CULT OF LUNA: Somewhere Along the Highway

Laut, leise, sanft, brutal, alle erdenklichen Stimmungen werden homogen miteinander verbunden und erschaffen ein Album, das ausgewogener, gefühlvoller, intensiver und kreativer nicht sein könnte.

Auch wenn dieses Album erst vor zwei Jahren erschienen ist, es ist absolut sicher, dass mich dieses unglaubliche Stück Musik bis an das Ende meiner Tage begleiten wird, ebenso wie die Erinnerung an die äußerst aufregende Zeit, die ich erlebte, als dieses Meisterwerk herauskam. Vielleicht wird das folgende deshalb nun sehr subjektiv, aber dennoch glaube ich, dass dieses Album mich zu jedem anderen Zeitpunkt meines Lebens ebenso berührt hätte. Wurde es damals nicht besprochen wegen Voice-Overs auf der Promo, so bin ich heute unglaublich froh, mir diese nicht angehört zu haben und dass der Eindruck des Albums so rein und pur ist, wie diese Musik eben ausgerichtet ist.

Somewhere Along the Highway markiert die vorläufige Spitze der Kreativität der Schweden CULT OF LUNA, welche mit ihren Vorgängeralben bereits Großes vollbracht hatte. Das vierte Werk des Kollektivs aus Umea zeigt die Band konsequent, logisch und durchdacht arbeitend. Kleinere Fehler von Salvation wurden ausgemerzt, die Songs sind epischer, dynamischer, schöner und emotionaler, dabei ist die für die Band typische Härte erstmals variiert. Hauptsächlich wegen der sehr erdigen und natürlich belassenen Produktion, die so viel Raum und Gefühl beinhaltet, dass man sich in dieser Platte wahnsinnig gut verlieren kann. Aber auch die Gitarren zeigen weniger Hard- und Noisecore typische Härte, die Riffs sind aber dennoch teils sehr offen, dissonant und brachial.

Das steht jedoch nicht im Vordergrund. Denn das Album beginnt mit dem schönsten Auftakt seit Times of Grace von NEUROSIS: Marching to the Heartbeats. Leise, mit wunderbaren, weichen Gitarren, öffnet sich diese Stunde Musik mit unglaublicher Anmut, entführt den Hörer sofort in eine absolut einzigartige Welt. Durch den leisen Gesang wird eingetaucht in die wunderschöne Welt entlang des Highways, dass sich dann mit dem mächtigen Finland in die Vollen legt. Stampfend, laut und krachend ist dies das genaue Gegenteils des Openers. Dennoch fällt dieses Stück niemals in das Raster der voran gegangenen Werke zurück, sondern definiert den schwammigen Terminus Post Hardcore völlig neu und ist schwerstens originell. Dieses Stück war damals das, in welches ich am schwersten reingefunden habe. Heute ist es, dank seiner unglaublichen Wandlungsfähigkeit, einer meiner Lieblingsongs auf diesem Album.

Diese emotionale Achterbahnfahrt wird fortgesetzt mit dem herrlichen Back to Chapel Town, das ein wunderbar schönes Intro hat und sich ein wenig umständlich in das Herz des Hörers begibt. Das macht jedoch gar nichts, denn hier merkt man, ebenso wie bei Thirtyfour, dass CULT OF LUNA nicht den einfachen Weg des Schönklangs wählen und sich stattdessen der Herausforderung des intelligenten Songwritings stellen und die harte Aufgabe mit Bravour meistern, auch wenn diese Nummern nicht immer erträglich sind. Für das Gesamtbild von Somewhere Along the Highway sind diese, wohl mit der größten Dynamik ausgestatteten Stücke, unverzichtbar. Ebenso das sehr ruhige Interlude And With Her Came the Birds, das da ist um Luft zu holen, um sich nochmals umzusehen, dass wie Öl runter geht, das für eine Atempause sorgt. Belanglos ist das großartige Stück jedoch ganz bestimmt nicht.

Das Finale dieses Meisterwerks besteht aus zwei sehr langen Songs, zusammen fast eine halbe Stunde lang, die sich ergänzen, der Geschichte ein Ende geben, welches bittersüßer nicht sein könnte. Wenngleich das ganze Album von langen instrumentalen Passagen durchzogen ist, Dim kommt überdimensional lange ohne Gesang aus, was jedoch zur Folge hat, dass sich dieses Stück würdig entfalten kann und sich so lange steigert, bis man vor Glück weinen möchte. Gegen Ende explodiert diese Nummer und reißt alles mit sich. Zweifellos, einer der besten Songs, die ich jemals gehört habe. Vor dem folgenden Dark City, Dead Man gibt es eine ernorm Spannung aufbauende, elektronische Brücke, die bestens funktioniert. Diese entlädt sich dann in einem der besten Abschlusssongs überhaupt, der in zwei Blöcken, wie eine dicke Zementwand den Hörer zerquetscht. Das schmerzt nicht, das tut verdammt gut. Und vor allem, wenn CULT OF LUNA am Ende des Stücks nochmals alle Register ziehen, wird deutlich, wie talentiert diese Band eigentlich ist und was sie mit dem Hörer anrichten kann. Ich habe mich schon einige Male morgens am Bahnhof zurück halten müssen, nicht lauthals mitzubrüllen.

Musikalisch haben sich CULT OF LUNA mit diesem Album sicherlich weniger weiter entwickelt, als auf Salvation, die Kanalisierung der Ideen ist allerdings deutlich homogener. Was leise sein muss, ist auch wirklich leise, was laut gehört, lässt den Kopf zerplatzen. Die Schweden sind dennoch deutlich ruhiger als auf den letzten Alben, sind sehr dem Postrock zugewandt, weshalb auch Klas Rydberg recht selten mit seiner brutalen Stimme auftrumpft. Dafür gibt es im Bereich der Gitarren enorm viel Tiefe zu bestaunen, zahlreiche übereinander gelegte Spuren wirken zum Glück nicht stressig oder konfus, viel mehr merkt man hier, wie viel Liebe zum Detail in diesem Album steckt. Das sieht man auch an den großartig eingesetzten, sehr dezenten Synthesizern, welche die Musik extrem hypnotisch klingen lassen.

Das Drumming ist hervorragend, sehr minimalistisch und erdig, passt aber mit dem wuchtigem Bass perfekt zu der wunderbar natürlichen Produktion. Das heftige Geschrei von Klas Rydberg ist verflucht intensiv, ebenso der leise Backgroundgesang, jeder auf seiner ganz eigene Art und Weise. Und hier sind wir bei der Kunst dieses Albums. Laut, leise, sanft, brutal, alle erdenklichen Stimmungen werden homogen miteinander verbunden und erschaffen ein Album, dass ausgewogener, gefühlvoller, intensiver und kreativer nicht sein könnte. CULT OF LUNA brillieren von Anfang bis Ende und diese Euphorie lässt auch nach über zwei Jahren nicht nach. Genau deshalb eine meiner absoluten Lieblingsscheiben, die den Großtaten von NEUROSIS und ISIS in nichts nachsteht und absolut zurecht in dieser Rubrik steht.

Veröffentlichungstermin: 24. April 2006

Spielzeit: 64:40 Min.

Line-Up:
Klas Rydberg – Vocals
Johannes Persson – Guitar, Vocals
Erik Olofsson – Guitar
Fredrik Kihlberg – Guitar, Vocals
Andreas Johansson – Bass
Magnus Lindberg – Drums
Anders Teglund – Keyboards, Electronics

Produziert von CULT OF LUNA
Label: Earache Records

Homepage: http://www.cultofluna.com

Tracklist:
1. Marching to the Heartbeats
2. Finland
3. Back to Chapel Town
4. And With Her Came the Birds
5. Thirtyfour
6. Dim
7. Dark City, Dead Man

Total
0
Shares
WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner