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Lärm als Folter?

Die schweizerisch-französisch-belgische Koproduktion ist nicht einfach zu klassifizieren. Einerseits geht Home als Drama durch, andererseits pendelt der Film der Schweizer Regisseurin Ursula Meier so zwischen Komik, Tragik und Absurdität, dass eine klare Klassifizierung schwierig wird. Die Handlung ist rasch erzählt: Eine französische Familie lebt irgendwo im ländlichen Nirgendwo neben einer stillgelegten Autobahn. Plötzlich wird das sommerliche Idyll gestört. Die E57 wird neu geteert und neu eröffnet, 5000 Autos fahren fortan täglich am kleinen Haus vorbei und der Lärm treibt die Familie in den Wahnsinn.

Zwar ist der Independent Film teilweise etwas langatmig, doch lebt er von seinen authentischen Darstellern. Ich kann mich zwar immer wieder darüber aufregen, dass glatzköpfige, unattraktive ältere Männer in französischen Filmen immer – aber wirklich immer – heiße, viel jüngere Ehefrauen haben (die den lieben langen Tag nur in hochhackigen Schuhen rumlaufen – wie hier auch die grandiose Isabelle Huppert). Aber die hier dargestellte Familie ist so authentisch-liebenswert, dass man sogleich wissen will, wie sie mit der akustischen Folter umgehen wird. Dabei sind insbesondere die drei Kinder interessant – Julien, der quirlinge Junge (fantastisch gespielt von Kacey Mottet Klein), die nerdige Marion und die herrlich abgelöschte Judith. Letztere macht nichts anderes, als sich draußen zu sonnen – und dabei die Familie mit ihrer Musikwahl zu nerven. Am liebsten hört sich das rauchende Fräulein nämlich die Schweizer Truppen KRUGER und CATARACT an. Zwar werden diese nicht so ausgedehnt präsentiert wie damals CANNIBAL CORPSE in Ace Ventura – aber trotzdem ein kleines, reizvolles Detail.

Der Film pendelt zwischen den Gegensätzen. Ruhe versus Lärm, Heimat versus Reise. Immer wieder gibt es skurrile Momente zu entdecken, gleichzeitig regt der Film zum Nachdenken an. Nein, nicht die platte alle Autobahnen sind böse-Assoziation. Vielmehr weckt Home Gedanken dazu, was einem sein Zuhause, seine Heimat bedeutet. Soll man an einem Ort bleiben, obwohl die äußeren Umstände die eigene Familie zerstören? Oder soll man alles aufgeben und anderswo neu anfangen? Ob Home darauf eine Antwort liefern kann, muss jeder Zuschauer indes selbst entscheiden…

Veröffentlichungstermin: 23.01.2009

Spielzeit: 95:00 Min.

Line-Up:
Regisseurin: Ursula Meier
Writers: Antoine Jaccoud, Olivier Lorelle
Schauspieler:
Isabelle Huppert. Marthe
Olivier Gourmet: Michel
Adélaïde Leroux: Judith
Madeleine Budd: Marion
Kacey Mottet Klein: Julien

Produziert von Denis Delcampe (u.a.)
Label: Box Productions (CH)

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