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NIFELHEIM, WATAIN, IMPIETY, SPEARHEAD: Gloria, Helsinki (FI): 27.09.2008

Klar, dass man nach dem Turku-Gig von NIFELHEIM, WATAIN, IMPIETY und SPEARHEAD dasselbe am darauffolgenden Abend nochmals sehen will – einfach in Hel(l)sinki.
 

Der Nachtbus, der um 3 Uhr morgens in Turku abfährt, trifft um halb sechs in der Früh in Helsinki ein. Eigentlich eine willkommene Gelegenheit, sich schlafend von der schwarzen Messe in Turku zu erholen, zumal die fast beängstigend stillen Finnen den Bus wie ein einziges Ruheabteil beziehungsweise die Soundkulisse eines Kaurismäki-Films erscheinen lassen. Doch nach einer Stunde ist der Frieden vorbei, denn irgendwo im finsteren Finnennirgendwo steigt doch tatsächlich die einzige finnische Frau ein, die ununterbrochen spricht. Ein finnisches Halt die Fresse hält sie nicht von ihrem Tun ab. Merkwürdigerweise erweist sich auch der Busfahrer als Person mit einer Affinität zu mehrsilbigen Antworten. Der Schlaf muss also anderweitig nachgeholt werden.

Gegen halb neun Uhr abends erblickt man dann im Zentrum der finnischen Hauptstadt die schwarze Schlange, die sich vor dem Club Gloria gebildet hat. Ein Blick auf die Plakate beweist, dass das ehemalige Kino inklusive rotem Plüschinterieur offenbar nicht nur Austragungsort für metallische Klänge ist, sondern hier auch zu Techno und Goa abgefeiert wird. Nun denn – heute nicht. Die finnischen Metaller nutzen die Zeit bis zur Türöffung zum alkoholischen Präventiverstschlag mit dem Ziel, drinnen möglichst wenig konsumieren zu müssen. Irgendwann erhält der unfreundliche Türsteher dann Gesellschaft von einem finnischen Polizisten, der jedoch bald wieder abzieht. Eben dieser Türsteher verhält sich allerdings auch komplett atypisch, indem er englischsprachige Personen komplett ignoriert und offenbar nur Finnisch und Schwedisch-sprechende Individuen wahrnimmt. Offenbar ist die Qualität des gesprochenen Schwedisch hierbei komplett irrelevant und so kommt man auch mit einem Sumpftroll-Akzent endlich zur Kasse.

 SPEARHEADHelsinkivonArletteHuguenin
 Technisch ambitioniert: SPEARHEAD

Kurz nach neun – die Anstehenden sind noch nicht alle im wohlig-edel ausgeleuchteten Club – beginnen SPEARHEAD ihr Set. Die 2005 gegründete britische Formation ist zusammen mit IMPIETY auf Europatour und eröffnet erneut den nächtlichen Schwarzmetallreigen. Songtechnisch werden sowohl Decrowning the Irenarch als auch das Debüt Deathless Steel Command berücksichtigt. Herber Death / Black Metal wird von der jungen Truppe geboten. Mal chaotisch, mal technisch versiert, dann wieder mit schleppenden Parts um Abwechslung bemüht. Das Drumkit fällt mit dem eher künstlich wirkenden Klang negativ auf, doch dafür wirft Gitarrist Nephilim einige wundervoll perlende Soli in die positive Waagschale für SPEARHEAD. Das Publikum scheint mit der zeitweise wirren Schroffheit überfordert und die Engländer können lediglich artigen Achtungsapplaus einheimsen. Dies liegt sicherlich auch daran, dass Schwächen im Songwriting dem Quartett (noch) die nötige Live-Energie klauen. Trotzdem, als Eröffnung geht der Auftritt in Ordnung.

 IMPIETYHelsinkivonArletteHuguenin
 Exotische Raubeine: IMPIETY

IMPIETY hingegen können schon auf den Support von einer größeren Meute bauen, in der auch mehrere Die Hard-Anhänger der kultigen Exotenformation auszumachen sind. Überhaupt fällt die durchmischte Fanschar auf – humorfreie Corpsepaintträger gibt es keine, stattdessen steht ein Irokesenschnitt-Punk mit PRIMORDIAL-Shirt neben einem pickligen 18jährigen, der offenbar in der 80er-Jahre Nostalgie hängengeblieben ist und weiße Turnschuhe, Jeanskluft, HIRAX-Shirt und Sonnenbrille à la Don Johnson als passendes Tenü auserkoren hat. So oder so, die Publikumsreaktionen auf IMPIETY sind wesentlich leidenschaftlicher und lauter als diejenigen auf SPEARHEAD.

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 Keine Kompromisse: IMPIETY

So nutzen die Asiaten ihren seit 1990 aufgebauten Kultstatus passend aus und führen mit viel old schooliger Raubeinigkeit durch ihre umfangreiche Discographie. Egal ob neues Material wie At War With Temujin von der 2008er-EP Dominator oder das leicht ältere Reign The Vulture vom 2007er Release Tormentors of Tijuana – IMPIETY brettern durch ihre Songs nach dem Motto Possessed by supersonic satanic speed und reissen damit das finnische Publikum mit. Die im Vergleich zum Vorabendgig in Turku bessere Soundqualität kommt der Brachialität der Band entgegen und kombiniert mit kompromissloser Attitüde erweisen sich ihre Old School-Kracher mit einer Spur SARCOFAGO-Atmosphäre als wesentlich effektiver als die wirren Songs der Vorband. Völlig zurecht sahnt das Quartett mehr als ordentlich Applaus ab und in mancher finnischer Kehle weicht die Schweigsamkeit einem bestialischen raaaaah-Ausruf, getränkt von blasphemischer Bitterkeit. Doch auch schwedische Fans lassen sich im nunmehr dichteren Publikum ausmachen – die toxischen Zwilinge von NIFELHEIM sind von IMPIETY ebenfalls angetan und absolvieren ihre antichristliche Aufwärmrunde.

 WATAINHelsinkiErikvonArletteHuguenin
 Charismatischer Frontmann: Erik

Danach ist es wieder Zeit für die WATAIN-Umbaupause. Mittlerweile hat sich auch die edle Empore mit Metalheads gefüllt, die sich überwiegend in den bequemen Plüsch-Sesseln fläzen, der ernsten Beschäftigung des Trinkens nachgehen und so die Bands des Abends genießen. Zudem verfügt das Gloria an den Emporenseiten über Theaterlogen mit eigener Zugangstür, die einen unmittelbar an die Zeiten des Abraham Lincoln-Attentats denken lassen. Gerüchten zufolge soll der WATAIN-Fronter beim Tampere-Gig einem ganz anderen Attentat gedacht und einen Song dem finnischen Amokläufer gewidmet haben – allerdings lässt der Verzicht auf diese Art der Provokation am Turkugig darauf schließen, dass die Schweden auch an diesem Abend wohl ohne Boulevard kompatibles Beigemüse auskommen werden. Denn eigentlich brauchen sie es nicht. Feierlich werden die Kerzen und Fackeln angezündet, es knistert im Raum. Eine Sprite-Flasche mit verrottetem Schweineblut wird auf die Bühne gestellt, der Deckel entfernt und der süße Todesduft schleicht leichtfüssig in die ersten Reihen. Als sich das riesige Backdrop erhebt, als wäre es ein Drache, der seine Flügel entfaltet, applaudiert das Publikum spontan und skandiert WATAIN, WATAIN.

 WATAINHelsinkivonArletteHuguenin
 Blut, Bass, Beelzebub: WATAIN

Auch das Intro wird mit Applaus bedacht und wiederum findet der WATAIN-Einzug statt. Bezüglich der Setliste und der Show halten sich die Schweden an die am Vorabend gezeigte Performance. Fronter Erik kniet nieder, nimmt sein Mikrophon, und mit einer geballten Ladung Leidenschaft und Feierlichkeit beginnen WATAIN ihre Zeremonie. Mit Legions of the Black Light beginnt das Set, doch auch die anderen Songs des aktuellen – und noch immer superben – Albums Sworn to the Dark werden ausgiebig zum Besten gegeben. Wie immer bekommt die Zeile Into the starless night, I follow the stench des starken Satan`s Hunger eine weitere Bedeutungsdimension, da WATAIN auch hier im Gloria ihren eigenen Duft verströmen. Und doch fühlt sich dieser Gig anders an als derjenige in Turku. Die Lüftung im Gloria ist besser, die Umgebung eleganter, die Bühne größer und das Publikum besteht nicht zum größten Teil aus lokalen Jungmännern. Klar kommt der bessere Sound dem musikalischen Aspekt von WATAIN zugute und die Stampfriffs fahren genauso ein wie die Gitarrenmelodien, die sich sofort in den Gehörgängen festhaken.

Die Band profitiert zudem von der größeren Bühne – Positionswechsel sind möglich und die Schweden machen Gebrauch davon. Trotz der geräumigeren Bühnenverhältnisse streift Fronter Erik einmal beim Verlassen der Bühne fast die Requisitensense. Doch solche kleine Störungen werden gekonnt überspielt und der schmale Fronter erweist sich einmal mehr als packender, charismatischer Höllenpriester. Wiederum wird Stellavore mit der Pyro-Show angereichert und WATAINs Auftritt wird zu einem wahren Ritual, das von Erik mit dem Ausruf Hail Satan beschlossen wird. Eine tolle Performance und ein ganz klarer Hinweis darauf, dass WATAIN mittlerweile definitiv in die erste Liga des schwedischen Black Metals aufgestiegen sind.

 NIFELHEIMHelsinkiVengeancefBeyondvonArletteHuguenin
Soli für Satan: Vengeance from Beyond (NIFELHEIM)

Schon länger in dieser ersten Liga sind natürlich NIFELHEIM. Und ja, ihr Sound scheut Innovationen wie der Teufel das Weihwasser und die Nietennagelsammlung wird ebenfalls weder farblich aufgepeppt noch großartig variiert. Aber NIFELHEIM sind einfach genial so wie sie sind, jeder Nagel, jede Niete, jeder Ton ist dort, wo er zu sein hat und man kann weder etwas dazufügen noch wegnehmen, ohne das Gesamtkunstwerk zu zerstören. Gleichzeitig sind die schwedischen Satansbraten mit dem Geist des Rock`n`Roll gesegnet. Steifes Herumstehen und pseudoelitäres Geschwafel gibt es hier nicht, und das weiß das mittlerweile heiß gewordene Publikum auch, als es anfängt, die NIFELHEIM, NIFELHEIM und Satan, Satan-Chöre von sich zu geben.

Mit einem bombastischen Intro zum Soundtrack entern NIFELHEIM weit nach Mitternacht die große Bühne. Wieder ist das deftige Infernal Flame of Destruction der Opener, der sowohl Auftritt wie auch das Meisterwerk Envoy of Lucifer eröffnet. Die Menge ist von der ersten Sekunde an komplett von der Rolle. Frenetisch wird gebangt, Hände recken sich zum Teufelsgruß, es wird gedrängelt, gewuselt und geschrien. Offenbar fühlen sich die Finnen in den ersten Reihen der Apokalypse so nahe, dass sie sogar ihren Alk ob der blasphemischen Bande aus dem Nachbarland vergessen.

 

 NIFELHEIMHelsinkiInsultervonArletteHuguenin
Teufelstrommler: Insulter of Jesus Christ! (NIFELHEIM)

Unerbittlich treibt Insulter of Jesus Christ seine vier Mitstreiter an und Songs wie Sodomizer total ab. Der Bass-Sound von Tyrant fällt an diesem Abend ebenfalls qualitativ besser aus und macht nicht nur die Darbietung von Storm of the Reaper zur absoluten Weltklasse. Der Reaper ist es denn auch, der als riesenhafte Gestalt über das Treiben auf der Bühne wacht. Die weißen Strahlen aus seinen Augen erhellen das Drumkit nur leicht, sind aber der unheimlichen, kultigen Atmosphäre enorm zuträglich.

Wie auch bei WATAIN profitieren NIFELHEIM sowohl von besserem Sound als auch von der größeren Bühne. Dies motiviert nicht nur die beiden Gitarristen Apocalyptic Desolator und Vengeance from Beyond dazu, häufig ihre Positionen auf der Bühne zu wechseln und so möglichst allen Fans mal ganz nahe zu sein. Diese feiern sämtliche NIFELHEIM-Mitglieder fanatisch ab. So lässt es sich Vengeance from Beyond nicht nehmen, seine neue Gibson Flying V ganz nah ans Publikum zu bringen und so beinahe den Anschein zu erwecken, ein Bad in der Menge zu nehmen.

 

 NIFELHEIMHelsinkiHellbutchervonArletteHuguenin
 Blasphemischer Botschafter: Hellbutcher (NIFELHEIM)

Die Nähe zu den Fans sucht denn auch Fronter Hellbutcher, der unermüdlich auf der Bühne herumtigert und eins zu sein scheint mit seiner imposanten Metallsammlung, die er wie einen Panzer auf seinem Körper trägt. Immer wieder krallt er die Hände zusammen, scheint all seine Leidenschaft in seine Faust zu packen, nur um sie dann mit stilvollem, schwarzmetallischen Kreischen aus sich hinauszuschleudern. So schaukeln sich Band und Publikum gegenseitig hoch in eine wahre Feier aus Blasphemie, Satanssympathie und Fuck You-Einstellung. Die Zeit scheint mit infernalischer Geschwindigkeit davonzufliegen, denn mit dem epischen No more life ist das Ende des NIFELHEIM-Gigs erreicht und die Truppe verlässt von bebenden Beifall begleitet die Bühne.

Mittlerweile hat man völlig vergessen, dass man im ach so schweigsamen Finnland zugegen ist, denn die Zugaberufe sind unerbittlich und werden mit einer Spirit of the Winter War-Kondition durchgezogen. Und NIFELHEIM kommen wieder – und geben insgesamt sagenhafte sechs Zugaben. Aber wer will eine Band schon nach Gates of Damnation oder Storm of Satan`s Fire gehen lassen? Eben. Auch das old schoolige Unholy Death wird von den Finnen heiß geliebt, doch mit The Final Slaughter beschließen die Schweden dann definitiv ihr gelungenes Auftrittsinferno. Und wiederum kann man nur begeistert brüllen: Schweißtreibend, satanisch, sensationell – NIFELHEIM!

 NIFELHEIMhelsinkiapocalypticvonarlettehuguenin

Fotos & Layout: Arlette Huguenin D.

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