VENOM, NIFELHEIM: Stockholm, Klubben, 24.05.2007

Es gibt Bands, die man als Black Metaller einfach gesehen haben sollte…

Es gibt Bands, die man als Black Metaller einfach gesehen haben sollte. Und ja, VENOM gehören als Namensgeber und Erschaffer des Albums Black Metal einfach dazu, selbst wenn man frisch fröhlich darüber streiten kann, inwiefern das so betitelte Altwerk denn nun Black Metal bietet. Trotzdem stehen VENOM quasi auf der Liste der Bands, die man – sollte sich die Möglichkeit bieten – mal live erlebt haben sollte. Glücklich diejenigen, die dies vor 22 Jahren konnten – im Dilemma diejenigen, die die Tourdaten anno 2007 erblicken. Denn vom ursprünglichen Line-Up ist genau noch Cronos dabei, Manntis verdient seine Brötchen mittlerweile als Gitarrist bei Hyper Hyper Bumbumbum-SCOOTER und noch dazu beehren VENOM nur die skandinavischen Gefilde, so dass man statt mit Spritgeld mit Flugticketkohle rechnen muss. Das Hin- und Hersinnieren hat allerdings rasch ein Ende, als der schwedische Black Metal-Buschfunk die rare Live-Präsenz von NIFELHEIM bei einigen Gigs verkündet. Und dank Internet sind die Tickets rascher gebucht, als dass sich die Vernunft überhaupt noch melden kann. Sie bleibt also zusammen mit dem Flugzeug-nichtkompatiblen Patronengurt schmollend zuhause, und die Restkreatur jettet nach Stockholm.

Dank einem simplen U-Bahnsystem ist die Station Gullmarsplan rasch gefunden, einige dunkle Gestalten weisen den Weg so sicher wie der Stern nach Bethlehem. Im Pärklein dann mehr Metal-Gestalten in gepflegter Bierlaune und je näher man dem Fryshuset, in dem der Klubben lokalisiert ist, kommt, desto mehr erinnert der Spaziergang an eine Zeitreise. Spätestens in der artig geformten Schlange vor dem Club wird klar, dass die letzten zwanzig Jahre hier wohl nie stattgefunden haben – oder die Stockholmer dem Rest der Welt zwanzig Jahre voraus sind. Hier regieren die 80er. Kutten und Lederjacken; enge Jeans, die gerne auch hell sein dürfen; die klassischen, weißen 80er-Jahre Turnschuhe oder schwarze Converse an den Füßen; Shirts, die VENOM, HELLHAMMER oder den alten KREATOR huldigen – und irgendjemand hat einen Mini-Ghettoblaster in der Hand, der die Anstehenden mit scherbelnden Sounds aus der Altars of Madness-Ära MORBID ANGELs versorgt. Einzig die Präsenz von Mobiltelefonen bringt Risse in das nostalgische Bild – aber immerhin bieten die Klingeltöne ausschließlich Klänge, die wieder zum Ganzen passen. Auffallend auch die hohe Anzahl junger Metalfans mit gutem Geschmack – selten sieht man so viele 14jährige, deren Horizont nicht bei NIGHTWISH aufhört.

Nifelheim

Pünktlich um 19:30 ist Einlass und die Schlange bewegt sich gemächlich in den Club. Kaum ist die Security passiert, kommt Hektik auf. Einige sprinten sofort los in die erste Reihe, andere schwärmen zum NIFELHEIM-Merchandise Stand, wo mit mäßigen Preisen kräftig Shirts vertickt werden. Der Andrang hat indes auch noch einen anderen Grund: Die schwedischen Kult-Black Metaller verkaufen ihre Shirts praktisch nur an eigenen Gigs und nur eine knappe halbe Stunde vor dem Auftritt, danach ist Sense. Obschon diese Strategie auf den ersten Blick allzu radikal unkommerziell erscheint, geht sie im Zeitalter des Merchandise-Überangebots auf, und die Tourshirts mit einem einzigen Motiv gehen weg wie warme Semmeln.

Viel Zeit zum Verweilen bleibt indes nicht, die Halle ist gerade mal halb voll, als die ersten verzerrten NIFELHEIM-Töne erklingen – und sofort begeistern. Das Quintett, das mit minimalistischem Corpsepaint aufwartet und genügend Spikes trägt, um schneller als Barbarossa zu ertrinken, gibt vom ersten Moment an Vollgas und überzeugt mit infernalischer Leidenschaft. Angetrieben von Drummer Insulter of Jesus Christ! (ENTOMBED), der an diesem Gig das Kit von Joakim Sterner (NECROPHOBIC) malträtiert, wird dem Feuer, dem Satan und dem Tod gehuldigt. Die heulenden Gitarren von Vengeance from Beyond und Apocalyptic Desolator, die beide auch bei NECROPHOBIC tätig sind, liefern zielsichere Melodien, um die satanischen Botschaften zu überliefern. Dazu gesellen sich das Basswummern und die Kreischstimme der Zwillingsbrüder Hellbutcher und Tyrant – auch bekannt als Bröderna Hårdrock – das Resultat ist bester Black Metal der alten Schule, der sich nicht vor thrashigen Anleihen scheut und unter anderem die 80er Jahre-Ära BATHORYs stilvoll auferstehen lässt. Klar gemahnt der Leadgitarrensound von Vengeance from Beyond nicht nur während Sodomizer unweigerlich an NECROPHOBIC – dies steht dem Sound von NIFELHEIM jedoch keinenfalls schlecht zu Gesicht. Im Gegenteil – lieber ein Gitarrist mit einer eigenen Handschrift, als austauschbare Dutzenware. So bieten NIFELHEIM die schwarzmetallische Vollbedienung, die ihnen nachgesagt wird – Songs wie Unholy Death, The Final Slaughter, Gates of Damnation oder Satanic Sacrifice verfehlen die Wirkung auf das Publikum nicht, und die satanischen Schweden werden frenetisch abgefeiert. Als Hellbutcher Storm schreit, brüllt ihm die Menge sogleich Of Satan`s Fire entgegen und die Matten kreisen heftig beim darauf folgenden Storm of Satan`s Fire. Zwischen den Songs stacheln wahre NIFELHEIM, NIFELHEIM-Chöre die Höllenpriester zu mehr Schandtaten an, sie danken es nicht nur mit einer mitreissenden musikalischen Leistung, sondern auch mit entsprechenden Posen, Flitzefinger-Tapping-Akrobatik im Gitarrenbereich und schlicht geballter Live-Power. Wer auch immer den Black Metal für tot erklärt hat oder ihn mit bewegungsarmen, weltfremden Kalkleisten gleichsetzt – diese Performance dürfte ihn rascher vom Gegenteil überzeugen als ein Treffen mit Luzifer persönlich. Schweißtreibend, satanisch, sensationell – NIFELHEIM!

Venom

Trotz weiterer Sprechchöre aus dem Publikum folgt keine Zugabe, einzig die Ankündigung auf ein bald erscheinendes neues NIFELHEIM-Album tröstet über das Ende dieses fesselnden Auftritts hinweg, der allein schon die Reise nach Stockholm wert war. In der Umbaupause bleibt Zeit für die mittlerweile mehr als nötige Flüssigkeitsaufnahme, beschallt von SLAYER-Klassikern wie Jesus saves und Reign in Blood kommt auch der härteste Metaller darüber hinweg, dass es an diesem Abend nur leichtes Bier gibt – schließlich ist es ein Konzert ab 13. Das VENOM-Equipment wird enthüllt und die kleinen roten Kästchen am erhöhten, zweiten Drumkit lassen alteingesessene Black Metaller erschaudern: Trigger. Wollen VENOM modern sein? Werden sie die alten Songs außer Acht lassen? Soll man den Club verlassen, um irgendwo gepflegt abzustürzen?

Nach einem Intro, das irgendwo zwischen Ambient und Geräuschkulisse angesiedelt ist, betritt das britische Trio die Bühne. Cronos trägt einen Restfetzen eines alten VENOM-Shirts, Kettchen, Spikes, knallenge Hosen, grotesk wirkende Stiefel – und sieht aus, als wäre er dem Masters of the Universe-Paralleluniversum entsprungen. So weit, so nicht modern und auch seine erste Ansage lässt darauf schließen, dass die neuen Zeiten wohl kaum im Zentrum stehen werden: This is black fucking metal! weist denn gleich auch die Richtung zum Kult-Opener. Die Halle ist mittlerweile gut gefüllt und der Opener wird begeistert bekreischt. Auch Seven Gates of Hell und Welcome to Hell (das zu Welcome to Sweden abgeändert wird) stoßen auf Gegenliebe. Mit House of Pain schafft es auch ein Song des neuesten Werkes Metal Black in die Setliste, allerdings reagiert das Publikum weniger bewegungsfreudig bei den neueren Tracks als bei den Klassikern. Egal, ob alt oder neu, es ist rasch klar, dass Cronos sichtlich Spaß am Performen hat, selbst wenn er kein extremes Headbanging betreibt. Der glatzköpfige, etwas allzu asketisch wirkende Neu-Gitarrist Rage liefert hierzu eine solide Vorstellung, wirkt aber weniger locker als Cronos.

Nach einem weiteren Intermezzo wird die Ankündigung Look at me, Satan`s Childs (sic!) bejubelt und die Matten kreisen wieder während Live like an Angel. Zu einem Stimmungshoch führt das darauf folgende Countess Bathory, dessen Refrain das Publikum gewissenhaft mitsingt. Songs wie 1000 days of Sodom, Burn in Hell und das abschließende Metal Black erreichen diese Höhen nicht ganz, ernten jedoch ebenfalls positives Feedback. Dennoch hat die VENOM-Performance einen großen Schwachpunkt: den Sound. Kann man diesem in den vorderen Reihen noch knapp die Note genügend erteilen, verkommt er im hinteren Teil des Klubben eher zu einem Soundbrei, der es schwierig macht, Riffs herauszuhören. Das getriggerte Kit macht die Sache nicht viel besser und so bleibt am Ende nur das Verdikt, dass die Vorband definitiv das bessere Klanggewand erwischt hatte an diesem Abend. Dessen ungeachtet verlangt die Meute mittels VENOM-Sprechchören nach mehr, als erste Zugabe bieten die Briten In League with Satan. Die Interaktion zwischen Cronos und Menge funktioniert bei diesem Klassiker einwandfrei, auf sein Evil schallt ihm ein In League with Satan entgegen – und das Publikum skandiert noch weiter, selbst als der Song bereits zu Ende ist. Dieser Fleiß wird schließlich mit Witching Hour belohnt – danach ist definitiv Schluss.

Die Lichter gehen an und ungewohnt rasch leert sich der Klubben. Was bleibt, sind gemischte Gefühle. Zum einen wünscht man sich beinahe, man hätte VENOM in ihren Glanzzeiten und im Original Line-Up gesehen. Zum anderen lässt sich jedoch auch feststellen, dass der heutige Gig um einiges schlimmer hätte sein können – die Setliste und die doch spürbare Begeisterung von Cronos machten aber einiges wett, was soundtechnisch verbockt wurde. Die Abräumer des Abends waren jedoch nicht VENOM, sondern NIFELHEIM – in sämtlichen Punkten.

Total
0
Shares
WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner