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NOCTURNO CULTO: The Misanthrope [DVD]

Verschroben-genial und schwer in Worte zu fassen…

In den Zeiten der vielwinklig gefilmten, hektisch geschnittenen und mit allerlei Zusatzmaterial versehen Musik-DVDs fällt es schwer zu glauben, dass sich DARKTHRONEs Nocturno Culto den herrschenden Spielregeln unterwirft und mit dem eigenen Bandportrait brav in die Show miteinstimmt. Stattdessen führt der Norweger sein Publikum auf skurrilen Wegen durch sein verschrobenes Leben, in welchem ein Trip nach Tokyo, Wanderungen durch verschneite norwegische Wälder und Momentaufnahmen aus dem DARKTHRONE-Bandleben in friedlicher Koexistenz zusammenleben.

Für diese Reise verzichtet Nocturno Culto sowohl auf knallige Effekte als auch auf eine rigide strukturierte Reiseroute. Wer sich auf The Misanthrope einlässt, muss sich wirklich darauf ein – LASSEN, also loslassen, das Denken ausschalten und sich treiben lassen. Gefilmt wird meist mit der Handkamera, hier und da kommen insbesondere in den Waldstreifzügen Erinnerungen an die experimentelleren Waldpassagen aus David Lynchs Twin Peaks auf. Manchmal setzt Nocturno Culto in diesem Zusammenhang auch Überblendungen ein – schemenhaft erkennt man Fenriz` Drumkit, eine Holzhütte. Dann Nocturno Culto selbst, mal mit antiquarischen Skis unterwegs, dann einen Sarg hinter sich herziehend – ein kurzer Gedanke an den fahrenden Sarg in BECKs Loser-Video flackert auf. Ob farbig oder schwarzweiß, eher traditionell oder experimentell gefilmt – die Natur erscheint als Gefäß, wo mehr möglich ist, als es die Rationalität zulässt. Und manchmal erscheint sie auch fast schon als Stillleben, als Hügelkamm, über den kaum merkbar der Wind den Schnee weht. Musikalisch setzt der Norweger in diesen Naturpassagen nur vereinzelt auf DARKTHRONE-Mucke à la Rust (inklusive Untertiteln), lieber lässt er die selber kredenzten Ambient-Klänge die Soundtrack-Aktivitäten übernehmen. Eben diese Ambient-Tracks sind auch auf der beigelegten Extra-CD vorhanden, allerdings fehlt ihnen ohne den Film noch etwas der letzte Schliff, das gewisse Etwas. Indes, es ist noch kein Meister in allen Fächern vom Himmel gefallen.

Allerdings belässt es Nocturno Culto nicht beim Sammeln verträumter Natureindrücke. Vielmehr ergänzt er sie durch Begegnungen mit Leuten aus seinem Umfeld. Diese sind kaum als misanthropisch zu bezeichnen, aber auf jeden Fall speziell und reizvoll. Sei es das Eisfischen mit ENSLAVEDs Grutle, wo Nocturno Culto auch seinen gefangenen Lachs küsst, die Gespräche mit dem alten Knut Ali Baba, der aus der Heimskringla Saga vorliest oder die nur als kultig im besten Sinne zu bezeichnende Party mit AURA NOIR, die aus wortlosem Halmaspielen in einer Holzhütte bei Bier und Zigaretten besteht. Auch Besuche von AURA NOIR und GALLHAMMER-Gigs finden ihren Niederschlag, allerdings bleiben dies kurze Episoden. Letztere ist eingebettet in den Japan-Trip, der einen interessanten Kontrast zu den stilleren, von der norwegischen Landschaft beherrschten Passagen bietet.

Obwohl The Misanthrope unter dem Banner Nocturno Culto erscheint, bleibt DARKTHRONE als solches nicht außen vor. So werden die Sardonic Wrath-Proben und Aufnahmen ebenfalls zum Thema und gleichzeitig humorvoll und zurückhaltend dokumentiert. Die Karten zum typischen DARKTHRONE-Sound werden nicht aufgedeckt, aber Fenriz` Aufnahmestrategie I only want to record the fast song last – that`s my cunning plan oder seine Gedanken zur Technik, die es ihm als Vinylliebhaber bald unmöglich machen dürfte, seine eigene auf CD-Format gebannte Musik zu hören, entschädigen hierfür mehr als genug. Und was könnte besser zu Pagan Winter passen, als Fenriz, der durch die Schneelandschaft läuft?

In der kleinen, aber feinen Bonus-Sektion finden sich Stills, die teilweise aber gar nicht so still sind und mit Sound à la VIRUS Road stimmig unterlegt sind und Momentaufnahmen aus The Misanthrope zeigen. Danach folgen mit Thulcandra und Archipelago zwei Live-Aufnahmen aus den wahrlich uralten Zeiten DARKTHRONEs, als das norwegische Urgestein noch als Quartett unterwegs war. Die Qualität dieser Aufnahmen ist wegen dem damals noch verwendeten Filmformat eher garstig, aber für Fans stellen diese Mitschnitte dennoch ein wahres Schmankerl dar – man fragt sich lediglich, warum das Publikum so bockstill steht. Abgeschlossen wird dieser Extrateil mit dem geilen Too Old Too Cold-Videoclip, dem eine ganz spezielle Stimmung innewohnt und der diese Veröffentlichung ansprechend abrundet.

Insgesamt ist Nocturno Cultos The Misanthrope also ein echter Wurf geworden. Verschroben – ja. Anders – auf jeden Fall. Unangepasst – aber immer doch. Individuell – sowieso. Und damit eine Pflichtanschaffung für jeden Black Metaller, der keine Angst hat, sich auf Experimente fernab fader Klischees einzulassen.

Veröffentlichungstermin: 25.05.2007

Spielzeit: 75:00 Min.

Line-Up:
Nocturno Culto: Regie, Hauptdarsteller
Fenriz
AURA NOIR
GALLHAMMER
und andere Protagonisten

Produziert von Nocturno Culto
Label: Tyrant Syndicate / Peaceville Records

Homepage: http://www.darkthrone.no

Tracklist:
Disc 1
1. Icefishing
2. Intro
3. Desolate
4. Sardonic rehearsal
5. Ali Baba winter
6. AURA NOIR signing
7. Tokyo
8. Norway be my grave
9. Ali Baba summer
10. AURA NOIR release party
11. Sardonic studio
12. Tyrant meeting
13. Endtime
14. Credits

Extras
1. Stills
2. Thulcandra
3. Archipelago
4. Too Old Too Cold

Disc 2
Soundtrack

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