SATYRICON und KHOLD am 19. März 2003 im New Backstage, München

Es grenzt an Masochismus sich nach einem sonnigen (Fast-)Frühlingstag Abends zur bitterkalten Musik SATYRICONs zu begeben. Da werden die positiven Gedanken wie im Nu weggeblasen und schließt man die Augen findet man sich im tiefsten Norwegen wieder, die Flasche Fusel nach 5 Minuten zur Hälfte geleert, damit die Fingerchen nicht ganz abfrieren…

Es grenzt an Masochismus sich nach einem sonnigen (Fast-)Frühlingstag Abends zur bitterkalten Musik SATYRICONs zu begeben. Da werden die positiven Gedanken wie im Nu weggeblasen und schließt man die Augen findet man sich im tiefsten Norwegen wieder, die Flasche Fusel nach 5 Minuten zur Hälfte geleert, damit die Fingerchen nicht ganz abfrieren.

Doch glücklicherweise sind wir ja im New Backstage, da ists immer warm. Wenn auch nicht übermäßig, anscheinend hatten KHOLD da irgendwas mit dem Chef drinnen abgesprochen… Aber da ist nichts bewiesen, vielleicht wars auch wirklich kühl. Aber die Show der Norweger war dafür umso heißer. Nicht nur, dass die Vier den Hörern das Material sehr wohlschmeckend in einer passenden Lautstärke schmackhaft machten, auch die Show war sehr gut. Hier wurde trotz der kurzen oder fehlenden Haare von ¾ der Mucker kräftigst gebangt und fieberhaft die Show zu einem kleinen, intensiven Erlebnis gemacht. Dies setze sich sehr gut in ihrem schleppenden Black Metal ab, der nur an den nötigsten Stellen auch mal richtig flott wurde (Phantom). Beachtlich, das beim Sänger originelle Corpsepaint (unten schwarz, ab der Nase bis zur Platte weiß) und der Gitarrist, der dank seines Überbisses in Verbindung mit Corpsepaint aussah wie Skeletor aus dem Kultfilm mit Dolph Lundgren. Im Publikum fanden sich auch einige wenige KHOLD-Fanatiker wieder, die ihr bestes gaben und die Band nach allen Regeln der Kunst abfeierten. Selbst, wenn nicht alle so begeistert von dem ultrabrachialem Black Metal waren wie ich und die anderen Fans, gefallen hat die halbe Stunde wohl jedem.

Danach wurde es erstmal mystisch. Ein roter Vorhang auf den das SATYRICON-Logo projiziert wurde brachte die Gewissheit, dass man sich nicht die falschen Tickets gekauft hatte. Doch was war hinter dem Vorhang? Fiese Schwarzmetaller waren in einer Sihlouette zu sehen, hier uns da ein knaxendes Kabel, das verriet, dass doch gearbeitet wurde und manchmal ein kleiner Test, ob der Trigger der Bass-Drum funktionierte ließ Großes erwarten. Schließlich hatte sich der gute Frost ein paar Tage zuvor den Fuß gebrochen und sich trotzdem eiskalt (wie sein Name schon sagt) dazu bereiterklärt, diese Tour zu Ende zu spielen. Vielleicht ist diese Kompromisslosigkeit einer der Gründe, warum ich über SATYRICON im Gegensatz zu allen anderen Black Metal-Bands (EMPEROR auch nochmal ausgenommen) keine dummen Sprüche loslasse, sondern Respekt zeige.

Dieser Respekt wandelte sich in pure Ehrfurcht um, als die zwei Jungens zusammen mit den vier Session-Musikern so richtig loslegten. Nach dem Intro durfte keinem die Frage über die Lippen gleiten, wer denn nun der beste ist: Triumphator plättete alles in Grund und Boden. Der Triumphator des Abends war niemand anderes als Drummer Frost, der mit seinem gebrochenen Fuß eine wahre Meisterleistung vollbrachte. Gut, ich hatte Angst um ihn, denn irgendwie schwebte an meinem inneren Auge eine Episode der Simpsons vorbei, in der Bart als angeblicher Wunderheiler den Footballspieler heilt und kurz darauf sein Fuß übers Spielfeld fliegt.

Zurück zum Geschehen: Die Fans tickten aus, das mit knapp 200 Leuten gefüllte Backstage verwandelte sich in ein heißes Lavabecken, gefüllt mit Wahnsinnigen. Das Set bestand zu einem großen Teil aus neuen Stücken, Fuel for Hatred, das von einer kurzen Huldigung an VENOM (Black Metal – was sonst) eingeleitet wurde, rockte wie Hölle. Auch die älteren Stücke Forhekset und Hivite Krist Död, welches das reguläre Set abschloss, waren wahre Brecher. Das Material von Rebel Extravaganza, das leider allein aus Supersonic Journey bestand knallte wirklich erheblich. Den Abschluss bildete das allseits geforderte und umjubelte Mother North, das auch den Letzten in den Bang-Wahn trieb. Anteil daran hatte übrigens auch die mördermäßige Soundwand, die ich von Black Metal-Shows eigentlich gar nicht gewöhnt bin.

Die Session-Musiker waren sehr eingespielt, lieferten auch eine Show voller Action, besonders Aushilfsbasser Lars Norberg spielte extrem sauber und tight mit einem coolen progressiv wirkenden Bass. Die Bewegungsfreiheit war zu keiner Zeit eingeschränkt und jeder auf der Bühne hatte sichtlich Spaß am Geschehen, vielleicht mit Ausnahme des Tastenmannes, der nur an seinem Fleck stehen und hier und da mal ein paar Töne zum Besten geben durfte. Aber die Hauptperson des Abends war der charismatische Satyr in seinem engen weißen Oberteil, das gerade die weiblichen Zuschauer arg zum Schwitzen brachte. Sie sollten es ihm gleich tun, denn der Gute bangte und kreischte sich den Wolf. So intensiv war seine Show, dass er auch mal ein paar Leuten auf die Finger klopfte, die ihn an seinen Füßen befummelten. Der Herr ist halt immer noch ein extravaganter Rebell. Dafür bedankte er sich aber auch artig beim Publikum für den warmherzigen Empfang und ließ es dadurch Teil seiner Welt werden.

Nach gut anderthalb Stunden war der fantastische Gig leider zu Ende, aber ich bin mir sicher niemand der Anwesenden hat das zugegebenermaßen recht hohe Eintrittsgeld bereut und konnte mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen wieder ins verdammt kalte München hinaus entlassen werden. Und wer war jetzt der Gewinner des Abends? Eigentlich alle, aber so wie dem auf Krücken von der Bühne humpelnden Frost zugejubelt wurde, wäre es kein Wunder, wenn er sich das Corpsepaint mit Freudentränen weggewischt hätte. Riesig groß!

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