JON OLIVA’S PAIN: Nürnberg, Hirsch, 17.04.2007

Der alte Mann und das Klavier … und noch einmal soll alles so schön werden wie früher?

Irgendwie kommt dieser Jon Oliva immer dann in die Stadt, wenn gerade die große Fußballsause ansteht: Zuletzt bei der WM, jetzt beim Pokaltriumph des 1. FC Nürnberg – kein Wunder, dass der Kopf der US-Bombastrocker SAVATAGE die Franken für ein äußerst trink- und feierwütiges Völkchen hält. Und sich jedes Mal nur allzu bereitwillig anschließt.

Weil bei SAVATAGE in diesem Leben wohl tatsächlich nichts mehr zusammengeht, hat der über die Jahre hinweg zur Tonne mutierte Oliva wieder ein wenig abgespeckt. Hat sich junge hungrige Begleitmusiker gesucht und tourt seither mit neuem und altem Material unermüdlich um den Globus. Im luftig gefüllten Musikclub Hirsch erleben wir indes einen Musiker, der sich – trotz Witz und Charme in seinen Ansagen – echt übel zugerichtet hat. Ein halbes Wrack, das den Hochprozentigen gleich direkt aus der Flasche kippt. Und doch scheint in den zwei intensiven, vollgepackten Konzertstunden nach wie vor immer noch mal wieder das großartige Talent dieses Ausnahmemusikers durch. Blitzt er auf, dieser in Noten gepackte Wahnsinn, diese Einer flog über’s Kuckucksnest goes Hardrock-Attitüde, die die Musik von SAVATAGE von 1981 bis 2002 bestimmt und zu etwas Außergewöhnlichem im immer stromlinienförmigeren Rockzirkus gemacht hat.

Gerade wegen der zeitlosen Güte des Sava-Songmaterials ist es schlimm, sehen zu müssen, wie fertig Oliva inzwischen ist. Wie ihm live auf der Hirsch-Bühne die brennende Kippe aus dem Mundwinkel fällt, während er im gleichen Augenblick seinen Becherinhalt über dem Keyboard verschüttet. Doch Heavy Metal ist bekanntlich Mut zur Hässlichkeit. Metal steht für Spaß haben. Und für wieder Aufstehen, wenn einen das Leben hinstreckt. Das ist an diesem Abend alles gegeben, und zwar nicht zu knapp.

Oliva zuckt mit den Achseln, schneidet eine Grimasse, greift in die klebrigen Tasten und singt eine wunderschöne Version der SAVATAGE-Gänsehautballade Believe. Ob geschliffener 80er-Jahre-Edelstahl, QUEEN-esker Rock-Bombast aus der Mittelphase seiner alten Truppe oder neue Lieder von JON OLIVAS PAIN – als Rockfan mit Anspruch kommt man hier nach wie vor auf seine Kosten. Und wenn es auch lange nicht mehr so schön ist wie früher – der alte Mann am Klavier kann es noch immer.

Nachtrag: Am nächsten Tag haben Andi Zosh! und ich Jon in seinem Hotel für ein zweistündiges Interview getroffen. Und da wirkte er wach und fit. Normalerweise läuft das im Rockzirkus ja gerne auch mal andersrum: Auf der Bühne hui, backstage zum Erschrecken …

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