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BRAINSTORM, AT VANCE, MERCENARY: Langen, Stadthalle – 06.05.2005

Es war also wieder so weit: Die mittlerweile fast schon zu Volkshelden aufgestiegenen Schwaben BRAINSTORM haben mal wieder ein sahniges Studioalbum an den Mann gebracht und nahmen dies zum Anlass, zusammen mit AT VANCE und MERCENARY zum ersten Mal eine eigene Headliner-Tournee zu veranstalten. Ob Andy B. Franck und seine Mannen die hohen Erwartungen erfüllen konnten, lest ihr hier!

Eigentlich hatte ich mir ja vorgenommen, nicht auf der aktuellen BRAINSTORM-Tournee aufzulaufen, schließlich hatte ich die Band im vergangenen Jahr schon einige Male bewundern dürfen. Auch wenn die Auftritte bei der letzten EDGUY-Tour, dem WACKEN OPEN AIR und der NIGHT OF POWER allesamt überzeugen konnten, stellte sich bei mir Ende des Jahres doch so etwas wie eine Übersättigung ein, zumal die Setlists meist fast deckungsgleich waren und im letzten Jahr auch kein neuer Longplayer der sympathischen Schwaben das Licht der Welt erblickt hatte. Doch dann kam alles anders: Das kürzlich veröffentlichte Liquid Monster ist wie eine Granate bei den Fans eingeschlagen und kann ohne jeden Zweifel als das absolute Referenzwerk der Band gehandelt werden, weshalb ich mich schon kurz nach dem Einlegen der CD quasi dazu verpflichtet fühlte, der ersten BRAINSTORM-Headlinertour beizuwohnen. Mit AT VANCE und MERCENARY hatte man zudem zwei genauso namhafte wie hochwertige Supporter engagieren können, so dass eigentlich auch gar nichts mehr schief gehen konnte. Trotzdem oder gerade deswegen war es etwas überraschend, dass die Stadthalle Langen am 06. Mai 2005 bei weitem nicht ausverkauft war, vielmehr durch das Umklappen flexibler Absperrwände sogar noch entscheidend verkleinert wurde. Doch dies sollte der für ein BRAINSTORM-Konzert im Prinzip schon gebuchten Stimmung keinen Abbruch tun: Die Bands wurden regelrecht abgefeiert und man gewann den Eindruck, dass der Headliner es gar nicht abwarten könnte, schon bald wieder die hessischen Fans beglücken zu dürfen.

MERCENARY:

MERCENARY:
Konnten den Fans mächtig einheizen: MERCENARY und Fronter Mikkel Sandager

Die nicht vorhandenen Bandshirts im Publikum sprachen Bände, denn während BRAINSTORM und AT VANCE in Deutschland schon zur Speerspitze im Power Metal-Genre zählen dürften, haben die Dänen MERCENARY trotz ihrer beiden mehr als schmucken Longplayer Everblack und 11 Dreams den großen Durchbruch immer noch nicht erreichen können. Mit ihrer intelligenten und schwer zu kategorisierenden Mischung aus Bombast-, Death-, Heavy- und Power Metal konnte die bemerkenswerte Combo an diesem Abend jedoch eindrucksvoll unter Beweis stellen, dass ihnen weitaus mehr Aufmerksamkeit gebührt als es bisher der Fall war. Jedenfalls überzeugte Leadsänger Mikkel Sandager, der rein optisch durchaus Erinnerungen an ICED EARTH-Fronter Ripper Owens weckt, durch seine energische Bühnenpräsenz und konnte die Meute sehr schnell auf seine Seite bringen – man konnte so richtig beobachten, wie sich der Mitklatsch-Reigen im Pubikum langsam aber stetig erweiterte. Vor allem beim Everblack-Hit Seize the Night war die Stimmung dann wirklich grandios, was bei einem eröffnenden Supporter diesen Grades keineswegs selbstverständlich ist, und als die Band schließlich sogar noch eine kleine Salsa-Session einschob, hatten die Leute die sechs technisch brillianten Musiker richtig lieb gewonnen. Fast hatte man den Eindruck, als wollte die Band mit dem penetrant an Kaufhaus-Musik erinnernden Intermezzo den aufgrund der mangelnden Besucherzahl etwas schleppenden Bierverkauf ein wenig ankurbeln, doch verstanden die Zuschauer schnell den coolen Humor der breit grinsenden Mucker, die sich durch ihr abwechslungsreiches Programm schließlich auch beim kritischsten Metalhead angemessen profilieren konnten. Das absolute Stimmungshighlight kam jedoch zum Schluss der 45 Minuten-Show: Beim tonnenschweren 11 Dreams stürmte nämlich plötzlich Andy B. Franck, seines Zeichens der überaus beliebte Sänger der Headlinercombo, auf die Bühne und assistierte die kernigen Growls von Basser Kral und den an diesem Abend leider nicht immer ganz treffsicheren Gesang Sandagers und ließ sich dabei natürlich gebührend feiern. Nette Einlage, auch wenn MERCENARY auch ohne prominente Gastauftritte problemlos zu den ganz hoffnungsvollen Live-Combos unserer Zeit gezählt werden dürfen. Man darf gespannt sein, ob sich die Dänen beim diesjährigen WACKEN OPEN AIR auch auf einer größeren Bühne ähnlich überzeugend schlagen werden…

AT VANCE:

AT
Musikalisch auf höchstem Niveau, live sind die Hüften aber trotzdem noch immer zu steif: AT VANCE und Gitarrero Olaf Lenk

Nachdem MERCENARY dem Publikum schon ordentlich eingeheizt hatten, war es für die deutsch-/schwedische Combo AT VANCE sicherlich keine leichte Aufgabe, die Stimmung auf gleichem Niveau zu halten. Klar, großartige Musiker sind die fünf Veteranen allesamt, doch war es auch an diesem Abend wieder ziemlich offensichtlich, dass es Fronter Mats Leven einfach an der nötigen Ausstrahlung fehlt und dass Gitarrero Olaf (unge)Lenk über weite Strecken einfach zu steif agiert, um wirkliche Euphorie im Publikum entfachen zu können. Dennoch ist ein AT VANCE-Gig für echte Musiker, Proggies und Anhänger klassischer Musik eine durch und durch nahrhafte Mahlzeit, so serviert die Truppe technisch hochanspruchsvolle Songs und bruzelt mit zumindest an diesem Abend konkurrenzloser Perfektion, dass einem nur so das Wasser im Munde zusammenläuft. Dass Chefkoch Olaf Lenk einer der filigransten deutschen Gitarreros ist, dürfte schon lange kein Geheimnis mehr sein, aber was Sänger Leven an diesem Abend ablieferte, übertraf selbst die Erwartungen der eingefleischtesten Fans: Jeder Ton war ein Volltreffer, mit schierer Mühelosigkeit meisterte er hohe und tiefe Tonlagen, ob mit Ko(chto)pfstimme oder tief aus dem Zwerchfell. Auch das Menü ließ mal wieder keine Wünsche offen, ob man sich nun neuen Delikatessen, wie dem phänomenalen Rise from the Fall, dem live ziemlich fett stampfenden Chained oder traditionellen Gerichten a lá Evil in You bediente. Auffällig war an diesem Abend, dass die AT VANCE-Songs live wesentlich energischer wirken als auf den meist leider zu flach produzierten Studioalben – gerade beim Titelsong des aktuellen Outputs hatte ich im Vorfeld nämlich ernsthafte Bedenken, ob das Stück live wirklich zünden würde! Gekrönt wurde der alles in allem gute, wenn auch nicht allzu sehr bejubelte Gig vom Mark Grossschen Drum-Solo, in welches er die Zuschauer gekonnt einbauen konnte und durch witzige Gestikulation auch für den ein oder anderen Lacher sorgte. Fazit des AT VANCE-Gigs: Musikalisch erste Sahne, auch wenn man in Bezug auf die Stimmung doch hin und wieder das ein oder andere Magenknurren verspürte!

BRAINSTORM:

BRAINSTORM:
Super Stimmung, hochprofessionelle Bühnenpräsenz und ein verdammt sympathischer Sänger Andy B. Franck: BRAINSTORM konnten sich an diesem Abend wieder einmal selbst übertreffen

Doch die Publikumslaune sollte sich schnell im Quadrat steigern, denn ein eingespieltes Intro kündigte den langerwarteten Headlinergig an. Zunächst schienen die Klänge sehr bekannt, hatten BRAINSTORM doch auch schon sowohl auf der Tour mit EDGUY als auch auf dem WACKEN OPEN AIR den Neil Diamond-Klassiker Beautiful Noise eingespielt, doch glücklicherweise entpuppte sich das aktuelle Intro als coole Parodie auf das vorangegangene: Plötzlich wurde nämlich ein Radiotuning simuliert, dass bei verschiedenen Sendern Station machte, um schließlich in den arschgeilen Liquid Monster-Opener Worlds are Coming Through zu münden. Und spätestens jetzt gab es kein Halten mehr, die Musiker betraten einzeln die Bühne und als die Meute schließlich Andy B. Franck (zum zweiten Mal) zu Gesicht bekam, wurden die Matten nur so geschwungen, man sprang im Rhythmus auf und ab und die Schweißperlen wurden nur so auf die Bühne geschleudert. Was folgte, war ein Best Of-Programm voller Hochkaräter und wer sich anfangs noch Sorgen machte, die Band könnte auf ihrer ersten Headlinertour (tatsächlich war es das erste Mal, dass BRAINSTORM länger als 45 Minuten auf einer Bühne stehen durften) das Niveau nicht konstant halten, der wurde durch Knaller wie The Leading, dem neuen Inside the Monster, einem coolen Medley aus Between the Eyes, Shadowland und Tear Down the Walls sowie dem älteren Stück Voices Lügen gestraft! Tatsächlich besitzt die Band mittlerweile mehr als genug Material, um auch einen längeren Gig problemlos zu überstehen – selbst eine komplett gespielte Trinity of Lust ließ zu keiner Sekunde Langeweile oder gar schlechte Laune aufkommen.

Doch das eigentliche Highlight sollte noch folgen und fand sich ironischerweise in einem Song wieder, der im Vorfeld wohl von den meisten Besuchern vollkommen unterschätzt wurde: Als der immer breiter grinsende Andy B. Franck schließlich Sängerin Carmen Schäfer auf die Bühne bat, um den erneut vom bärenstarken Liquid Monster stammenden Smash-Hit All Those Words zu intonieren, traute die hübsche Blondine wohl ihren Augen nicht, welch überschwängliche Resonanzen durch diesen Ohrwurmsong im Publikum entfacht wurden. Die Leute sangen und sprangen über die gesamte Länge des Stücks und wollten das perplexe Fräulein gar nicht mehr von der Bühne lassen, bevor sich die etwas schüchterne Sangeskünstlerin schließlich von ihren neuen Fans verabschiedete.

BRAINSTORM:
Traute ihren Augen nicht, als die Leute nicht mehr aufhören wollten, ihren Song mitzusingen: Gastsängerin Carmen Schäfer

Doch damit war es nicht genug: Die Besucher hörten nicht auf, die prägnante Hookline zu singen und selbst als die Band drei Songs später schließlich die Bühne verließ, verzichteten die Anwesenden auf fast schon veraltet erscheindende Zugabe-Sprechchöre und zogen es vor, noch einmal lautstark die erwähnte Gänsehaut-Melodie zu intonieren (Kultalarm!). Klar, Sänger Andy ist bekannt dafür, sich gerne abfeiern zu lassen und oft in bekannter Hansi Kürsch-Manier beim Publikum zu schleimen, aber ich verwette meinen Arsch darauf, dass man ihm sein Leute, das ist jetzt kein Scherz: So etwas haben wir noch nie erlebt! dieses Mal wirklich aufs Wort genau abkaufen kann. Auch nach den beiden überzeugenden Zugaben Doorway to Survive und Under Lights schienen die Besucher noch von der All Those Words-Hookline wie infiziert und gerade dieses Phänomen ist eigentlich nur symptomatisch dafür, dass BRAINSTORM mit Liquid Monster wirklich den Vogel endgültig abgeschossen und ihr bisher reifstes Album veröffentlicht haben. So ging also ein denkwürdiger Abend und gleichzeitg eine Album-Tournee zu Ende, bei der die Schwaben im Vergleich zu ihren Support- und Festival-Shows noch einmal einen ganzen Tacken an Niveau und Stimmung draufpacken konnten, so dass es einem beim Gedanken, dass sich die Jungs offenbar noch lange nicht am Ende ihrer Karriere befinden und somit wohl nochmals steigern könnten, nur angst und bange werden kann!

Fotos: Der Pohl

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