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ABWÄRTS: Ein Thriller Hörspiel [3 CDs]

Gefangen im Fahrstuhl, allein mit sich selbst und den eigenen Dämonen: ABWÄRTS ist ein hochgradig spannender, urbaner Thriller.

Am späten Freitagabend ist im Bürohochhaus in der Gärtnerstraße nicht mehr viel los. Die Fahrstuhlmonteure haben ihr Werkzeug schon lange eingepackt, der Wachmann sieht sich seine Lieblingsserie an, ein paar übrig gebliebene – die Werbetexter Jörg und Marion, Kurierfahrer Pit und Buchhalter Gössmann – nehmen den Fahrstuhl nach unten. Und dieser bleibt zwischen dem zwanzigsten und dem einundzwanzigsten Stockwerk stecken, Hilfe ist nicht in Sicht. Bald folgen neben den ersten Versuchen, sich zu befreien, auch die ersten Auseinandersetzungen, zunächst untereinander, später auch mit sich selbst. Und diese bleiben nicht lange im verbalen Bereich.

Etwas mehr als dreißig Jahre nachdem Götz George als Werbetexter Jörg in den Kinosälen für aufgekratzte Armlehnen sorgte, motzt Stephan Lindner die Geschichte von Frank Göhre erneut auf und bringt sie ins Jahr 2015. Vieler Modifikationen bedarf es dabei nicht: ABWÄRTS ist eine zeitlose Geschichte, in der es um die Dämonen im Menschen geht. Was anfangs wirkt, als würde es nur an der Oberfläche kratzen, gräbt sich im Laufe des Hörspiels tiefer unter die Oberfläche. In dreieinhalb Stunden Spielzeit ist genügend Platz, um die verschiedenen Charaktere ausreichend zu beleuchten. Was im Film teils klischeebehaftet blieb, hat nun genügend Zeit, sich etwas mehr zu relativieren. Das bedeutet, dass man sich in jeden der vier Charaktere, die in dieser misslichen Lage stecken, gut hineinversetzen kann, Übertreibungen hin oder her. Und so platt es klingt, jeder von ihnen hat schon mal etwas erlebt, das der Rezipient auch kennt. Im besten Fall durchfährt dann ein Zucken den Hörer – peinlich berührt von überraschend lebensnahen Momenten.

Auch die Inszenierung ist sehr gelungen. Die Spannung wird die gesamten dreieinhalb Stunden über problemlos aufrecht erhalten. Regisseur Stefan Lindner hat die Geschichte gut im Griff, wenn es im Fahrstuhl brenzlig wird, gibt es einen Schnitt und einer der Schauplätze außerhalb des Gefängnisses in schwindelerregender Höhe kommt zum Einsatz. Die Nebenschauplätze – unter anderem das Büro von Gössmanns Chef Roski und dessen Apartment sowie Scrameks Einsatzzentrale – sind für die Handlung primär vielleicht nicht wichtig, vervollständigen aber das Gesamtbild. Es gibt auch Actionszenen in waghalsiger Höhe, wobei diese oft etwas unübersichtlich wirken. Andererseits ist es auch wirklich schwer, das Geschehen auf dem Fahrstuhldach durch Geräusche zu vermitteln, weshalb Erzähler Marc Schülert hier die sehr schwierige Aufgabe hat, das packend an den Hörer zu bringen.

Generell ist Marc Schülert als Erzähler aber eine sehr gute Wahl. Seine ruhige Stimme muss nicht ausbrechen, um emotional zu wirken, gerade wenn bei den Protagonisten im Fahrstuhl das Kopfkino losgeht. Auch Stephanie Marin als Marion liefert eine beeindruckende Leistung ab, Tonio von der Meden hat als steifer und nervöser Buchhalter Gössmann ebenso einen sehr guten Auftritt. Schauspieler und Vorzeigeprolet Ralf Richter passt oft überraschend gut in die Rolle des aggressiven Jörg, hier und da ist zu viel Ruhrpott in seiner Darbietung, um als Vorstadt-Familienzombie authentisch zu wirken. Regisseur Stefan Lindner gefällt als jugendlicher Antiheld Pit hingegen sehr gut, und Oliver Mink hat als Nachtwächter Scramek nicht nur ein paar Lacher auf seiner Seite, er ist auch der heimliche Star des Hörspiels. Auch die Nebenrollen sind fast ausnahmslos sehr solide: Petra Konradi als Prostituierte, Thomas Lindner als Installateur Heinz und Maik van Epple als Sievers werten das Hörspiel fraglos auf. Nur Harald Friedlin ist als brutaler Boss Roski nicht die beste Wahl, er wirkt viel mehr gestellt schmierig.

Die Atmosphäre von ABWÄRTS ist aber ganz groß. Die nächtliche Stadt wurde hervorragend eingefangen, hauptsächlich durch den sehr passenden elektronischen Soundtrack von ARL3CCH1NO und HEINER JASPERS. Es ist sicherlich kein Zufall, dass die Synthesizersounds an CLIFF MARTINEZ Beitrag für den Film Drive erinnern, was aber genau den Effekt hat, den ABWÄRTS braucht: Es erhält ein urbanes und dunkles Flair. Insgesamt ist Regisseur Lindner und seinem Team ein starkes Stück gelungen, ein spannender, düsterer, psychologischer Thriller mit Tiefgang, überraschenden Wendungen und einem konsequenten Finale. Das stilvoll aufgemachte Digipack rundet das epische Hörspiel final ab. Nach HUMANEMY haben die Gebrüder Lindner die nächste unkonventionelle Hörspielproduktion parat und erfrischen die Szene erneut. ABWÄRTS ist enorm spannende, ambitionierte Independent-Hörspielunterhaltung, vergleichbar mit den starken Produktionen vom Label OHRENKNEIFER und kann mit deren Niveau mühelos mithalten.

Veröffentlichungstermin: 27. Februar 2015

Spielzeit: 65:00 + 74:10 + 75:13 Min.

Line-Up:
Marc Schülert – Erzähler
Ralf Richter – Jörg
Stephanie Marin – Marion
Stefan Lindner – Pit
Gössmann – Tonio von der Meden
Maik van Epple – Sievers
Oliver Mink – Pförtner Scramek
Simon Pearce – Aufzug-Monteur
Harald Friedlin – Roski
Petra Konradi – Die professionielle Tina
Patrick Borlé – Installateur Otto
Thomas Lindner – Installateur Heinz

in weiteren Rollen:
Kenan Sevinc – Jan
Tatjana Zanot – Nelly
Inga Bramm – junge Putzfrau
Münevver Kas – alte Putzfrau
Birgitta Kraft – Taxi-Zentrale
Simone Wolfe – Inge
Heinz Lindner – Jörgs Sportlehrer
Hanni Lindner – Jörgs Mutter
Jan Koppens, Sascha Maaß, Oliver Rieche – Arbeiter in Scrameks Traum
Oda Plein – Pits Mutter
Jana Mosquera – Pits Geliebte
Christian Brandt – Polizist
Frank Kindermann, Tim Caspers – Sanitäter

Stefan Lindner – Spielbuch und Regie
Thomas Lindner – Sprachaufnahmen, Geräusche, finaler Schnitt, Mix
Stephan Gossen – Dialog-Schnitt, Musik-Arrangements
Thomas Heimann-Trosien – Mastering, zusätzliche Sprachaufnahmen
Creative Partners – Illustration, Layout, Satz
Sandro Lindner – Art Direction
Laura Wendel – Titelgestaltung
Sephan Gossen, Kenan Sevinc, Harald Friedlin – Regie-Assistenz

Label: Lindenblatt Records

Homepage: http://www.lindenblatt-records.de

Mehr im Netz: https://www.facebook.com/pages/Lindenblatt-Records/127997783940990?pnref=lhc

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