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VAN CANTO: Other bands play, VAN CANTO sing!

Bandkopf Stefan Schmidt spricht über das neue Album Hero, einige seiner musikalischen Helden, Downloads vs. CDs, sein Lieblingsessen und Fußball.

VAN CANTO versuchen auf Hero den Spagat zwischen unterhaltsamen Cover-Versionen und erstklassigem Melodic Speed Metal aus eigener Feder. Bandkopf Stefan Schmidt nahm sich gleich zweimal Zeit (Anfang Juli und Ende August), um den Entstehungsprozess des Albums zu hinterleuchten und über einige seiner musikalischen Helden, sein Lieblingsessen sowie natürlich Fußball zu reden.

Gibt es auf Hero wieder ausschließlich Schlagzeug und Gesang zu hören?

Ja.

Ihr seid jetzt bei GUN unter Vertrag. Welche Seite ist zuerst auf die andere zugegangen?

Wir haben gar nichts weggeschickt. Der Kontakt kam durch GUN über MySpace. Da haben wir auf Nachfrage was hingeschickt. Und dann ging es ziemlich flott, dass man ein gemeinschaftliches Arbeiten begann. Es hat dann – das liegt wahrscheinlich an dem Apparat, der da hinten dran ist – ein dreiviertel Jahr gedauert, bis die Verträge fertig waren und so. Aber von der Ausrichtung her war das ziemlich schnell klar. Danach haben sich übrigens andere Plattenfirmen gemeldet. Sehr lustig. Ja, ich hab’ da gesehen, vor einem Jahr hast du mir mal eine E-Mail geschrieben, die war irgendwie im falschen Ordner gelandet.

Ich habe das Gefühl, dass die Melodien und auch die ganzen Kompositionen dieses Mal vielschichtiger sind. War das schon beim Komponieren eine bewusste Ausrichtung?

Ja, auf jeden Fall. Man hat ja bei der ersten Produktion schon viel gelernt gehabt. Also selbst wenn jetzt die Zweite nicht von so einem großen Namen wie Charlie Bauerfeind produziert worden wäre, hätte man, glaube ich, schon einen großen Unterschied gehört, weil – das muss man auch sagen – bei der ersten die Präsenz der Doublebass echt noch ein bisschen zum Kaschieren da war, was die tiefen Stimmen angeht. Ingo, unser Bass-Sänger, ist eigentlich gelernter Gitarrist; er hat erst bei der ersten Platte so richtig gesungen. Was der jetzt gesangstechnisch für einen Sprung gemacht hat, so dass man das jetzt wirklich als Bass wahrnimmt, das hat dann dazu beigetragen, dass man auch mal langsamere Songs machen kann, ohne dass das dann verräterisch leer klingt. Hätten wir die Möglichkeit gehabt, hätte ich auch schon vorher ein bisschen weniger Doublebass gemacht und mehr Songs wie The Mission geschrieben.

Ihr habt einen neuen Schlagzeuger. Wie kam es zum Wechsel?

Das war ja eigentlich mehr oder weniger als Spaß-Projekt gedacht und der alte Schlagzeuger Strilli hatte da schon vier Band parallel und hat das trotzdem gemanaged gekriegt, die Gigs zu spielen. Er hat dann im Sommer aber rechtzeitig Bescheid gesagt, dass ihm das zuviel wird – auch mit Studium und so weiter. Basti ist mein Langzeit-Schlagzeuger-Freund von JESTER´S FUNERAL. Der war zur Gründungszeit ein Jahr in China, sonst hätte ich ihn wahrscheinlich direkt gefragt. Es war eigentlich die logische Konsequenz, dass wir wieder zusammen Musik machen.

Livefoto
BLIND GUARDIAN-Fan Stefan Schmidt (VAN CANTO) über seine erste Begegnung mit Imaginations From The Other Side-Album: Da sind echt die Tränen geflossen.

Wer wählt die Cover-Versionen aus, die ihr auf der Platte und im Live-Programm habt?

Die Idee, dass es jetzt mehr Cover-Versionen sind, ist natürlich ein bisschen durch die Plattenfirma gekommen. Das ist jetzt eine Größe an Plattenfirma, die auf Verkäufe ausgerichtet ist. Die Cover-Versionen selbst haben wir dann vorgeschlagen. Das sind eigentlich alles Bands, bei denen ich sagen würde, dass ich sehr stolz darauf wäre, wenn ich diese Songs komponiert hätte, und die – Kings of Metal vielleicht ausgenommen – melodisch auch so anspruchsvoll sind, dass man da was zu arrangieren hat. Ich sag jetzt mal: einen PANTERA-Song, der eigentlich aus einem Riff besteht, auf fünf Sänger zu legen und eine Sängerin – was sollen die da machen? Das wäre nicht so gut gewesen. Was du mit Fear Of The Dark machen kannst, das ist natürlich der Hammer.

Welche NIGHTWISH-Sängerin magst du stimmlich lieber, Tarja oder Anette?

Eindeutig Tarja. Weil ich halt finde, dass sie – das merkt man schon beim Sprechen -, sehr viel Volumen hat. Wir haben ja zwei Gigs mit NIGHTWISH gespielt. Die waren auch supernett und ich finde, sie machen eine geile Show – viel mehr eine Rockshow als so eine Diva-Show. Aber wenn dann so ein Song wie Wishmaster kommt, bei dem du diesen Bombast auch brauchst, und die Hälfte dann durch Chor- und Keyboard unterstützt werden muss, dann ist das halt nicht so beeindruckend, wie wenn da eine steht, die den Mund aufmacht und da echt so eine Wand rauskommt. Also mir gefällt eindeutig Tarja besser. NIGHTWISH ist aber natürlich eine Band, die von dem großartigen Songwriting lebt. Das ist auf der neuen Platte supergeil. Die neuen Lieder finde ich auch live richtig geil, weil die für Anette geschrieben wurden, aber die alten halt nicht. Und ich glaube, dass NIGHTWISH, wenn sie in der jetzigen Konstellation gestartet wären, nicht so viele Leute interessiert hätten. Denn dann wäre es eine Gothic-Rock-Band gewesen, ganz ok; aber dieser Wow-Effekt war schon dieser Operngesang damals.

Von welcher Band würdest du gerne mal gecovert werden und mit welchem Song?

Also ich fände es schon extrem spannend, wenn BLIND GUARDIAN sich mal Take To The Sky vornehmen würden, zumal auch Hansi nach seinem Einsatz gesagt hat: Das hätten wir auch nicht anders gemacht. Und ich finde eigentlich, dass der kompositorisch eher an alte BLIND GUARDIAN angelehnt ist und ich so etwas gerne mal wieder von BLIND GUARDIAN hören würde.

Hast du beim Schreiben von dem Song schon im Hinterkopf gehabt, dass sich da eine Zusammenarbeit anbahnen könnte?

Nein, überhaupt nicht. Der Hansi war halt jeden Tag zum Üben da und das Verhältnis wurde echt immer besser. Am Ende ging das so richtig locker und dann haben wir uns getraut zu fragen, ob er sich vorstellen könnte, bei etwas mitzumachen. Dass es dann diese Stelle und dieser Song wird, hat sich erst in diesen Tagen ergeben.

Ihr habt den Bard’s Song aufgenommen. Kommt irgendwann auch noch Part 2 in eurer Version?

Eigentlich kennt den ja keine Sau. Selbst live haben sie den nur auf einer Tour gespielt. Und ich finde den vom Song her bei weitem nicht so gut.

Blasphemie!

Bei BLIND GUARDIAN könnte ich mir tausend Songs aussuchen. Da würde ich wahrscheinlich Somewhere Far Beyond auf jeden Fall noch nehmen und von der Imaginations… eigentlich jeden. Aber The Bard’s Song ist schon großartig. Hansi hat gesagt, dass ihm die Umsetzung sehr gefällt. Es ist natürlich poppiger als das Original, auch durch Ingas Stimme und so. Deswegen hat er auch gesagt, er könnte sich vorstellen, dass das das erste Mal ist, dass BLIND GUARDIAN mit einem Song Geld verdienen. Ob das jetzt ein Witz war, weiß ich nicht, aber ich hätte natürlich nichts dagegen.

Wer würde beim direkten Vergleich VAN CANTO gegen BLIND GUARDIAN bei einem Fußballmatch der sechs Bandmitglieder von euch und der BLIND GUARDIAN-Live-Besetzung deiner Meinung nach gewinnen?

Der Sly, unser Sänger, ist ein richtig geiler Fußballer. Ich war mal gut, bis ich mir beide Knie gebrochen habe. Also ich glaube, GUARDIAN würden gewinnen. Ich war auch mal beim Fan-Club-Treffen, da haben auch Andre und Marcus mitgespielt und das waren schon echt Fußballasse. Aber wir sind natürlich jünger. Das ist schon zehn Jahre her. Aber doch, BLIND GUARDIAN würden gewinnen.

Bei Fear Of The Dark habe ich am meisten den Eindruck gehabt, dass der Hintergrundgesang oftmals etwas Mönchmäßiges hat, wenn nicht gerade die treibenden Riffs kommen. Teilst du diese Ansicht?

Ja, auf jeden Fall. Das war sogar so gewollt. Der Song ist ein Klassiker. Den kannst du eh nicht besser machen. Der ist jedem bekannt, weil er schon von 1992 ist. Das heißt, wenn du da irgendwie was machen willst, ohne jetzt MAIDEN an den Karren zu pinkeln, musst du dich in so eine Richtung bewegen und wir dachten, durch den Frauengesang und dieses, du hast es jetzt Mönchmäßige genannt, dem Ganzen eine doomige Atmosphäre zu geben, so dass wirklich dieses Angst vorm Dunkeln neu interpretiert wird und man den Song trotzdem noch erkennt. Das war so die Idee.

Du bist der Mann für die Solo-Imitationen. Wie ist es für dich, jemanden wie Janick Gers oder Dave Murray zu imitieren? Das ist ja eigentlich ähnlich, wie wenn ein Sänger meint, er tritt jetzt in die Fußstapfen von Bruce Dickinson.

Genau, wobei jetzt gerade bei dem Song fand ich die Originalsolos schlecht singbar. Da haben wir wirklich etwas drumherum komponiert. Bei dem Battery-Cover habe ich ja das Kirk Hammett-Solo nachgesungen, aber jetzt bei MAIDEN ist das ein bisschen schwer. Ich muss auch ganz ehrlich sagen, dass ich MAIDEN jetzt in Sachen Lead-Gitarristen nicht sonderlich beeindruckend finde; gerade Dave Murray, der mal auf einer Saite gerne einen Triller spielt. Adrian Smith fand ich da immer viel beeindruckender. Der ist bei dem Song nun mal nicht dabei. Deswegen haben wir da jetzt was Melodisches rauskomponiert.

Livefoto
Stefan Schmidt (r.) will Lead-Sänger Dennis Sly Schunke nicht zwingen, sich die Haare wachsen zu lassen: Der Sly sieht so am besten aus.

Hast du beim Komponieren der neuen Stücke einen gewissen Erwartungsdruck gespürt, der beim ersten Mal nicht da war?

Ja.

Und wie bist du damit umgegangen?

Ich hab’s halt einfach ausgeblendet. Das Tolle an der ersten Platte, gerade wo du auch in deiner Kritik darauf eingegangen bist, das war ja eigentlich die Bestätigung, dass ich wieder Songs geschrieben habe wie ganz früher, wo ich einfach dachte: Wow, was fändest du denn jetzt als nächsten Teil geil? Da habe ich mich einfach wieder so ein bisschen darauf besonnen. So etwas wie Quest For Roar, das ist wirklich was, das gewollt poppig klingt. Das sollte ganz eingängig sein. Da sind jetzt keine überraschenden, vielschichtigen Wendungen in dem Song. Aber so etwas wie Take To The Sky hätte auch auf der Ersten sein können. Da habe ich wieder: Jetzt noch einen Ton höher und noch ein Tonartwechsel und noch ein anderer Teil, komm! Also echt mal volle Kanne und so.

Das ist ja auch der Reiz am Heavy Metal, dass man nicht immer nur Schema F hat.

Ich finde es auch sehr interessant. Ich bin jetzt nicht so der totale Rock´n´Roller, der sich zu Hause einen säuft und ein geiles Riff schreibt. Für mich ist es auch immer ein bisschen Handwerk. Ich finde das dann sehr faszinierend, wenn Kritiken kommen, aus denen man genau das, was ich in den Song hineingedacht habe, auch wieder rauslesen kann. Deswegen ja, da habe ich schon ein bisschen Druck verspürt und gedacht: Leute, die das mögen, müssen auf der zweiten Platte auch was in der Richtung finden.

Gibt es noch Tage, an denen du die Worte Gesang oder a cappella nicht aussprichst?

Ja klar. Ich habe schon noch ein normales Leben nebenher. Ich finde das mit der Musik auch deswegen so spannend, weil ich jetzt nicht Musik studiert habe und das als Beruf ausüben muss, sondern weil ich das als meine Passion machen konnte und nicht machen musste.

In der Dankesliste zum ersten Album hast du Lukas Podolski für die Inspiration gedankt. Wie kam das?

Ich bin FC-Mitglied und FC-Fan und bei Lukas Podolski hatte ich zum ersten Mal seit langem das Gefühl, wieder einen echt authentischen Fußballer zu sehen. Inzwischen hat sich das auch schon abgeschwächt, weil er in Interviews sehr viel phrasenmäßiger agiert. Aber dem hat man halt das Ursprüngliche wirklich abgenommen. Und das war genau in der Phase, in der ich mal wieder Bock hatte, genau das zu machen – also authentisch zu sein beim Songwriting. King von der ersten Platte zum Beispiel handelt eigentlich von Lukas Podolski, nachdem er beschlossen hat wegzugehen; The king is leaving the land. Deswegen war das einfach so eine Inspiration im Sinne: Mach es einfach; der Ball muss ins Tor rein. Genauso war das bei mir.

Womit vertreibst du dir die Zeit bei Transatlantikflügen?

Wir haben probiert zu schlafen. Das hat natürlich nicht geklappt. Der mp3-Player ist irgendwann auch nicht mehr interessant. Eigentlich lese ich nicht viel, aber auf dem Flug habe ich dann ein komplettes Buch durchgelesen.

Wie habt ihr euch auf euren ersten Brasilien-Trip vorbereitet und welche Erfahrungen habt ihr dort gemacht?

Wir haben auf jeden Fall gelernt, dass in Brasilien alle Vorbereitungen nichts bringen, weil man da sehr spontan agieren muss und die auch noch gerne fünf Minuten vor der Show was ändern. Daher haben wir uns gar nicht speziell vorbereitet. Wir waren eh in den Proben fürs Wacken und für die ganzen Live-Gigs.

Viele von deinen Songtiteln sind welche, die andere Bands schon hatten: Starlight von HELLOWEEN, Speed of Light von STRATOVARIUS, Take To The Sky von JAG PANZER. Warum nimmst du die trotzdem?

Also gerade bei den drei, die du genannt hast, habe ich gar nicht an das Original gedacht. Es sollen halt einfache Titel sein, die dann auch wirklich im Refrain vorkommen. Wenn du dich im Metal-Lyric-Umfeld bewegst – ich bin jetzt auch wirklich nicht der unglaublichste Texter, der da jetz irgendwie neue Theorien aufstellt – dann kommst du irgendwann halt wieder auf diese Schlagworte; finde ich überhaupt nicht schlimm. Take To The Sky zum Beispiel – das hat der Markus von GUN hier auch gesagt – kannte ich gar nicht. Ich kannte einen Song von VANDERHOOF, der heißt auch so. Ich würde jetzt keinen Song Enter Sandman oder The Final Countdown nennen.

Wenn du ein Buntstift wärst, welche Farbe wärst du?

Dann wäre ich ein pastellenes Blau.

Wenn ihr fünf Sänger im Proberaum seid, gibt es dort dann wesentlich mehr Gelaber als bei einer normalen Band?

Nee, gar nicht, weil das Singen so anstrengend ist, dass wir die Pausen wirklich dazu brauchen, Luft zu sammeln.

Sprecht ihr vor euren Auftritten die Garderobe untereinander ab?

Ja, allerdings noch viel zu wenig. Das ist eine sehr roughe Bühnenperformance: fünf Typen in Metal-Klamotten und ein Schlagzeuger hintendran. Aber ich denke mal, dass die Band durch die Songs und das Heroische sehr viel Potenzial hat, auch bühnenshowmäßig ausgearbeitet zu werden. Vor einem Jahr haben wir unseren ersten Live-Gig gehabt, da ist auf jeden Fall noch Luft nach oben. Im Moment besteht die Absprache darin, dass die drei Rhythmussänger Schwarz anhaben.

Hast du schon mal versucht, die drei kurzhaarigen Bandmitglieder dazu zu motivieren, Perücken aufzusetzen oder sich die Haare wachsen zu lassen?

Der Ingo hatte mal lange Haare und die anderen beiden – ach ich glaube, das ist nicht mehr so wichtig. Beim Ross kommen eh keine Haare mehr raus und der Sly sieht so am besten aus. Solange es noch zwei gibt, die die Quote erfüllen, ist das in Ordnung. Ich weiß auch nicht, wie lange das bei mir noch hält.

(1,5 Monate später)

Was war deine Reaktion darauf, dass sich Sly den Bandnamen auf den Arm tätowieren ließ?

Er hatte es vorher angekündigt. Als er noch bei seiner alten Band war, da hat er gesagt, wenn er einen Plattenvertrag kriegt, dann lässt er sich den Bandnamen auf den Arm tätowieren. Das hatte ich irgendwie noch im Ohr. Als er dann damit ankam, habe ich mich natürlich daran erinnert. Und es hat mich ehrlich gesagt nicht total verwundert. Der ist schon so ein Typ, der das dann macht. Sieht auch echt cool aus und die Leute beim Video haben sich sehr gefreut, weil man einen perfekten Weg hat, den Bandnamen ins Video einzubinden.

Wirst du irgendwann mal nachziehen?

Ich werde irgendwann mal der einzige Endzwanziger sein, der nirgendwo auch nur ansatzweise tätowiert ist, und dann total aus der Masse herausstechen.

Zur neuen Platte nochmal ein bisschen im Detail: Speed Of Light fängt vor dem ersten Vers mit einer Art Steigerung an, bei der sich die Stimmen versetzt nach und nach nach oben steigern. Wie kommt man auf so was und wessen Stimmen sind das, die da der Reihe nach einsetzen?

Die erste Stimme ist Inga, dann kommt Sly, dann komme ich und dann kommt Ross. Das weiß ich. Wie kommt man auf so eine Idee: Ich mache das gern. Basti, der Drummer, schreibt auch Songs; jetzt nicht für VAN CANTO, aber sonst. Der hält mir immer vor: Wenn Teile vorbei sind oder wenn man denkt, da sind die Teile vorbei, dann kommt immer noch ein Takt hintendran. Das ist glaube ich auch wieder so eine Geschichte, wo eigentlich der Teil vorbei ist und der nächste kommen könnte, aber ich dann einfach das Ganze noch ein bisschen hinauszögere und den Höhepunkt nach hinten verschiebe. Das ist so ein Stilmittel. Und das mit dem Aufbau fand ich einfach schön – wenn man schon vier Sänger hat, dass man die mal nacheinander in Szene setzt. Der Ingo muss dann halt durchsingen. Denn wenn der Bass wegfällt, klingt es einfach doof.

Ebenfalls in dem Lied gibt es zum ersten Mal so richtig zweistimmige Gitarrensoloimitationen von dir. Wie kam es dazu und wie wirst du das live handhaben?

Wir haben ja zum Teil auch mit Chören gearbeitet. Live werden wir den BLIND GUARDIAN-Weg gehen, indem wir die Hauptmelodien herausarbeiten. Im Gitarrensolo singe ich die Hauptstimme, und die beiden, die dazukommen, die werden dann halt nicht gesungen. Wir haben da jetzt nicht den Anspruch, eine komplette Reproduktion von der Platte live zu bieten, sondern dann gibt es eben eine Live-Version und die spielen wir dann. Und die Solos selbst bin ich eigentlich genauso angegangen wie früher als Gitarrist. Da ist natürlich etwas Zweistimmiges um Spannung aufzubauen eins von mehreren Stilmitteln, die man anwenden kann. Das habe ich bei der ersten Platte noch nicht so viel gemacht, das stimmt. Ich weiß jetzt auch nicht warum; das war keine bewusste Entscheidung. Hat sich so ergeben.

Ist es Absicht, dass relativ selten die Hauptgesangsstimmen ineinander überfließen wie bei den Strophen von Speed Of Light mit männlicher und weiblicher Stimme?

Du meinst es kommt wenig vor?

Es kommt einmal und insgeheim wünsche ich mir, es käme in jedem Teil, aber dann würde es vielleicht auch langweilig werden.

Ich schreibe jetzt nicht Songs, so dass ich mir, wenn drei fertig habe, eine Liste mache: Was kommt in denen jetzt oft vor? Jetzt muss ich einen vierten schreiben, der das Ganze wieder ausgleicht. Deswegen ist das für mich auf die Art und Weise ein bisschen schwer zu beantworten. Speed Of Light war halt einfach von Anfang an so komponiert. Ich hatte da in den Strophen die Stimme von Inga schon im Kopf. Dann haben wir die Einwürfe von Sly gemacht und im Vorrefrain dreht sich das Ganze um. Das fügt sich schön ein. Aber ich finde, musikalisch gibt es Parts, bei denen das überhaupt nicht passt. Bei so was wie Pathfinder – da ist das ja im Refrain, wo sich das mit dem Frauen- und Männergesang aufteilt oder überlappt, aber bei der Strophe, die ja ein bisschen balladesk wird und so eine sehr chorale Begleitung hat, da wollte ich einfach eine männliche Stimme haben. Das war einfach sofort in meinem Kopf so klar. Da würde es gar nicht passen, wenn man das jetzt groß abwechselt. Dann wäre das ein anderer Song, als ich ihn mir eigentlich gedacht habe.

Warst du bei den Pfadfindern in deiner Jugend?

Nein, überhaupt nicht. Der Song heißt Pathfinder, weil das das Thema von der Platte ist – so ein bisschen Weg finden, auf dem Weg bleiben und sich so ein bisschen auch bewusst werden, dass man diesen Weg gerade geht. Weil es zwischen erstem und zweitem Album sehr, sehr schnell ging, so mit Sachen, die da passiert sind, auf die man vorher lange gewartet hatte als Musiker. Zum Beispiel die Bestätigung, dass man auf`m Wacken spielen darf. Der Pathfinder handelt einfach davon, dass man seinen Weg findet und auch auf dem Weg bleibt, und dass es sinnvoll ist, den Weg zu suchen, und dass es immer weiter geht und man nie am Ende ist und nie sicher sein kann, dass man irgendwo angekommen ist.

Bei dem Lied, das muss ich jetzt einfach mal so erzählen und deine Reaktion austesten, im Mittelteil das Heya-Heya-Ha und die Percussion-Teile dazu, das erinnert mich fatal an die REDNEX…

Die REDNEX? Ich kann mich jetzt outen, aber das sagt mir gar nichts.

Okay, dann ist gut.

Hat das irgendwas mit Baseball zu tun?

Das war mal eine Country-Band aus Schweden, die ein, zwei große Hits hatten.

Aus Schweden? Also das, was ich da im Sinn hatte, war eine Stimmung, die so ein bisschen in die Ecke geht, wie die ganzen Ronja Räubertochter-Geschichten. Also es sollte eigentlich so etwas sein, irgendwie schon im Norden, irgendwas Wald, Feuer brennt auch und ziemlich fies guckende, bärtige Typen sind da auch am Start.

Zwingt dich die Konstellation von VAN CANTO dazu, das Songwriting mehr vorzubereiten, mehr auszuarbeiten, als bei konventionellen Bands?

Ja, es ist einfach so, dass es so ist. Ich weiß nicht, ob man es auch anders machen könnte. Im Fall von VAN CANTO ist es ja kein Zwang, sondern Teil des Plans, weil auch alle Bandmitglieder in ihren vorherigen Bands die Erfahrung gemacht haben, dass es auch den Stil verwässern kann, wenn zu unterschiedliche Leute am Songwriting mitmachen und dass eigentlich die Bands, die erfolgreich sind, auch deswegen erfolgreich waren, weil sie einen klar erkennbaren Stil hatten. Und es ist nun mal einfacher, wenn das ein oder vielleicht zwei Leute machen und nicht fünf. Was aber nicht ausschließt, dass man die strenge Regelung aufweicht, wenn man diesen Stil mal definiert hat und ein bisschen weiter ist. Aber im Moment sind alle in der Band mit der Arbeitsteilung sehr glücklich und zufrieden. Und ich sowieso, logischerweise, weil ich dann dem Komponieren nachgehen kann, was für mich eigentlich das Tollste an der Musik und der Band ist.

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Stefan Schmidt (r.) betrachtet VAN CANTO nicht als Eintagsfliege: Wir sind immer noch so ein bisschen in der Rolle, dass wir viele überraschen können durch das Konzept, probieren aber natürlich songwritingtechnisch so viel Fundament zu haben, das diese Band auch über Jahre tragen kann.

Kannst du dir vorstellen, die Band mal zu erweitern, wenn ihr nicht mehr wisst, wohin mit eurem Geld?

Da haben wir ja schon mal drüber geredet. Erweitern um Instrumente glaube ich nicht.

Ich dachte eher nach dem Motto: Ihr seid drei Rhythmussänger und ihr könnt jeder nur einen Ton auf einmal singen; wenn du deine siebensaitige Gitarre umhast, kannst du als einzelner Musiker sieben verschiedene Töne herausbekommen.

Es ist schon extrem schwer, drei Leute rhythmisch exakt zusammenzukriegen. Da will ich nicht wissen, wie das mit vier, fünf oder gar sieben ist. Denn wenn du Gitarre spielst, werden alle Saiten von einer Hand angeschlagen; das heißt, die sind gleichzeitig am Klingen, und das ist bei uns einfach nicht so, also nö. Was ich mir auf jeden Fall vorstellen könnte, wäre mal ein anderer Gastsänger, der ein ähnliches Format hat wie Hansi Kürsch. Wenn sich da die Gelegenheit ergeben würde, würden wir bestimmt noch mal was machen, wenn es irgendwie zum Song passt. Ansonsten bin ich mit der Konstellation sehr zufrieden. Hat ja auch den Riesenvorteil bei dieser Band, dass man nicht so viel Equipment hat und endlich mal in zwei Autos passt. Da wären wir ja schön blöd, wenn wir noch fünf Leute dazunehmen würden.

Dann müsst ihr euch halt Leute suchen, die kleiner sind als euer Basssänger.

Haha, geil, so eine Liliput-Rhythmusfraktion. Macht auch showmäßig einiges her. Ich werde das sofort an die Plattenfirma weiterleiten.

Ihr habt A Storm To Come 2007 ein Jahr lang im Eigenvertrieb veröffentlicht. Habt ihr mehr CDs verkauft oder mehr digitale Downloads, wie man das neudeutsch wohl nennt?

CDs. Kann ich ganz klar sofort sagen. Downloads haben wir nur in Amerika gehabt, weil es für die wirklich teurer war, eine CD zu kaufen, wenn du da acht Euro Porto zahlst. Das ist schon ein Argument. Über iTunes America haben wir Verkäufe gehabt, auch so, dass man das irgendwie gemerkt hat. Aber ansonsten eindeutig die CD. Es ist, glaube ich, zum Glück bei Metallern noch so, dass sie lieber die CD in der Hand haben und wir haben die auch für zwölf Euro verkauft, was, denke ich mal, auch ein ok-er Preis ist; und dann auch noch mit schönem Cover und schöner Verpackung, das kam, glaube ich, gut an.

Noch zwei Fragen, dann bin ich durch: Was ist dein Lieblingsessen und was wäre dein Lieblingsessen, wenn du dich eine Woche ausschließlich davon ernähren müsstest?

Auf beide Fragen kann ich dasselbe antworten: Das sind eindeutig Spaghetti mit Tomatensauce. Ganz albern. Das war es schon als Fünfjähriger, wird es auch noch sein, wenn ich 80 bin.

Wenn dieses Interview erscheint, fängt fast schon wieder die Weihnachtssaison an. Werden VAN CANTO irgendwann mal Weihnachtslieder singen?

Mh, ich weiß jetzt überhaupt nicht, auf welche Metal-Band du da anspielst. Ähm, ich glaube nicht. Vielleicht mal als Gag, aber erst dann, wenn die Leute auch gerafft haben, dass wir keine Gag-Band sind, sondern dass wir das schon irgendwie mit Ernsthaftigkeit betreiben; Spaß an der Musik haben, aber trotzdem das ernst angehen.

Professionell angehen.

Ja, genau. Wir machen keinen Klamauk, sondern wollen als ernsthafte Band angesehen werden und ich weiß nicht, ob es da sehr hilfreich wäre, wenn wir Jingle Bells singen.

Fotos: Jutze / vampster.com

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