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DISMEMBER – 20 Years Anniversary Show, Debaser Medis, Stockholm: 22.11.2008

Minusgrade, Schnee und eisige Winde halten weder Gäste aus Übersee noch lokale Death Metal-Größen davon ab, an diesem frostigen Novemberabend in das todesmetallische Mekka zur Huldigung DISMEMBERs zu reisen.
 

Wenn DISMEMBER ihr 20 Jahre-Jubiläum feiern, dann kommen sie alle nach Stockholm. Minusgrade, Schnee und eisige Winde halten weder Gäste aus Übersee noch lokale Death Metal-Größen davon ab, an diesem frostigen Novemberabend in das todesmetallische Mekka zur Huldigung DISMEMBERs zu reisen. An der Garderobe entledigt man sich also des Mantels, der Handschuhe und sämtlicher wärmender Schichten, um sich in das bunte Getümmel des Debaser Medis Clubs zu stürzen. Am Merch-Stand gibt es für 160 SEK das T-Shirt zu erstehen, das speziell für diesen Anlass von WATAIN-Fronter Erik kreiert wurde. Ein rottender Kopf mit viel old school-Charme ziert das Shirt und trifft den Geschmack der Anwesenden wie der Nagel auf den Kopf. Gleiches gilt auch für die DJ-mäßige musikalische Untermalung, welche von Nicke Andersson (DEATH BREATH) und Peter Stjärnvind (NIFELHEIM) gleichermaßen old-schoolig korrekt übernommen wird und keine Wünsche offen lässt.

Jenseits der Garderobe dann angeheitertes Gewimmel. Edel-klassizistisch die Einrichtung fernab zugiger Jugendkeller. Zwei Bars locken mit gewohnt hohen Alkoholpreisen, was die Schweden wie immer nicht vom Feiern abhält. Im Saal ein hoher roter Vorhang, der den eleganten Eindruck der Location noch verstärkt. Inmitten des schwedischen Geschnatters trifft man nicht nur auf den Swedish Death Metal-Autor Daniel Ekeroth, sondern auch auf den stadteigenen (Todes)metalladel aus den Häusern ENTOMBED, GRAVE, NECROPHOBIC, MORPHEUS, OPETH, DEMONICAL, CENTINEX, NIFELHEIM oder WATAIN – und alle sind sie da, um diese außergewöhnliche chronologische Vorstellung DISMEMBERs zu genießen.

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Seliger DISMEMBER-Gründer: Drummer Fred Estby

Vorbands gibt es denn auch keine, stattdessen führt schon der Bühnenaufbau zu Begeisterung. Hinter dem Kit eine Leinwand mit dem Design für den heutigen Abend, links und rechts vom Kit zwei Flaggen mit den Worten Death Metal, die genausogut als Synonym für DISMEMBER gelten können. Und diese beginnen ihre Show historisch authentisch als Trio – Fred Estby, David Blomqvist und Robert Sennebäck entern die Bühne kurz nach neun und werden frenetisch begrüßt. Die Leinwand führt die Namen der Elchtod-Gladiatoren inklusive alter Schnappschüsse und stilvoller Bilder von Blut, The Exorcist-Szenen und Kriegen auf und Publikumsjubel empfängt die Musiker.

Dann ertönt er endlich, der unvergleichbare DISMEMBER Moder-Gitarrensound, der alle Frickelschöngeister vor Schreck erstarren lässt. Den Todeshieb versetzt ihnen dann die Darbietung des Dismembered-Demomaterials, das sowohl mit Death Evocation als auch mit Substantially dead berücksichtigt wird. Die Backdrop-Leinwand zeigt das herrlich kultige Cover und lässt Nostalgiegefühle aufkommen. Diese äußern sich jedoch nicht in wehmütigen Erinnerungen an die Zeiten, in denen es Tapes statt Mp3s gab, sondern in einem Publikum, das vom ersten verzerrten Ton an voll abgeht. Zielstrebig führen DISMEMBER die Meute weiter zum zweiten Demo Last Blasphemies, welches mit Deranged from Blood gewürdigt wird. Visuell wird die mitreißende Vorstellung mit antichristlichen Bildern untermalt, welche die frühere Ausrichtung der Texte optimal ergänzt.

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Der Mann mit dem blutrünstigen Granne: Matti Kärki

Dann der berühmte Satz – I love the smell of Napalm in the morning. Das Publikum skandiert Matti, Matti, Matti und die Band rüstet sich zur Line Up-Aufstellung des 1991er Meisterwerkes Like an everflowing stream. Die Atmosphäre – Verdunkeln der Bühne, audiovisuelle Intermezzo-Unterhaltung – hat etwas Threatralisches, man wähnt sich im Magischen Theater, das einen ganz für sich gefangen nimmt. Und Herr dieser Show ist nun kein geringerer als Matti Kärki. Dank Rickard zum Quintett angewachsen widmen sich die Schweden Override of the Overture, Soon to be (fucking) dead und dem augenzwinkernd als En låt om min granne (ein Lied über meinen Nachbarn) angekündigten Skin her (fucking) alive. Mit gehörig Dismembered-Stimmung im Publikum fühlt man sich dank der überzeugenden Performance der Band als wäre es tatsächlich 1991.

Nach einem Abstecher zu Pieces wird mit nicht minder großer Energie dann zum Indecent & Obscene-Hit Dreaming in Red und zu Skinfather abgerastet, es formiert sich gar ein Pit, der scheinbar keine Altersgrenzen kennt. Überhaupt strafen die Anwesenden sämtliche Klischees von reservierten, stillen Schweden Lügen und die Begeisterung macht auch nicht vor NIFELHEIM-Bassist Tyrant Halt, der sich ebenfalls im Publikum verausgabt. Halt macht auch nicht die DISMEMBER-Zeitmaschine, die nun ins Jahr 1995 vorstößt, um mit Collection by Blood die Massive Killing Capacity-Tage aufleben zu lassen.

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Schwedischer Death Metal at its best: Johan und David (DISMEMBER)

Wem die stilistische Ausrichtung des Abends noch nicht aufgefallen wäre, der bekommt jetzt dank der Präsentation des 1998er Albums Death Metal Gewissheit und schüttelt die Birne zu Songs wie Stillborn Ways und Killing Compassion. Mit einem weiteren Line Up-Abtausch – Magnus Sahlgren und Sharlee D`Angelo werden eingewechselt – braten DISMEMBER die Jahrtausendwende ein und spielen Patrol 17 und den Titeltrack des damaligen Albums Hate Campaign. Lautstark begrüßt die Meute daraufhin den Bassistenwechsel zum blonden Hünen Johan Bergebäck, der sonst bei NECROPHOBIC und NIFELHEIM in die Gitarrensaiten greift. Dieser fühlt sich mit seiner Bassklampfe sichtlich wohl und feuert das ohnehin unermüdliche Publikum zu weiterer Aktivität an. Grund genug dafür liefert die Band mit Tragedy of the Faithful und dem Titeltrack von Where Ironcrosses Grow.

Auch Time Heals Nothing und Autopsy vom The God That Never Was-Werk stoßen auf positivie Resonanz und mit dem aktuellen Line Up wechseln DISMEMBER dann zum aktuellen, selbstbetitelten Album. Dieses kommt mit The Hills Have Eyes, Under A Bloodred Sky und Death Conquers All ebenfalls wuchtig zum Zug. Das Publikum ist ob dem Marathon nicht erschöpft, sondern kollektiv weggeblasen und fordert lautstark mehr – Ankunft im Jahr 2008 hin oder her. Zu fantastisch die Erinnerungen, zu leidenschaftlich die Band, zu unglaublich die Stimmung dieses todesmetallischen Traumkonzerts.

Und so holen DISMEMBER zu einer Zugabe aus, welche nochmals klar macht, weswegen die Stockholmer Band seit 20 Jahren eine Macht ist. Sämtliche ehemaligen und gegenwärtigen Mitstreiter entern die Bühne, um gemeinsam Casketgarden runterzurotzen. Geballte Gitarren- und Basspower, verzerrte Visionen und ein Menge, welche verschworen und frenetisch Casketgarden brüllt. Band und Publikum schaukeln sich gegenseitig hoch und niemand kann sich diesem Sog entziehen. Frei nach dem eigens getexteten I love to hear you scream dankt Matti den Anwesenden und so findet ein gleichermaßen intimes wie auch denkwürdiges Konzert sein Ende. Atemberaubend.

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Fotos und Layout: Arlette Huguenin D.

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