THE BLACK LEAGUE: Die kalte Hand des Lebens mitten im Gesicht…

Wenn man Taneli Jarva fragt, ob ein verbleibender Viertelliter in einem Halbliterbecher denn nun ein halbvolles oder halbleeres Glas ist, dann wird er wohl für halbleer plädieren. Der Chefzyniker weiß sehr genau, wo er mit seiner Band THE BLACK LEAGUE steht. Den Glauben an seine Musik hat er deswegen noch lange nicht verloren, und genau das macht THE BLACK LEAGUE im allgemeinen und das neue Album "Utopia A.D." im speziellen zu etwas besonderem…

Wenn man Taneli Jarva fragt, ob ein verbleibender Viertelliter in einem Halbliterbecher denn nun ein halbvolles oder halbleeres Glas sind, dann wird er wohl für halbleer plädieren. Der Chefzyniker weiß sehr genau, wo er mit seiner Band THE BLACK LEAGUE steht. Den Glauben an seine Musik hat er deswegen noch lange nicht verloren, und genau das macht THE BLACK LEAGUE im allgemeinen und das neue Album Utopia A.D. im speziellen zu etwas besonderem.

Utopia A.D. klingt meiner Meinung nach nicht nach Metal, sondern eher nach düsterer, harter Rockmusik.

Stimmt. Der Slogan für dieses Album lautet nicht umsonst „less metal, yet heavier“.

Der Sound von Utopia A.D. ist anders, die Produktion ist mehr auf Härte ausgelegt. Wir haben das Gefühl, dass wir diesmal etwas aggressiver und geradliniger an die Musik herangegangen sind. Aber da hat wohl jeder Hörer seine eigene Meinung.

Aggressiver? Da bin ich in der Tat anderer Meinung. Ich musste mich an Utopia A.D. erst gewöhnen. Ichorhatte diese typische Rock n´ Roll Attitüde und war in meinem Ohren viel rebellischer. Bei Utopia A.D. habe ich den Eindruck, dass das Album eher Resignation ausstrahlt.

(überrascht) Resignation? Was soll ich denn jetzt dazu sagen…

Für mich hatte Ichoreine andere Atmosphäre, die Songs waren wilder, rauer…

(unterbricht) Ok, wenn du mich fragst, ich bin weder reifer geworden noch nehme ich das Leben leichter… auch nicht mit Utopia A.D.. Ich meine, es hängt ja auch immer vom Hörer ab, wie er die Musik empfindet.

Vielleicht hat mein Eindruck damit zu tun, dass sie Songs viel härter, und viel deprimierender sind? Auch die Texte scheinen mir depressiver zu sein.

Das kann schon sein. Die Texte sind vielleicht ein wenig persönlicher geworden, obwohl ich immer versuche meine Person aus den Texten rauszuhalten. Ich will schließlich keine biographischen Statements machen. Ich empfinde Utopia A.D. schon als depressiver als Ichor, da gebe ich Dir recht.

Die Musik ist wie eine bittere Wahrheit, die man gerne verdrängt. Rockmusik verbinde ich eigentlich mit einer guten Zeit und Spaß. THE BLACK LEAGUE sind aber ganz anders, es ist schon fast schmerzhaft, solche Songs wie „Utopia A.D. A.D.“ zu hören.

Es ist keine Good Times-Platte, keine Easy Listening Musik. Genau das ist das Problem an THE BLACK LEAGUE – wobei es für mich alles andere als ein Problem ist. Wir machen keine populäre Musik! Unsere Musik ist kein Durchschnitt. Wir haben ein sehr spezielles Publikum, die Musik spricht wohl nicht sehr viele Leute an. Es freut aber sehr, dass es doch ein paar Leute gibt, die genau das in der Musik finden, was wir ausdrücken wollen.

Aber ist es nicht schon schwierig genug, Gefühle und Atmosphären über Musik zu transportieren? Noch schwieriger wird es doch, wenn man beim Zuhörer ein ganz bestimmtes Gefühl wecken will, oder?

Sicher. Aber das ist in jeder Form der Kunst so. Dichtung, Literatur, darstellende Kunst – es ist überall dasselbe. Man weiß nie genau, was im Kopf des Schöpfers vorging – oft war das etwas ganz anderes, als man sich vorstellt. Es gibt keine universellen Intentionen, die jeder sofort nachvollziehen kann.

Trotzdem versuchst Du mit deiner Musik eine Beziehung zum Zuhörer aufzubauen. So sind die ersten Worte auf Utopia A.D. am Ende des Intros: „Are You Ready for the truth?“

Ich frage mich, wie vielen Leuten das wohl aufgefallen ist… Ich wollte das Album persönlicher für den Hörer machen, eine etwas andere Hör-Erfahrung bieten. (lacht) Nun, aber man weiß nie, ob so etwas funktioniert. Aber wie ich sehe, funktioniert es ja doch. Manchmal. Ähnlich ist es mit den Anspielungen, die in den Texten verborgen sind. In „To Suffer And To Smile“ gibt es eine Anspielung auf einen weisen alten Mann und das gute alte „Paranoid“ von BLACK SABBATH.

Um noch mal auf die direkte Ansprache des Hörers zu kommen: Es gibt diese Einleitung mit dem Satz „Are You Ready For The Truth?“ und zieht mit der letzten Textzeile eine Art Fazit: „Welcome To This World. Wake up.“ Absicht oder interpretiere ich etwas, was gar nicht da ist?

Es ist eigentlich ähnlich wie bei Ichor. Ichorbeginnt mit dem altenglischen Wort „Sothlice“, das in etwa „wahrlich“ bedeutet, heute würde man sagen: „Hey Mann, hör mir zu….“ und das Album endet mit „Thank You And Good Night“, was auch etwas ironisch gemeint ist. Ich mag Alben, die den Kreis schließen.

Du scheinst Dich sehr für Dinge wie Sprachen und Literatur zu interessieren. Du verwendest altenglische Ausdrücke, die seit 700 Jahren nicht mehr gebräuchlich sind, zitierst Shakespeare und erwähnst Charles Dickens. In unserem letzen Interview hast du aber auch gesagt, dass du dich gar nicht unbedingt für die sogenannte hohe Literatur und Kultur interessierst.

Haha. Ich hasse dieses Wort „Kultur“. Zur Hölle, ich weiß gar nicht, was es bedeuten soll. Vielleicht zählen ja THE BLACK LEAGUE irgendwann einmal auch dazu, nur weil wir zu unserer Zeit nicht verstanden wurden und nicht bekannt waren. Es ist eine Sache der Interpretation, und ich persönlich schätze diese Art der Klassifikation überhaupt nicht. Shakespeare galt zu seiner Zeit zum Beispiel auch nicht als klassischer und begnadeter Autor, seine Stücke waren normales Vergnügen für die Masse – so wie heute Hollywood Filme als Massenkultur gelten.

Euer „Motto“ „Cruisade against a plastic world“ – was genau meinst du damit?

Nun, ich denke, dass es mit der Menschheit bergab geht. Wir haben den Punkt ohne Wiederkehr längst überschritten. Die ganze westliche Kultur, Filme, Literatur, Musik, alles gründet auf diesem MTV-Coca Cola-McDonalds-Hype. Ich finde, wir sollten wieder davon wegkommen. Doch braucht man sich wohl gar keine Hoffnungen zu machen.

Ich hatte eigentlich eine etwas andere Interpretation gefunden: Eure Musik ist sehr bodenständig und fast noch wichtiger, sie hat einen unglaublich warmen und altmodischen Sound. Die Gitarren zum Beispiel klingen nicht nach einer dieser kalten, HiTech-Produktionen wie sie heute üblich sind. Es klingt alles beim bisschen rauer und solider…

Das ist genau, was wir erreichen wollten. Wir hatten die Möglichkeit, alte Vintage Gitarrenamps zu benutzen. Wir haben auf eine sehr traditionelle Art aufgenommen, obwohl viel auch mit Hilfe von Pro-Tool und Computern aufgenommen wurde. Da kommt man heute auch nicht mehr drumrum. Es war eine bewusste Entscheidung, in diese traditionelle Richtung zu gehen. Wir würden auch gerne ein „Live in Studio“ Album aufnehmen, vielleicht eine E.P. Ich bin ehrlich gesagt ziemlich gelangweilt von diesem hypertechnischen Sound, den man heute hat. Wir sind Menschen, keine Maschinen! Wir wollten auf CD einen ähnlichen Sound wie bei einem Konzert oder einer Probe, und mit Utopia A.D. ist das ganz gut gelungen, finde ich.

Durchaus. Das ganze Album hat eine Live-Atmosphäre, in „Voice Of God“ wird ganz ordentlich rumgejammt.

Oder in „Harbour Of Hatred“. Wir haben bei diesem Album viel Raum für Interpretation gelassen, für Improvisationen. Dadurch dass wir die Möglichkeit hatten, unterschiedliches Equipment zu benutzen, hat fast jeder Song einen anderen Gitarrensound. Normalerweise hast Du auf einem Album ein oder zwei verschiedene Gitarrensounds, wir haben bestimmt ein Dutzend verwendet.

Ich finde, dass es sogar innerhalb der einzelnen Songs viel zu entdecken gibt. „To Suffer And To Smile“, meiner Meinung nach der beste Song auf dem Album, klingt anfangs nach alten DANZIG.

Danzig? Cool! Das ist ein schönes Kompliment! „To Suffer And To Smile“ ist meiner Meinung nach der beste THE BLACK LEAGUE Song überhaupt. In diesem Song haben wir am ehesten eingefangen, worum es uns geht. Der Song ist reif und in jeder Hinsicht komplett – auch der Text passt. Er bedeutet mir sehr viel, ich fühle diesen Text…

Der Song ist unglaublich deprimierend, finde ich. Er beschreibt ein bestimmtes Gefühl, das jeder kennt, sehr genau. Er beschreibt eine Lüge – die Lüge, wenn man nicht seine wahre Stimmung zeigt, sondern eine gute Mine zum bösen Spiel macht. Der Text sagt vielleicht etwas anderes, aber das Gefühl dieses Songs ist ein ganz schlechtes Gefühl.

Im Prinzip beschreibt das genau die Absicht hinter dem Song. Es gibt aber noch einen anderen Aspekt: je mehr man über diese Welt und dieses Leben weiß, umso weniger glücklich kann man sein.

Du meinst, dass Kinder viel einfacher glücklich sein können, weil sie noch unschuldig sind, weil sie noch nichts wissen?

Exakt. Deshalb habe ich bei diesem Song auch den Dichter Thomas Gray als Inspiration erwähnt. Ich habe sein Gedicht „Ode On A Distant Prospect Of Eton College“ gelesen. In diesem Gedicht sitz ein Mann auf einem Hügel und beobachtet Kinder beim Spielen. Dabei fühlt er, wie er alt wird. Gray war erst 18 oder 19 Jahre alt als er dieses Gedicht geschrieben hat, aber fühlte schon in seinem jungen Alter dasselbe wie das, was ich in diesem Song ausdrücken wollte. Die Unschuld der Kinder währt nicht lange, also sollte man sie Kinder sein lassen, so lange sie es noch können. Es wird die Zeit kommen, zu der die kalte Hand des Lebens sie mitten ins Gesicht schlagen wird. Dann ist die Kindheit schlagartig vorbei.

Grey war einer dieser sogenannten Graveyard Poets, die zu den Vorläufern der Gothic Literature gehören. Heutzutage wird der Ausdruck „Gothic“ gerne anders verwendet. THE BLACK LEAGUE passen nicht in die Kategorie „Gothic“ und sind gleichzeitig ein Vielfaches schwärzer und düsterer als 15 Gothic Metal Bands zusammengenommen.

Haha. Ich erkläre Dir jetzt, warum ich genauso fühle: THE BLACK LEAGUE behandeln das Leben, das wahre Leben. Und nicht irgendwelchen PillePalleThemen wie romantische Vampire. Bei Gothic Metal Bands dreht sich die Musik fast immer um Hollywood Entertainment. Das wirkliche Leben kann so viel dunkler sein als Fiktion. Natürlich bin ich ein Fan von Fiktion, von Literatur, Filmen und so weiter. Aber ich kann mein wahres Ich nicht in meiner Musik verleugnen. Ich muss fühlen, was ich singe, ich muss es verstehen. Es muss eine intime Beziehung geben zwischen dem, was ich singe und dem was ich fühle. Das heißt nicht, dass man die Stimme des Sängers mit der des Menschen gleichsetzen darf, aber man muss das, was man singt, verstehen und interpretieren können.

Ich glaube nicht, dass man gute Musik machen und gleichzeitig seine Persönlichkeit komplett raushalten kann.

Ja, genau das muss man aber erst verstehen.

Auf der anderen Seite kann man aber auch nicht sagen, dass Taneli Jarva das und das gesagt hat, nur weil es in einem Text steht.

Genau, man muss diesen Punkt immer bedenken. Obwohl man mich nicht wirklich kennt, wenn man meine Texte durchliest, hat man eine Idee, wie ich sein könnte, was mir wichtig ist, was mir durch den Kopf geht.

Meiner Meinung nach beschreibt der Ausdruck „singen“ nicht besonders treffend, was du auf Utopia A.D. machst…

(lacht…)

Ich will damit sagen, dass du eher Geschichten erzählst als Worte in einer bestimmten Melodie aneinander zureihen

Ich mag den Gesangsstil von Sängern wie Tom Jones oder Leonhard Cohen und natürlich Nick Cave, denn sie erzählen wirklich Geschichten. Hehe, es ist einfach eine unumstößliche Tatsache, dass ich nicht singen kann. Ich kann nicht singen. Aber ich habe eine verdammt gute Stimme. Ich habe versucht, meine Stimme in so vielen Variationen wie möglich zu benutzen. Heutzutage versuche ich, ein wenig Melodie in die Stimme zu legen. Schreien mit Melodie oder so… Ich interessiere mich nicht dafür, mit klarer Stimme singen zu lernen. Ich denke, das würde einen Teil von THE BLACK LEAGUE zerstören.

Es ist eigentlich normal, sich von Album zu Album weiterzuentwickeln – zumindest sollte es das, denn sonst tritt man auf der Stelle. Hast Du bei Utopia A.D. bewusst am Gesang gearbeitet?

Eigentlich nicht. Es liegt eher an den Songs und den Texten. Ich hatte keine Gesangstunden, keine Übungen – echt nicht! Wir haben auch nicht allzu viele Gigs gespielt zwischen den Alben – ich habe nicht bewusst versucht, etwas zu verbessern. Allerdings sagen mir viele Leute, dass sich meine Stimme verbessert hat. Ich denke, ich habe diesmal einfach den richtigen Ton getroffen.

Die Absage des Support Gigs für PAIN im Herbst 2000 war eine Riesenenttäuschung, ich hatte mich schon tierisch auf ein THE BLACK LEAGUE Konzert gefreut, denn Eure Musik muss einfach live gespielt werden.

Ich mag es sehr gerne, live zu spielen. Früher, in den frühen Neunzigern, als ich mit SENTENCED unterwegs war, war ich nicht besonders scharf darauf, auf einer Bühne zu stehen. Ich hatte mich damals einfach nicht zu Hause gefühlt. Mittlerweile habe ich Spaß daran. THE BLACK LEAGUE sind eine Live-Band. Es gibt viele Leute, die sagen, dass unsere Musik live besser funktioniert als auf einem Album. So hat Mikko Karmila, der Utopia A.D. gemixt hat, nach einem Konzert von uns gesagt, dass die Alben ganz gut seien. Aber sie sind kompletter Bullshit verglichen mit den Liveshows. Nachdem er uns hatte spielen sehen, verstand er, um was es bei uns geht.

Wie du gesagt hast, THE BLACK LEAGUE spielen keine Easy Listening Musik… ich weiß gar nicht, ob man bei einem THE BLACK LEAGUE Konzert Spaß haben kann.

Hehe. Keine Ahnung, ich war noch nie im Publikum. Ich habe schon Spaß, trinke ein paar Bier und freue mich.

Ihr benutzt recht viele klassische Rock n´ Roll Elemente, aber ihr drückt etwas anderes aus. THE BLACK LEAGUE ist viel düsterer.. und deshalb frage ich mich, wie das Ganze live wirkt.

Mit dem klassischen Rock n´ Roll hat alles angefangen. Aber… ich weiß jetzt gar nicht, was ich sagen soll.. THE BLACK LEAGUE live ist wie eine Energie-Explosion. Es gibt viele solcher Rock n Roll Elemente, klar. Andererseits sind wir meilenweit von Partymusik entfernt. Ist eigentlich komisch…

Würdet ihr auch ein großes Festival spielen?

Jederzeit. Überall. Wir haben das bislang einmal gemacht. In hellstem Tageslicht und ich hatte das Gefühl, dass wir nicht dorthin gehören… ich mag Clubgigs viel mehr. Auf der anderen Seite hat man auf Festivals ein riesengroßes Publikum. Und wenn die Leute ein paar Bierchen intus haben, dann würden sie sich sicher auch amüsieren. Wie ich sagte, wir würden überall spielen!

Hoffentlich wissen das auch die Booker… Zurück zum aktuellen Album. Es gibt mittlerweile den vierten Teil zu „The Everlasting“. Ich vermisse aber noch immer den ersten Teil.

Ach wirklich? Ich denke, da bist du nicht die einzige, haha. Eigentlich sollte der Song „The Everlasting, Pt. IV“ von Utopia A.D. Teil Eins werden.

Ich dachte, „We Die Alone“ von Ichorsollte teil Eins werden?

Ja. Erwischt. Eigentlich sollte auch der Song der erste Teil zu „The Everlasting“ werden, haha. Hat aber auch nicht hingehauen.

Aber wird es denn irgendwann einen ersten Teil geben?

Nun, es muss ja irgendwann einen geben. Eigentlich sollte ja Part IV wirklich der erste Teil werden, aber als ich mir den Songs vor dem Mix noch mal angehört habe, stelle ich fest, dass er unmöglich Teil Eins sein konnte. Der Song klingt wie das Ende der Geschichte und nicht wie der Beginn! Ich weiß nicht, was mit Part I ist. Wir müssen die nächste Veröffentlichung abwarten.

„The Everlasting, Pt. II” wurde von Florida, dem Bassisten, geschrieben. War es schwer, eine Fortsetzung zu einem „fremden“ Song zu schreiben?

Überhaupt nicht. Es war sogar sehr leicht. Eigentlich beruht der Song auf einem Outro eines Songs, den wir geschrieben und dann verworfen haben. Der Text ist komplett improvisiert. Wir haben keine Probleme, Songs zu schreiben. Die Songs sind einfach irgendwann da. Sie schreiben sich praktisch selbst. Part IV ist ein uraltes Stück, das ich 1994 geschrieben habe. Er ist also älter als Part II, hehe.

Du hast bestimmt noch mehr alte Ideen, die du mir dir herumträgst…

Jaaaaa. Auf jeden Fall. Das Songwriting mit THE BLACK LEAGUE ist ein konstanter Prozess. Wir können uns nicht hinsetzen und sagen, okay, heute schreiben wir Songs für das neue Album. Wir schreiben ständig. Alle Veröffentlichungen bestehen zur Hälfte aus altem Material, die andere Hälfte ist neu – allerdings nicht komplett neu. Irgendwie sind die fast alle Songs beziehungsweise Teile von ihnen ein paar Jahre alt. Es gibt viele Songs, die ich gerne schon auf das erste Album gepackt hätte, aber sie waren noch nicht ausgereift genug. Ich brauche manchmal einfach länger. Es gibt aber genug Material für weitere Alben.

„Day One“ klingt für mich etwas älter, er hätte auch gut zu Ichorgepasst.

Er erinnert vielleicht ein wenig an „Going To Hell“ – da gibt es Parallelen, das stimmt.

„BlueSkyMagic“ ist ein Song, bei dem Text und Musik perfekt harmonieren.

Es gibt Hoffnung in diesem Song….

Der Song zeigt meine optimistische Seite – die wohl nicht besonders gut entwickelt ist. Es gibt eine kleine Geschichte zu diesem Song. Ich war auf dem Weg zur Probe, das ganze ist schon ein paar Jahre her. Es war Sommer, ein schöner, warmer, klarer Sommertag. Ich hatte einen ziemlichen Kater und schlug die Zeit vor der Probe tot. Ich hatte nichts besseres zu tun, als mich auf einer Wiese in der Sonne zu dösen. Da kamen diese Gedanken, dass das Leben, dass dieser Moment doch nicht so schlecht ist. In diesem Moment verstand ich, was Glücklichsein bedeutet. Nun, es hat nicht lange angehalten, glaube mir! Ich kam dann zur Probe und Maike (der Gitarrist) spielte irgendetwas. Ich sagte zu ihm, er solle genau dasselbe noch mal spielen. Dan kam unser Schlagzeuger Sir Luttinen dazu und spielte mit. Es passte perfekt zusammen. Ich erzählte ihnen dann, dass ich einen Text zu diesen Riffs hätte – und so begann der Song sich von selbst zu schreiben! Obwohl ich die Idee zum Text erst ein paar Stunden zuvor hatte. Die Jungs gaben mir die Riffs, ich hatte den Text – also bin ich nach Hause gerannt und habe es aufgeschrieben.

Ich hatte mich gefragt, ob es viel Arbeit ist, Text und Musik so perfekt aufeinander abzustimmen. Aber wie es scheint, sind die ehrlichen, spontanen Dinge die besten.

Nun, was die Musik angeht, so kann ich sagen, dass das Songwriting ein mentaler Prozess ist. Ich habe eine Idee, die ich mir ein paar Tage durch den Kopf gehen lasse. Ich benutze die Gitarre als Anschauungsobjekt – mit einer Gitarre kann ich den anderen zeigen, wie die Riffs gespielt werden. Ich schreibe ständig Songs, wenn ich Lebensmittel kaufe, wenn ich arbeite – es ist alles in meinem Kopf. Du kennst vielleicht das Gefühl, wenn dir den ganzen Tag etwas im Kopf herumspukt? Das ist genau die Art und Weise in der ich komponiere. Seltsam, aber ich mag dieses Gefühl… bei den Texten ist es ähnlich. Wenn ich einen Song im Kopf habe, dann kommen automatisch die Texte dazu. Der Text sucht sich die Musik und umgekehrt.

Was die Texte angeht, so muss ich zugeben, dass ich mein altes Latein-Wörterbuch abstauben musste… „Tedium Vitae“ bedeutet lebensmüde, aber was hat es mit „Rex Talionis“ auf sich?

„Rex Talionis“ ist ein Wortspiel. Das englische „retaliation“ (Vergeltung) beruht auf den Ausdruck „Lex talionis“ (Lex = Gesetz). Es geht um das alte Prinzip Auge um Auge… Nun, und „Rex“ bedeutet König.

Es ist keine Absicht, dass so viele lateinische und griechische Ausdrücke in den Texten vorkommen. Ich kann Latein weder schreiben noch lesen. Ich habe zwar versucht, es zu lernen, aber ich bin einfach zu faul dazu. Ich mag die Sprache, ich mag auch die Idee einer toten Sprache der alten, toten Kultur. Latein ist eine wirklich schöne Sprache. Ich war aber trotzdem etwas erschrocken, als ich mir die Tracklist des neuen Albums noch mal angeschaut habe. Da ist viel Latein drin, das kein Mensch versteht. Ich war selbst überrascht, denn diese Songtitel wie Rex Talionis waren einfach irgendwann da. Ich wollte sie aber nicht verändern, denn sie haben eine Bedeutung, die mir gefällt. Ich wollte da keine Kompromisse eingehen. Vielleicht denken jetzt manche Leute, dass ich angeben will. Doch das will ich nicht. Latein ist eine Fremdsprache wie Englisch – das macht für mich keinen unterschied.

Willst Du das Spiel mit Sprachen noch weiter treiben und vielleicht auch mal einen finnischsprachigen Song aufnehmen?

Ich habe es schon ausprobiert, da mir der Gedanke schon seit einigen Jahren im Kopf rumspukt. „Sanguinary Blues“ von der Doomsday Sun E.P. haben wir auch in einer finnischen und italienischen Version aufgenommen. Naja, um ehrlich zu sein,der Song klang nicht anders als mit englischem Text. Es ist eben meine Stimme die man hört, und da man die Texte ohnehin nicht besonders gut verstehen kann, ist es egal in welcher Sprache ich singe. Aber wer weiß, vielleicht machen wir doch noch etwas in einer anderen Sprache. Ich kann in jeder Sprache singen – solange ich weiß, was ich da singe.

Du benutzt nicht nur eine alte Sprache, auch das Symbol von THE BLACK LEAGUE, der Helm, sieht ziemlich antik aus. Was steckt dahinter?

Der Helm hat ein bisschen etwas mit dem Aspekt eines naiven Kriegers zu tun, hauptsächlich steht er aber als ein Symbol für die westlichen Kultur und deren Ursprünge, die hellenische Kultur. Man sollte allerdings nicht zuviel hineininterpretieren, es ist ein Symbol, ein Logo. Es sieht gut aus und symbolisiert unsere Musik besser als irgendein Bandmaskottchen wie es zum Beispiel MEGADETH verwendet haben. Es ist eine einfach aber dennoch kraftvolle Ikonographie. Was siehst du denn in diesem Symbol?

Der Helm schließt fast das gesamte Gesicht ein, vielleicht steht er für das Individuum, das isoliert von der Masse steht? Und dann hat ein Helm natürlich auch eine Schutzfunktion.

Das klingt gut, diese Idee gefällt mir. Mindestens dreißig Prozent von dem, was wir tun, ist komplett unterbewusst. Ein Drittel der Musik die ich schreibe, kommt direkt aus dem Unterbewussten, die Bedeutung liegt auch im Unterbewussten. Oft erkenne ich selbst nicht die komplette Bedeutung. Wie in Träumen steigt das Unterbewusste eben manchmal nach oben. Es ist natürlich sehr interessant, zu sehen, was alles in deiner Seele verschlüsselt ist.

In den Texten sind bestimmte Wörter in Grossbuchstaben gedruckt. Steckt eine tiefere Absicht dahinter oder ist das ganze einfach nur ein gestalterisches Mittel?

Absicht. Die Schlüsselbegriffe sind fett gedruckt. Wenn Du nicht genug Zeit hast, die ganzen Texte zu lesen, dann hast du dir immerhin mit einem schnellen Blick ein paar Ideen zu dem Songs. Ich habe die Texte nach den Aufnahmen noch mal angesehen und die wichtigsten Begriffe hervorgehoben. Wenn ich Texte schreibe, dann überlege ich mir aber nicht, was diese Schlüsselbegriffe sein könnten. Aber ich frage mich auch hier wieder, ob das überhaupt jemanden interessiert – ich glaube nicht, dass viele Leute die Texte anschauen.

Vielleicht haben viele einfach das Interesse an Texten verloren, weil der Großteil einfach dämlich ist. Es gibt so viele Schwertkampf- und Rittergeschichten, Fantasykram…

Stimmt. Ich kenne nur wenige Bands, deren Texte ich gut finde. BAYLON WHORES zum Beispiel, „King Fear“ hat exzellente Texte. Da steckt so viel drin, dass man gerade mal die Hälfte davon versteht. Für die meisten Leute sind Texte wohl einfach nicht wichtig, für mich machen aber die Texte einen gutes Teil der Identität eines Songs aus. Ich brauche Texte, die mir etwas bedeuteten, ich muss mich motivieren können, meinen Mund aufzumachen und etwas auszudrücken. Ich kann keinen Blödsinn singen. Wir haben eine Coverversion von VENOMS „Seven Gates Of Hell“ gemacht, und ich hatte große Schwierigkeiten, diesen Song zu singen. Hölle, Dämonen…. und das ganze Drumrum, na ja. Ich habe einfach versucht, meinen Kopf auszuschalten und in die Fußstapfen von Cronos zu treten. Aber es ist eine sehr komischer Erfahrung gewesen.

Ich gehe davon aus, dass dir auch der visuelle Aspekt der Musik sehr wichtig ist. Ihr habt ein neues Video zu „Rex Talionis“ gemacht. Wie wichtig sind die passenden Bilder zur Musik?

Öhhhhhhh… Ich war nie ein großer Fan von Musikvideos. Wenn ein Videoclip wirklich gut ist, dann kann er aber schon die Idee, die Botschaft eines Songs beschreiben. Er kann aber ein ganzheitliches Kunstwerk aus einem Song machen, es kann eine audiovisuelle Erfahrung wie zum Beispiel ein Kurzfilm sein. Doch dazu braucht man ein vernünftiges Budget. Der Videoclip zu „Rex Talionis“ besteht aus Liveaufnahmen einer Show in Finnland. Es war eine sehr spontane und sehr billige Angelegenheit. Der Clip ist dennoch ganz gut geworden, denn er zeigt, worum es dieser Band geht. Man sieht THE BLACK LEAGUE live, man sieht uns – nicht mehr und nicht weniger. Wir haben „Rex talionis“ ausgesucht, obwohl das vermutlich eine große Überraschung sein wird. Aber für das Label ist die Wahl ok, es geht nicht um Vermarktung – wenn es darum ginge hätten wir wohl „To Suffer And To Smile“ ausgewählt. Es gab das Angebot, und wir haben uns für diesen Song entschieden, denn er passt am besten zu den Liveaufnahmen. Spinefarm will eine Video-Complialation veröffentlichen, darauf wird „Rex Talionis“ und „Winter Winds Sing“ vom IchorAlbum enthalten sein. Es wird wohl als DVD erscheinen.

Interessierst Du dich für neue Medien wie DVD?

Ja, allerdings benutze ich das Internet recht wenig. Man kann natürlich viele Informationen dort finden, gute, solide Informationen zu fast allem, aber eben auch viel Müll. Ich mache mir nicht Mühe, zu unterscheiden…. DVD hingegen fasziniert mich. Ich bin ein Film Freak, ich liebe Filme und durch die DVD Technologie erreichen Filme ganz andere Dimensionen. Seit ich meinen DVD Player habe, gebe ich nur noch Geld für DVDs aus…

Welche drei Alben hast du dir in letzter Zeit angehört?

„In Your Blood” von Mad Juana, der neuen Band des HANOI Rocks Gitarristen. Ich mochte HANOI ROCKS nie, er macht jetzt etwas komplett anders. Das Album klingt ein bisschen nach P.J. Harvey. Ein sehr coolen Teil! Dann noch „Pride And Glory” – Zakk Wylde und “Wish You Were here” – Pink Floyd.

Ist dir bei einer Liveshow mal was lustiges passiert?

Nun, bei unserem letzten Gig habe ich nach der Hälfte der Setlist bemerkt, dass der Reißverschluss an meiner Hose die ganze Zeit offen war. Ich wollte ihn dann unauffällig zumachen, aber das Ding klemmte. Tja, so hat es dann wirklich jeder gesehen…

Wen würdest du gerne treffen?

Was habe ich denn das letzte mal gesagt?

Cliff Burton und Leonardo DaVinci

Cliff Burton? Ok, dann schreib jetzt Adolf Hitler.

Warum?

Och, ich will wissen, wie es ihm geht. Der lebt bestimmt noch…

Total
0
Shares
WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner