SICK OF IT ALL – 27. August 2002, Nürnberg, K4

Im gutbesuchten Festsaal des K4 verfehlen die kurzen pfeilgeraden Abgehnummern ihre Wirkung nicht und sorgen vor der Bühne für Gedränge, wie man es sonst nur aus dem Strafraum des 1. FC Nürnberg kennt…

Manchmal ist ein Sound untrennbar mit einem bestimmten Ort auf diesem Erdball verbunden. Aus den Schluchten der stolzen Stadt am Hudson River entsprang Anfang der 80er Jahre eine neue aufregende Stilrichtung, die als „New York Hardcore“ die Herzen zahlloser Punkfans rund um den Globus erglühen ließ. Neben Szene-Urgesteinen wie Agnostic Front und den Cro-Mags sind es heute vor allem Sick Of It All, die für diese Spielart harter energiegeladener Musik stehen. 1986 von den Koller-Brüdern Pete und Lou im Stadtteil Queens gegründet, erfreut sich das Quartett auch nach dem großen Boom Mitte der 90er Jahre ungeteilter Aufmerksamkeit. Trotz Vertrag mit einem Major-Plattenlabel und Videoclips auf MTV kam es hier nie zum Ausverkauf. SOIA werden in der Szene verehrt wie sonst nur die Helden der ersten Stunde.

Während das Gros ihrer Kollegen tot ist oder längst vom Heavy Metal absorbiert wurde, zelebrieren Sick Of It All noch immer den ursprünglichen Sound, kombinieren geschickt die alte Schule mit neuen Einflüssen und spielen jede Show so, als sei es ihre letzte. Auch in Nürnberg gewinnt der dynamische Vierer immer dann, wenn er ein wenig vom klassischen New York Hardcore-Schema abweicht, seine kurzen prägnanten Songs mit reichlich Groove, markanten Singalongs und einem Schuss britischem Oi!-Punk anreichert und ein Quäntchen Melodie obenauf draufpackt. Fertig ist die hochexplosive Mischung, die von Album zu Album mehr zündet. Auch live im gutbesuchten Festsaal des K4 verfehlen die kurzen pfeilgeraden Abgehnummern ihre Wirkung nicht und sorgen vor der Bühne für Gedränge, wie man es sonst nur aus dem Strafraum des 1. FC Nürnberg kennt.

Im Gegensatz zur aufgesetzten Macho-Attitüde vieler Kollegen sind Sick Of It All jedoch mit viel Witz bei der Sache. Frontmann und Sympathieträger Lou Koller schmunzelt, als er die zahlreichen N.Y.H.C.-T-Shirts im Publikum sieht. Der Kult rund um den Mythos „New York Hardcore“ wird in der Frankenmetropole eifrig weitergestrickt – auch auf die Gefahr hin, dass durch die räumliche Entfernung die Vergangenheit goldener erscheint, als sie in Wirklichkeit war. „Ach, wisst Ihr“, grinst der Sänger unschuldig, „bei uns zu Hause riecht es in den Straßen die meiste Zeit auch nur nach Pisse“.

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner