DORNENREICH, ATARGATIS, NEUN WELTEN: Uster (CH), Rock City, 10.02.2007

Wenn DORNENREICH die verzerrten Gitarren zu Hause lassen…

DORNENREICH sind seltene Gäste. Und wie sich beim Eintreffen kurz nach 21 Uhr beim Ustener Rock City herausstellte, lohnt es sich eben doch, die Tickets im Vorverkauf zu besorgen. Immerhin hat man dann die Wahl, sie entweder zu verticken oder doch hineinzugehen, um wieder einmal DORNENREICH zu genießen.

Natürlich fällt die Wahl auf zweiteres und gegen 22 Uhr betreten die Thüringer NEUN WELTEN die kleine Bühne. Inzwischen ist der Club ziemlich voll und wer zum Merchandise (endlich wieder mal anständige Preise) oder zur Toilette will, kommt notgedrungen den Musikern in die Quere, die vom Backstage zur Bühne wollen. Nun ja, klein und heimelig war das Rock City schon immer – bei vollem Haus fällt es einfach mehr auf. Sobald NEUN WELTEN ihr Set beginnen, geht durch das Publikum ein Raunen, ein Schschsch, das Stille gebietet, da hier keine lautstarke Metalkost geboten wird. Die zarten Folk-Töne gehen dann manchmal fast ein bisschen unter, doch zum Glück nimmt sich das Publikum zurück und lauscht andächtig den Klängen des Quintetts. Dass hierbei nur die zwei Damen stehen und der Rest der Band sitzt, erschwert es, einen Blick auf die Formation zu erhaschen, und so rücken die Aushilfsviolinistin und die engelhafte Flötistin Anja (die neben der Altflöte auch noch der Klarinette mächtig ist und einige Gesangspassagen übernimmt) ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Die Songauswahl bevorzugt klar das aktuelle Album Vergessene Pfade, das unter anderem mit Songs wie Midsommer und Heidennacht vorgestellt wird. Leider sind NEUN WELTEN soundtechnisch nicht gerade gesegnet. Nicht nur machen ihnen zuviele Bässe zu schaffen, sondern die Band wirkt bisweilen auch etwas unroutiniert, ja fast verunsichert. Dies fällt vor allem beim Geigenspiel auf, das doch oft unsicher wirkt und nicht so reibungslos zu funktionieren scheint wie auf dem aktuellen Album. Man wünscht den Deutschen somit noch mehr Möglichkeiten, ihre Live-Qualitäten auszuüben und einen eigenen FOH-Mischer, der sich genau mit ihrem Sound auskennt – und vielleicht auch noch einen etwas anderen Rahmen für ihre Darbietung als einen verrauchten Metalclub.

Nach einer Umbaupause, in der auch das kleine Backdrop mit Ducttape an der Wand befestigt wird und der Basser zum Vocals-Soundcheck schnell grunzend Master of Puppets anstimmt (Jubel aus dem Publikum), entern die Gothic Metaller ATARGATIS die Bühne. Nach den unverzerrt agierenden NEUN WELTEN fährt ATARGATIS` Mucke sofort ein und den Bayern gelingt dank der charismatischen Frontfrau Stephanie sogleich, den Draht zum Publikum zu finden. Selbst wenn im Publikum nicht auf den ersten Blick die üblichen Freunde des Female Fronted Metal auszumachen sind, scheint der Funke von ATARGATIS auch auf krasse Black Metaller überzuspringen und es kommt zu Bewegung im Publikum. Das Quartett widmet sich vor allem der Präsentation des aktuellen Albums Wasteland, welches mit Songs wie My Solace, Circle of Life, Mists of Oblivion oder The Cradle of Fern vorgestellt wird. Musikalisch lassen sich gewisse Parallelen zu ELIS oder auch den alten Zeiten von THEATRE OF TRAGEDY ausmachen, obschon die sogenannte Beauty and the Beast-Gesangsaufteilung nur bei zwei Songs zum Tragen kommt an diesem Abend. Obschon ATARGATIS den Gothic Metal nicht neu erfinden, steckt das Temperament und die Begeisterung, die von Stephanie ausgeht, einfach an. Diese lässt es sich dann nicht nehmen, barfuß auf der Bühne auf und ab zu hüpfen, das Publikum anzufeuern à la Das macht richtig Spaß mit euch! – und nebenher auch noch eine ordentliche Gesangsleistung abzuliefern. Somit eine saubere und vor allem rockende Live-Leistung der Bayern, die Lust auf mehr macht.

Wer nach dem gelungenen Auftritt von ATARGATIS meinte, die Verstärker und das Drumkit – also die Metal-Utensilien – würden für DORNENREICH stehen bleiben, irrte sich. Als würde sich der Kreis schließen, waren ab Mitternacht wieder ruhige, akustische Klänge angesagt. Und DORNENREICH wählten in der Tat die wohl minimalistischste Ausgangslage, die man sich vorstellen kann. Lediglich mit akustischer Gitarre und Schellenkranz bewaffnet, betritt Eviga die Bühne und setzt sich auf einen Stuhl. Zu ihm gesellt sich der Geiger Inve, der im Verlauf des Konzertes stehend spielend in einen dauernden Dialog mit dem sitzenden Eviga tritt. Was mit einem Wind-Intro beginnt, wird zur zarten Präsentation von neuerem Material und älteren Songs, die auf ihre cleanen Skelette reduziert werden. Den Auftakt machen zwei instrumentale Stücke des kommenden Albums In Luft geritzt, die im ersten Hördurchgang wie eine aufs Allernötigste reduzierte Version von Hexenwind mit einem Schuss NEUN WELTEN daherkommt. Ohne jegliche Effekthascherei widmen sich die Österreicher dann weiteren Kompositionen. Während die schlichten Formen bei einem Hexenwind-Track wie Der Hexe flammend Blick` wie eine logische Fortführung erscheinen, erscheint dieselbe Kur für ältere Werke doch ungewohnter. So werden etwa die Songs Innerwille ist mein Docht und Mein Publikum – Der Augenblick vom Meisterwerk Her von welken Nächten in neuer, minimalistischer Form dargeboten und die akustische Umsetzung macht auch vom bejubelten Reime faucht der Märchensarg aus den alten Bitter ist`s dem Tod zu dienen-Album nicht Halt. Nach letzterem wird dann vom Publikum, das abgesehen vom Applaus nach jedem Song sehr ruhig, ja verzaubert scheint, nach einer Zugabe verlangt, welche das Duo mit einem weiteren instrumentalen, treibenden Song erfüllt. Ein abrupter Stopp wird von Eviga lakonisch mit Leider Saitenriss kommentiert, nach einer kurzen Pause spielen DORNENREICH dann ihre Zugabe noch zu Ende und verlassen die Bühne.

Was vom DORNENREICH-Auftritt bleibt, ist ein zwiespältiger Eindruck. Zum einen hätte man die Stimmung durch eine andere Location intensivieren können, eine Location, die etwa bestuhlt ist – so dass alle etwas sehen können und nicht nur diejenigen, die es auf sich nehmen, sich vor die Bühne zu drängen – oder eine Location unter freiem Himmel, ein Amphitheater, eine Waldbühne. Denn im hier gebotenen Rahmen schien die Intensität abzunehmen, je weiter man von der Bühne wegstand. Zum anderen vermisse ich einfach schmerzlich die schwarzmetallische Vergangenheit von DORNENREICH. Unvergessen das Konzert anno 2001, unvergessen Evigas Stimme, die diesen Black Metal-Kreationen ihre ganz eigene Note gibt und ein herber Verlust für dieses Genre wäre – vor allem auch auf die viel intensiveren Live-Umsetzungen bezogen. Es wird sich zeigen, in welche Richtung die wandelbaren Österreicher nach In Luft geritzt schweben werden…

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