WIZO, ROCK´N´ROLL STORMTROOPERS: Stuttgart, LKA (Longhorn), 4.3.2005

Zum Abschluss ihrer sechswöchigen Abschiedstour spielten WIZO zweimal in Stuttgart. Aus allen Richtungen reisten die Fans an und feierten das Sindelfinger Punk-Trio ein letztes Mal. Denn WIZO waren in all den Jahren eben doch eine ganz besondere Band. Ich werde sie vermissen.

Zum Abschluss ihrer sechswöchigen Abschiedstour spielten WIZO zwei ausverkaufte Konzerte im Stuttgarter LKA (Longhorn). Aus allen Richtungen reisten die Fans an und feierten das Sindelfinger Punk-Trio ein letztes Mal.

Als gegen 21 Uhr Axel Kurth, Jörn Genserowski und Thomas Guhl die Bühne betraten, um ihre Kumpels von den ROCK´N´ROLL STORMTROOPERS anzusagen, wurden sie bereits mit lautstarkem Jubel empfangen. Dementsprechend musste die Vorgruppe während ihres 40-minütigen Sets auch immer wieder mit WIZO-Sprechchören und erhobenen Mittelfingern kämpfen. Doch das Quartett zog sich ganz ordentlich aus der Affäre und rockte ohne Rücksicht auf Verluste einfach drauf los. Schon beim ersten Song, Bulldozers On The Loose, posten die drei Saitenquäler bis zum sprichwörtlichen Umfallen. Während vor der Halle Minusgrade herrschten, gerieten die STORMTROOPERS schon beim ersten Song kräftig ins Schwitzen. Dabei trugen sie bereits äußerst kurze Jeans-Klamotten, die die Zeitlosigkeit ihrer Musik nochmals unterstrichen. Leider konnte ich der musikalischen Mischung aus RAMONES und STATUS QUO nur wenig abgewinnen, zumal zuwenig Gesang und zuviel Bassdrum aus den Boxen kam. Unterhaltsamer waren da schon diverse Kalauer bei den Ansagen, wie etwa die Widmung von We´re Gonna Rock You an alle Veganer. Nach einer nicht gerade appetitlichen Baucheinlage des Bassisten beim Abschlusstrack Keep Rock Clean war der Spuk dann vorbei und das bange Warten auf WIZO begann.

Nebelschwaden bedeckten die dunkle Bühne und ein Trauermarsch kündigte das nahende Ende an. In Bestattungsuniformen trugen Axel und Jörni einen WIZO-Sarg auf die Bühne, während Thomas Guhl mit Eimer und Klobürste bewaffnet das Publikum weihte. Anschließend begaben sich die drei an ihre Instrumente. Axel hielt eine besinnliche Rede zur bevorstehenden Bandauflösung, die mit der gar nicht besinnlichen Aufforderung endete, zu pogen, bis die Ärsche bluten! Auf der Bühne wurde es augenblicklich hell und im Zuschauerraum eng. Als Opener fungierte Kopfschuss. Die Band war vom ersten Ton an auf 180 und erntete im Anschluss an das Stück frenetischen Applaus. Es folgte Nana vom aktuellen Album Anderster, während die Band nach und nach die Bestattungsklamotten ablegte. Bei Gute Freunde übernahm das Publikum umgehend den Gesang, so dass Axel nur mit Mühe noch seine übliche Ansage machen und die anwesenden Frauen dadurch gegen sich aufbringen konnte.

Statt lange Ansagen über die Endgültigkeit des Abends zu machen, spielten WIZO so ziemlich alle essenziellen Songs ihrer Karriere. Nach Hey Thomas und Geisterfahrer gab es mit Der lustige Tagedieb eine weitere neue Nummer. Aber auch der Titeltrack ihres Vinyl-Debüts Klebstoff stand auf dem Programm und wurde kräftig mitgesungen. Weiter kam live wesentlich besser rüber als auf Platte und Diese Welt rockte kräftig. Bei Das goldene Stück hatte Axel dann den ersten textlichen Aussetzer, da ihn die Situation anscheinend doch ziemlich mitnahm. So ließ er auch das als Höhepunkt des musikalischen Schaffens der Band angekündigte Der Käfer ein zweites und letztes Mal vom Publikum singen. R.A.F. war neben Nana das einzige Stück, bei dem die Einschränkungen der Trio-Besetzung negativ auffielen. Die Anwesenden ließen sich davon aber nicht stören und feierten ihre Helden.

Als einziges englischsprachiges Stück fügte sich W8ing 4 U nahtlos ins Programm ein. Erneut verzettelte sich Axel, der beim Auftritt am Abend zuvor noch absolut textsicher gewesen war. Das Publikum half ihm aber schnell auf die Sprünge und sang am Ende nach Leibeskräften mit. Kopf ab, Schwanz ab, Has lebte von dem herrlichen Minenspiel von Schlagzeuger Thomas Guhl. Der Neue passte wirklich bestens in die Band. Er bearbeitete nicht nur das Schlagzeug einwandfrei, sondern steuerte auch noch allerlei Gesangsstimmen bei. Jammerschade, dass dies der letzte Auftritt dieser Besetzung war!

Raum der Zeit war einer von vielen Höhepunkten an diesem Abend, der langsam aber sicher seinem Ende zuging. Es fällt mir zugegeben schwer, das Erlebte in Worte zu fassen, da ich mit der Musik groß geworden bin und allerlei Erinnerungen damit verbinde. So gehörten etwa Nix & Niemant und Kadett B zu den ersten Songs, die ich als 13-Jähriger seinerzeit von WIZO hörte. Auch mein erstes WIZO-Konzert 1994 im Longhorn habe ich noch in sehr guter Erinnerung. Dass ich die Band nun mehr als zehn Jahre später auf ihrem letzten Weg begleiten durfte, war deshalb etwas Besonderes für mich. Für Außenstehende mag das Konzert ganz normal gewirkt haben. Sodenn die Kameras vor und auf der Bühne keine Attrappen waren, wird sich das zeigen, wenn der Mitschnitt veröffentlich wird. Denn im Zuschauerraum befanden sich an diesem Abend wohl ausschließlich Sympathisanten des nicht unumstrittenen Trios, die jedes Stück abfeierten und der Aufforderung vom Anfang eifrig nachkamen.

Ich denke, es ist nicht vermessen, Quadrat im Kreis als Kernstück des WIZOschen Schaffens zu bezeichnen. Musikalisch hat die Nummer mehr zu bieten als reinen Drei-Akkorde-Punk, während der Text immer noch eine fatale Schlüssigkeit besitzt. Im Anschluss musste die Coverversion Poupée de cire zwangsläufig abfallen. Der Song war aber auch der einzige Schwachpunkt der ansonsten erstklassigen Setlist. Mit Chezus, dem einzigen Song, der tags zuvor nicht im Programm war, konnten WIZO anschließend aber wieder punkten. Es gibt einfach keine andere Band, die derartige nihilistische, mit Selbstkritik gewürzte Lieder schreiben und spielen kann! Zwar hatten die 35 vorhergehenden Konzerte der Tour Axels Stimme etwas in Mitleidenschaft gezogen. Doch er sang noch immer mit Feuer und war von den Publikumsreaktionen sichtlich bewegt.

Nach Tod im Freibad und Hund (Tiere, Trauer, Tote, wie es Axel beim vorletzten Konzert treffend formuliert hatte) räumten die drei Musiker schließlich die Bühne, nachdem sie mehr als anderthalb Stunden durchgehend Vollgas gegeben hatten. Das Publikum wollte freilich noch jenes Lied hören, das WIZO wohl den meisten Ärger eingebracht hatte, und bekam es dann auch als erste Zugabe. Außerdem gab es mit Alte Frau ein Lied, das Abschiedsstimmung verbreitete. So richtig ernst wurde es dann bei Z.G.V., bei dem dann schließlich auf und vor der Bühne Tränen flossen. Denn bei aller Energie machte sich doch eine gewisse Traurigkeit breit, die ich mit Worten nicht recht zu beschreiben vermag. Auf CD wirkte der Song noch etwas konturlos. Doch in diesem Moment passte er perfekt. An sich wäre dies bereits der perfekte Abgang gewesen.

Verständlicherweise erschollen jedoch Zugabe-Rufe, woraufhin die Band noch einmal zurückkehrte. Die letzte Sau war thematisch natürlich äußerst treffend und wurde am Ende sogar noch dem Anlass entsprechend umgedichtet. Es sollte zugleich das letzte Lied sein. Axel ergriff ein letztes Mal das Wort und bat darum, das Lied und WIZO in guter Erinnerung zu behalten. Bevor der Spuk endgültig ein Ende hatte, gab es noch eine seltsame Version von Time To Say Goodbye vom Band zu der die drei WIZOs ihre Hinterteile entblößten. Dann hörte die Band auf zu existieren und die Halle leerte sich nach und nach.

Die Kasse des Merchandise-Stands füllte sich dagegen, da die meisten Punks ihre Kommerzfeindlichkeit vergaßen und sich reichlich mit T-Shirts und anderem WIZO-Material eindeckten. Doch auch der Erwerb diverser Textilien konnte nicht über den Verlust hinwegtrösten. Denn WIZO waren in all den Jahren nicht immer gut zu euch (Axel), aber eben doch eine ganz besondere Band: musikalischer hochwertiger als der Rest der Punk-Szene, gesanglich teilweise fast schon auf BEATLES-Niveau und textlich stets ebenso eigenwillig wie genial. Ich werde sie vermissen.

PS: Auf die Axels Ansage, dass er eine Reunion kategorisch ausschließe, gab es am 3. März zwar den Zwischenruf Wie bei den Ärzten! Ich für meinen Teil hege allerdings keine derartigen Hoffnungen. Aber immerhin meinte Jörni nach dem Konzert auf die Frage nach der musikalischen Zukunft der Bandmitglieder noch: Axel will auf alle Fälle weitermachen.

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