BLIND GUARDIAN, ORPHANED LAND: Europahalle, Trier, 23.04.2015

Ein großartiges Konzert der Krefelder Melodic-Metal-Institution im eher kleinen Rahmen, bei dem die Band spielerisch voll auf der Höhe war und das Publikum nach Leibeskräften mitsang.

Im Vergleich zur letzten Album-Tour vor knapp fünf Jahren gastieren BLIND GUARDIAN anno 2015 überwiegend in etwas kleineren Hallen. Das mag ökonomische Gründe haben. Für die Stimmung war es in Trier auf alle Fälle genau die richtige Entscheidung. Statt der eher für Sportereignisse geeigneten Arena bot die nicht mehr ganz neue Europahalle (gut 1000 Leute Kapazität) den Rahmen für einen großartigen Konzertabend. Das Publikum füllte die Halle ordentlich, ohne dass es wirklich eng zuging. Da man von jedem Punkt im Saal gut sah und hörte, war Drängeln auch gar nicht nötig.

Im Vorprogramm boten ORPHANED LAND eine solide Vorstellung, die vom Publikum wohlwollend aufgenommen wurde. Gleich beim Opener animierte der Sänger die Leute zum Mitklingen im 7/8-Takt, was überraschend gut klappte. Die Show war eine spannende Mischung aus metallischer Energie und unkonventionellen (weil nahöstlichen) Melodiebögen. Dass das Keyboard aus der Konserve kam störte mich insofern, als dass die Musik eigentlich keine zweite Gitarre benötigte und durch das Playback unnötig starr klang. Immerhin wusste die meist gefühlvolle, an Ian Anderson (JETHRO TULL) erinnernde Gesangsstimme zu gefallen. Die in der Menge verstreut anwesenden Fans der Band feierten den Auftritt, der Rest applaudierte anerkennend.

Die Hauptband spielte dann dennoch in einer ganz anderen Klasse, sowohl musikalisch als auch stimmungstechnisch. Jubel brandete bereits auf, als die Band die Bühne betrat und mit The Ninth Wave loslegte. Obwohl der Sound sehr gut ausgesteuert war, verloren sich leider die meisten der Melodien, was ich persönlich auf die Qualitätsprobleme des Songwritings zurückführen würde. Eine positive Überraschung war dagegen Hansi Kürschs Auftreten. Wirkte er bis zuletzt (2014 in Saarbrücken) ohne Bass immer unbeholfen, agierte er dieses Mal souverän, ohne dafür die typischen Rockstargesten nachahmen zu müssen. Nach dem ersten Song begrüßte Kirsch das Trierer Publikum, woraus sich rasch ein amüsanter Dialog entwickelte, der deutlich zeigte, dass BLIND GUARDIAN sich großer Beliebtheit erfreuten und dass es offenbar keinerlei Lampenfieber gab. Freilich war man nicht nur zusammengekommen, um zu plaudern. So ging es schließlich mit Banish From Sanctuary weiter. Beim Herz hüpfte vor Freude! Beim Refrain stellte das Publikum erstmals seine Gesangsqualitäten lautstark unter Beweis. Das Eis war gebrochen, und nach einer erneut sehr unterhaltsamen Ansage wurde bei Nightfall noch lauter mitgesungen. Die Band war sichtlich beeindruckt und ließ sich von der Energie mitreißen. Die Stimmung blieb auch bei Songs neueren Datums gut (Fly, Tanelorn (Into The Void), Prophecies). Als weiteren Mitsinghöhepunkt stand The Last Candle auf dem Programm. Diverse Mitklatschaktionen störten mich zwar, weil die Band starr am Klick klebte, während die Fans natürlich schneller wurden, und weil Mitklatschen meiner Meinung nach einfach nicht zu Speed Metal passt. Das tat der euphorischen Stimmung zum Glück keinen Abbruch. Beim Akustikteil, bestehend aus Miracle Machine und Lord Of The Rings, konnte die Band etwas Luft holen, während die Fans ungebrochen kraftvoll mitsangen. Auf seine übliche einschmeichelnde Art lobte Kürsch die Fans als die Megagenialsten. Nach Mordred´s Song und dem epischen And Then There Was Silence verließen BLIND GUARDIAN erst einmal die Bühne. Die folgenden Zugaberufe waren ähnlich laut wie die sonstigen Publikumschöre. So folgte der erste Zugabenblock mit Into The Storm und Valhalla sowie dem dazwischen geschobenen Neuzugang Twilight Of The Gods. Alle Beteiligten hatten Ihren Spaß. Die Party war danach zum Glück noch nicht vorbei. Es fehlten ja noch The Bard´s Song – In The Forest und Mirror Mirror. Vor den beiden Klassikern gab es zudem noch Wheel Of Time, so dass der Auftritt mit insgesamt 2:15 Stunden zum längsten von mir besuchten BLIND GUARDIAN-Konzert wurde. Und obwohl ich mit den letzten drei Platten so meine Verdauungsprobleme hatte, war es auch eines der stärksten Konzerte der Band, weshalb ich alten wie neuen Fans nur nachdrücklich empfehlen kann, bei einem Tourstopp in der Nähe die Gelegenheit zu nutzen, sich heiser und glücklich zu singen/bangen/rocken.

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