SPOCK’S BEARD: V

Nichts Neues unter der Sonne, aber der altbekannte BEARD-Sound wurde einmal mehr vorzüglich in Szene gesetzt. Diesmal allerdings etwas weniger leicht-beschwingt…

Haben SPOCK’S BEARD und AC/DC etwas gemein? “Um Himmels Willen, nein!”, werden eingefleischte Fans beider Lager entsetzt aufschreien und sich voll Schrecken ob des Frevels, den diese Frage impliziert, zitternd an das Lieblingsalbum ihrer Lieblingsband klammern, es umarmen und einmal kräftig tröstend drücken.

Nun, werte Verehrer traditioneller Haushaltskost und Liebhaber der verspielten Haute Cuisine, ich kann Euch beruhigen: SPOCK’S BEARD sind immer noch weit davon entfernt, mit einem lauten “Thunderstruck” und zum Gebimmel der “Hell’s Bells” auf dem “Highway To Hell” herumzurocken. Sie sind genauer gesagt genauso weit davon entfernt wie auf jedem anderen ihrer Alben zuvor auch. Und DAS ist der Haken an diesem – ansonsten gewohnt formidablem – Album. So absurd der Vergleich mit AC/DC anmuten mag, er entbehrt nicht einer Grundlage: Man weiß mittlerweile bei jeder neuen Veröffentlichung einer der beiden Bands ganz genau, was einen erwartet. Zumindest im Wesentlichen. Das ändert nichts an der Qualität der Musik, gewinnt aber auch beileibe keinen Originalitäts- und Wagemut-Preis.

Umwerfend originell ist “V” nicht mehr

Der überwiegende Teil dieses Albums hätte also auch auf den ersten drei SPOCK’S BEARD-Veröffentlichungen stehen können, der Rest auf “Day For Night”. Schon der Opener “Light Of The Day” erinnert an seinen direkten Vorgänger und dessen Titelsong, “Thoughts (Part II)” huldigt einmal mehr GENTLE GIANT, “All On Sunday” hätte eigentlich auch auf dem Neal-Morse-Soloalbum stehen können, die schöne Ballade “Goodbye To Yesterday” kennt man auch schon in mehreren Variationen und so weiter und so fort. Es wäre leicht und es wäre offensichtlich, jeden einzelnen Baustein dieses Albums unter die Lupe zu nehmen und in diverse Schubladen der Band-Vergangenheit zu packen. Ob’s zu empfehlen ist? Nur bedingt.

Denn: Erstens beraubt man sich jeglicher Freude an einem Album, das zwar nicht mehr umwerfend originell ist, in puncto Musikalität, instrumentaler Versiertheit und kompositorischer Reife jedoch den größten Teil aktueller Genre-Veröffentlichungen immer noch weit in den Schatten stellt.

SPOCK’S BEAR geben sich melancholischer und düsterer als zuletzt

Zweitens verliert man den Blick für den Gesamtcharakter dieses Werkes. Zwar mag jeder Songpart für sich bekannt wirken, doch alles in allem hat der typische SPOCK’S BEARD-Sound eine deutliche Schlagseite in Richtung melancholischere, mitunter gar düster wirkende musikalische Gefilde bekommen (man vernehme nur “Revelation”), die federleichte Beschwingtheit vergangener Tage ist einer gewissen Ernsthaftigkeit gewichen.

Drittens übersieht man dabei den Fakt, dass auch die frühen BEARD-Alben ebensowenig innovativ im wahrsten Sinne des Wortes waren wie die sämtlicher anderer Protagonisten des sogenannten Neo Progs, die ebenso wie SPOCK’S BEARD nichts anderes taten und tun, als das neu aufzubereiten, was Bands wie YES, KANSAS, GENESIS, GENTLE GIANT, KING CRIMSON etc. schon in den 70ern vorweg genommen haben. Nur klang es nach dem „Alternative“-Overkill Mitte der 90er weit frischer und unverbrauchter als heute, war man doch dergleichen Musik nicht mehr gewohnt. “There’s nothing new under the sun”, singt Morse in “Revelation”. Und so ist es nunmal.

“V” enthält trotzdem einige wundervolle Songs

Viertens sind Stücke wie “Thoughts Part II” (das übrigens nicht allzu viel mit seinem Vorgänger zu tun hat), “Revelation”, “At The End Of The Day” und das 27-Minuten-Epos “The Great Nothing” einfach wundervolle Songs, die sich jeder Freund komplexer und dennoch melodischer Musik nicht entgehen lassen sollte.

Und freuen sich die wahren Fans nicht auch auf jedes neue AC/DC-Album, egal, wie oft sie es schon in ihrem Schrank haben? Von den wirklich guten Dingen des Lebens kann man eben nie genug bekommen…

Spielzeit: 62:55 Min.

Line-Up:

Neal Morse – Lead Vocals, Piano, All Synths, Accustic Guitars
Dave Meros – Bass, Stand-Up Bass, Vocals, French Horns
Ryo Okumoto – Hammond-Organ & Mellotron
Alan Morse – Electric Guitars, Vocals, Cellos & Sampler
Nick D´Virgilio – Drums, Percussion & Vocals

Produziert von Neal Morse & Spock`s Beard
Label: InsideOut

Homepage: http://www.spocksbeard.com

SPOCK’S BEARD “V” Tracklist

  1. At The End of The Day
  2. Revelation
  3. Thoughts (Part II)
  4. All On A Sunday
  5. Goodbye to Yesterday
  6. The Great Nothing (I: From Nowhere, II: One Note, III: Come Up Breathing, IV: Submerged, V: Missed Your Calling, VI: The Great Nothing)
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