blank

SHINING: V – Halmstad

Überlebt die Musik SHININGs, wenn man die Provokation nicht vor Augen hat?

Man kennt das Problem von den gehypten Bands: Ein Marketing-Heer versucht sie einem schmackhaft zu machen, PR-Profis schauen, dass die Band des öfteren durch den digitalen und analogen Blätterwald rauscht, und die gepushte Truppe liefert dafür ein perfektes Image und massenkompatiblen Sound ab. Dass hierbei die Bedingung Image > Musikqualität gilt, erklärt sich von selbst und meistens beschreitet eine Truppe mit plötzlich aufkommender, übermäßiger Medienpräsenz auf dem nächsten Album den kreativen Niedergang. Ein ähnliches Omen schien auch über den Schweden SHINING zu schweben. Im August 2006 wurde vom Verschwinden des charismatischen Frontmannes Kvarforth berichtet, dieses wurde dank den katalystisch wirkenden Internetforen rasch zu einem mysteriösen Selbstmord hochstilisiert. Anfang 2007 dann meldete sich die Gallionsfigur des Suicidal Black Metals an einem skandalösen Gig – treffenderweise in Halmstad – zurück und war so gar nicht tot, sondern in alter Provozier- und Schaffenslaune. Alles ein PR-Gag? Bewusst oder unbewusst? Das Omen für den kreativen Untergang?

Auf die ersten beiden Fragen kann V – Halmstad keine Antwort geben. Doch auf die letzte sehr wohl und sehr klar. Schon die ersten Klänge vom ruhigen, mit einer dezent-coolen Bassline versehenen Opener machen klar: SHINING sind wieder da und zwar in alter Frische. Präzis und authentisch schaffen sie eine unheimliche Atmosphäre, die den Hörer sofort gefangen nimmt und sich über das gesamte Werk erstreckt. Ruhig, einlullend im einen Moment, schwebt die Situation unweigerlich dem Abgrund zu, in dem blanke Rasierklingen in die Dunkelheit blitzen und den Hörer zu sich rufen. Es sind diese zarten und gleichzeitig fesselnden Passagen, die in Längtar Bort Från Mitt Hjärta gegen Ende gar etwas an BOHREN UND DER CLUB OF GORE erinnern, die einen beruhigen und gleichzeitig beunruhigen, zu sich rufen und wegstoßen.

Natürlich geht es auch anders, in Låt Oss Ta Allt Från Varandra erwacht die schroffe, Midtempo-Seele der Formation, die sich auf das typische minimalistisch-variierte SHINING-Riffing beschränkt und keine innovativen Eskapaden bietet. Doch es ist genau dieses Vertraute, das sich ins Unheimliche verwandelt, so wie man nie weiß, ob nicht doch ein Monster im Dunkel unter dem Bett wohnt. Und auch hier setzen die Schweden wieder auf sanftere Parts, Streicher, Geklimper, sachte Drums und eine Frau, deren Schluchzen in die Klanglandschaft bricht. Beschwörend meldet sich Kvarforth in diesem Song zu Wort, singt, krächzt, schreit und erreicht auch bei Schwedisch-Unkundigen Beklemmung. Stets wird die Spannung in den Songs aufrecht erhalten, obgleich SHINING mit den gewohnten Mitteln zu Werke gehen und sich songwriterisch und rifftechnisch keine Risiken eingehen.

Doch es ist nicht nur die Atmosphäre, welche V – Halmstad in höhere Sphären hebt. Denn selbst Schmäher, denen die SHINING-Riffs einfach nur zu einfach sind, müssen zugeben, dass die Schweden vom musikalischen Können her nichts anbrennen lassen. Vom heulenden, flirrenden Gitarrensolo im ganz und gar nicht monotonen Besvikelsens Dystra Monotoni bis zur hammermäßigen Bassarbeit im gleichen Song – hier sind Profis am Werk, die wissen, wie man groovt, Dynamik rüberbringt und die Stücke stark interpretiert. In diesem Zusammenhang ist auch die Bassarbeit von V – Halmstad mehr als lobend zu erwähnen. Führt der Tieftöner in Black Metal-Bereich sonst zumeist ein Stiefmütterchen-Dasein und wird auf schnöd-simple Grundtonmuster limitiert, darf Phil A. Cirone hier zeigen, was er kann, und trifft genau die richtige Mischung aus unterstützender Rhythmusarbeit und hier und da dezent auftretenden Melodien im Vordergrund. Angesichts dieser musikalisch-technischen Klasse wirkt Kvarforth mit seinen Schreien nur noch mehr wie ein unbändiges, wildes Tier in äußerster Verzweiflung. Mit jedem Ton wird zudem klar, dass auf dem Produzentensessel ebenfalls ein Mastermind gesessen haben muss: Das Soundgewand von V – Halmstad ist transparent, druckvoll und authentisch, alles sitzt, alles hat seinen Platz.

Die einzige kleine Überflüssigkeit, die sich auf V – Halmstad eingeschlichen hat, ist das vergleichsweise kurze Åttiosextusenfyrahundra, welches mehr oder weniger aus dem Anfang von Beethovens Mondscheinsonate besteht. Erstens ist es befremdlich, dass der wahre Komponist des Stückes nicht genannt wird. Zweitens kommt die SHINING-Umsetzung nicht an das klassische Original heran. Und drittens erstaunt es doch sehr, dass die sonst so kreativen Schweden ausgerechnet ein Stück auf ihrem Album einbinden, welches bereits einen Leidensweg von Star Trek bis Meditationsmusik hinter sich hat und somit zu einer Art Universal-Klavierstück geworden ist. Hier wäre also der Griff zu einer Eigenkomposition oder zum Stück eines unbekannteren Komponisten wesentlich innovativer gewesen.

Insgesamt zeigt V – Halmstad eine Band, die sich selber treu geblieben ist und zur Bestform aufläuft. SHINING ist ein exzellentes Album gelungen, welches langfristig fesselt und begeistert. Absolute Kaufpflicht!

Veröffentlichungstermin: 16.04.2007

Spielzeit: 42:35 Min.

Line-Up:
Niklas Kvarforth Olsson (ONDSKAPT): Vocals, Keyboards
Ludvig Witt (SPIRITUAL BEGGARS, FIREBIRD): Drums
Gråby: Gitarren
Huss: Gitarren
Phil A. Cirone: Bass, Keyboards

Label: Osmose Productions

Homepage: http://www.shiningangst.se

Tracklist:
1. Yttligare Ett Steg Närmare Total Jävla Utfrysning
2. Längtar Bort Från Mitt Hjärta
3. Låt Oss Ta Allt Från Varandra
4. Besvikelsens Dystra Monotoni
5. Åttiosextusenfyrahundra
6. Neka Morgondagen

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner