ULRIKE SEROWY: Skogtatt (Buch)

Black Metal als Erzählung – ohne Kirchenbrände, ohne Mord, ohne Satansgebrüll… Ja, das funktioniert.
Black Metal macht selten von sich Reden in der Literatur. Wenn eine Protagonistin ein BATHORY-Shirt trägt im schwedischen Hexen-Jugendbuchknüller Cirkeln, dann ist das eine angenehme Überraschung. Anderweitig sucht man literarische Cameo-Auftritte des Schwarzmetalls vergebens – und das ist vielleicht auch gut, auch erwünscht so. Doch nun macht die 1983 geborene Autorin ULRIKE SEROWY genau das – sie schreibt eine Erzählung, in der Black Metal, beziehungsweise ein anonymer Black Metal-Musiker, die Hauptrolle spielt. 
Erleichtert stellt die Rezipientin fest, dass Serowy nicht irgendwelche sensationslüsternen Kirchenbrand-wir-sind-so-krass-Räubergeschichten schreibt, sondern vielmehr eine waldverliebte, naturromantische Prosa-Annäherung vollzieht. Diese werden von Faith Coloccias schwarz-weißen Illustrationen ergänzt, die an das Artwork von PAYSAGE D`HIVER oder menschenfreie Varianten von Theodor Kittelsen erinnern, und perfekt zum Text passen. 
Handlungsmäßig geht es um einen jungen Schwarzmetaller, der nach einer Bandprobe in der Waldhütte allein nach Hause fahren will. Er hat eine Panne und findet sich nun allein im Winterwald, in der Nacht. Ohne den Schluss zu verraten nur soviel – als WINDIR-Fan kommt man um ein Déjà-vu-Gefühl nicht herum. Sprachlich huldigt ULRIKE SEROWY ausgiebig den Alliterationen (Kaltes Kreischen; 2013:9), beschreibt den zu Beginn gespielten Black Metal in opulenteren Zügen, als dies so mancher Rezensent kann, vergisst jedoch auch den Blick ins Innern des verirrten Gitarristen (Seine Finger dürfen nicht erfrieren. Dann ist es mit dem Gitarrespielen vorbei.; 2013:24) nicht. 
Im Sprachlichen findet sich dann auch die einzige Schwachstelle der Erzählung: der unmotiverte Tempuswechsel zwischen Präsens und Präteritum. Während dies ein völlig akzeptiertes Stilmittel in altisländischen Sagas ist, so ist es sowohl in der deutschen wie auch englischen Version der Skogtatt-Geschichte zu abrupt und letzten Endes störend. Alles in allem überwiegen jedoch die positiven Punkte im Sinne der Sprache – wer die Lyrics gewohnt ist von DORNENREICHGEISTLUNAR AURORATODTGELICHTER (Was bleibt…) oder DIE TOTEN KEHREN WIEDER MIT DEM WIND, wird bei ULRIKE SEROWY ein neues Prosa-Zuhause finden. 
Schön auch, dass ULRIKE SEROWY Zeit findet für moralisch-kritische Töne (2013:25): Und um das Tier, das für die Wurst auf seinen Schulbroten gelitten hatte und gestorben war, hatte er nie geweint. Einerseits zeigt sie hier, dass ihr Buch Black Metal nicht weltfremd-entrückt ist, andererseits spricht sie ein aktuelles Ethik-Thema an (das Tier in unserer Gesellschaft) und findet sich hier in guter Autorengesellschaft, wenn man an das ebenfalls 2013 erschienene Debüt der Schweizer Autorin FRANZISKA HÄNY denkt – Der rote Norden – welches dieses Thema ebenfalls anschneidet.
Und genau als dies sollte man Skogtatt wohl auch sehen – als einen Beitrag zur neuen deutschen Literatur, in der eben Black Metal auch vorkommt. Selbstverständlich haben wilde Naturromantiker schon das meiste gesagt zum Thema Wald – man denke etwa an Novalis oder E.T.A. Hoffmann. Selbstverständlich gab es in der Lyrik schon verkappte Black Metaller, die einfach nicht wussten, mit welcher Musik man ihre Gedichte untermalen könnte – Georg Trakl lässt grüßen. Aber neu an ULRIKE SEROWYs Erzählung ist nicht nur ihr Alter, sondern auch, dass sie eben solche Georg Trakl-Einflüsse nimmt und sie zu einer unaufgeregten, nicht-sensationsgeilen Naturerzählung macht, in der Black Metal einen festen Platz hat. Von dem her – klare Kaufempfehlung für Fans der oben genannten Bands und Freunden zeitgenössischer deutscher Fiktion.

Veröffentlichungstermin: 2013

Spielzeit: 62 Seiten
Label: Hablizel Verlag

Homepage: http://www.hablizel-verlag.de/en/ulrike-serowy

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