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TYPE O NEGATIVE Stuttgart, Kongresszentrum B, 12. Dezember 1999

"Hallo Stuttgart, wir sind Type O Negative aus BRRRRooklyn und das ist World Coming Down"! TYPE O NEGATIVE boten mal wieder eine intensive Show, doch ihre Konzerte haben sich irgendwie verändert…


Im Hintergrund spannte ein Transparent, auf dem das Cover von World Coming Down abgebildet war, aus verrosteten Tonnen stiegen giftgrüne Qualmwolken auf, nach deren Verziehen auch das Intro verklungen war und Type O Negative gleich mit Pain loslegten. Schön, dass sie noch immer alte Stücke in ihr Set einbauen, dachte ich mir und konnte mir ein kleines Grinsen nicht verkneifen, als ich sah, dass einige Mädchen, die ein Konzert mit einer Modenschau zu verwechseln schienen, mit bestürzten Minen ihre Röcke rafften.

Hallo Stuttgart, wir sind Type O Negative aus BRRRRooklyn und das ist World Coming Down, so kündigte Peter Steele den nächsten Song auf Deutsch an. Der Titeltrack ist live ein absolutes Brett, was nicht zuletzt am gigantischen Gitarrensound lag. So muss eine Gitarre klingen, sägend, trocken und fast schon schmerzhaft klar. Leider schien der Mischer das anders zu empfinden, denn er schraubte die ohnehin schon recht heftige Lautstärke noch ein gutes Stück nach oben. Trotz Ohrstöpsel machte sich im Laufe des Abends mancher aus den vorderen Reihen auf den Weg nach hinten, zumindest seitlich vor den Boxen konnte man munter bis zur Absperrung nach vorne spazieren, vorausgesetzt, man hatte die Kraft sich gegen den Luftstrom aus den Boxen zu stemmen. Musik zum Fühlen! Diese mehr als übertriebene Lautstärke verdarb dann auch etwas das Konzert, an dem es sonst nicht viel auszusetzen gab.

Gewohnt ruhig stand Peter Steele am linken Bühnenrand und bewies, dass zumindest seine Stimme in den vergangenen drei Jahren nicht gelitten hat – was man von seiner Figur nicht gerade behaupten kann. Ein Schlabber-Sweatshirt konnte den Bauchansatz kaum verhüllen, und die tiefen Falten im Gesicht sprechen auch nicht für einen der Gesundheit besonders förderlichen Lebenswandel. Trotzdem hat er seine Ausstrahlung nicht verloren, er ist einer der wenigen Frontmänner, der einfach nur dastehen kann und dennoch genug Charisma hat, um zu faszinieren. Bei manchen Gesangsparts lief es nicht nur mir kalt den Rücken hinunter und wenn dieser Mann losbrüllt, zuckt so gut wie jeder zusammen. Auf der Bühne steht nicht mehr der schöne, starke Mann aus Stahl, sondern ein gezeichneter Mensch, der wohl tatsächlich ein paar Probleme mit sich herumschleppt. Die Rituale sind dieselben wie früher, noch immer schüttet er den Rotwein in sich hinein, noch immer entschuldigt er sich dafür, dass er die meisten Ansagen auf englisch machte, noch immer reißt er am Ende des Sets die Saiten von seinem Bass. Trotzdem scheint sich einiges verändert zu haben, ob er es genießt, live zu spielen, kann ich nicht richtig einschätzen. Mir erscheint es so, als ob sich die Motivation dahinter verändert hat, die Stimmung, die transportiert wurde, war eine andere: Stellenweise klangen die (neuen) Stücke leidenschaftlich im Sinne von Verzweiflung – da war kaum etwas von Spielfreude zu spüren, und bei manchen Textstellen hatte ich eher den Eindruck, als ob sich da jemand, anstatt nur ein Publikum zufrieden zu stellen, so manches von er Seele brüllt.


Gitarrist Kenny ist das Gegenteil des Sängers, keine dreißig Sekunden hielt es ihn in dem Halbkreis aus Monitorboxen, der vor ihm aufgebaut war. Sein Stageacting war auf eine ganz andere Weise genauso beiendruckend wie das seines Kollegen. Er flitze von rechten zum linken Bühnenrand, von erhöhten Schlagzeugpodest zum vorderen Rand der Bühne, sprang über den rostigen T-Träger und schaffte es immer noch rechtzeitig zurück an sein Mikro. Type O Negative arbeiten immer mehr mit Backingvocals. An so mancher Stelle wurde allerdings deutlich, dass besonders Kenny nicht jeden Ton hundertprozentig trifft, sein Acting macht diesen Punkt aber locker wieder wett.


Die Setlist zeigte die Vielseitigkeit der Band, hemmungslos spielten sie völlig verschiedene Songs wie das depressive Everything Dies, den poppigen Ohrwurm My Girlfriend´s Girlfriend und Kill all the white people direkt nacheinander. Langweilig war es also auf keine Fall – zum einen, weil kleine Jams die Übergänge bildeten und zum anderen, weil Type O Negative live die Songs meist ein klein wenig anders spielen als auf Platte. Andere Gesangslinien, veränderte Gitarrenriffs oder Keyboardsparts machen die Sache auch für die spannend, die ohnehin jeden Ton kennen. Erwähnenswert ist noch die Lightshow, hier funzelte nicht nur irgendjemand mit bunten Scheinwerfern herum – ob grünes Licht oder Stroboskopblitze, es passte einfach zu dem Songs und ihrer Atmosphäre.

Nach dem regulären Set, dessen Höhepunkt für mich neben World Coming Down das mit Gänsehaut-Feeling verbundene Wolf Moon war, stimmte das – abgesehen von den ersten Reihen – ohnehin mal wieder recht lasche Stuttgarter Publikum ein Pfeifkonzert an. Früher wurde an dieser Stelle Zugabe one more Song oder was auch immer skandiert, heute wird halt nur noch gepfiffen. Als Bonus-Songs gabs dann noch Love you to Death und eine ziemlich rockige Version des T.ON.-Standards Black No#1.

Tracklist:

Pain

World Coming Down

Praise Bacchus

Christian Woman

Everything dies

My Girlfriend´s Girlfriend

Waste of life

Wolf Moon

Cinnamon Girl

Pyretta Blaze

Kill al the white people

– – – – – – – – – – – – – – – – – –

Love you to Death

Black No#1

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