blank

IN FLAMES: In Dänemark arbeiten wie Gott in Frankreich

Bassist Peter Iwers erklärte äußerst diplomatisch, warum der letzte Song nur zufällig nie gut ist und warum man auch mal – ganz ohne Exzesse – nach Hause zu Frau und Kind muss…

Ungewohnt protzig kehren die schwedischen Death Metal Heroen IN FLAMES nach anderthalb Jahren mit ihrem neuen Album Soundtrack to Your Escape zurück, mit dem es ihnen ein leichtes sein sollte ihren Status noch weiter auszubauen. Berufs-Fels in der Brandung und Bassist Peter Iwers erklärte äußerst diplomatisch, warum der letzte Song nur zufällig nie gut ist und warum man auch mal – ganz ohne Exzesse – nach Hause zu Frau und Kind muss.

Hallo Peter, zuerst möchte ich euch zum neuen Album beglückwünschen. Desweiteren ging es recht schnell, dass so kurz nach Reroute to Remain schon der Nachfolger ins Haus flattert.

Zunächst, dankeschön. Dann muss ich sagen, dass es den Leuten nur so vorkommt, als wären wir so schnell gewesen. Wir haben mit dem Songwriting Anfang 2003 begonnen, als sich Jesper (Strömblad, Gitarrist – Anm. d. Verf.) und Björn (Gelotte, noch ein Gitarrist – Anm. d. Verf.) zusammensetzten. Sie erarbeiteten zusammen viele Riffs und Ideen für die Songs, die wir im Mai in einem Haus in Dänemark bei der Vorproduktion komplett ausarbeiteten. Dieser Prozess dauerte dann auch nur zwei Wochen. Wir fuhren dann nach Hause, hatten alles auf Harddrive und konnten die Ideen verfeinern. Nach der folgenden Tour bezogen wir für die Aufnahmen wieder ein Haus in Dänemark, dieses mal war es ein größeres und nahmen dort das Album mit Daniel Berstrand auf – mit Ausnahme der Drums, die wurden zuvor im selben Studio wie letztes Mal aufgenommen.

In
Es gab im Vorfeld der Aufnahmen zu Soundtrack to Your Escape Gerüchte, ihr wolltet zu einem Major wechseln. Das Album erscheint nun wieder auf Nuclear Blast.

Wir haben einen neuen Vertrag mit Nuclear Blast unterzeichnet, der Rest waren nur Gerüchte.

Auf dem neuen Album finden sich mehr Samples und Keyboards als jemals zuvor. Habt ihr mit dem Gedanken gespielt einen festen Keyboarder aufzunehmen und wäre das bei einer eingeschworenen Einheit wie euch überhaupt möglich?

Nein, wir werden kein sechstes Bandmitglied aufnehmen. Für die Aufnahmen nutzten wir die Hilfe von Örjan Örnkloo. Mit ihm nahmen wir die Gitarren und die meisten Electronics auf. Er hat nichts zum Songwriting beigetragen, aber er hatte viele Ideen und teilte sie mit uns.

Wie lief die Zusammenarbeit im Detail ab, habt ihr ihn gefragt: Kannst Du bei diesem Song an dieser Stelle was einbringen?

Nein, er hörte sich die Sachen mit uns an, war die ganze Zeit dabei und beriet uns bei jedem Song. Bei The Quiet Place beispielsweise veränderten wir ein paar Gitarrenspuren in Keyboardlines auf sein Anliegen hin. Manchmal waren wir aber auch stur und die Songs blieben wie sie sind.

In

Auf Tour werdet ihr wohl auch wieder Harddrives zur Wiedergabe der Sythis verwenden.

Ja, so wie wir es immer tun.

Warum habt ihr für die Aufnahmen das alte Haus in Dänemark ausgesucht?

InWir haben uns einige Häuser in Schweden und Dänemark angesehen, aber uns für dieses Haus in Dänemark entschieden, da es ein tolles Land ist, weil dort wirklich nette Leute leben und es eine großartige Landschaft hat. Es war auch nicht so weit weg von zu Hause, denn es war uns wichtig schnell dort zu sein, falls etwas passieren würde, wir mussten nur mit der Fähre rüberfahren. Wir haben uns sofort in das Haus verliebt, als wir die Bilder sahen. Das Haus ist groß, es gibt ein großes Areal drumherum, daher konnten wir die ganzen fünf Wochen dort verbringen, ohne uns gegenseitig auf die Füße zu treten.

Ich habe gehört, das Haus hatte 16 Räume. Die habt ihr aber nicht alle genutzt.

Nein, es waren weniger. Es gab zwei Aufnahmeräume, ein Wohnzimmer und jeder hatte ein Schlafzimmer. Außerhalb gab es noch ein kleines Gebäude mit einem Pool, wo wir uns ein wenig ausruhen konnten, wenn wir es brauchten.

Da kann man glatt neidisch werden. Konntet ihr alles rechtzeitig wieder aufräumen? Ich meine, wegen den Rock ´n Roll-Parties und so…

Wir haben nur Bier getrunken, das war alles. Wir waren anständig. (lacht)

In
Ihr habt fünf Wochen in Dänemark aufgenommen, da musstet ihr euch wohl auch hier und da Pausen gönnen.

Sicher, außer Björn war jeder Mal zu Hause. Daniels Freundin bekam ein Baby, deshalb nahm er die Drums schon vor dem Trip nach Dänemark auf. Man muss auch mal nach Hause, die Freundin oder die Kinder sehen, nur um wieder eine Spur Realität abzubekommen.

War es schwer in solcher Isolation zu arbeiten?

Wir wollten es so, weg zu sein von jedem und einfach die Musik aufzunehmen. Sicher hat es gute Seiten tagsüber zu arbeiten und Abends nach Hause zu fahren, aber wir können uns nicht Aussuchen, wann wir kreativ werden. Wir mussten durchgehend im Studio sein.

Allerdings kann ich mir vorstellen, dass diese Situation viel leichter zu Stress und Streit führt.

Sicherlich, aber wir sind wie Brüder, die zusammen Musik machen und manchmal. Selbstverständlich streiten wir auch, aber wir tun es für dieselbe Sache und wir lieben uns wie Brüder.

Ihr habt nun zum zweiten Mal mit Daniel Bergstrand zusammen gearbeitet. Was mögt ihr an seiner Arbeit?

Er lässt sich nicht ablenken, ist zu einhundert Prozent bei den Aufnahmen und bei der Sache. Er trägt einen großen Teil dazu bei, wenn es darum geht, ein gutes Album aufzunehmen. Er hört sich alle Ideen an, kritisiert, lobt und diskutiert. Er weiß wie wir klingen wollen und setzt sein bestes dran, das umzusetzen. Er ist obsessiv.

Ich gehe davon aus, dass es in dem Haus, in dem ihr aufgenommen habt, keine isolierten Wände gab. War es schwer gute Aufnahmebedingungen herzustellen?

Nein, denn wir hatten zwei Aufnahmeräume. Beide in jeweils entgegengesetzten Flügeln, einer war oben, wo wir die Vocals und die Bassspuren aufnahmen und einer war unten an der anderen Seite, wo alle Gitarren aufgenommen wurden.

In
Ich denke auch, dass der Gitarrensound auf Reroute to Remain saftiger ist. Liegt das an den Räumen, in denen ihr aufgenommen habt?

Die Gitarren wurden aber genau über dieselbe Prozedur als auch bei Reroute to Remain aufgenommen. Der einzige Unterschied der stattfand war in den Räumlichkeiten zu suchen, aber wir verkleideten die Räume aber provisorisch, weswegen die Gitarren meiner Meinung nach genauso klingen.

Euer Sänger Anders besitzt zusammen mit Frederik Reinedahl das Phlat Planet-Studio. Warum habt ihr nicht dort aufgenommen?

Wir haben dort schon aufgenommen, und zwar die Trigger-EP. Aber Anders fällt es nicht leicht, sich fallen zu lassen, wenn er in einer gezwungenen Atmosphäre arbeiten muss und noch dazu zwei Jobs zu erledigen hat. Das kommt, da er das Studio mitbesitzt im Phlat Planet leider von alleine.

In

Ich denke die neuen Songs sind wieder in der Richtung von Reroute to Remain angesiedelt, allerdings klingen sie wie eine perfektionierte Version des Vorgängers. Die beiden Scheiben verhalten sich wie Whoracle, das The Jester Race und Clayman, das Colony perfektionierte. Klingt irgendwie nach einem Konzept.

Ich weiß was Du meinst, aber ich denke es liegt daran, dass wir niemals zweimal dasselbe Album veröffentlichen wollen. Wir versuchen die Musik zu machen, der wir und die Fans im Moment gerne zuhören. Wir könnten das nicht erreichen wenn wir denselben Song wieder und wieder schreiben würden. Wir versuchen uns immer weiterzuentwickeln, was dieses von Dir angesprochene Perfektionieren auch ausmacht, das geht mit Entwicklung Hand in Hand. Es gibt immer einen roten Faden, selbst wenn wir manchmal vielleicht zwei Stufen nach vorne auf einmal oder auch eine zurück nehmen, daher erkennt man immer, dass IN FLAMES das Album geschrieben haben.

In
Jeder Song funktioniert, wenn man ihn alleine hört als auch im Kontext zum Rest des Albums, egal ob da jetzt Riffs der alten Schule oder moderne, an Synthis orientierte Passagen aufeinander folgen.

Wir denken niemals daran unseren Sound zu ändern oder unser Gesicht zu verlieren, wir haben lediglich nichts dagegen uns von anderen Stilen inspirieren zu lassen und das in unsere Identität einfließen zu lassen. Wir werden uns niemals drastisch verändern.

IN FLAMES haben viele junge Bands inspiriert, aber von wem konkret zeigt ihr euch heute beeinflusst?

SLAYER, immer nur SLAYER.

Ernsthaft?

Ja, sie sind die beste Band der Welt. Und IRON MAIDEN.

Und MORBID ANGEL?

Die auch, ja. Ich meine, viele dieser Bands die anfingen als wir auch jung waren, haben uns deutlich geprägt, MORBID ANGEL, OBITUARY und der Rest der Florida-Szene.

Zumindest ist das Anfangsriff des Openers F(r)iend hörbar von MORBID ANGEL inspiriert. Ach ja, Superhero of the Computer Rage klingt recht punkig.

Interessant. Ich hab darüber noch gar nicht nachgedacht.

Der Abschlussong Black and White von Reroute to Remain fiel, so finde ich, von der Qualität des Albums her deutlich ab. Auf Soundtrack to Your Escape ist es mit dem abschließendem Bottled nicht ganz so schlimm, dennoch ist er weniger gut als der Rest. Warum habt ihr euch diese Songs nicht gespart?

Das ist Deine Meinung, meiner Meinung nach sind alle gelungen. Der wichtigste Song ist für mich der Opener, der Rest könnte in jeder beliebigen Reihenfolge stehen. Es ist wohl Zufall, dass die Songs, die Dir am wenigsten gefallen am Schluss von Reroute to Remain und Soundtrack to Your Escape stehen. Die Reihenfolge der Songs zu erarbeiten ist übrigens jedes Mal eine sehr schwierige Aufgabe.

In

Das erste Mal in der Geschichte von IN FLAMES gibt es keinen Titelsong. Ich denke mal, das war wohl eher Zufall.

Genau, es liegt einfach an Anders´ Texten, er schrieb einfach keinen Text mit diesem Titel.

Was auch schlecht zu einem einzelnen Song gepasst hätte, immerhin ist der Titel Soundtrack to Your Escape übergreifend, fast wie ein Konzept.

Auf die Texte an sich kann ich nicht eingehen, denn die sind komplett von Anders verfasst. Der Albumtitel jedoch drückt für mich folgendes aus: Als ich noch ein Teenager war, hasste ich die Schule und jedes Mal auf dem Heimweg setzte ich Kopfhörer auf und hörte sowas wie alte METALLICA und lief nach Hause, konnte für ein paar Minuten der Wirklichkeit entfliehen. Jetzt ist es genauso, wenn ich gestresst bin, dann höre ich etwas, bei dem ich mich gut fühle, das mich für ein paar Minuten flüchten lässt. Jeder braucht so einen kleinen Zufluchtsort.

Wer sich seit dem letzten Album wirklich sehr verbessert hat, ist euer Sänger Anders, gerade in den cleanen Gesangspassagen klingt er viel sicherer und nicht mehr so schüchtern. Konnte er im Vorfeld der Aufnahmen mehr üben oder hatte er mehr Zeit beim einsingen?

Weder noch, er ist in den letzten Jahren als Sänger einfach gewachsen. Sein Nebenprojekt PASSENGER half ihm dabei sich zu entwickeln. Außerdem ist es nicht anders wie mit jedem Instrumentalisten: Je mehr du übst, desto besser wirst Du.

Sind IN FLAMES immer noch eine Death Metal-Band? Was denkst Du?

Auf jeden Fall. Ich würde lügen, würde ich behaupten, wir haben keine Genrefremden Einflüsse, aber dennoch kann man uns noch in diese Sparte einordnen.

Wie kannst Du denjenigen, das Video zu The Quiet Place schmackhaft machen, die es noch nicht gesehen haben?

Wir haben es in Göteborg aufgenommen, es ist ein kleiner Film, wirklich dunkel und beängstigend, aber gleichzeitig positiv. Es ist ein wirklich interessantes Video, bei dem Patric Ullaeus, der auch das neue DIMMU BORGIR-Video gedreht hat, Regie führte. Das Video passt sehr gut zur Stimmung des Songs.

In

Peter, Du bist seit sieben Jahren Bassist bei IN FLAMES und Du hast auf vier Alben und über vierzig Songs mitgespielt. Was ist dein Lieblings IN FLAMES-Album und was ist Dein Lieblings IN FLAMES-Song?

Das Album ist klar: Soundtrack to Your Escape und das sage ich nicht nur, weil ich es hier und jetzt promoten muss, sondern weil ich mich nicht daran totgehört habe. Mein Lieblingssong ist derzeit Watch them Feed von der Trigger-EP, weil er so schnell und melodisch ist.

Ihr habt nach der Veröffentlichung von Soundtrack to Your Escape den Arsch bestimmt wieder voller Touren.

Ja, am 16. April beginnt die Europatour in Göteborg, dann werden wir auf einigen Sommerfestivals auftreten. Das wird aber mit absoluter Sicherheit nicht alles sein.

Beim letzten Interview stellte ich Björn diese Frage, heute bist Du dran: Ist es hart, mit einem Musiker zusammenzuleben, der so viel unterwegs ist?

Ich denke schon. Man braucht ein sehr tolerantes Umfeld. Behandle Deine Freundin gut. Mädchen sind was wunderbares.

Interviewlayout: Andonis Dragassias

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner