ANATHEMA: Hindsight

Neun Lieder von den letzten vier Alben wurden von ANATHEMA in ein größtenteils von der Akustikgitarre und Vincents leidenschaftlicher Stimme bestimmtes Klangbild transferiert – auf gelungene Art und Weise, denn "Hindsight" stellt eine nahezu religiöse Erfahrung für Musikgläubige dar, bei der man am liebsten weinend und begeistert zugleich auf die Knie sinken möchte.

Die Schönheit des Dunklen. Schlichte, unprätentiöse, ergreifende Ästhetik der Melancholie. Das ist es, was ANATHEMA-Fans von einer Akustik-Platte ihrer Heroen erwarten, nichts weniger als das. Und die Liverpooler liefern mit Hindsight genau diese meditative Balance zwischen stürmischen Wolken und einem einzeln hervorbrechenden Sonnenstrahl, ohne in Kitsch abzudriften. Neun Lieder von den letzten vier Alben wurden von den Cavanaghs und ihren beiden Mitmusikern in ein größtenteils von der Akustikgitarre und Vincents unnachahmlicher Stimme voller Leidenschaft bestimmtes Klangbild transferiert. Das mag auf den ersten Blick angesichts der sehr sanften Ausrichtung der jüngeren Bandgeschichte und der behutsamen Auswahl eh schon nicht gerade heftiger Songs alles andere als revolutionär anmuten, doch die Band geht dabei derart geschickt vor, dass Hindsight weitaus mehr als nur ein verkapptes Best-of-Album mit vergessenem Verzerrer darstellt. Die Lieder werden bis auf ihren Kern reduziert, es bleiben Harmonie und Melodie in ihrer reinsten Form übrig. Hier und da greifen ANATHEMA wie bei Inner Silence auf Cello und Klavier zurück, da wird auch mal der akustische Rahmen gesprengt und eine verhaltene E-Gitarre darf leidend im Hintergrund erklingen. Dabei wird deutlich, welche emotionale Kraft in den Songs lauert. Klar, schon die Originale strotzten nur so vor ehrlichem Gefühl, viele bleiben auch unerreicht, aber in dieser Dichte unsterblicher Melodien von Fragile Dreams bis Are You There? bleibt dem Hörer keine Verschnaufpause, ANATHEMA rütteln ihn auf, zeigen ihm alles Elend dieser Welt, nur um kurz darauf wieder einen kurzen Blick durchs Schlüsselloch der erhabenen Ewigkeit zu gewähren. Somit stellt Hindsight eine – wie an der Wortwahl bereits erkennbar – nahezu religiöse Erfahrung für Musikgläubige dar, bei der man am liebsten weinend und begeistert zugleich auf die Knie sinken möchte. Fast schon blasphemisch muten da schon Überlegungen an, dass die Herausforderung, ein oder zwei der ebenfalls genialen Deathdoom-Frühwerke in diesen Kontext zu integrieren, gescheut wurde und dass das ebenfalls enthaltene neue Unchained (Tales Of The Unexpected) nicht die Klasse des restlichen Materials beziehungsweise der bereits kursierenden neuen Songs Everything und A Simple Mistake besitzt. Unterm Strich bleibt ein Album von zeitloser Schönheit, das mühelos über den Niederungen stilistischer Grabenkämpfe und kommerzieller Selbstdarstellungen schwebt und einen wieder an das Gute im Musiker glauben lässt.

Veröffentlichungstermin: 29.08.2008

Spielzeit: 52:44 Min.

Line-Up:
Danny Cavanagh – guitars
Vincent Cavanagh – vocals, guitars
Jamie Cavanagh – bass
John Douglas – drums
Les Smith – keyboards
Label: K-Scope/Snapper

Homepage: http://www.anathema.ws

MySpace: anathema@anathema.ws

Tracklist:
Fragile Dreams
Leave No Trace
Inner Silence
One Last Goodbye
Are You There?
Angelica
A Natural Disaster
Temporary Peace
Flying
Unchained (Tales Of The Unexpected)

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