LACUNA COIL, MOONSPELL, POISONBLACK, PASSENGER – 30.12.03 – Köln, Live Music Hall

Grufties und Grippeviren in der LMH

Die multinationale Century Media-Gothic-Palette machte einen Abend vor Sylvester – passend zur Jahreszeit – Halt in der Kölner Live Music Hall, viele kamen – wir auch – und wunderten sich…

Es war überraschend zu sehen, wie viele Leute mit dem Billing nicht klarkamen. Kaum einer verstand, warum PASSENGER als zweite Band – also nach POISONBLACK – spielten geschweige denn, warum sie überhaupt Teil dieser Tour waren. Einige Mädels neben uns motzten, dass man wohl kaum hierher käme, um ´so was´ zu sehen, andere meinten, man hätte so wenigstens Zeit, sich ausreichend Biervorräte, etwas Essbares zu besorgen oder zum Klo zu gehen. Wie auch immer, derartige Aussagen verdeutlichten die vorherrschende Stimmung in der LMH. Es wäre definitiv effektiver gewesen, PASSENGER mit einer ´passenden´ Band auf Tour zu schicken, besonders in den USA, da dies ihr Markt sein dürfte, um den drei anderen drei Bands mehr Spielzeit auf dieser Tour einzuräumen.

Es war vielleicht eines der kürzesten Konzerte dieser Tour, da sämtliche Musiker krank waren, in dicke Schals eingepackt und mit entsprechenden Gesichtsausdrücken durch die Gegend liefen (man kennt das ja, wenn Männer eine Erkältung haben, sterben sie ja gleich…). MOONSPELL und LACUNA COIL spielten ausschließlich gekürzte Sets, die einzige Band, die ihren vollen Set spielte, war PASSENGER, und die wollte eigentlich kaum jemand sehen.



Ums auf den Punkt zu bringen: POISONBLACK rockten… und posten. So einfach ist das manchmal. Die Finnen waren unverständlicherweise der Opener und enterten die Bühne, als die Halle erst zur Hälfte gefüllt war, was der Spielfreude der Band aber keinen Abbruch tat.

Viel Platz hatte die Band nicht, die Backline der Headliner nahm relativ viel Platz weg, und da J.P. ein sehr bewegungsfreudiger Mensch ist, fielen dann auch schon mal Sachen wie Scheinwerfer und Becken um, so dass wuselnde Roadies permanent mit Schadenbegrenzung beschäftigt waren.

Es war schade, dass POISONBLACK wegen der eh viel zu kurzen Spielzeit nicht mehr Songs ihres Albums präsentieren konnten und zudem noch eine Coverversion anstatt eines eigenen Stücks darboten. Doch PARADISE LOSTs “Say Just Words“ wurde von den Finnen weitaus dynamischer und rockiger gespielt, als die Engländer es je dargeboten haben. Überraschenderweise sang Ville Laihiala, seines Zeichens Fronter der Primär-Suizid-Kandidaten SENTENCED, keine Backing Vocals; er konzentrierte sich darauf, seine Gitarre zu halten, die Matte vorm Gesicht zu behalten, ganz nach dem Motto: ‚Wenn ich Euch nicht sehe, seht Ihr mich auch nicht’. Ausgleichen konnte dies jedoch J.P. mit exzessivem, breitbeinigem, sehr coolem Rockstar-Gepose, ohne aber arrogant dabei rüberzukommen.

Mit “The Glow Of The Flames“, “All Else Is Hollow“, “The Kiss Of Death“, “Love Infernal“, “The State“, “Exciter“ und “Lay Your Heart To Rest“ spielten die Finnen einen Großteil der Stücke ihres Albums “Escapexstacy“ sowie mit “Rush“ einen Titel des neuen Longplayers, welcher 2004 erscheinen soll.

PASSENGER. Das war KORN für ganz Arme, anders kann man es leider nicht sagen. Baggy-Hosen, Dreads und bunte Shirts verleihen einer Band nicht automatisch die Qualitäten einer GUTEN Nu Metal-Band. Auch IN FLAMES-Frontman Anders Fridéns seltsame Aufforderungen zum ‚Tanzen’ (‚feel free to dance now…’) kamen eigentlich nur überheblich rüber. So wird das nichts. Das Publikum reagierte bestenfalls nett bis teilnahmslos, die Reaktionen waren aber bei weitem nicht mit denen zu vergleichen, die die anderen Bands ernteten. Der schlechte Eindruck wurde ‚gekrönt’ durch die ganz ärmliche Coverversion von HELMET/HOUSE OF PAIN “Just Another Victim“. PASSENGER schafften es sogar, das ultragroovige Stück schlaff und absolut ungroovig runterzuleiern. Der Nu Elk-Test wurde somit nicht bestanden.

Rain

In my head

Carnival diary

Just the same

For you

Circus

Just Another Victim

I die slowly

In reverse

Eyes of my mind

Mittlerweile hatte sich die Halle auch sehr gut gefüllt und mit dem Totenkopf als Backdrop wären wir auch endlich da, wofür die Mehrheit der Anwesenden Eintritt bezahlt hatten.

MOONSPELL begannen ihr Set mit den ersten beiden Stücken ihres aktuellen Albums “The Antidote“, i.e. “In And Above Men“ und “From Lowering Skies“. Auch wenn das Material des neuen Albums erstklassig ist, merkte man dem Publikum an, dass viele mit der Scheibe noch nicht vertraut schienen. Gleich danach jedoch gab’s Futter für die Mehrheit derjenigen, die die Portugiesen seit längerer Zeit musikalisch begleiten: Mit “Alma Mater“ und “Vampiria“ wurde die Menge endgültig mitgerissen und das Eis war gebrochen, insofern eine gute Entscheidung, einen Klassiker wie ihr eigenes musikalisches Nationalepos relativ am Anfang des Sets zu bringen.

“The Antidote“ ist an sich schon ein Hörerlebnis, aber es war ergreifend zu sehen, dass die Band diesen Song auch live auf fantastische Weise umzusetzen vermag. Die dunkleren Vocals des Stücks wurden von Gitarrist Ricardo Amorim übernommen, und MOONSPELL vermittelten dem Publikum eine absolute Gänsehautatmosphäre. “Everything Invaded“ – mit einem der schönsten Gitarrensoli überhaupt- war dem Publikum von den neuen Stücken sicherlich am vertrautesten. Aber die Reaktionen auf jedes Stück waren durchaus euphorisch und die Portugiesen ließen sich gebührend abfeiern. Fernando Ribeiro schaffte es trotz „schwerer“ Erkältung, eine ordentliche Performance zu liefern, wenn man auch bei dem ein oder anderen, vor allem bei den Stücken mit brachialeren Vocals, förmlich den „Schmerz“ und das „Leiden“ des geschundenen Künstlers fühlen konnte. All das hinderte ihn jedoch nicht, so theatralisch wie immer, mit Zauberstab und langem Mantel über die Bühne zu schweben. Die glänzenden Augen eines Teils des weiblichen Publikums, vor allem der jüngere Teil, konnten auch nicht genug davon bekommen.

Das einzige Stück von Sin/Pecado an diesem Abend war “Abysmo“, wobei die Band nicht hundertprozentig die Atmosphäre dieses Stücks rüberbringen konnte, aber es war dennoch schön, dieses Stück nach langer Zeit wieder einmal zu hören. So durfte dann auch ein Stück von “Darkness & Hope“ nicht fehlen, doch anstatt dem eigentlich zu erwartenden “Nocturna“ spielten MOONSPELL “DevilRed“.

Sowohl die musikalische Leistung wie auch die Reaktion des Publikums bestätigten erneut den eigentlichen Headlinerstatus der Portugiesen. Auch das plötzliche Verschwinden eines nicht unerheblichen Teils der Menge nach MOONSPELL spricht Bände… Zum zweiten Mal hintereinander durften MOONSPELL nur als Co-Headliner einen abgespeckten Set präsentieren – sind sie zu gut zum Headlinen?

Intro

In And Above Men

From Lowering Skies

Alma Mater

Vampiria

Southern Deathstyle

Everything Invaded

Opium

The Antidote

DevilRed

Abysmo

Ruin & Misery

Full Moon Madness



Diejenigen, die nicht nach MOONSPELL den Heimweg antraten, blieben, um die italienischen Gothic-Rocker von LACUNA COIL dann auch noch entsprechend abzufeiern.

Dem Headlinerstatus konnten sie jedoch trotzdem nicht gerecht werden. Da waren TIAMAT bei der letzten Tour zusammen mit MOONSPELL ein würdigerer Main Act, der wenigstens entsprechende Fans, eine größere Reputation und einfach bessere Musik zu bieten hatte. LC sind ja schon gut und nett, aber größtenteils einfach zu harmlos und gleichförmig. Die sechs Mailänder schaffen es nicht, ihre Musik entsprechend optisch umzusetzen oder zu inszenieren, um mehr als guter Durchschnitt zu sein. Die Erkältungen einzelner Musiker haben sicherlich zu der schwachen Performance beigetragen, aber lediglich Ihre Die-Hard-Fans konnten von der Band überzeugt werden. Der Rest des Publikums kam über freundliches Mitwippen nicht hinaus. Handwerklich gut, aber in der B-Note schwach. Auch die merkwürdigen schwarzen Zen-Mönch-Schlabber-Klamotten der männlichen Musiker oder das enge Jackenkleid von Sängerin Christina Scabbia konnten daran nichts ändern.

Außerdem nervte das ständige Loben und Sich-Einschleimen beim Publikum spätestens nach der fünften Versicherung, dass in Köln, und nur in Köln, die tollsten Menschen der ganzen Welt und überhaupt wohnen (Als wenn wir das nicht wüssten… Fehlte nur noch, dass sie behauptet hätten, hier würde guter Fußball gespielt…). Das haben andere schon besser und weniger auffällig gemacht.

Swamped

To live is to hide

Entwined

Self deception

Humane

(Halflife)

Cold Heritage

Senzafine

When a dead man walks

Tight rope

Heaven`s a lie

Daylight Dancer

Im Endeffekt hätten längere Auftritte von POISONBLACK und MOONSPELL den meisten der Anwesenden sicher gereicht. Und PASSENGER oder LACUNA COIL hätten auf eigenen Tourneen, mit weniger starker Konkurrenz, wohl besser ausgesehen.

Die Tabelle nach dem zweiten Spieltag in Deutschland:

1. Benfica Lissabon

2. Oulo Tervarit

3. Ac Milan

4. IFK Göteborg

Bericht: Frank Kuhnle und Claudia Feldmann

Layout: boxhamster

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