Wenn man an die Musik aus dem 19. Jahrhundert denkt, kommen einem Ludwig van Beethoven, Johannes Brahms oder Peter I. Tschaikovsky in den Sinn. Seit einiger Zeit, denke ich dabei immer spontan an eine Formation von 6 Musikern aus dem Jahre 1815, welche durch einen Stromschlag ungebührlich laut wurden. Die Freunde des guten Tons
gaben dann bis in die 1950er zu den wichtigsten Ereignissen der Weltgeschichte ihre Musik zum Besten, um dann für fast 50 Jahre von der Bildfläche zu verschwinden. Seit 2001 sind sie zurück und spielen seither mit noch mehr Engagement als je zuvor vor einem scheinbar immer größer werdenden Publikum. Die Rede ist hier von den wehrten Herren COPPELIUS.
Diese luden am 7. März 2009 in den Club Centrum in Erfurt. Diesem Ruf folgten Einige, unter anderem auch ich. So fand ich mich gegen 20:30 Uhr nach einigem Umhergeirre (ich sah weder Schilder die auf den Club hinwiesen noch Plakate für dieses Event) an meinem Bestimmungsort ein. Die Halle war schon einigermaßen besucht. Also hieß es, Jacke abgeben, den Merchandise-Stand inspizieren und dann erst einmal die Location erkunden. Das war recht schnell abgehandelt, aus den Lautsprechern dudelte nicht ganz zum Anlass passende Musik. So langweilte man sich dann 21 Uhr entgegen, dem eigentlich geplanten Beginn der Show. Es wurde 21:15 Uhr, und dann 21:30 Uhr. Die Halle war mittlerweile noch etwas besser besucht.
Die Bühne erinnerte etwas an ein altes Herrenhaus, vermutlich wollten sich die Herren ganz wie zu Hause fühlen. Es hingen dort schöne Vorhänge und es wurde eigens ein Bild der Coppelianischen Gesellschaft aufgehangen, welches dann auch noch mit Hilfe des Publikums richtig ausgerichtet wurde. Dazu ein edler Stuhl für den Graf Lindorf und mittig ein altes Radio (vermutlich das aktuellste technische Gerät, welches diesen Musikern zur Verfügung steht). Kurz vor 21:45 Uhr betritt dann der Diener Bastille die Bühne, um dem ganzen noch den letzten Schliff zu geben. Er wedelt hier und da etwas Staub hinfort und stellt dann den richtigen Sender an dem Volksempfänger ein.
Von den herrlichen Tönen angelockt, betreten nun die anderen Herren, unter dem Applaus der anwesenden Gäste, die Bühne. Sogleich machte man sich ans Werk, um mit Der Advokat gleich von 0 auf 100 durchzustarten. Das Publikum war sofort ganz Ohr und alle Körperteile fingen an sich im Rhythmus zu bewegen. Doch was musste man da erblicken? Max Coppella und seine Musikanten haben sich neu eingekleidet. Der neue, edle, braune Kleidungsstil steht ihnen wirklich fabelhaft. Man merkt aber doch an einigen Stellen, dass sie erst 2 Konzerte dieses Jahr abgeliefert haben. Die Band wirkte sehr frisch und spielfreudig, musste sich aber aufgrund der neuen Show doch noch ziemlich oft untereinander abstimmen. Doch dies tat der Stimmung keinesfalls einen Abbruch. Bastille, der Diener, versuchte mit allen möglichen Tricks und Spielereien das Publikum bei Laune zu halten. Während die Kollegen ihre Instrumente neu stimmten, wurde die Zeit eben mit kleinen musikalischen Spielchen mit dem Publikum überbrückt. Am Ende gab es sogar noch den vom Publikum heftigst gewünschten Witz, den der Butler aus dem Ärmel zu schütteln versuchte. Was ist der Unterschied zwischen einem Sack Mehl und einer Klarinette?, natürlich gab es einen vorlauten Buben, Ben, der dazwischen rufen musste Mehl arbeitet!. Von dieser falschen Antwort empört,wurde er auch gleich auf die Bühne beordert um dafür öffentlich angeprangert zu werden. Danach wurde das Rätsel aber mit Na versuch mal reinzupusten… aufgelöst, dafür gab es dann aber nur einen Höflichkeitsapplaus. Inzwischen war dann auch der Rest der Gruppe bereit zum fröhlichen
Weitermusizieren.
Aber da man COPPELIUS nicht nur der Musik wegen besucht, durfte auch die Mimik und Gestik und diese unbeschreibliche Spielfreude an diesem Abend nicht fehlen. Ein wahres Schauspiel war da auf der Bühne zu sehen. So gab es dann doch immer mal wieder Gesichtsentgleisungen und kurze Einlagen während diese abwechslungsreiche Setlist
abgearbeitet wurde. Sie bestand wahrlich nicht nur aus den aktuellen Titeln der Tumult!-Platte, es gab auch Einiges vom Vorgänger Time-Zeit und noch älteres Material auf die Ohren. Unter anderem fanden die Kracher Lilienthal, Urinstinkt sowie Spring doch! den Weg von der Bühne in die Gehörgänge und Gliedmaßen der Besucher. Eine bunte Mischung eben, die für jeden etwas bereit hielt. Aber da jeder noch so tolle Abend einmal sein Ende finden muss, verschwanden die Herren nach I get used to it von der Bühne. Da hatte man aber sicherlich die Rechnung ohne das hochverehrte Auditorium gemacht. Nach etlichen Da capo!-Rufen konnten die wehrten Musiker gar nicht anders, als noch einmal auf die Bühne zurück zu kehren. Nach weiteren drei Stücken war dann aber leider endgültig Schluss. Dieses kurzweilige Spektakel des
guten Tons fand somit sein Ende. Natürlich liesen sich diese Gentleman nicht lumpen und versammelten sich nach einiger Zeit beim mobilen Krämerladen auf einen Plausch mit den noch anwesenden Gästen.
Coppelius hilft!
Setlist:
1. Der Advokat
2. Schöne Augen
3. Lilienthal
4. Murders in the Rue Morgue
5. To my Creator
6. Habgier
7. Die Glocke
8. Coppelia
9. Viel zu viel
10. Urinstinkt
11. Komposition
12. Charlotte the Harlot
13. I´d rather be dead
14. Phantom of the Opera
15. Amulett
16. Spring doch!
17. I get used to it
–
18. Morgenstimmung
19. Ouvertüre
20. 1916
Ein Gastartikel von fragmichdochnet.