COPPELIUS: Live im Hirsch, Nürnberg – 30. Oktober 2009

Und im Saal ein Hauch Patschuli… Mal wieder was Originelles und Erfrischendes aus dem gothischen Paralleluniversum.

Laut selbstgestrickter Biografie waren diese Jungens schon bei der Uraufführung von Mozarts „Zauberflöte“ 1791 in Wien am Start. Alles klar. Was nach einem weiteren gothischen Hirndübel klingt, entpuppt sich live im halbgefüllten Nürnberger Musikclub Hirsch als originelles kleines Bühnenspektakel: Bühne frei für COPPELIUS aus Berlin!

Eigentlich ist COPPELIUS (E.T.A. Hoffmann grüßt als Scherenschnitt von der Wand) eine klassische Rockband mit Vorlieben für MOTÖRHEAD und alte IRON MAIDEN. Doch statt doppelten Stomgitarrenläufen geben hier – angetrieben von einem Metal-Tier hinterm Schlagzeug – Cello, Klarinetten und Kontrabass die Richtung vor. Das sorgt für Luft und Transparenz im Sound, macht aber trotzdem Druck.

Den Rest besorgt die wohlfeine Optik auf und vor der Bühne. Zylinder, Gehrock und Vatermörder feiern fröhliche Urständ’, wenn COPPELIUS vor einem enthusiastischen, teilweise ebenso romantisch gekleideten Publikum mit sinisteren Märchen und Geschichten in zwei Sprachen loslegt. Die Bühne ist im Stil eines alten Wohnzimmers gehalten. Ein Butler reicht Tee und staubt die Mikrofone ab, die Salonlämpchen am Schlagzeug blinken freundlich im Takt. Im Saal hängt ein Hauch von Patschuli.

Der Sound im Hirsch ist brillant, die Spielfreude der sechs Berliner enorm. Die frühen FIDDLERS GREEN gehen mit den finnischen Cello-Metallern APOCALYPTICA Absinth trinken – so ungefähr darf man sich das musikalisch vorstellen. Die Musiker selbst nennen es Kammer-Core, und in der Tat: Das Ergebnis macht Laune, einzig am durchschnittlichen Gesang krankt es hier noch (wie so oft).

„Da capo!“, skandiert das Publikum nach eineinhalb kurzweiligen Stunden und schwenkt begeistert die Zylinder über den Köpfen („Zugabe“-Rufe sind an dieser Stelle ausdrücklich verpönt), um auf ein Handzeichen von Butler Bastille hin mit einem Mal zu verstummen und – Weltpremiere – den stummen Applaus zu üben. Jawohl, sehr nett das alles. Mal wieder was Originelles und Erfrischendes aus dem gothischen Paralleluniversum.

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