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MY DYING BRIDE: See you in Stockholm!

MY DYING BRIDE müssen nicht mehr vorgestellt werden, jeder qualitätsbewusste Fan von melancholischem Metal hat mindestens ein paar Alben der Briten im Schrank. Das jüngste Schmuckstück ist das im Februar erschienene Album "For Lies I Sire", das zweifelsfrei im Jahrespoll auftauchen wird. Als zweite Veröffentlichung in diesem Jahr gibt es die EP "Bring Me Victory", auf der MY DYING BRIDE unter anderem zwei spannende Covers bieten, die alleine schon für viel Gesprächsstoff sorgen. Da aber Sänger Aaron Stainthorpe einer der nettesten und auskunftsfreudigsten Menschen ist, die man sich vorstellen kann, gibt es viel zu berichten – über das Jahr 2009 generell, das neue Line-Up und unverhüllte, schwedische Models.

MY DYING BRIDE müssen nicht mehr vorgestellt werden, jeder qualitätsbewusste Fan von melancholischem Metal hat mindestens ein paar Alben der Briten im Schrank. Das jüngste Schmuckstück ist das im Februar erschienene Album For Lies I Sire, das zweifelsfrei im Jahrespoll auftauchen wird. Als zweite Veröffentlichung in diesem Jahr gibt es die EP Bring Me Victory, auf der MY DYING BRIDE unter anderem zwei spannende Covers bieten, die alleine schon für viel Gesprächsstoff sorgen. Da aber Sänger Aaron Stainthorpe einer der nettesten und auskunftsfreudigsten Menschen ist, die man sich vorstellen kann, gibt es viel zu berichten – über das Jahr 2009 generell, das neue Line-Up und unverhüllte, schwedische Models.

 

Hallo Aaron, wie geht es dir?

Mir geht es gut, ich hoffe dir auch.

Natürlich, hier im warmen Wohnzimmer, neben dem gemütlichen Ofen. Du sitzt wahrscheinlich auch in einem klassisch-britischen Herrenhaus neben einem schön warmen Kamin.

Das Wetter ist hier auch furchtbar, aber mich kümmert es nicht, da ich drinnen bin. Ich bin zwar leider nicht im Wohnzimmer mit einem Ofen, aber im MY DYING BRIDE-Raum, wo die ganzen Platten und das ganze Zeug sind, das ich über die Jahre hinweg gesammelt habe.

Es ist Winter, das Jahr 2009 neigt sich dem Ende zu. Daher lass uns mit einer kurzen Retrospektive beginnen. Wie war dieses Jahr für MY DYING BRIDE?

2009 war ein gutes Jahr. Aber es ist immer ein gutes Jahr für uns, wenn wir ein neues Album veröffentlichen. Wir waren sehr interessiert daran, was die Fans davon halten. Früher war das anders, da haben wir die Musik nur für uns gemacht. Als wir vor zwanzig Jahren die Band gründeten, wollten wir einfach unser Ding ohne Kompromisse durchziehen. Heute ist das anders. Die Kritiker und die Fans lieben For Lies I Sire, auch über das Internet haben wir viel gutes Feedback erhalten und das ist toll. Außerdem haben wir einige wirklich gute Shows dieses Jahr gespielt. Jetzt kommt die EP mit einem neuen Video raus, so dass die Leute merken, dass wir noch da sind und die ganze Sache frisch bleibt. Ja, also wenn man all das zusammenfasst, kann man nur sagen, dass es ein wirklich gutes Jahr war.

Das freut mich zu hören. Ich persönlich finde For Lies I Sire großartig und deutlich besser als A Line Of Deathless Kings. Was denkst du nun von For Lies I Sire, nachdem es fast ein Jahr draußen ist?

Danke! Für uns ist das neueste Album meistens das beste, denn es ist frischund es macht Spaß, die neuen Songs live zu spielen. Aber es fühlt sich an, wie das beste Album, das wir bisher gemacht haben. Bisher habe ich das immer von The Dreadful Hours gesagt, aber momentan finde ich For Lies I Sire stärker. Geben wir dem Album noch fünf Jahre Zeit, warten wir ab, wie es sich im restlichen Backkatalog einpendelt, dann kann ich sagen, ob es gut oder schlecht ist.

Einer der besten Songs auf For Lies I Sire ist Bring Me Victory, der sehr clever als Titelsong der neuen EP veröffentlicht wurde. Das ist einfach ein verdammter Hit und ein super Livesong. Aber trotzdem wundert es mich, dass ihr diesen Song ausgekoppelt habt, weil der Focus immer mehr auf den ersten beiden Songs des neuen Albums lag.

 MY
Ich will die Fantasie erwecken und die Leute von der Realität wegholen. Für Aaron kommen moderne Texte nicht infrage.

Um ehrlich zu sein, wir wollten etwas auskoppeln, das wir nicht schneiden mussten. Wir haben früher einige Songs für Videos geschnitten, weil sie zu lang waren. Aber es ist offensichtlich besser, ein Lied in seiner reinsten Form zu veröffentlichen. Daher ist Bring Me Victory als kürzestes Stück von For Lies I Sire bestens geeignet. Theoretisch hätten wir jedes Lied von For Lies I Sire auskoppeln können, weil wir stolz auf jeden Song dieses Albums sind. Viele haben gesagt, das sei der kommerziellste Song von For Lies I Sire und dass sie diese Wahl gar nicht wundert. Ich habe recht interessante Gesangslinien und Hamish macht Backgroundgesang, es kommen tolle Riffs vor, im Prinzip hat dieses Lied etwas von allem, was MY DYING BRIDE ausmacht. Aber eigentlich waren wir nur faul, wir haben die einfachste Variante gewählt.

Eigentlich hätte eure neue EP schon Ende Oktober veröffentlicht werden sollen, jetzt kommt sie Anfang Dezember. Sei ehrlich, ist Weihnachten der Grund für diesen Veröffentlichungstermin?

Witzig, dass du diesen Punkt erwähnst. Wir waren sehr überrascht, dass unsere Plattenfirma die Bring Me Victory-EP zuerst über ihre Website veröffentlichte. Wir wussten das nicht, wir kannten den Termin des 23. Oktober, an dem die EP auch weltweit in den Läden stehen sollte. Viele Fans haben uns dann angesprochen, warum Bring Me Victory nur über die Labelwebsite erhältlich sei. Wir haben dann nachgeforscht, und erhielten von PEACEVILLE die Bestätigung dazu. Wir waren erbost, das war nur eine Masche des Labels um mit einem exklusiven Release zu prahlen. Jetzt haben sie es eingesehen und werden die EP hoffentlich bald in die Läden stellen. Ich verstehe dieses Konzept einfach nicht. Wenn man etwas verkaufen will, dann sollte man doch dafür sorgen, dass so viele Menschen wie möglich es auch kaufen können. Viele Menschen haben keine Kreditkarte oder ein Paypal-Konto, und die würden dann dumm aus der Wäsche schauen.

Ich glaube am Mittwoch wurde die EP veröffentlicht. Aber nicht für den Preis einer Single, denn ein bekanntes Internetversandhaus bietet Bring Me Victory für ungefähr achtzehn Euro an.

Wirklich? Das erscheint mir sehr teuer. Die Band hat leider kein Mitspracherecht bei den Preisen von CDs, das liegt in der Hand des Einzelhandels.

Bei PEACEVILLE hat sich ja einiges verändert. Scheinbar nicht nur zum Guten.

PEACEVILLE gehört zu SNAPPER, was wiederum zu einer großen Firma aus London gehört. Wir haben immer noch guten Kontakt zu den Machern des Labels, aber inzwischen gibt es ziemlich verrückte Ideen um immer noch Musik verkaufen und Geld machen zu können, die wir nicht immer nachvollziehen können. Vielleicht hatten sie diese seltsame Idee der Veröffentlichung von Bring Me Victory auch nur, um für die neuen Bands von PEACEVILLE werben zu können, damit über den Webstore mehr von deren Alben verkauft wird. Aber ich kann das nur vermuten, ich weiß es nicht wirklich.

Aber die Arbeit ist nicht mehr so familiär wie in den früheren Jahren.

Nein, absolut nicht. Wenn wir ein Problem hatten, konnten wir einfach Hammy besuchen und alles klären. Das hat sich geändert. Die Entscheidungen werden jetzt in London gefällt. Das PEACEVILLE hört aber nach wie vor auf uns und unsere Ideen. Wir sind immer noch gute Freunde.

Ich habe mich sehr auf die beiden neuen Songs der EP gefreut. Diese habt ihr im August aufgenommen. War das eine Art Test, ob euer neuer Keyboarder und Violinist Shawn auch im Studio die Leistung bringt, die ihr verlangt?

Das war kein Test, aber dennoch war es gut zu sehen, wie er mit uns im Studio arbeiten kann. Wir haben auf For Lies I Sire wieder die Violine verwendet, da wäre es schade gewesen, wenn wir bei den zwei neu aufgenommenen Songs darauf verzichtet hätten. Für zwei traurige Lieder wie Scarborough Fair und Failure ist ein Instrument wie die Violine geradezu prädestiniert. Ich finde, es klingt wirklich gut und fügt dem ganzen eine neue Dimension hinzu. Shawn ist ein junger Musiker, der bisher nur Erfahrungen mit seiner Band NARCOTIC DEATH sammeln konnte, seine Sache aber wirklich gut macht. Er ist auch festes Bandmitglied bei MY DYING BRIDE. Er spielt live mit uns, und ich hoffe, er wird auch auf dem nächsten Album zu hören sein. 
 

 MY
Das sind unsere Songs – wir wollen sie alle spielen! Verkehrte Welt! Aaron (links) verteidigt Setlists mit alten Songs, die einige Fans gar nicht kennen.

Ich habe ihn live mit euch dieses Jahr in Nürnberg gesehen, da wurde mir erst klar, wie blutjung er eigentlich ist. Wie alt ist er denn? Zwanzig?

Fast richtig. Er ist vor kurzem einundzwanzig geworden, sozusagen die Hälfte von mir. (lacht) Er passt gut zu Dan und Lena, unseren neueren Bandmitgliedern. Sie sind jünger und bringen eine ganz neue Energie zu uns, sie reden und lachen viel mehr, vor allem im Tourbus. Das tut uns wirklich gut.

Ich war schon etwas überrascht, dass ihr so schnell einen Ersatz für eure vorherige Keyboarderin und Violinistin Katie gefunden habt. Als würdet ihr in eurer Gegend solche Multiinstrumentalisten züchten.

Ich wünschte, das wäre so. Aber wir kennen Shawn durch unseren Schlagzeuger Dan. Als wir – noch bevor Katie in der Band war – anfingen nach einem Violinisten zu suchen, hielt Dan den Vorschlag Shawn zurück, da er der Meinung war, dass Shawn dem nicht gewachsen sei. Als Katie uns verlassen hat, brachte uns Dan mit Shawn in Kontakt, und es hat sich herausgestellt, dass er sich sehr gut bei uns schlägt.

So einfach war das also.

Ja, das ging wirklich sehr schnell. MY DYING BRIDE hat schon einige Bandmitglieder in den letzten Jahren verloren, auch trotz jeder dieser Beeinträchtigungen haben wir immer weiter gemacht und sind somit stärker geworden.

Ich habe mich sehr über das Statement amüsiert, das ihr auf eurer Homepage geschrieben habt. Dass Shawn ein wie üblich warmer Empfang bereitet werden soll. Dieser sieht so aus, dass die Fans betrübt sein sollen, dass Shawn nicht Martin Powell ist. Das ist ganz schön sarkastisch.

 (lacht) Ja, das stimmt. Martin ist immer noch ein guter Freund von uns, und wir wollten eigentlich, dass er auf For Lies I Sire auch einen Song einspielt, aber das hat nicht geklappt, weil er immer sehr viel zu tun hat. Als wir aufnehmen wollten, war er nicht mal im Land. Wir hoffen, wir können ihn in der Zukunft überreden, wieder mit uns zu spielen. Aber ich denke, wir haben die Violine wieder zurück und es ist nicht wirklich wichtig, wer sie spielt.

Kommen wir nun endlich zu den beiden neuen Songs der Bring Me Victory-EP. Fangen wir mit dem SWANS-Cover Failure an. Mich hat es gar nicht überrascht, dass ihr diese Band gecovert habt, denn ich weiß, dass ihr seit sehr vielen Jahren Fans der SWANS seid. Für mich war es eher eine Frage der Zeit, wann ihr die SWANS covert, und jetzt frage ich mich, warum ihr sie nicht schon eher gecovert habt.

Das ist eine gute Frage. Wenn wir Songs schreiben, dann genießt unser eigenes Material immer Priorität. Außerdem finden wir nicht, dass eine Coverversion auf ein MY DYING BRIDE-Album gehören sollte. So etwas kann man auf EPs viel besser verwirklichen. Wir haben aber in unseren Anfangstagen EPs veröffentlicht und jetzt lange Zeit nicht mehr. Vielleicht gibt es auf der nächsten EP, wann immer sie auch heraus kommen wird, weitere interessante Covers zu hören. Es macht auf jeden Fall Spaß einen Song zu bearbeiten, den man sehr gerne mag. Aber jetzt sollten wir erstmal sehen, welche Songs wir noch für solche Zwecke verwenden können.

Ich war wirklich überwältigt von eurer Version von PORTISHEADs Roads, das, wie ich finde, wie gemacht ist für MY DYING BRIDE und somit auch einer meiner Lieblingssongs von euch ist. Vor zehn Jahren habe ich schon gehofft, ihr würdet etwas derartiges wieder veröffentlichen. SWANS sind ja völlig anders als PORTISHEAD, aber passen auch gut zu eurem Stil.

Das stimmt auf jeden Fall. Lyrisch passt es genauso zu uns, wie musikalisch. Failure klingt sehr nach Elend und Unterdrückung, deshalb mögen wir das Lied ja auch so. Es passt wirklich gut zu diesem unglücklichen, einsamen Typen, der mit seinem Leben zu kämpfen hat. Wer weiß, vielleicht werden wir selbst in dieser Richtung weiter gehen und ein darauf basiertes Stück schreiben, das ist nicht unmöglich. Meistens mögen wir heftige, laute Gitarren, da ist es manchmal schwierig einen derartigen Song zu schreiben, denn die Gitarristen wollen dann wieder ihre Amps aufreißen. Wir stehen immer noch sehr auf Doom, aber warum sich nicht mal ein wenig davon entfernen?

 MY
Wir wollten ein Lied auskoppeln, das wir nicht schneiden mussten. Aaron will, dass die Essenz des Songs nicht verloren geht.

Das habt ihr doch schon gemacht. Ich denke nur an Heroin Chic von 34.788%…Complete.

Naja, so extrem wird es wohl nicht mehr werden. (lacht) Vielleicht geht es eher in Richtung unplugged. Aber das kann noch keiner sagen.

Ich finde, der Text von Failure ist eher urban und zeitgenössisch. Denkst du, dass du mit deinen Texten auch in dieser Richtung weiter machen könntest?

Ich bin mir nicht sicher, denn moderne Texte sind nicht mein Stil. Für mich ist die Musik eine Art Fluchtmöglichkeit vor der Wirklichkeit. Mit der Musik kann ich vergessen, worum es in meinem wirklichen Leben geht, ich kann durch die Musik abdriften. Wenn die Texte mich daran erinnern, worum es im wahren Leben geht, dann ist es nicht mehr länger eine Realitätsflucht, sondern das, was du in den Nachrichten siehst. Nur in Heroin Chic und vielleicht ein, zwei anderer Songs habe ich Bezug auf die heutige Zeit genommen, normalerweise haben meine Lyrics keine konkrete Zeit, in der sie spielen. Ich will die Fantasie erwecken und die Leute von der Realität wegholen. Damit sie für eine Stunde vergessen, was sie für ein Leben führen. Damit sie für eine Stunde auch etwas besonderes spüren.

Alles andere passt ja auch nicht so wirklich zu MY DYING BRIDE.

Absolut. Die Musik ist wie ein Vehikel, damit die Leute nicht mehr an ihre Scheißjobs denken müssen, nichts mehr mit dem immer währenden Konkurrenzkampf zu tun haben und etwas haben, das besser ist, als das, was sie umgibt.

Das zweite neue Lied ist Scarborough Fair, ein britisches Traditional aus dem sechzehnten Jahrhundert, das von vielen Künstlern schon zu einem Song verarbeitet wurde, unter anderem SIMON & GARFUNKEL. Lustigerweise hat die Gothic Metal-Band LEAVES EYES auch vor kurzem die SIMON & GARFUNKEL-Version gecovert.

Das ist auf jeden Fall ein Zufall, denn ich habe von dieser Band noch nie etwas gehört. Scarborough Fair ist ein ziemlich trauriges Stück, das ursprünglich aus unserer Gegend stammt. Wir haben diesem Stück einen Touch von MY DYING BRIDE verpasst, damit er noch melancholischer wird. Es gibt zu diesem Lied neun verschiedene Strophen, aber die meisten Bands, die sich an Scarborough Fair versuchen, wie SIMON & GARFUNKEL, singen nur die ersten drei Strophen und das ist sehr seltsam. Natürlich würden neun Strophen einen sehr langen Song ergeben. Als wir uns dazu entschlossen, das zu covern habe ich zwei neue Strophen geschrieben. Die dritte Strophe unseres Songs ist die erste Strophe des Originals. Am Schluss steht dann aber der neunte Vers des Originals, der das Lied wundervoll beendet und ohne der der Song keinen Sinn macht. Ich kann einfach nicht verstehen, warum manche Bands diese Strophe auslassen. Wir haben auf jeden Fall hier eine MY DYING BRIDE-Nummer daraus gemacht und uns bewusst von SIMON & GARFUNKEL ferngehalten. Wenn man ein Lied covert, das schon so oft nachgespielt wurde, dann muss man es ganz anders als die anderen angehen.

So wie es TORI AMOS mit Raining Blood von SLAYER machte.

Ganz genau so.

In Scarborough Fair wird ja der junge Mann beschrieben, der von seiner Freundin verlassen wird, und er singt darüber, was sie tun muss, damit er sie wieder zurück nimmt.

Ja, es geht um wirklich schwierige Aufgaben, die er ihr stellt. Sie muss zum Beispiel ein Hemd ohne Nähte finden, was ja ziemlich unmöglich ist. Diese verrückten Tests sind wichtig um zum Ende von Scarborough Fair zu gelangen, welches dann in der neunten Strophe erzählt wird. Nur mit diesem Vers gibt es die Antwort darauf, wie das Stück endet.

Ist das nicht ein etwas verbittertes Stück, jedoch mit einem Augenzwinkern versehen? Ich finde das ziemlich ironisch. Vielleicht habe ich das auch nur falsch verstanden.

Nein, das kommt ganz auf die Interpretation an. Es ist nicht ganz klar, wie der Text gemeint ist. Der eine meint dies, der andere das, dann wurde dem Lied wieder etwas hinzu gefügt und neu geschrieben. Im Laufe der Zeit hat sich die Bedeutung schon ein wenig geändert. Das ist wie in der Bibel, deren ursprüngliche Texte schon lange verloren sind und von irgendwelchen Leuten neu geschrieben wurden. Bei Scarborough Fair habe ich mich nicht um versteckte Botschaften gekümmert, sondern es einfach als das gesehen, was es ist. Ein gutes Cover.

Ehrlich gesagt finde ich aber das SWANS-Cover deutlich besser. Ich finde JARBOE auch ziemlich interessant. Wirst du dir auf dem ROADBURN FESTICAL 2010 ihren Auftritt ansehen?

Nein. Ich war immer eher Fan von Michael Gira. Ihre Songs habe ich immer eher übersprungen. Ihre Karriere habe ich aber auch nicht weiter verfolgt, seine jedoch schon. Er hat einfach mehr zu bieten.

 MY
MY DYING BRIDE, erstes Halbjahr 2009: Andrew Craighan, Katie Stone, Dan Mullins, Aaron Stainthorpe, Lena Abé, Hamish Glenncross

Ich finde das Video zu Bring Me Victory einfach großartig. Es ist ganz in der Tradition von wegweisenden Videos wie For You. Es ist ziemlich dunkel und bizarr, und die Leute, die um den Tisch herum sitzen haben verzerrte Gesichter, wie aus dem Film Pans Labyrinth.

Ich stimme dir da absolut zu. Ich flog für die Dreharbeiten nach Stockholm, um mit Charlie Granberg an dem Video zu arbeiten. Ich habe ihm die Texte zu dem Song geschickt, und er hat sie interpretiert. Seine Interpretation gleicht nicht meiner, aber ich mag es immer, wenn mir andere ihre Version des Songs mitteilen. Das interessiert mich einfach. Ich finde, es sieht großartig aus, ist eher ein Film, oder ein klassisches Gemälde. Die Ausstattung ist wirklich gelungen und die Schauspieler sind auch wirklich nicht schlecht. Das Endergebnis ist sehr verstörend, wie ein Albtraum in dem man einen Raum verzweifelt verlassen möchte, aber durch jede Tür wieder in denselben Raum zurück gelangt. Für das nächste Video werden wir bestimmt wieder mit den Machern zusammen arbeiten.

Ihr habt ja mit Charlie schon zu Deeper Down zusammen gearbeitet.

Ja, aber Bring Me Victory ist deutlich besser. Wir waren von Deeper Down nicht wirklich überzeugt, aber der neue Clip ist richtig gut geworden.

Die Verbindung von den Texten und dem Video war mir anfangs nicht wirklich bewusst, aber ich finde das Video und die Texte handeln vom Revolution und das Leben nicht zu leben, das andere für jemanden bestimmen.

Du liegst gar nicht falsch. Jeder erzählt dir, was du tun sollst, egal wie gut und zukunftsweisend deine Ideen auch sein mögen. Diesen Bullshit des Lebens muss man abschütteln, das Leben ist zu kostbar um solch schweres Gepäck mit sich herum zu schleppen. Man muss sich entscheiden, mit was man sich befasst, einige Dinge müssen abgestreift werden, auch wenn es brutal ist.

Waren deine Bandkollegen eifersüchtig, weil du in dem Video auftrittst, sie aber nicht?

Naja, das ist keine allzu große Sache. Das Video ist ja mehr wie ein Film, und ursprünglich wollten wir die Leute sein, die um den Tisch herum sitzen. Aber immer konnte irgendjemand nicht an dem Dreh teilnehmen, weil er keine Zeit hatte. Nach vielen Diskussionen, beschloss ich das durchzuziehen. Ich sagte: Wer nicht kann, lässt es bleiben. Und wer Zeit hat: See you in Stockholm! Weißt du, Andy und ich gründeten die Band vor zwanzig Jahren, und Andy war es immer Recht, wenn ich solche Sachen erledigte.

War es schwer sich auf dem Thron zu konzentrieren, während die beiden Girls dich angemacht haben?

(lacht) Nein, ich bin ein Profi, Darling. Es war schon ziemlich verzwickt, denn wir waren schon den ganzen Morgen am Set, ich trank eine Tasse Tee und entspannte mich, da haben die beiden Models ihre Dessous probiert. Das hat mich schon verwirrt, aber als ich auf dem Thron saß und Charlie Action sagte, war alles vorbei. Dann war ich sehr professionell und habe alles getan, was er sagte. Und nach dem Cut konnte ich einen Blick auf ihre Brüste erhaschen. (lacht)

Dieser Clip ist jedenfalls so gut, dass es eine Schande gewesen wäre, wenn er auf Youtube in schlechter Qualität versauert wäre. Schön, dass ihr das Video in guter Qualität auf die CD gepackt habt.

Ja, genau. Natürlich, wird das Video hauptsächlich auf Youtube gesehen, aber der Grundgedanke war, es eben zusätzlich zu verpacken, und die Möglichkeit ist hier ja optimal gegeben. Ein Video ist ein Promotionswerkzeug, man wählt meistens die einfache Option und packt es auf Youtube. Ehrlich gesagt, haben wir noch nie den einfachen Weg gewählt, schon seit dem Anfang unserer Karriere. Das klingt anmaßend, aber wir wollen Kontrolle über die Dinge haben, die wir tun und veröffentlichen. Das muss eine bestimmte Qualität erfüllen. Wenn die Fans ihr schwer verdientes Geld in unsere Veröffentlichungen packen, dann muss einfach Qualität gegeben sein.

Heutzutage haben nicht viele Künstler so eine bodenständige Einstellung.

Das kommt vielleicht durch das Internet. Es hat seine guten und seine schlechten Seiten, wie alles im Leben. Dass man jedes Album downloaden kann macht den Labels und den Künstlern schwer zu schaffen, aber junge Bands können sich eine Website in null Komma nichts erstellen. Jedem Zugang zur Musik zu verschaffen ist heutzutage so einfach. Als wir MY DYING BRIDE gegründet hatten, hat noch niemand etwas vom Internet gehört, mussten wir Demotapes aufnehmen und sie mit der Post verschicken. Das erscheint heute wirklich unglaublich. Aber das eigentlich schlimme am Internet ist, dass es so einfach ist, sich darzustellen, wirklich jeder eine Internetseite hat. Wie soll man da noch eine gute Band finden, wenn man sich durch so viele Seiten kämpfen muss?

Absolut, es gibt einfach keine Qualitätskontrolle mehr.

Genau so ist es. Und die guten neuen Bands gehen total unter.

 MY
Schließt die For Lies I Sire visuell und konzeptionell ab – die EP Bring Me Victory.

Kommen wir zur Bring Me Victory-EP zurück. Um die CD abzurunden, habt ihr Vast Choirs, einen alten Bandklassiker, in einer ziemlich guten Liveversion angefügt. Habt ihr ihn auf die CD gepackt, weil er recht selten den Weg in euer Set findet?

Ich finde nicht, dass wir dieses Lied so selten spielen. Es ist einfach ein guter Song. Wir versuchen in jedem Set mit mindestens einem Song jedes unserer Alben zu bedienen. Aber das wird natürlich mit jedem neuen Album das erscheint schwieriger. Und da die Konzerte nur eine begrenzte Dauer haben, müssen wir sorgfältig auswählen. Daher verschwinden manche Songs für ein paar Jahre aus dem Set, kommen aber irgendwann wieder. Diese Aufnahme ist erst ein Jahr alt, aber für die alten Fans ist es immer schön wieder so ein Lied zu hören. Und die neuen Fans wissen nicht, was zur Hölle das sein soll. (lacht) In den alten Liedern ist so eine Aggression, die auch immer wieder gut tut. Ich finde es seltsam, dass die Leute überrascht sind, wenn wir alte Nummern spielen – das sind doch unsere Songs, will wollen sie alle spielen!

Ich war ja auch überrascht, als ich euch im Juli in Nürnberg gesehen haben, das war eine nahezu perfekte Setlist, von der mich vor allem The Thrash Of Naked Limbs enorm überrascht hat. Ich habe euch ja schon einige Male auf Festivals gesehen, aber noch nie in einem Club. Nach dem Konzert in Nürnberg war aber klar, dass eine Clubshow, die einzig wahre Alternative für MY DYING BRIDE live ist.

Ja, das stimmt. Wenn es nach uns ginge, würden wir nur Clubkonzerte spielen. Aber da wir nicht mehr so viel touren können, nehmen wir auch die großen Festivals mit. Das macht natürlich großen Spaß dort zu spielen, wir sitzen da nicht nur Backstage rum, sondern sehen uns auch viele von den anderen Bands an. Aber eine Band wie wir basiert viel auf Atmosphäre. Und diese Atmosphäre verliert sich einfach durch die Festivalbühne, wo man keine Kontrolle über nicht zu unterschätzende Dinge wie das Licht und so weiter hat. Im Club ist es einfach viel intensiver.

Aber in der Zukunft werdet ihr keine großen Tourneen anstreben, richtig?

Ich weiß es nicht, wir reden da weiterhin darüber. Nächstes Jahr ist unser zwanzigstes Jubiläum, wir würden am liebsten sechs Monate lang auf Tour gehen und die Welt sehen, aber woher soll das Geld kommen um meine Hypothek zurück zu zahlen und wer kümmert sich um meine Haustiere, und so weiter? Solche Gedanken sind nicht wirklich Rock and Roll, aber sehen wir mal, wie wir das alles logistisch bewältigen können.

Übrigens, ich war sehr negativ von euren Merchandise-Preisen überrascht. Da haben T-Shirts 25 € gekostet, das ist witzlos.

Ist das teuer, oder nicht?

Das ist Wucher.

Das ist seltsam. Weil unsere Merchandise-Helfer vor jedem Konzert zwei oder drei Leute, die in dem Club arbeiten fragen, was dort normalerweise das Merchandise kostet und sie passen sich diesen Preisen an. Wir wollen niemanden abzocken. Wenn wir beispielsweise zu Hause spielen, sind die T-Shirts deutlich billiger, als wenn wir in Paris auftreten. In Metropolen ist nun mal alles teurer. Wenn man zu viel verlangt kauft natürlich niemand etwas, und wenn alles zu billig ist, hat man kein Merchandise für den nächsten Tag mehr übrig.

Okay, kommen wir zum letzten Punkt. Bring Me Victory schließt den Kreis von For Lies I Sire, vor allem optisch, da die Artworks im selben Stil gestaltet wurden. Da könnte man vermuten, dass ihr euren Stil in der Zukunft drastisch verändern werdet.

Nein, drastisch bestimmt nicht. Es gibt zwei Dinge, an die wir momentan denken. Es könnte sein, dass Nebenprojekte ins Spiel kommen werden, da die meisten Bandmitglieder Ideen haben und ausführen möchten, die nicht zu MY DYING BRIDE passen. Vielleicht nehmen wir uns alle etwas Zeit für unsere anderen Ideen und kommen dann zurück zum Doom. Oder, um den anderen Gedanken auszusprechen, wir versuchen unsere Ideen in MY DYING BRIDE einzubringen. Die Gefahr hierbei ist aber, dass wir die Musik der Band zu sehr verzerrten. Aber ich glaube die Tendenz geht eher zum ersteren Szenario.

Die Zukunft wird also aufregend bleiben.

Auf jeden Fall.

Ich dachte, dass ihr dank eurem neuen, festen Line-Up es gar nicht mehr aushalten könnt und das neue Album schon fast fertig geschrieben habt.

Oh, wir haben schon angefangen neue Lieder zu schreiben. Wir sind scharf darauf weiter zu machen, aber wir wissen noch nicht, wo es uns hintreiben wird. Wird es mehr Death Metal werden, oder doch sich doch wieder mehr am Doom orientieren? Ich habe keine Ahnung, wo es hingeht. Aber wir machen einfach weiter.

Super, dann noch eine letzte Frage. Was ist dein Top-Album 2009?

(lacht) Das ist eine fiese Frage. Ich kaufe nicht mehr viele Alben, ich habe einen guten Backkatalog zu Hause, auf den ich ausreichend zurückgreifen kann. Ich mag MUSE sehr gerne und ich erwarte mir ihr neues Album als Weihnachtsgeschenk (lacht). In Sachen Metal habe ich keine Ahnung, weil ich im Business bin. Und wenn ich entspannen will, dann höre ich andere Musik, weil ich nicht so Rock and Roll bin, wie man denken möchte.

Bilder: (c) Grace Elkin at 3iImages, Rhett at www.machine-room.com und Peaceville Records

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