UNEVEN STRUCTURE: Februus

Djent Metal für Sternenstaub-Surfer. Leider ähnlich mau wie das letzte TEXTURES-Album

Nehmen wir das Debut-Alben der Franzosen UNEVEN STRUCTURE zum Anlass, ein wenig die aktuelle Situation des Djent-Metals zu beleuchten: Die Gründungsväter MESHUGGAH sind mittlerweile ein wenig ehrwürdig-altersmüde und trotz aller Popularität nicht so recht bei den jungen Leuten angesagt und hip. TESSERACT verschreckten unlängst viele Fans mit der Entscheidung, als neuen Sänger den falsettlastigen Elliot Coleman zu engangieren. MONUMENTS (wie UNEVEN STRUCTURE auf Basick Records) haben zur Zeit GAR keine(n) Sänger. PERIPHERY sind bis Winterende mit Touren beschäftigt und werden danach geraume Zeit im Tonstudio ihr geplantes Doppel-Album ausbrüten. Und überhaupt: Sollte Misha Mansoor, Messias des Djent Metals, aus welchen Gründen auch immer einmal den Bettel hinschmeißen, werden viele Herzen brechen und Tränen vergossen werden. Naja, die Kalifornier CORELIA stünden eh bereits in den Startlöchern, um zu den Großen aufzuschließen und diese zu beerben. Oder nicht..?

Nicht ganz undenkbar, denn das Djent-Genre erweist sich als genauso fragil wie es produktiv ist: Der digitale Transfer von Riffs, Musikfragmenten, Sound-Settings für die Verstärkersimulatoren führte zu einer erstaunlichen Kollaboration über Landes- und Kontinentgrenzen hinweg. Aber die Überführung dieses Ideals einer globalen League of Djentlemen in die Räum- und Wirklichkeit scheitert oft an den Widrigkeiten selbiger. Man muss die ganzen Musiker erst einmal als Band zusammenführen und dann auch zusammenbehalten. Gelingt selten, scheitert oft, Ersatz ist schwer aufzutreiben (PERIPHERY hat so viele Ex- wie aktive Mitglieder), denn das instrumentale Niveau ist mittlerweile so irrsinnig hoch, und die Ansprüche des kundigen Metal-Publikums ebenfalls. Es ist das eine, einen guten Schlagzeuger in seinen Reihen zu haben. Etwas anderes ist es, wenn Matt Halpern an den Kesseln sitzt und live eine musikalische und athletische Höchstleistung abliefert, die Hobby-Dauerläufer verstummen lässt und Perkussionsadepten entmutigt. Die eierlegenden Wollmilcheber unter den Vokalisten, die genauso superb shouten wie trällern, sind keinen Deut weniger rar.

Die Szene indes erfreut sich an nahezu jedem djentigen Soundbit, das die Runde macht, noch ist der (Über-)Sättigungsgrad nicht erreicht. Die Plattenindustrie hat das erkannt, ist sich aber des Djent-Syndroms, der Kurzlebigkeit und Instabilität bewusst, scheut allzu schnelle Vertragsofferten und ist froh um jede solidere Band, die dann entsprechend hochgejazzt wird. Das tönt dann ähnlich laut wie das autoerotische Affirmationsgejohl der Szene, welches wiederum die Acts für etwaige Neuland-Explorationen abfeiert.

Die Franzosen UNEVEN STRUCTURE sind so ein Fall. Groß angepriesen wird der Umstand, dass sie sich – als eine der wenigen Djent-Bands – um Atmosphäre bemühen, viel Atmosphäre durch reichlich Synthie-Gewaber, viel hilft viel. Aber dafür könnte es an anderer Stelle mangeln – und das ist tatsächlich der Fall.

UNEVEN STRUCTURE klingen wie TEXTURES zu ihren schlechtesten Zeiten (also zur Zeit) und ein wenig so, als hätte man den Herren von SOILWORK estmalig Achtsaiter-Gitarren in die Hände gedrückt, diese stellen dann fest, dass sich darauf nicht so differenziert riffen lässt, zumindest nicht mit den gewohnten Verstärkereinstellungen. Also wird schön auf der tiefsten (Leer-)Saite herumgedengelt, dem Schlagzeuger fallen auch ein paar vertracke Rhythmen ein, der Sänger setzt noch sein grandioses Stimmorgan drauf, hört aber lieber den dicken Gitarren zu und geizt mit catchy Melodielinien, obwohl das tonal schlichte Grundgerüst allen Freiraum für Spielereien ließe.

Kurzum: Februus ist energetisch, dicht, waberig – und ziemlich langweilig. Die Kompositionen UNEVEN STRUCTUREs verlassen sich zu sehr auf einen Flow-Effekt, also dass man gar nicht mehr zwischen einzelnen Songs differenzieren mag, sondern sich treiben und mitreißen lässt. Die Kalkulation geht jedoch nicht auf, es fehlt an Riffs, die herausragen und als Ankerpunkte dienen, und nicht mal jeder dritte Song weist eine dramatische Steigerung auf, die einen wirklich mitzureißen wüsste.

Ähnliches gilt für Matthieu Romarin am Mikrophon, der eine wunderbare Stimme hat, sich aber auf öd-schlichte Melodien beschränkt. Und wenn er zu den groovigen Parts sein Staccato-Gebelle abfeuert, freut man sich zunächst, muss aber bald feststellen, dass er nur genau diesen einen Rhythmus im Repertoire hat. Dem Schlagzeuger Christian Schreil, der intelligente Fills und viele Dead Notes auf der Snare einbaut, kann man nichts vorwerfen, außer den sterilen Sound seines Schlagzeugs, und dafür kann er nun wirklich nichts.

Als unnütz und fast schon albern empfinde ich die Bonus-CD, die mit einer halben Stunde Soundscapes aufwartet. Aber diese Landschaften sind alles andere als uneven, nämlich platt wie die Niederlande, hier erhebt sich kein Berg, hier wird nur gewabert. Wer eine Tüte rauchen und ein wenig über die staubigen Ringe des Saturn driften mag, wird Gefallen daran finden. Ansonsten handelt es sich herbei wohl eher um einen Marketing-Gang, der Exklusivität vorgaukeln soll.

Ich tröste mich damit hinweg, dass Februus vor dem Hintergrund der allzu gewöhnlichen EP 8 von 2009 in jeder Hinsicht eine enorme Weiterentwicklung darstellt. Im Grunde ist es ein Leichtes, die nicht unähnlich agierenden Briten XERATH abzuhängen und in ihre Schranken zu verweisen. Mit dem nächsten Album könnte UNEVEN STRUCTURE dies gelingen. Bis dahin jazze ich andere Acts hoch (VILDHJARTA), die Wegmarken setzen, während das Genre langsam in Epigonentum zu versinken und sich – Metalcore 2.0 ? – totzulaufen droht.

Veröffentlichungstermin: 31.10.2011

Spielzeit: 56:02 Min.

Line-Up:
Jérôme Colombelli – Guitars
Benoit Friedrich – Bass
Igor Omodei – Guitars
Aurélien Pereira – Guitars
Matthieu Romarin – Vocals
Christian Schreil – Drums

Label: Basick Records

Homepage: http://www.unevenstructure.net

Tracklist:
1 Awaken
1. Awaken
2. Frost
3. Hail
4. Exmersion
5. Buds
6. Awe
7. Quittance
8. Limbo
9. Plenitude
10. Finale

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