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TASTE OF CHAOS 2009 mit IN FLAMES, KILLSWITCH ENGAGE, HEAVEN SHALL BURN, EVERY TIME I DIE, MAYLENE AND THE SONS OF DISASTER: München, Zenith, 08.12.2009

Es war ein kalter und regnerischer Tag in München. Dennoch hatten geschätzte 4000-4500 Leute den Weg an diesem Dienstagabend auf sich genommen, um auf der diesjährigen TASTE OF CHAOS-Tour ihre Helden von MAYLENE AND THE SONS OF DISASTER, EVERY TIME I DIE, HEAVEN SHALL BURN, KILLSWITCH ENGAGE und natürlich IN FLAMES live zu erleben. Die geräumige, aber ungeliebte Zenith-Halle bot dafür mehr als ausreichend Platz, bescherte den angereisten Fans im Gegenzug aber teure Getränkepreise und einen zeitweise schlicht inakzeptablen Sound…

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“Den Zeitplan einzuhalten ist bei einer Veranstaltung wie dem TASTE OF CHAOS sehr wichtig”, erklärt mir Björn Gelotte, Gitarrist der schwedischen Metalgröße IN FLAMES, gegen 18 Uhr in einem kleinen, fensterlosen Raum im ersten Stockwerk des Münchner Zenith, “Deshalb spiele man, wie als Support in England, auch eher 44 anstatt 45 Minuten”.

Von Zeitplänen will man an der Kasse aber nichts wissen, wird uns doch aufgrund organisatorischer Verzögerungen der Einlass in die klobige, aber wärmende Halle zunächst noch verwehrt. Dank eisiger Temperaturen und ungemütlichen Nieselregens stellt sich uns in der Zwischenzeit mehrmals die Frage, wie eine ganze Horde früh angereister Fans unter diesen Umständen schon seit Stunden die Eingangstore belagern kann.

Es ist bereits 18:30 Uhr, als wir endlich die erstaunlich gut gefüllte Halle betreten. Geschätzte 4000-4500 Leute haben den Weg an diesem Dienstagabend auf sich genommen, um ihre Helden von EVERY TIME I DIE, HEAVEN SHALL BURN, KILLSWITCH ENGAGE und natürlich IN FLAMES live zu erleben.

MAYLENE AND THE SONS OF DISASTER

blankZunächst einmal steht jedoch mit MAYLENE AND THE SONS OF DISASTER ein uns bis dato gänzlich unbekannter Support-Act auf der Bühne. Dass die sechsköpfige Truppe mitsamt drei Gitarristen bereits um 18:45 Uhr, eine Viertelstunde vor dem offiziellen Beginn, ran muss, scheint angesichts der schon jetzt beachtlichen Horde vor der Bühne hingegen kein Handicap zu sein. Dass die Stimmung während den folgenden 30 Minuten trotz spürbar vorhandener Anerkennung dennoch nur schwer in Fahrt kommt, liegt hingegen wohl eher am musikalischen Außenseiterstatus der Amerikaner sowie natürlich dem Untergrunddasein, das die Band hierzulande fristet.

Dabei ist der groovebetonte Southern Rock mit deftigem Metaleinschlag für sich genommen höchst interessant und kann durch den leicht breiigen Sound hindurch sogar mit einigen coolen Soli auftrumpfen. Sänger Dallas Taylor in Holzfällerhemd und Mickey Mouse-Shirt sorgt mit seinem bärtigen und zotteligen Äußeren für die passende visuelle Untermalung des Programms und gibt den rotzigen, aber doch sympathischen Frontmann mit Bravour.

MAYLENE AND THE SONS OF DISASTER scheinen den Auftritt zu genießen

blankZwischen dreckigem Klargesang und tiefem Grunzen funkelt sogar immer wieder die Leidenschaft hindurch, mit welcher der Kopf des Sextetts diesen Auftritt bestreitet. So scheinen MAYLENE AND THE SONS OF DISASTER ihr Gastspiel in München trotz des undankbaren Openerslots zu genießen und obgleich sehr bald schon wieder Schluss ist, haben sie unter den aufgeschlossenen Besuchern sicherlich den einen oder anderen Interessenten hinzugewonnen.

EVERY TIME I DIE

blankKeine 15 Minuten später sorgen EVERY TIME I DIE bereits für die ersten zarten Moshversuche. Dies scheint in den vorderen Reihen gut zu funktionieren, trifft bei so manchem Besucher aber auch auf breite Ablehnung. Kein Wunder, überfordert der vertrackte und brachiale Metalcore im Stil von CONVERGE so früh am Abend doch gefühlte 90 Prozent der anwesenden Hörerschaft. Das verbliebene Zehntel freut sich dafür umso mehr über eine abgefahrene und verschachtelte Packung Metal- beziehungsweise Mathcore, dessen Brachialität durch die energiegeladene Stageperformance von Sänger Keith Buckley in noch höhere Sphären katapultiert wird.

Passend dazu die fast schon psychedelische Lightshow, die aufgrund schneller Licht- und Farbwechsel ein eindrucksvolles wie anstrengendes Spektakel darstellt. Anstrengend umschreibt im Übrigen treffend die kurze, aber intensive Show von EVERY TIME I DIE. Nicht etwa, weil die Band eine Qual für die Ohren ist, sondern da die Zenith-typische Soundwand wieder einmal eine Menge Details verschluckt. Diesen Makel kompensieren die Jungs jedoch souverän mit geübten Rockstar-Posen, weshalb aus der eigentlich halbstündigen Zwischenmahlzeit schnell ein vollwertiger Gang wird. Dennoch sagt uns unser Gefühl, dass eine Band wie EVERY TIME I DIE eher in einen kleinen, verschwitzten Club gehört als auf eine Bühne mit Ausmaßen, wie sie die des Zeniths aufweist.

HEAVEN SHALL BURN

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“Was ist das? – Blaues Licht. – Und was macht es? – Es leuchtet blau.” – mit eben genanntem Rambo-Zitat liefern HEAVEN SHALL BURN nach zwanzigminütiger Umbauzeit für Kenner einen gelungenen Gag zum Einstieg, bevor zum logischerweise in blau getauchten Bühnenbild das altbekannte Intro “Awoken” erklingt. Dass die Thüringer mittlerweile zu einer richtigen Größe im deutschen Extrem-Metal angewachsen sind, zeigt sich allein schon an der aufgebauten Spannung unter den Besuchern. Als diese sich schließlich im “Iconoclast“-Opener “Endzeit” entlädt, gibt es für die Münchner kein Halten mehr. Da wird gemosht, wahlweise gebangt, und fleißig mitgeschrien.

Ohne Frage, HEAVEN SHALL BURN sind zu einer Nummer geworden, die ohne Probleme auch eine große Halle wie das Zenith im Griff hat. Mit ihrem hitgespickten, aber leider überraschungsarmen Best-Of-Set gibt es bei dieser Gelegenheit gleich die volle Ladung Melodic Death Metal in seiner brachialsten Form auf die Ohren. Von “Counterweight” über “Voice Of The Voiceless” bis hin zum obligatorischen “The Weapon They Fear” darf kein Klassiker fehlen. Und das ist auch gut so, denn ohne sichere Textkenntnisse ist es teilweise unmöglich, aus dem blechernen, undifferenzierten Tongemisch den jeweiligen Song zu erkennen. Unsere nicht ganz so HEAVEN SHALL BURN-firme Bgeleitung erkennt immerhin das Intro “Awoken” mit Gewissheit wieder, beim Rest ist es ein Ratespiel.

Trotz Schwächen im Sound ein starker Auftritt

blankDass sie dabei eine Randgruppe darstellt, zeigt hingegen die ungebrochene Begeisterung des Publikums. Aber kein Wunder, wer sich so ins Zeug legt und über die Bretter fegt wie die sympathischen Ostdeutschen, hat eine angemessene Rückmeldung verdient. Und so sind die roten Polo-Hemden der Musiker bestimmt nicht die einzigen nass geschwitzten Kleidungsstücke in der Halle, als sich das Quintett nach kompakten 35 Minuten mit dem EDGE OF SANITY-Cover “Black Tears” von der bayerischen Landeshauptstadt verabschiedet. Trotz Schwächen im Sound ein starker Auftritt – den selbst auferlegten Job als Anheizer haben HEAVEN SHALL BURN jedenfalls mühelos aus dem Stand, pardon, aus der Bewegung heraus gemeistert.

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HEAVEN SHALL BURN Setlist

  1. Awoken
  2. Endzeit
  3. Profane Believers
  4. Counterweight
  5. Forlorn Skies
  6. Voice Of The Voiceless
  7. The Disease
  8. The Weapon They Fear
  9. Black Tears

KILLSWITCH ENGAGE

blankDer Ruf als uneingeschränkt gute Live-Band eilt KILLSWITCH ENGAGE ja nicht gerade voraus. Vielmehr begegnet man diesbezüglich stark geteilten Reaktionen. Umso gespannter sind wir, als nach dem abermals flotten Umbau die Lichter ausgehen und die Metalcore-Institution aus Westfield, Massachusetts, nach einem spaßigen Intro zu den ersten Klängen von “My Curse” die Bretter betritt.

Und wir sollen letztlich nicht enttäuscht werden. Der Sound ist für Zenith-Maßstäbe glasklar und druckvoll, behandelt lediglich die Rhythmusgitarre ein wenig stiefmütterlich. Die Band selbst zeigt sich in bester Spiellaune und nutzt die komplette Breite der Bühne für sich. Sänger Howard Jones ist sichtlich gut aufgelegt, scherzt mit seinen Kollegen und liefert eine schlicht tadellose Gesangsleistung ab. In der Tat gibt es im Genre derzeit wohl nur wenige, welche die komplette Bandbreite von brutalen Screams bis hin zu gefühlvollem Klargesang so souverän beherrschen wie der KILLSWITCH ENGAGE-Fronter.

Gitarrist Adam Dutkiewicz ist ein Aktivposten

blankObwohl sich die komplette Band in einheitliche Garderobe geschmissen und schick gemacht hat, stiehlt Gitarrist Adam Dutkiewicz mit seinem exzentrischen Auftreten wieder einmal allen die Show. Ob man sein Outfit, bestehend aus Shorts, Kopftuch und Vampir-Cape, nun cool findet oder nicht – der Mann ist schlicht ein Unikat und versteht es perfekt, die Energie von der Bühne hinab ins Publikum zu transportieren. Als zum Ende von “Fixation On The Darkness” Adams Gitarre ausfällt, ist der Herr natürlich nicht um ein passendes Statement verlegen. Mit den Worten, “I’ve broken my guitar….this is what I do in the meantime”, setzt er an und leert einen Becher Bier in einem Zug, nur um dasselbe Spiel unter dem Deckmantel eines Déjà-vus einige Momente später wortgenau zu wiederholen.

Überraschenderweise nutzen KILLSWITCH ENGAGE die ihnen gegebenen 40 Minuten, um den Münchnern ein ausgewogenes Programm zu präsentieren. Mit “Reckoning” und “The Forgotten” gibt es gerade einmal zwei Stücke vom aktuellen Album “Killswitch Engage“, diese können dafür aber auch live voll und ganz überzeugen. Der Rest ist ein bunter Querschnitt aus den bisherigen Schaffensperioden. “My Last Serenade” darf genauso wenig fehlen wie “Rose Of Sharyn” oder “A Bid Farewell”, bei dem 4000 Kehlen lautstark den Refrain mitsingen – Gänsehaut garantiert! Nach dem tollen “The End Of Heartache” widmet Howard Jones das abschließende DIO-Cover “Holy Diver” eben jener an Krebs erkrankten Legende mit dem Wunsch auf eine baldige Genesung des Mannes, der dem Metal sein Markenzeichen gegeben hat. Die Menge stimmt in diese Hoffnung auf ihre Weise ein, indem sie noch mal alles gibt und aus dem Klassiker im neuen Gewand so den stimmungstechnischen Höhepunkt des kurzen Auftritts macht.

blankKILLSWITCH ENGAGE Setlist

  1. My Curse
  2. A Bid Farewell
  3. The Forgotten
  4. Reckoning
  5. Fixation On The Darkness
  6. Rose Of Sharyn
  7. My Last Serenade
  8. The End Of Heartache
  9. Holy Diver

IN FLAMES

blankEine geschlagene halbe Stunde lassen sich IN FLAMES Zeit, bis endlich um 22:20 Uhr das Synthie-Intro von “Cloud Connected” ertönt. Das Bühnenbild ist im Prinzip schlicht gehalten, wäre da nicht die zweiteilige LED-Wand im Hintergrund, die nun die schwarzen Silhouetten der Musiker vor weißem Grund zeigt und im Verlauf des Abends noch für ganz andere Sachen gut sein soll.

Als die fünf Schweden jedenfalls loslegen, verwandelt sich das Zenith in einen Schmelztiegel. Hunderte von Armen werden in die Höhe gestreckt, es wird gebangt, gesprungen und der Dame gesetzten Alters neben uns entfährt sogar ein spontaner Aufschrei der Freude. Dass IN FLAMES der eindeutige Headliner des Abends sind, zeigt sich nicht nur an den Reaktionen des Publikums, sondern auch am kompletten Drumherum.

IN FLAMES begeistern mit immenser Spielfreude

blankDie Flammenwerfer und Effekte haben die Göteborger wie schon im Vorjahr zwar leider daheim gelassen, aber dafür gibt es eine schlicht und ergreifend atemberaubende Lichtshow, die an Opulenz wohl nur schwer zu überbieten ist. Damit meinen wir nicht nur den riesigen LED-Screen, der mal Szenen des gerade stattfindenden Konzerts, mal abstraktere Muster wie Zahnräder und Funken oder gar den Videoclip zu “The Quiet Place” zeigt, sondern die schiere Flut an Scheinwerfern, die auf die sonst so triste Zenith-Bühne ein irrsinniges Spektakel zaubert.

Ein solcher Aufwand bringt natürlich wenig bis gar nichts, wenn die Band selbst lustlos ihr Programm runterleiert. Diese Sorge wird jedoch schnellstens im Wind zerstreut. Mit immenser Spielfreude begeistern IN FLAMES an diesem Dienstagabend ihre Fans und werden nicht selten mit einem breiten Grinsen im Gesicht ertappt. Lead-Gitarrist Björn Gelotte scheint ohnehin für die Bühne zu leben und ist folglich überall anzutreffen, aber genauso Niclas Engelin, der immer noch für den alkoholkranken Jesper Strömblad aushilft, genießt seine Aufgabe in vollen Zügen. Anders Fridén gibt erneut den gut gelaunten Frontmann, der selbst gern seine Dreadlocks kreisen lässt und zwischen den Songs trocken das Geschehen im Menschenmeer vor ihm kommentiert. So bekommt ein Gast direkt das Prädikat schlechtester Crowdsurfer aller Zeiten aufgedrückt.

IN FLAMES vergessen die Klassiker nicht

blankDass bei soviel Energie und guter Laune, wie sie IN FLAMES versprühen, sich niemand über den Mainstreamstatus, den die Band im Metal mittlerweile eingenommen hat, ärgern kann, versteht sich indes von selbst. Zumal neues Material vom Schlage eines “The Mirror’s Truth” oder “March To The Shore” live hervorragend funktioniert. Überhaupt ist die Songauswahl in Anbetracht des jüngsten Erfolgs der Band sehr gut zusammengestellt. Dass die letzten beiden Alben mit Songs wie “Take This Life”, “Delight And Angers”, “Disconnected” und der intensiven Powerballade “Come Clarity”, bei der das Publikum Anders zeitweise vom Gesangsposten ablöst, die Setlist dominieren würden, haben wir erwartet. Sogar der umstrittene, aber live sehr viel stärkere Achtminüter “The Chosen Pessimist” hat es ins Programm geschafft.

Dennoch gibt es abseits des obligatorischen “Pinball Map” sowie dem ewigen Live-Hit “Only For The Weak” noch weiteres Material aus einer Zeit, in der es die D-Mark noch gab. Neben “The Hive” vom “Whoracle”-Album und “Embody The Invisible” aus der “Colony“-Ära lassen es sich IN FLAMES nicht nehmen, vor einer in tiefes rot getauchten Kulisse mit dem göttlichen “Artifacts Of The Black Rain” einen der besten Melodic Death Metal-Songs aller Zeiten anzustimmen. Eine mehr als angenehme Überraschung, die vor allem die wenigen alteingesessenen Anhänger begeistern kann. Eigentlich eine Schande, dass dieser Meilenstein für so viele Jahre live übergangen wurde.

Bei “Take This Life” holen IN FLAMES einen Fan auf die Bühne

blankGleichzeitig markiert der Track kurz nach der Hälfte das Ende der musikalischen Zeitreise, denn ab da an folgen ausschließlich Titel neueren Baujahrs. Bevor die Show im gewohnt grandiosen Finale “My Sweet Shadow” gipfelt, darf zuvor bei “Take This Life” sogar eine junge Dame aus dem Publikum auf die Bühne kommen, um selbiges für die Internetcommunity auf Video festzuhalten. Um fünf vor zwölf war schließlich Schicht im Schacht, einen aufgesetzten Zugabenblock gibt es, wie von der Band gewohnt, glücklicherweise nicht. Aber wozu auch? Die Anwesenden sind sichtlich erschöpft, die Gesichter dennoch zufrieden und aus den im Zeitplan angesetzten 90 Minuten sind letztlich ganze fünf mehr geworden. Macht aber nichts, als Headliner kann man sich das schon mal erlauben, selbst wenn die zeitliche Organisation bei einer Veranstaltung wie dem TASTE OF CHAOS enorm wichtig ist.

IN FLAMES Setlist

  1. Cloud Connected
  2. Embody The Invisible
  3. Pinball Map
  4. Delight And Angers
  5. Disconnected
  6. The Chosen Pessimist
  7. Trigger
  8. The Hive
  9. Only For The Weak
  10. Artifacts Of The Black Rain
  11. March To The Shore
  12. Come Clarity
  13. Leeches
  14. Alias
  15. The Mirror’s Truth
  16. The Quiet Place
  17. Take This Life
  18. My Sweet Shadow

Fotogalerie: IN FLAMES, KILLSWITCH ENGAGE, HEAVEN SHALL BURN, EVERY TIME I DIE, MAYLENE AND THE SONS OF DISASTER

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