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CIRCLE II CIRCLE, SEBASTIEN: Kubana, Siegburg, 10.08.2012

Tolle Stimme, tolle Songs, tolle Stimmung, solide Rahmenbedingungen; The Wake Of Magellan wird komplett gespielt – und es ist ein Metal-Auftritt, kein Rock-Oper-Musical!

Juni 1996 in der Eissporthalle Heilbronn: Nach kurzweiligen Auftritten von Bands wie ICED EARTH, NEVERMORE, RAGE und THE GATHERING betreten SAVATAGE die Bühne und rocken alles in Grund und Boden. Dreh- und Angelpunkt des Auftritts war Sänger Zak Stevens. Mit seiner kraftvollen Stimme intonierte er alte wie neue Meisterwerke und das Publikum feierte die Band nach allen Regeln der Kunst ab. Jon Oliva – das einzige verbliebene Urmitglied – spielte am rechten Bühnenrand über weite Strecken nur eine Nebenrolle hinter den Keyboards und übernahm nur für einen Song am Ende den Leadgesang.

16 Jahre später: Die Kernmannschaft von SAVATAGE hat mit TRANS-SIBERIAN ORCHESTRA den großen Durchbruch im Heimatland USA geschafft. Abseits der weihnachtlichen Rock-Oper-Mucke touren die beiden ehemaligen Frontmänner Jon Oliva und Zak Stevens mit ihren jeweiligen Bands durch Europa. Die seither veröffentlichen Platten von JON OLIVA`S PAIN und CIRCLE II CIRCLE sind nicht schlecht, können aber mit den SAVATAGE-Klassikern nicht konkurrieren. Zuletzt konzentrierte sich das Liveprogramm beider Combos entsprechend auf altes Material und dieses Jahr gibt es gar komplette Alben zu hören: Während JON OLIVA SPANIEN sich bei Hall Of The Mountain King die Seele aus dem Leib schreit, kündigen CIRCLE II CIRCLE eine Tour Of Magellan an. Grund genug für mich als Fan der zweiten Hälfte des SAVATAGE-Schaffens spontan nach Siegburg zu pilgern.

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Keyboarder Henning Wanner kam nicht nur an den Tasten, sondern auch gesanglich ziemlich nah an Jon Oliva heran.

Mit gut 150 Fans ist der Keller-Club Kubana recht ordentlich gefüllt, was die Vorband SEBASTIEN jedoch nur bedingt nutzen kann. Zu undiffernziert donnert der symphonisch angehauchte Power Metal aus den Boxen, zu eindimensional ist die Livedarbietung. Bei CIRCLE II CIRCLE verbessert sich der Klang zum Glück, obwohl auch hier die Abmischung nicht mit der Edeltechnik des TRANS-SIBERIAN ORCHESTRA konkurrieren kann. Immerhin kommt die Stimme von Zak Stevens gut zur Geltung, so dass man das zweistündige Set unbeschwert genießen kann. Während das Intro The Ocean vom Band kommt, rumort in meinem Hinterkopf zwar noch die Frage, ob das hier jetzt eigentlich eine etwas bessere Coverband ist oder irgendetwas anderes. Als die sechs Musiker dann aber einsteigen steht erst einmal Genießen, Eintauchen und Rocken auf dem Programm. Während SAVATAGE Mitte der 90er zumindest noch einmal ein paar Jahre lang eine stabile Besetzung hatten, ist das Besetzungskarusell bei CIRCLE II CIRCLE unablässig in Bewegung. Abgesehen von Bassist Mitch Stewart sieht man viele neue Gesichter: Christian Wentz und Bill Hudson (ex-CELLADOR) lassen an der Gitarrenfront nicht anbrennen, was insbesondere bei den charakteristischen Soli keine Selbstverständlichkeit ist. Keyboarder Henning Wanner (WHITE LION, JADED HEART) wirkt bisweilen etwas unterbeschäftigt, entpuppt sich dafür bei den entsprechenden Songs aber als ausgezeichneter Jon-Oliva-Gesangsimitator. Einziger Schwachpunkt ist Schlagzeuger Adam Sagan, der zwar solide trommelt, jedoch nicht die Wucht eines Jeff Plate entwickelt.

Das Programm bietet erst einmal wenig Überraschungen, da The Wake Of Magellan am Stück durchgespielt wird. Langeweile kommt dabei glücklicherweise keine auf, zumal zwischen den Songs reichlich Platz für Ansagen und Alkohol bleibt. Zudem kann man im Club-Setting wunderbar die köstliche Gesichtsmimik von Zak Stevens beobachten. Das ist einfach etwas völlig anderes als die Streicher-Choreographien und die melodramatischen Sprachüberleitungen bei TRANS-SIBERIAN ORCHESTRA. Im Endeffekt ist das Konzert somit ganz klar ein Metal-Auftritt und kein Rock-Oper-Musical. Gänsehautmomente gibt es freilich auch hier: Insbesondere der Titelsong klingt von vorne bis hinten einfach genial. Da ist es absolut verzeihlich, dass die Intro-Gitarren von Turns To Me und Morning Sun vom Keyboard gespielt werden und dass nicht alle Stücke Weltklasseniveau haben. (Paragons Of Innocence kommt mir da in den Sinn.)

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Mitch Stewart sorgte während des Auftritts dafür, dass keiner seiner Kollegen verdurstete.

Die Stimmung wird mit jedem Song besser und nach The Hourglass tobt der Laden. In diesem Moment ist es mir dann auch egal, ob das nun eine hochwertige Kopie, ein kommerziell motivierter Tribut oder doch irgendwie ein Stück weit das Original ist. Mit zwei CIRCLE II CIRCLE-Songs (Revelations und Watching In Silence) wird das reguläre Set beschlossen und ich ertappe mich beim Luftholen. Habe ich tatsächlich 75% der Lieder mitgesungen? Oha. Vielleicht sollte ich mal nach einem Getränk Ausschau halten. Halt, nein, es gibt ja noch Zugaben. Zuerst mit Gastgitarrist Andre Goldi eine kraftvolle Version von Gutter Ballet. Der Kollege Agony & Ecstasy meinte hinterher zwar, dass die Show nicht an den Auftritt von Bergkönig JON OLIVA herangereicht hätte, aber wie bereits geschrieben, bin ich im Zweifelsfall eher im Team Stevens. (Und am liebsten natürlich im Doppel Stevens/Oliva!) Als krönenden Abschluss gibt es dann noch Edge Of Thorns – wie gehabt mit grandiosem Gesang und viel Kribbeln im Bauch. An dem Punkt ist es mir dann auch völlig egal, ob das auf der Bühne da jetzt CIRCLE II CIRCLE, Zak Stevens plus Anhang oder SAVATAGE 3.0 ist. Mir hat es gefallen und der ungezwungenen Stimmung der Musiker nach zu urteilen, die sich nach dem Auftritt noch lange mit den Fans unterhalten, ist das an diesem Abend auch auf der Bühne ein großes Fest gewesen.

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Ausnahmesänger Zak Stevens in Aktion
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