HEAVEN SHALL BURN, AS I LAY DYING, SUICIDE SILENCE, DEW-SCENTED: Stuttgart, LKA Longhorn, 13.11.2010

Ein Konzertabend, der die Lebendigkeit der Metalcore-Szene, die große Fanbegeisterung von HEAVEN SHALL BURN-Anhängern und die nervig-drängelige Zeitplanfixierung des Tourmanagers unter Beweis stellt.  

Wer die Metalcore-Bewegung in diesen Tagen totgesagt hat, war definitiv nicht bei der Tour von HEAVEN SHALL BURN und AS I LAY DYING. Schon Hunderte Meter vor dem LKA wurden eineinhalb Stunden vor offiziellem Beginn verzweifelt Karten gesucht, doch wer im Besitz eines Tickets war, wäre schön blöd gewesen, diese zu veräußern, denn vier schweißtreibende Auftritte sorgten dafür, dass dem geneigten Fan die vielzitierte Vollbedienung serviert wurde.

 

Albernheiten wie die frühe Startzeit vor dem ursprünglichen Einlass lassen alte Haudegen wie DEW-SCENTED kalt, auch wenn sie garantiert mehr Respekt verdient hätten. Statt beleidigter Leberwurst tischen die Thrasher aber lieber eine ordentliche Schlachtplatte feinsten Geballers auf. Sänger Leif Jensen punktet gleich zu Beginn mit sympathischen Ansagen, fordert Hörner…und bekommt sie trotz der frühen Stunde zuhauf entgegengereckt. Soviel also zum Thema, dass sich Thrash Metal traditioneller Prägung nicht mit modern gestyltem Publikum verträgt. DEW-SCENTED knüppeln sich durch ihr kurzes, aber umso heftigeres Set, bezeichnen ihren Opener gleich mal als Ballade, um danach nochmals das Tempo anzuziehen, und sorgen so für den ersten ausdauernden Moshpit des Tages. Böse Zungen mögen behaupten, dass DEW-SCENTED nur einen Thrash-Song können und den immer wieder variieren, aber wen stört´s, wenn die Jungs ihr Material voller Inbrunst darbieten?

 

suicideEin Song ist besser als kein Song, und daran krankt der Auftritt von SUICIDE SILENCE leider gewaltig. Okay, bei Deathcore braucht man keine Hitsingle erwarten, aber die bloße Aneinanderreihung von Blastbeats und Breakdowns ist noch lange kein Songwriting. Die Instrumentalisten bieten ebenfalls eher solide Hausmannskost, was ihr Acting angeht, sodass Sänger Mitch die Kohlen aus dem Feuer holen muss. Das macht er, auch wenn seine affektiert-überdrehte Keifstimme mir persönlich schon nach wenigen Minuten auf den Geist geht, zugegebenermaßen hervorragend. Kaum ein Breakdown, bei dem er keinen Circlepit fordert, kaum ein Prügelpart, bei dem er nicht mit exaltiertem Abgehen die Blicke auf sich zieht. Die Fans fressen ihm jedenfalls aus der Hand und zerlegen sich während des SUICIDE SILENCE-Gigs nach allen Regeln der Kunst. Nur wie Mitch sich das vorstellt, wenn er gleichzeitig einen Circlepit und kollektives Crowdsurfen fordert, bleibt sein Geheimnis und verweist darauf, dass SUICIDE SILENCE etwas zu sehr auf der Core-Welle surfen, ohne musikalisch wirklich auffällig zu sein. Klar räumen sie ab, aber das tut auch der Roadie im Anschluss, der sich beim Mikrocheck produziert und die Lacher auf seiner Seite hat.

 

as Vertauschte Vorzeichen dann bei AS I LAY DYING. Während manch einer nach der Vorankündigung noch HEAVEN SHALL BURN erwartet, stürmen die Vorreiter aus San Diego mit ihrem Klassiker 94 Hours die Bretter. Wobei stürmen etwas übertrieben ist, denn technische Probleme bremsen AS I LAY DYING schon nach kurzer Zeit aus. Leider zeigt sich Tim Lambesis zunächst auch nicht in Plauderlaune, weshalb es an Schlagzeuger Jordan Mancino bleibt, mit einem knackigen Solo die hektische Betriebsamkeit des eben noch so obercoolen Roadies zu überbrücken. Danach gibt es dann jedoch den erhofften Schlag in die Fresse mittels wildem Thrash-Riffing und herbem Prügeln, das jedoch immer im Dienste der Songdynamik steht. Dazwischen sorgen die Gitarristen und der Klargesang von Basser Josh Gilbert mit ihren unnachahmlichen Melodien, die Ohrwürmer und komplex zugleich sind, für Abwechslung. Nach der Egomanen-Show des SUICIDE SILENCE-Sängers wirkt Tim Lambesis überraschend zahm, und sein wildes Headbangen bei gleichzeitigem Schreien ins Mikro ist zwar ein cooler Gag, animiert das Publikum aber nur bedingt. Zum Glück brauchen die Stuttgarter heute nicht viel mehr als die Skalpellriffs von AS I LAY DYING, um sofort steilzugehen und wahlweise die Haare fliegen zu lassen oder sich in den Circlepit-Mixer zu werfen. Ärgerlich eigentlich nur, dass die Zugaberufe nach viel zu kurzer Show von skurriler Pausenmusik im Keim erstickt werden. Eine Band, die ursprünglich hier und da sogar als Headliner angekündigt wurde, hat mehr verdient, ohne dass sich jemand einen Zacken aus der Krone bricht.

 

heavenDass HEAVEN SHALL BURN jedoch absolute Headlinertauglichkeit besitzen, ist schon sonnenklar, bevor die digitale Projektionsshow den Countdown zur Zerstörung von Stuttgart einläutet. Ausdauerndes Touren, große Leistungen punktgenau bei vielen Festivals und regelmäßig neue Plattenreleases haben die Band zu einer Größe in der Szene gemacht. Hinzu kommt die stete Hervorkehrung, wie wichtig der Band das enge Verhältnis zu ihren Fans ist. All das resultiert im ausverkauften Longhorn in einem Siegeszug. Immer wieder unterbrechen HEAVEN SHALL BURN ihre engagierte Bühnenshow, um begeistert den Fanmassen dabei zuzusehen, wie wahlweise Texte inbrünstig mitgegröhlt werden oder die vordere Hallenhälfte wie von Sinnen abgeht. Da kommt kaum jemand dazu, die Videoanimationen zu würdigen, was aber wohl verschmerzbar ist. Zwischen den Liedern lobhudelt Sänger Marcus unermüdlich den Fans, was hier und da trotz aller ehrlicher Bescheidenheit fast schon anbiedernd wirkt, doch die imposanten Publikumsreaktionen geben den Thüringern Recht. Besonders begeistert feiern die HEAVEN SHALL BURN-Jünger Endzeit und das abschließende EDGE OF SANITY-Cover Black Tears, dessen Titel geschickt durch die Anspielung auf einen Bohrloch-im-Ozean-nicht-in-den-Griff-bekommenden Ölkonzern via Videowand umgedeutet wird. Spiel, Satz und Sieg also für HEAVEN SHALL BURN.

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