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IRON MAIDEN, ALICE COOPER: Nikon at Jones Beach Theater, Wantagh, NY, USA, 27.06.2012

Bestuhlt an der Atlantikküste mit prominentem Vorpramm – IRON MAIDEN unternahmen eine Zeitreise ins Jahr 1988 (plus/minus). Ich hatte den ganzen Abend über ein leicht debiles Freudegrinsen im Gesicht.

Vor 19 Jahren sah ich IRON MAIDEN zum ersten Mal live. Schon damals schien die Band zur alten Riege zu gehören – praktisch jedes Album war ein Klassiker, praktisch jeder ordentliche Metalmusiker ein Fan. Es folgten weitere Alben, Dickinsons Ausstieg und Rückkehr und einige Nostalgie-Touren, bei denen ausschließlich Material einer bestimmten Epoche auf der Setlist stand. Genau so eine Tour begann diesen Sommer in den USA unter dem unpassenden Namen Maiden England. Diesmal sollte die Tour zum Seventh Son Of A Seventh Son-Album eine Frischzellenkur verpasst bekommen.

Zur Vorbereitung auf das Konzert verzichtete ich eine Woche lang auf das Internet, um nicht das komplette Programm vorab zu kennen. Setlist-Spoiler sind bisweilen hilfreich, wenn man wegen ganz bestimmten Songs zu einer Band möchte bzw. interessant, wenn man eine Tour nicht besuchen kann. IRON MAIDEN haben inzwischen dermaßen viel Material, dass die Vorankündigung der Retro-Tour sicher sinnvoll ist, um allzu große Enttäuschungen zu verhindern (und Fans, die seit Jahren kein neues Album mehr kaufen, trotzdem in die Arenen zu locken). Weitere Details brauchte ich als Fan dann aber nicht, als sich die Gelegenheit ergab, die Band auf der anderen Seite des Atlantiks live zu erleben.

Während die Band in Europa in Hallen oder auf verschlammten Festivals spielt, kann sie in Amerika auf große Freiluftarenen zurückgreifen, bei denen häufig die vorderen Ränge (und natürlich die Bühne) überdacht sind. Ein solcher Veranstaltungsort steht an der Jones Beach südöstlich von New York direkt an der Atlantikküste. Mitten am ansonsten topfebenen Long-Island-Strand erheben sich die Ränge in den Himmel. Davor breitet sich ein riesiger Asphaltparkplatz aus. Der Rest ist Strand, Schilf und ein bisschen Highway, um überhaupt in diesen entlegenen Winkel zu kommen.

 
Die Freiluftarena thront über der ansonsten flachen Jones Beach.

Bei herrlichem Sommerwetter kam ich so pünktlich zum Einlass an und betrachtete auf dem Weg vom Auto die anderen Besucher. Unfassbar viele trugen MAIDEN-Shirts, was den Schluss nahe legt, dass die Band mittlerweile den wesentlichen Umsatz statt mit Alben mit Merchandise macht. Für die meisten Leute war der Konzertbesuch ganz offensichtlich ein Gruppenerlebnis. Vom Nachwuchs-Metaller bis hin zu Rockgroßeltern sah man dabei alles. Die Arena war komplett bestuhlt und entsprechend gestalteten sich die Publikumsreaktionen zahmer im Vergleich zu den deutschen Hallenkonzerten, die ich erlebt habe. Von den etwa 15000 Plätzen waren über zwei Drittel gefüllt, wobei die Platzanweiser freundlicherweise die vorderen freien Plätze für Leute aus den letzten Reihen freigaben.

Bei untergehender Sonne ging das Programm Punkt 20 Uhr mit ALICE COOPER los. Diesem merkte man sein Alter zu keinem Zeitpunkt an. Untermalt von allerlei finsterem Bühnenschauspiel wurde ein Best-of-Set mit ein paar neueren Nummern präsentiert, das sehr wohlwollend aufgenommen wurde. Die idyllische Strandstimmung verhinderte, dass die Inszenierung wirklich bedrohlich wirkte. Aber unterhaltsam war sie allemal. Warum man für derart straighten Hardrock gleich drei Gitarristen braucht, verstand ich zwar nicht so recht, aber im Mittelpunkt stand eh die allermeiste Zeit ALICE COOPER selbst, der die große Bühne zu nutzen wusste.

 ALICE
Als ALICE COOPER Punkt 20 Uhr loslegte, war die Hälfte des Publikums noch an den Fress- und Merchandisebuden.

Im Licht der letzten Sonnenstrahlen wuselten anschließend jede Menge Roadies über die Bühne und verteilten hübsche hellblaue Monitorboxen. Das sah im ersten Moment stark nach Babyzimmereinrichtung aus. Als dann aber das Moonchild-Intro erklang verwandelte sich die Kulisse in die klassische Eislandschaft des Seventh Son-Titelbilds. IRON MAIDEN lieferten sodann die Show ab, wie man es von ihnen gewohnt ist. Ständig war Bewegung auf der Bühne und Bruce Dickinson sang gewohnt souverän, ganz so als wären die Stücke erst vor ein paar Jahren erschienen. Das einzige Manko war der Boxensound, der je nach Windstärke mal mehr, mal weniger verweht wurde. Aber hey, hier spielten IRON MAIDEN – da ist ein perfekter Sound hilfreich, aber nicht zwingend nötig. Can I Play With Madness? – hach, ist das nun Popmetal oder nicht? Egal, The Prisoner. Hui, ich liebe diesen flotten Rhythmus!

Nach 2 Minutes To Midnight kam dann die erste Überraschung in Form von Afraid To Shoot Strangers. Ich war ganz aus dem Häuschen. Fear Of The Dark war damals mein erstes selbstgekauftes Album gewesen und der Song ein neuer. Die Leadgitarren im Mittelteil waren damals schon großartig. Auch anno 2012 klangen sie grandios. Dieses fesselnde Element vermisse ich bei nahezu allen anderen Metalbands. Hier an diesem Abend hatte im Prinzip jeder Song diese magische Etwas.

Klassiker wie The Trooper, The Number Of The Beast, Run To The Hills und am Ende des regulären Sets Iron Maiden durften freilich ebenso wenig fehlen wie diverse Auftritte von Eddie – mal als überlebensgroße Figur hinter dem Schlagzeug mit lebendem Herz in der Hand, mal als Monster, das über die Bühne stolpert und – nunja, rumstolpert, als hätte sein Navigationsgerät einen Wackelkontakt. Dazu gab es noch jede Menge Pyrofeuer.

Eine weitere Überraschung war The Phantom Of The Opera, dass nachdrücklich zeigte, wie früh IRON MAIDEN schon geniale Songs am Start hatten. Hier wurde allerdings – wie auch bei einigen anderen Songs – das Tempo im Vergleich zu den Aufnahmen etwas gedrosselt. Ob das der Altersmilde oder einer Beschleunigung meiner Wahrnehmung zuzuschreiben ist, sei dahingestellt. Zusammen mit den euphorischen, aber nicht extatischen Publikumsreaktionen war der Abend dadurch einfach nur herrlich. Bruce Dickinson befahl zu schreien und wir schrien. Er versuchte auch, New York mit New Jersey zu versöhnen, aber vergebens.

Da die Nacht zügig hereinbrach, funktionierte Fear Of The Dark gewohnt gut während das epische Seventh Son Of A Seventh Son wie schon auf Platte etwas in die Länge gezogen wirkte. Für viele Fans war es aber wohl der Höhepunkt des Sets. Mir gefielen die kompakteren Songs Wasted Years, The Clairvoyant und The Evil That Men Do noch einen Tick besser. So oder so lieferten IRON MAIDEN genau die Show, die man von ihnen erwartete – und alle waren zurecht begeistert. Als sie als erste Zugabe Aces High aus dem Hut zauberten, war ich endgültig bereit, meine Stimmbänder dem Mitsingen zu opfern. Wahoo! Das abschließende Mitsingspiel bei Running Free war dagegen eher eine Formsache, die glücklicherweise kurz gehalten wurde. Nach zwei Stunden Heavy Metal auf Weltklasseniveau war der Auftritt schließlich vorbei.

Ich hatte den ganzen Abend über ein leicht debiles Freudegrinsen im Gesicht. IRON MAIDEN gehören schlicht ergreifend zu den größten Metal-Bands, auch 2012 noch.

 IRON
Fear Of The Dark – das wird sich meine Handykamera bei diesem Bild auch gedacht haben.
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