Diese zwängen sich kurz vor acht Uhr auf die reichlich voll gestellte Bühne. Ganz vorne hat auch noch das DIABLO-Drumkit Platz, doch wirklich viel Bewegungsfreiheit hat das finnische Quartett nicht zu Verfügung. Das schert sie jedoch wenig, obwohl ihre Show deswegen etwas steif wirkt. Musikalisch frönen DIABLO dem melodiösen Death Metal. Hin und wieder erinnern die perlenden Gitarrenläufe etwas an CHILDREN OF BODOM und es überrascht nicht, dass ausgerechnet diese Finnen im Vorprogramm von Alexi & Co. auftreten. Nicht nur der putzige vierköpfige Follow the Reaper-Shirtträger-Club scheint Gefallen an DIABLO zu finden. Ankündigungen beziehungsweise Songtitel im Stil von You can kiss your ass goodbye überraschen denn auch wenig und das Quartett liefert eine solide Show – trotz zusätzlicher Synthflächen vom Band.

Im Publikum wird bereits fleißig mitgewippt, DIABLO huldigen inzwischen dem Vodka. Vodka Jelzin soll es sein, danach präsentieren die Finnen The Preacher vom 2004er Album Eternium, ein Song, in welchem sie auch ihre etwas ruhigere, düstere Seite zeigen. Mit Icaros, dem Titeltrack des aktuellen Albums, ist das Set dann beinahe zu Ende, allerdings versäumen DIABLO die Gelegenheit nicht, mit ihrem letzten Song einen guten Eindruck zu hinterlassen. Dieser hat ordentlich Drive und punktet wiederum mit den melodiösen Gitarrenlines. Im CHILDREN OF BODOM-Lager dürften DIABLO einige Fans dazu gewonnen haben, trotz hier und da gezeigter Härte wird die Überzeugungskraft in der CANNIBAL CORPSE-Fangemeinschaft weniger stark ausfallen.

Die Umbaupause ist nicht von langer Dauer. Routiniert wird umgebaut und das Z7 ist gut gefüllt. Ein Durchdrängeln zum Merchandise-Stand zeigt, dass die Preise sich bei beiden Bands in schweizerisch-normalen Gefilden befinden. Sowohl CANNIBAL CORPSE als auch CHILDREN OF BODOM haben sich Gedanken zur weiblichen Gefolgschaft gemacht. Die FuckFuckJaujau-Finnen drücken diese mit verschiedenen Girlie-Designs aus, bei denen auch Netz-Parts vorkommen; CANNIBAL CORPSE zielen etwas tiefer und liefern kannibalische Strings.

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Gurgelbrüllt kompetent wie eh und je: Corpsegrinder

In diese Region rutscht dann wohl auch das Herz einiger Eltern, welche ihre Sprösslinge an diesem Abend an das CHILDREN OF BODOM-Konzert begleiten. Denn nicht wenige der Nachwuchsmetaller, die kaum ihr eigenes BEHEMOTH-Hoodie füllen, werden gegen 21 Uhr Opfer des CANNIBAL CORPSE-Härtevirus (Symptome u.a.: leuchtende Augen). Der putzige CHILDREN OF BODOM-Blaureaper-Fanclub brüllt und bangt überraschenderweise voller Energie bei den Kannibalen mit, welche mit The Time To Kill Is Now und Death Walking Terror keinen Hehl aus ihrer brutalen unerbittlichen Natur machen. Vor allem der mittelalte Teil des Publikums – dank getragener CANNIBAL CORPSE-, DEVOURMENT und Bruddu-Shirts einfach zu identifizieren – geht bei den Amerikanern voll ab und verausgabt sich. Und nicht nur wenn Corpsegrinder Disfigured gurgelbrüllt, findet der Generationenkontakt statt. Wenn der Ü20er von einem Finnenfan-Früh-Teenie gefragt wird Duuuuuuu, weißt du, was CANNIBAL CORPSE bedeutet und beide danach bei Evisceration Plague die Matten schütteln, dann muss man sich um den Metallernachwuchs keine Sorgen mehr machen und kann das andernorts breitgetretene Thema Generationenkonflikt beruhigt ignorieren.

Nicht ignorieren kann man hingegen CANNIBAL CORPSE, die mit I Cum Blood wieder in ihren grandiosen Tomb Of The Mutilated-Zeiten wühlen. Dass die Amis den Track eine Spur langsamer spielen als auf dem Album, führt bei den alten Fans, die nicht im Moshpit aktiv sind, zwar zu einem kurzen Schnödkommentar. Doch angesichts der kochenden Stimmung und Energie, welche das Quintett freisetzt, ist dies rasch vergessen. Corpsegrinder hat mit seiner imposanten Statur, seinem Stiernacken und seinem kompetenten Todesmetallorgan das Publikum fest im Griff, während Alex Webster (BLOTTED SCIENCE) mit schnellen Bassläufen brilliert. Eine wunderschöne Haltung der rechten Hand, eine begnadete Fingertechnik, welche all jenen, die behaupten, man könne nur mit einem Pick schnell Bass spielen, wohl für alle Zeiten das Maul stopft. Keine Frage – für die Bassisten liefern CANNIBAL CORPSE an diesem Abend auch visuelle Schmankerl.

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Ein Riff für die Ewigkeit: Hammer Smashed Face von CANNIBAL CORPSE

Danach ist es Zeit für den Frauensong – Fucked with a knife. Männer, die ebenfalls begeistert aufbrüllen bei der Widmung, werden von Corpsegrinder sogleich scherzhaft zurechtgewiesen – This song is for the women, not for you!. Begeistert melden sich einige Kreischhorrordamen im Publikum und die Amis ziehen weiter mit Sentenced To Burn, Make Them Suffer, Priests Of Sodom und Unleashing The Bloodthirsty. Dass sich bereits in den Anfangszügen des Gigs ein veritabler Moshpit bildet und einige Crowdsurfer auszumachen sind, versteht sich von selbst. Dass die Stimmung beim genialen Hammer Smashed Face die Stimmung ihren Höhepunkt erreicht, ist klar. Selbst in den hinteren Reihen werden die Matten geschüttelt und CANNIBAL CORPSE zeigen sich von ihrer besten Seite. Der Abschied mit Stripped, Raped, and Strangled ist kurz und bündig – und lässt ein rundum befriedigtes Publikum zurück.

Dieses bekommt in der Umbaupause danach unter anderem Amaranth von NIGHTWISH zu hören – was einige Brutalobrüder dazu veranlasst, die Venue zu verlassen. Viele bleiben allerdings und sehen mit an, wie das imposante Bühnenbild von CHILDREN OF BODOM zum Leben erweckt wird. Das Drumkit thront links, das Keyboard rechts, dahinter ein multifunktionales Mediabackdrop und ein dreidimensionales Logo, welches den Visuals zusätzliche Tiefe verleiht. Außerdem scheinen die Finnen einen nicht unbeachtlichen Teil ihrer Einkünfte in Licht- und Bühneneffekte investiert zu haben. Zahlreiche Strahler und Lichtquellen stehen auf der Bühne und sorgen im darauffolgenden Gig für eine perfekt durchleuchtete, stilvolle Show – auch ohne Pyros.

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Verheiratet mit seiner Gitarre und dem Wort Fuck: Alexi Laiho (CHILDREN OF BODOM)

Nicht, dass die Finnen es nötig hätten, vom Spielerischen irgendwie abzulenken. Denn spielen konnten CHILDREN OF BODOM schon immer – auch als sie noch in der Billingmitte eines Metalpackages durch Europa tingelten und sich gestandene Metaller darüber stritten, ob man sie jetzt gut finden dürfe oder nicht, weil sie zu viele Keyboards hätten und Alexi zu gut aussähe. Tight, präzis und mit viel Spielfreude solieren, riffen und rasen CHILDREN OF BODOM durch ihre Songs, wobei sie darauf achten, einen ausgewogenen Querschnitt durch ihre umfangreiche Diskographie abzuliefern. Egal ob neuere Songs (etwa Blooddrunk), rotes Something Wild-Material oder Bed Of Razors und Downfall aus den grünen Hatebreeder-Zeiten – die (zumeist) jungen Fans scheinen alle Songs der Finnen zu lieben und drücken ihre Zuneigung auch entsprechend aus.

Ausdrücken tut sich auch der scheinbar unermüdliche Alexi Laiho. Zum einen liebkost, soliert und kommuniziert er mit seiner Gitarre, dass der Grossteil des weiblichen Publikums wohl am liebsten auf der Stelle mit seiner ESP Klampfe tauschen würde (abgesehen von den Fucked with a knife-Fanfrauen, denen solche Wünsche zu girliemäßig sind). Zum anderen hat Laiho offenbar seinen Wortschatz etwas erweitert – statt Fuck Fuck Jaujau scheint insbesondere das Wort Motherfucker seine Liebe für sich gewonnen zu haben. Die Ansagen klingen dementsprechend und würden in den USA eine wahre Pieptonorgie auslösen. Diese Art der Orgie scheint der finnische Fronter wohl auch zu bevorzugen, was er auch visuell mit seinem Oberarmtattoo (End of fucking story) klar macht.

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Trinkt mit links: Janne (CHILDREN OF BODOM)

Leider fällt der neuen Motherfucking-Orientierung der ultimative Jaujau-Song Children Of Bodom zum Opfer, aber das wäre dann auch schon der einzige Minuspunkt an diesem Gig. Mit viel Bewegung, klasse Bühnenpräsenz und schlicht und ergreifend eigenständig-geilen Songs machen CHILDREN OF BODOM klar, dass sowohl ihr altes wie auch ihr neues Material zu überzeugen weiß. Cool trinkt Keyboarder Janne mit links ein Bier, während er mit der rechten Hand melodiöse Läufe spielt und stimmt gegen Ende des Sets sogar die BON JOVI-Runaway-Keyboardline an, welche Alexi Fuckfuckjaujau Laiho jedoch lediglich zu einem Kommentar zur amerikanischen Band motiviert, aber zu keiner spannenden Coverversion führt.

Überzeugen tut ihr Gig in jeder Hinsicht – von der ersten bis zur 90. Minute. Zahlreiche Tore, viel Bewegung, viel Power – CHILDREN OF BODOM sind für die Bühne gemacht und wissen mitzureissen. Selbst Skeptiker müssen am Ende zugeben, dass die ungewöhnliche Kombination CHILDREN OF BODOM + CANNIBAL CORPSE funktioniert und für einen gelungenen Konzertabend mit vielen neuen Begegnungen sorgt. Tiptop!

Fotos und Titelgraphik: Andreas Szabó
Layout: Arlette Huguenin D.

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