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MOONSPELL: Die Demokratie der Kultur

An einem späten Freitagabend beantwortete Sänger Fernando Ribeiro einige Fragen zu "The Antidote", der Zusammenarbeit mit dem Autoren José Luís Peixoto und zu vielen anderen Dingen…

Zwei Jahre nach „Darkness & Hope“ haben MOONSPELL mit „The Antidote“ ein Album abgeliefert, das seinesgleichen sucht. Es ist fast so, als hätten es sich die Portugiesen zur Aufgabe gemacht, Ängste, die in uns allen ruhen, in Songs zu verewigen und sie uns mit der Veröffentlichung dieser Platte erneut vorzuhalten.

An einem späten Freitagabend beantwortete Sänger Fernando Ribeiro im Büro von MOONSPELLs Plattenfirma einige Fragen zu The Antidote, der Zusammenarbeit mit dem Autoren José Luís Peixoto und zu vielen anderen Dingen…

Mein persönlicher Eindruck ist, dass „The Antidote“ das dunkelste Album ist, dass Ihr je gemacht habt…

Fernando: Es ist wahrscheinlich das einschüchternste Album, das wir je gemacht haben. Es gab aber keinen wirklichen Grund dafür, dass es so geworden ist, sondern es geschah aus einer natürlichen Entwicklung heraus. Ich habe mich aber dieses Mal sehr intensiv mit Horrorfiktion auseinandergesetzt. Ich denke, das ist etwas, dass MOONSPELL in dieser Form auch noch nie so erforscht haben – Furcht. Und das wurde dann zum zentralen Thema des Albums und es ist das, was das Album in den Menschen verursacht. Dunkelheit war immer etwas, das wie ein roter Faden durch all unsere Alben verlief, durch all unsere Songs. Aber dieses Mal vergleiche ich es mit einem ‚Midlife’-Album, denn wir werden älter, sowohl die Band an sich wie auch wir als Personen, und wir haben jetzt eine gewisse Reife, um diese Dunkelheit zu verstehen, uns damit auseinander zu setzen und sie in einer stärkeren Form sowohl in der Musik als auch in den Texten umzusetzen.

Die dunkle Seite in einem Track wie “Lunar Still“ ist von einer sehr großen Intensität, wie Ihr sie vorher noch nie hattet – gab es denn dieses Mal eine andere Herangehensweise an die Songs bzw. das Songwriting?

Fernando: Die gab es und ich denke, “Lunar Still“ ist das beste Beispiel, das man aussuchen kann, um das herauszustellen, denn “Lunar Still“ ist eher wie ein Soundtrack als ein ‚normaler’ Song für MOONSPELL, da er auf gewisse Art eine eher ‚mystische Geburt’ hatte. Die Art, wie dieser Song zustande kam, ist auch ein etwas anderer gewesen. Ich hatte zuerst eine Kurzgeschichte für “Lunar Still“ geschrieben, ganz nach dem klassischen Schema Anfang, Mittelteil und Ende, die sehr in der Tradition von H.P. Lovecraft steht. Es geht um einen Mann, der aus dem Fenster in einen Nebel sieht, und der Nebel schaut ebenfalls auf ihn, so dass es in diesem Song primär um die Verbindung zu Furcht geht. Darum geht es auch in vielen anderen Stücken auf dem Album, in “Lunar Still“ jedoch ist es puristischer, da ich hier die direkte Rede verwendet habe, fast wie eine Stimme im Kopf des Mannes.

Glücklicherweise haben wir mit MOONSPELL jetzt bessere Möglichkeiten zu proben, wir haben unseren eigenen Platz, der sehr mystisch ist. Wir haben ihn selbst dekoriert und er ist mit unseren Vibes gefüllt, denn wir haben sehr viel Zeit dort verbracht, um zu arbeiten. Und ich erzählte gerade diese Geschichte ins Mikrophon, und Pedro kam mit diesen wirklich seltsamen Keyboard-Sounds dazu, und wir begannen eine Form von Dialog, wobei ich die Stimme des Mannes übernahm und die Synths von Pedro übernahmen den Part des Nebels. Und ich denke, dass “Lunar Still“ sehr extrem ist. Wenn ich über Horrorfiktion auf diesem Album nachdenke, dann gibt es zwei Stücke, die in der Verbindung von Musik und Texten herausstehen, und das sind “Lunar Still“ und “From Lowering Skies“. Wie Du sagtest, haben wir es bisher nie so weit getrieben, aber dieses Mal sind wir anders an das Album herangegangen. Wir haben längere Stücke geschrieben und wir sind oft zu schnell zum Höhepunkt der Songs gekommen, aber jetzt – und meiner Ansicht nach hat dies viel mit der eben genannten Reife zu tun – wissen wir, wie man auch längere Stücke gestalten kann, wie man Spannung aufbauen kann in einem langsameren Teil oder in einem langsameren Verlauf. Und dieses Mal haben wir uns allen Stücken auf diese Art und Weise genähert. Der erste Schritt zu einem MOONSPELL-Album ist der, dass wir alle zusammensitzen und darüber sprechen und ich denke, dass das sehr wichtig ist. Viele Bands ziehen es vor, erst einmal in den Proberaum zu gehen und zu spielen anfangen, aber bei MOONSPELL müssen wir immer darüber sprechen und unsere Gedanken, Konzepte teilen, und ich lege ihnen meine Ideen für Texte dar, obwohl sie zu dem Zeitpunkt noch nicht fertig geschrieben wurden. Und eines, was ich bei diesem Album unbedingt umsetzen wollte war, dass wir uns Zeit dafür nehmen. Zeitmanagement bedingt viele Spannungen. Das habe ich von anderen Kunstrichtungen gelernt, wie zum Beispiel der Literatur, besonders habe ich das durch das Theater und das Kino gelernt. Sich mehr Zeit zu nehmen, besonders für “Lunar Still“, war definitiv die beste Option, die wir wählen konnten. Es ist sicherlich eines der interessantesten Stücke von MOONSPELL überhaupt geworden, du fühlst, wie es wächst, der Moment, in dem der Mann aus dem Fenster schaut und den Nebel bemerkt, wie sich die Geschichte weiterentwickelt, wie der Sound wächst. Und der Moment, an dem der Gitarrenteil einsetzt, ist der Augenblick, in dem der Mann in den Nebel aufgesogen wird, und dort endet es. Es schüchtert ein, es bereitet Angst. Und mit diesem Stück hatten wir auch sehr seltsame Erfahrungen. Wir wollten zunächst ein Demo machen, “Lunar Still“ jedoch wurde nie richtig aufgenommen, weil jedes Mal die Maschinen versagten, selbst als wir uns darauf vorbereitet hatten. Im Studio begannen wir dann, mit dem Aufgenommenen zu arbeiten, da wir dort auch bessere Bedingungen hatten, doch während des Mixes passierte erneut das gleiche, die Maschinen versagten (lacht). Es ist ein Stück, auf dem in gewisser Weise ein Fluch lastet, und das ist ein gutes Gefühl. Es ist wahrscheinlich alles nur Zufall, aber vielleicht auch nicht. Der Song an sich, das heißt der Dialog zwischen Pedro und mir, ist also letztlich aus der Aufnahme entstanden, die wir im Proberaum gemacht hatten. Im Studio wurden nur noch die Gitarren aufgenommen. Selbst wenn wir es geschafft hätten, die Aufnahmen im Studio zu machen, hätten wir vielleicht nicht mehr die Atmosphäre, wie sie im Proberaum vorherrschte, wiederherstellen können, und deshalb behielten wir es so, wie es war. Letztlich wurden nur noch einige Dinge addiert.

Der Sound an sich ist etwas anders als auf den Alben zuvor, die Gitarren klingen roher, das Gesamtmaterial weniger produziert, obwohl Ihr erneut mit Hiili Hiilesmaa in den Finnvox Studios gearbeitet habt. Hat die Vorproduktion, die Ihr Zuhause mit Waldemar Sorychta gemacht habt und mit dem Ihr seit “Irreligious“ nicht mehr gearbeitet hattet, einen gravierenden Einfluss auf den Sound?

Fernando: Alles zählte. Bei diesem Album war es eine Konvergenz vieler positiver Dinge, die zum Endergebnis führte. Obwohl einige dieser Dinge zuerst negativ aussahen, verhalfen sie letztlich dem Album zu der ’großen Persönlichkeit’, die es meiner Auffassung nach hat. Zunächst zu der Tatsache, dass es ‚weniger produziert’ klingt. Wir gelangten sehr früh vom Stadium der Kompositionen hin zu den endgültigen Versionen der Songs, wir änderten nicht viel, denn wir wollten die ’rohe Natur’ der Stücke beibehalten. Wieder mit Waldemar zu arbeiten, war ein Schuss ins Blaue, sowohl für die Band als auch für ihn. Wir waren sehr beschäftigt mit dem Album und hatten es für uns praktisch abgeschlossen und wollten eigentlich bereits ins Studio gehen, aber wir hatten diese Erfahrung bereits früher mit Waldemar gemacht, dass er zu einem Zeitpunkt dazukommt und die Songs durch seinen kreativen Einfluss noch lebendiger, klarer macht und die Dinge auf einen Punkt bringen kann. Er hat diese Gabe, wir waren aber nicht sicher, ob diese Gabe MOONSPELL nach all den Jahren, in denen wir nicht mit ihm gearbeitet hatten, helfen würde. Als wir ihm dann das erste Stück vorspielten – ich glaube, es war “Everything Invaded“ – fingen wir einfach an zu reden und zu arbeiten, und plötzlich war eine Woche vergangen, er war für fast sieben Tage bei uns in Portugal. Die Chemie von früher war wieder da und wir sind Waldemar natürlich sehr dankbar, denn es war sicherlich alles etwas seltsam für ihn, aber er ist stolz auf das Album. Dennoch war die Produktion mit Hiili Pflicht, denn ich denke, dass er dem Album den Ausdruck verleihen konnte. Als wir für die Produktion von „Darkness & Hope“ in den Finnvox Studios ankamen, hatten wir fünf Wochen, für dieses Album jedoch standen uns lediglich drei Wochen zur Verfügung, so dass dies auch eine Rolle spielte. Anstatt das große Studio zu nutzen, gingen wir ins Basement, so dass wir uns als Band auch etwas reduziert fühlten. Wir hatten bereits mit einigen Problemen zu kämpfen gehabt und nun kam auch das noch dazu. Letztlich aber schufen diese leidvollen Erfahrungen, die Desillusionierung in einigen Momenten die beste Atmosphäre im Studio selbst. Wir waren dort unten sehr eingeengt, abgeschlossen von allem anderen, aber das ermöglichte eine gewisse Form der Empfindsamkeit, die uns dort umgab. Hiili ist zudem die richtige Person, um Gefühle auszulösen, da er selbst Musiker ist, der in verschiedenen Projekten spielt und es versteht, Gefühle umzusetzen. Er hat zudem eine große Gabe, mit unseren sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten umzugehen, mit den verschiedenen Spannungen. Denn durch das viele Proben und der Vorproduktion mit Waldemar wussten wir sehr genau, was wir wollten und wir waren sehr stur, was dieses Album betraf. Es ging sogar soweit, dass Hiili eines Song mixte – und wir hatten nur noch fünf Tag für den Mix – und wir ihm sagten, dass wir das, was er gerade machte, nicht gut fanden und einen anderen Sound haben wollten. Die Zeit wurde wirklich knapp und wir versuchten, zusätzliche Studiozeit zu kaufen, aber alles war ausgebucht. Aber wir wollten es dennoch ändern.

Letztlich kann man zu diesem Album nur sagen – man muss die Essenz finden, denn wenn man sie gefunden hat, entsteht alles andere ganz natürlich, MOONSPELL, was das Komponieren betrifft, Waldemar mit der Vorproduktion und Hiili mit der Produktion. Sobald jeder die Botschaft, die wirkliche Essenz, für sich gefunden hatte, entstand alles andere sehr natürlich und relativ schnell.

Niklas von AMORPHIS, mit denen Ihr befreundet seid, hat Euch als Basser ausgeholfen…

Fernando: Als wir uns von Sérgio trennten, setzten sich hauptsächlich Pedro, Ricardo und Waldemar mit den Bassparts auseinander. Wir kennen Niklas und die Jungs von AMORPHIS seit einer Ewigkeit, seit wir mit ihnen tourten, und Niklas war immer sehr interessiert daran, was MOONSPELL machten und woran wir arbeiteten. Er hat einen wirklich herausragenden Job gemacht, denn er nahm alles an einem einzigen Tag auf. Er hat es sehr professionell gemacht. Er hatte alle Liner Notes, wir hatten ihm zudem Demos geschickt, und er hat einen wirklich großartigen Job gemacht, denn wir wollten etwas Heftigeres haben, etwas, das nicht so kontrolliert war. Sérgios Stil war etwas schwingender, und wir wollten definitiv etwas anderes haben. Niklas ist jedoch bei AMORPHIS und es ist ein weiter Weg von Lissabon nach Helsinki (lacht). Direkt nach den Aufnahmen für das Album hatten wir aber eine Audition in Lissabon, zu der sehr viele Leute kamen. Wir haben denjenigen ausgesucht, der unserer Ansicht nach am besten die Anforderungen erfüllt, um bei MOONSPELL zu spielen. Sein Name ist Ares Preida. Er ist ein sehr guter Bassist und er hat einen wirklich coolen Metal-Background. Ich habe eine große Vorliebe für CELTIC FROST, MERCYFUL FATE, auch HELLHAMMER, solche Sachen. Jedenfalls lieferte er eine sehr mystische Performance in dem kleinen Studio ab. Wir benutzen Videokameras und gestalteten das Ganze etwas einschüchternd für ihn (lacht), aber für uns war diese Aktion natürlich sehr wichtig. Wir bleiben aber eine vierköpfige Band und werden ihn als Gastmusiker einsetzen, der mit uns bei Auftritten spielt. Er hat mit uns bereits auf einigen Festivals und Konzerten gespielt und die Leute mögen ihn sehr.

Ihr habt auf diesem Album etwas sehr Ungewöhnliches und Einzigartiges gemacht – Ihr habt mit einem Autor zusammengearbeitet, mit José Luís Peixoto, einem der großen europäischen Literaturtalente, die wir haben. Wie kam diese Zusammenarbeit zustande, wie habt Ihr ihn kennen gelernt?

Fernando: Natürlich haben wir uns in einem Buchladen kennen gelernt (lacht). Es war zu dem Zeitpunkt, als ich meine erste Gedichtsammlung veröffentlichte. Er kam zu der Präsentation und gab mir all seine Bücher. Natürlich war mir sein Name bereits ein Begriff. Er ist ein schüchterner Mensch – jetzt ist er das uns gegenüber natürlich nicht mehr – und ich lud ihn nach der Veranstaltung zum Essen ein. Er ging aber einfach. Ich las sofort all seine Bücher und ich war wirklich sofort sehr ergriffen von dem, was ich las. Mir war nicht bewusst, welch großartigen Schriftsteller wir in unserer Generation, das heißt in meinem Alter, in Portugal haben. Ich war wirklich überwältigt. Sein Stil erinnerte mich sehr an den meiner Lieblingsautoren, besonders Nikos Kazantsakis, mit all den dargestellten religiösen Spannungen, etc., er aber dennoch einen sehr eigenständigen Stil hat. Wir begannen dann, uns hin und wieder Mails zu schreiben, auch Texte zu schicken. Er sagte mir dann irgendwann, dass er während er seinen ersten Roman schrieb – ’Nenhum Olha’, ins Englische übersetzt ’Not Even a Gaze’, oder ’Nadie Nos Mira’ im Spanischen –sehr viel Musik hörte. Es gibt viele Autoren, die das tun, während andere dies jedoch völlig ablehnen. Jedenfalls sagte er mir, dass eine der CDs, die er in dieser Zeit ständig hörte, “Sin/Pecado“ war. Und ich konnte wirklich einige Parallelen und Bezüge zwischen dem Album und dem Buch finden, zum Beispiel die Auffassung des Südens von Portugal, bei den Charakteren, und er hat sehr viele komplexe Charaktere. Er fuhr dann in die Vereinigten Staaten, wo er zusammen mit anderen jungen europäischen Autoren seine Werke vorstellte. Er wollte eigentlich dann sein neuestes Werk, ’Uma Casa na Escuridão’, im Englischen ’A House in Darkness’, vorstellen, ein sehr gewaltsames Zeugnis des Krieges und Beziehungen. Es ist wirklich sehr gut, aber seltsam, da es sehr, sehr gewalttätig ist. Er lud MOONSPELL jedenfalls ein, auf dieser Präsentation zu spielen, was ein sehr faszinierendes Projekt für uns war. Wir lernten uns immer besser kennen und er besuchte uns im Studio, wir trafen uns öfter, und irgendwann kam er mit der Idee: ‚Warum machen wir eigentlich nicht ein Buch zusammen über die Stimmungen von „The Antidote“?’ Ich war wirklich überwältigt von dieser Idee, denn es ist kein Geheimnis, dass wir starke literarische Ambitionen und Intentionen in unserer Musik hegen. Während es in der Vergangenheit für uns okay war, Autoren zu zitieren, hatten wir nun einen bedeutenden Autoren, der etwas aus unserer Musik für sich herauszog und es in sein Buch einband. Zuerst waren es Kurzgeschichten, das heißt geteilt wie die einzelnen Songs, aber dann entwickelten sich sowohl die Platte wie auch das Buch gleichzeitig weiter. Als wir nach der Vorproduktion soweit waren, um ins Studio zu gehen, kam er nicht mit Kurzgeschichten zu uns, sondern mit einem Roman und einer Storyline, die alle miteinander verband. Es ist eine sehr wundervolle Geschichte und für mich ist es so etwas wie die Erfüllung eines Traums, nachdem ich all die Jahre auf Literatur hingewiesen, sie zitiert habe, etc. Es ist so etwas wie die Krönung dieses starken Aspekts unserer Musik, und gleichzeitig ist es auch der Beginn für etwas Neues, der Anfang von etwas, das wir immer machen wollten, eine Zusammenarbeit mit einem Künstler aus einem anderen artistischen Bereich, besonders der Literatur. Er ist die erste Person, die sieht, dass die MOONSPELL-Alben an einem zentralen Punkt auf einer Art Kreuzung sind und man sie in eine eigene Richtung ziehen kann, seine eigene Kunst daraus ziehen kann, mit den Alben als Ausgangspunkt. Und das hat er getan. Er hat einen sehr guten, sehr besonderen Roman geschrieben. Es ist eine Geschichte von Schönheit und Horror, ebenso wie die Geschichten in „The Antidote“. Es geht um ein junges Paar, aber es stellt sich als unmögliche Liebe heraus. Der schwierige Punkt aber kam, als wir unsere Plattenfirma beziehungsweise seinen Verlag einbeziehen mussten. Es war ein verrücktes Projekt, wir hatten alles fertig, wussten aber nicht, wie wir es den Leuten zugänglich machen sollten. Manchmal waren wir auch einfach zu enthusiastisch, denke ich. Aber sein Verlag und Century Media waren wirklich absolut fantastisch, sie akzeptierten es sofort. Es wird ein Buch geben, das ganz normal in Portugal in Geschäften verkauft werden wird, was für MOONSPELL wirklich fantastisch ist. Ich meine, mein Buch wird zwar auch in den Büchergeschäften verkauft, aber etwas von einer Metal-Band? Ich denke, das ist schon etwas, auf das wir sehr stolz sein können. Es wird eine Sonderausgabe der CD, zusammen mit dem Buch, in Portugal geben. Wir wollten aber, dass alle Leute, die einen Bezug zu uns haben, dieses Buch bekommen können, und deshalb dachten wir, dass es gut wäre, die heutigen technischen Möglichkeiten zu nutzen und es erhältlich zu machen. Wir engagierten also einen der besten Übersetzer der Welt, Richard Zenith. (Zenith hat u.a. mehrere Werke von Antonio Lobo Antunes und Fernando Pessoa übersetzt – Anm. d. Verf.) Er lebt in den Vereinigten Staaten, ist selbst Autor, und er fertigte eine großartige Übersetzung ins Englische an, die sehr kraftvoll ist. Unser Designer Adriano, der auch all unsere Alben gestaltet, arbeitete mit einem großen Team von Programmierern zusammen, um für die CD animierte Menüs zu schaffen, so dass jeder beteiligt ist, das heißt, dass das Ganze interaktiv aufgearbeitet wurde. Deshalb gehen unsere Danksagungen auf der Scheibe ins Unendliche (lacht). Wir haben zudem einen Soundtrack dafür gemacht. Es ist fast so, als würde man ein normales Buch lesen, das heißt man kann die Seiten umblättern. Jedes Kapitel hat aber seinen eigenen Song. Ich denke, es ist wirklich sehr interessant geworden. Zuerst dachte ich, dass es seltsam ist, auf dem Computer zu lesen, aber es ist ein sehr schönes Stück Kunst geworden, selbst für den Multimediabereich ist es sehr gut geworden. Unser Traum ist aber dennoch, dass die Übersetzung irgendwann auch überall als Buch erhältlich sein wird. Daran müssen wir noch arbeiten, aber José Luís hat bereits durch seine anderen Veröffentlichungen viele Kontakte geknüpft. Und dieses Projekt an sich war schon ambitioniert genug, so dass wir uns erst mal darauf konzentrieren und die Reaktionen abwarten werden. Langfristig werden wir aber versuchen, die englische Übersetzung als Buch zu veröffentlichen, denn es ist die Sprache, die fast jeder versteht. Vielleicht werden wir es über Mail Order oder bei unseren Shows verkaufen.

Du sagtest eben, dass Ihr parallel gearbeitet habt, Ihr am Album, er an dem Buch – wie hat er sich inspirieren lassen? Hat er die Texte gelesen, die Musik im Proberaum gehört – wie ist er vorgegangen?

Fernando: Ein wenig von allem. Generell kann man sagen, dass er inspiriert wurde von den Vibes, den Energien des Albums, die durch die Kombination der Texte mit der Musik entstehen. Für die Erzählung ’South’ zum Beispiel, in der es um den ’Southern Deathstyle’ geht, erfand ich ein Konzept, eine Art ’Rad des Todes’. Es geht darum, wie sich Menschen dem Tod stellen und dem Verhältnis von Selbstmord und Würde in Portugal. Ich fand die vier mystischen Arten des Sterbens, das ‚forever rope’, das sehr bedeutsam ist, weil sich Menschen meistens erhängen, wenn sie Selbstmord begehen wollen. Dann gibt es das ‚Mandrake’s root and pill’ – Mandrake ist in der Alchemie von großer Bedeutung, wenn es darum ging, Gift herzustellen, und diese Bedeutung wiederum war für das Album wichtig. Dann gibt es ’Morning blade’ und die ‚silver bullet’ – also die vier Arten zu sterben. Es gibt viele andere, ich beschränkte mich aber auf diese vier. ’In venenum veritas’ ist natürlich eine Anspielung auf ‘in vino veritas.’

Jedenfalls wurde diese Geschichte im besonderen von dem Text des Liedes inspiriert. Es ist eine wunderschöne Geschichte über ein Kind, das das Gewehr seines Vaters in der Hand hält, unterbrochen von Rückblicken. Es ist meine Lieblingsgeschichte, denn ich denke, sie ist perfekt. Ich glaube, man könnte sogar ein ganzes Buch daraus machen, weil es viele Aspekte gibt, die noch weiter ausgearbeitet werden könnten. Es geht um die vier Todeselemente. Es gibt aber noch die Anagramme zwischen den Kapiteln des Buches, die er schreiben wollte, da wir auch teilweise Übergänge zwischen den einzelnen Songs haben. Er wollte also alles irgendwie darstellen, was er auch tat, und es hat ein Eigenleben. Es wäre für José Luís zu offensichtlich gewesen, einfach die Texte als Grundlage zu nehmen und diese nur zu einem anderen literarischen Stück auszuarbeiten. Es war wichtig für ihn, alles in sich aufzunehmen, zum Zentrum zu gelangen, deshalb nahm er an allem teil, was MOONSPELL ausmacht: Gesprächen, Freundschaft, er war oft in unserem Studio in Lissabon und er reiste auch für eine Woche mit uns nach Finnland, nachdem alles aufgenommen war und die Stücke abgemischt wurden. So war er bei allen wichtigen Momenten dabei, allen Momenten, die für eine Band von zentraler Bedeutung sind. Er war dabei, als wäre er ein Mitglied von MOONSPELL. All dies inspirierte ihn und er legte es in seinen Roman hinein.

Er brach sogar die Arbeit an seinem dritten Roman ab, was ein sehr wichtiges Projekt für ihn ist, und sein Verlag war davon auch nicht gerade sehr begeistert. Aber für uns war dieses Projekt immens wichtig und es ist uns auch egal, wenn wir selbst Werbung dafür machen und es an Flyer hängen müssen. Die Menschen müssen Zugang zu diesem Buch haben, weil es ein wunderbares Buch ist und sowohl für uns als auch für ihn wirklich von großer Bedeutung ist.

Ich denke, dass diese Arbeit für ihn auch etwas völlig anderes war, denn als Autor arbeitet man normalerweise völlig allein. Natürlich legt man all seine Erfahrungen, teils auch sein Leben, in sein Werk hinein, aber an sich ist es eine Arbeit, bei der man völlig abgeschlossen und mit seinen Gedanken allein ist, während er dieses Mal in eine Gruppe von Menschen und ihr Werk hineingezogen wurde und auf dieser Basis etwas erschuf…

Fernando: Wir mussten ihn vollkommen involvieren, denn Schreiben ist an sich eine sehr einsame Angelegenheit. Für ihn war es eine Herausforderung, das mit anderen Menschen zu teilen. Er hat sich besonders immer auf mich verlassen. Jedes Mal, wenn er etwas beendet hat, fragte er mich nach Ratschlägen, auch im Bezug auf das endgültige Buch, obwohl er in solchen Dingen weitaus mehr Erfahrung hat als ich. Ich schreibe seit langer Zeit, habe aber nie einen Roman verfasst, und er hat bereits zwei veröffentlicht. Ich glaube, man benötigt sehr viel Disziplin, um einen Roman zu schreiben, die ich immer noch nicht habe. Ich habe ihm immer wieder ehrlich gesagt, dass ich das, was er schreibt, wirklich sehr gut finde. Und wir mussten ihn immer wieder einladen, damit er sich als Teil des Ganzen fühlte, und er wurde ein ganz besonderer Freund, weil wir ein ganz besonderes Werk teilen. Beide Dinge, das Buch und das Album, stehen für sich, man kann in den Geschäften sogar zwei verschiedene Produkte erwerben, aber ich persönlich sehe das eine nicht ohne das andere. Ich denke, dass es für ihn eine sehr positive Erfahrung war, denn Autoren tendieren dazu, einer sehr zurückgezogenen, einsamen Arbeit nachzugehen, die traurig und melancholisch sein kann. Sie muss es sein, damit Romane entstehen können. Bei diesem Werk aber war es ganz anders, weil er auf eine gewisse Weise immer Gesellschaft hatte, entweder persönlich oder per Mail, wir waren ständig in Kontakt.

Auf seiner Website gibt es ein Gedicht mit dem Titel ‚Poética’ und ich denke, es handelt sich hier um eine Auseinandersetzung mit den von Kritikern und selbsternannten Literaturpäpsten gesetzten Regeln, denen ein Gedicht zu folgen hat, was z.B. die Metrik betrifft. Das hat eine lange Tradition, begann mit Aristoteles, und in Spanien gab es im 18. Jahrhundert z.B. Luzán, etc. Peixoto setzt sich meiner Ansicht nach gegen diese Regeln zur Wehr und hat in diesem Gedicht eine ironische Anspielung darauf, denke ich, da er in einer Zeile darauf hinweist, dass er ‚nur den Inhalt des Gedichts an sich’ zu bieten hat…

Fernando: Ja, das ist José Luís. Er ist sehr rebellisch. Er verwendet zum Beispiel nie Großbuchstaben. Und ich denke, dass all diese Kleinigkeiten zusammen einen ganz eigenen Stil kreieren. Wenn du zum Beispiel William Faulkner liest – manchmal verwendete er keine Interpunktion, er hatte einen sehr ausgeprägten Stil. Ich glaube, das Peixoto ein großer Name in der Literatur werden wird, nicht nur wegen seines Talents, sondern auch, weil er einen Funken Rebellion in seinem Inneren trägt und er einer der revolutionärsten jungen Autoren überhaupt ist. Er hat nicht nur ein sehr ausgeprägtes Verhältnis zum Bereich der Literatur, in dem er seinen Universitätsabschluss gemacht hat, er verschlingt Bücher, sondern er trifft auch ständig neue Leute, weil er sehr viel in der Welt herumreist und Geschäfte mit Verlägen in anderen Ländern macht oder an Buchmessen teilnimmt. (Lacht) Im Grunde leben wir ähnliche Leben, er im Literaturbereich, ich in der Musik. Es ist sehr lustig, wenn wir uns unterhalten, weil ich ihm von Literatur vorschwärme und er mir von Musik. Er findet es toll, dass Musiker auf einer Bühne stehen und Hunderte von Leuten zuhören und zusehen, während ich sage, wie toll es ist, dass er alleine arbeiten kann, ohne dass ihn jemand stört (lacht). Es ist eine Art Wettbewerb zwischen uns, wer den besten Job von uns beiden hat. Aber mit seinen Gedichten und besonders mit seinen Büchern, die ich noch besser kenne, versucht er, seine eigenen Regeln zu setzen, seine eigene Interpunktion; er verwendet viele Wiederholungen, viele andere stilistische Mittel. Eines der Kapitel seines neuesten Werkes, ’A House In Darkness’ – das sich sehr stark mit dem Tod und einem Autoren auseinandersetzt, alles sehr plastisch dargestellt – besteht nur aus der Wiederholung des Satzes: ’I want to die’, ich weiß nicht, wie oft. Ich glaube an ihn und viele andere tun dies auch, denn er hat das, was auch andere große Schriftsteller haben. Er kümmert sich nicht um Regeln. Und er kann über die simpelsten Dinge schreiben. Liebe ist kein einfaches Thema, aber er schreibt so, als wäre es das. Die Art, wie er schreibt, weist eine große Dichte und Dynamik auf, so dass es nie langweilig wird.

Einer der Kritiker, der über Peixoto schrieb, wies bereits auf strukturelle Parallelen zwischen seinem Schreibstil und Musik hin, was sehr interessant ist im Zusammenhang mit dieser Platte…

Fernando: Ja, er hat ein wenig die Zukunft vorweggenommen. Peixoto ist ein Metal-Fan. Er hat in der Vergangenheit auch in einer Band gespielt. MOONSPELL war für ihn wirklich immer etwas Bedeutungsvolles, denn obwohl er mich damals noch nicht kannte, hatte er einen Bezug zu der Band. Ihm hat Musik immer sehr viel bedeutet. Als wir ihm beispielsweise sagten, dass wir keinen Basser mehr haben, haben wir ihm gesagt, er solle Bass lernen, was natürlich als Witz gemeint war. Aber wir hätten dann einen sehr guten Mann für die Texte gehabt (lacht). Das war natürlich ein Witz, aber er mag die Band sehr. Ich habe eine eigene Kolumne, ’The Eternal Spectator’ genannt, in einem portugiesischen Metal-Magazin, und er hat jetzt eine Kolumne in ’Rock Sound’, einem anderen Magazin, was sehr deutlich macht, in welche musikalische Richtung er tendiert. Es ist toll, wenn man beides zu schätzen weiß und beides mag, auch in dieser Kombination. Ich schreibe sehr viel über Bücher, über Literatur, und er hat vor drei Monaten mit dieser Kolumne angefangen, und alle Artikel handeln von Musik. Eine gute Kombination, denke ich.

Du hast einen sehr interessanten, sehr schönen Studiobericht geschrieben, der sich im Gegensatz zu dem, was andere Bands verfassen, nicht auf technische Details konzentriert, sondern Du hast beschrieben, wie die Zeit im Studio war, wie es Euch in der Zeit erging, teils hast Du sehr tiefgehende Eindrücke geschildert, die an ‚stream of thought oder ‚stream of consciousness’-Erzählungen in der Literatur erinnern. Es war sehr beeindruckend zu lesen, was in Euch vorging in dieser Zeit. War das die Absicht dahinter, die Leser an diesem Prozess und gar an Euren Gefühlen während dieser Zeit teilnehmen zu lassen?

Fernando: Das ist immer die Absicht, wenn man etwas schreibt, das Ganze auf Papier zu bringen. Manchmal denke ich aber, dass die Leute das gar nicht lesen werden, was ich verfasse. Es ist nur eine Form der Kommunikation, der ich nachgehe; es wird zwar gedruckt oder ich schicke etwas an unsere Webseite, aber manchmal glaube ich wirklich, dass es niemand liest. Vielleicht ist es deshalb auch manchmal so persönlich. Es ging mir darum, diesem Moment, dieser Zeit und diesen Erfahrungen einen Ausdruck zu verleihen. Ich mag diesen Tagebuchstil sehr gerne. Ich bin auch nicht der Fachmann, wenn es um technische Details geht, aber ich denke, ich bin ein guter Beobachter, wenn es um Personen und die Erfahrungen, die wir dort machten, geht. Besonders während der Aufnahmen für „The Antidote“ wurden wir für einander auf eine gewisse Weise transparent. Das ist auch einer der Gründe, warum Sérgio die Band verlassen hat, da wir anderen so gut harmonierten, er aber dort keinen Platz fand. In dieser Situation war für jemanden, der auch nur zu einem Teil nicht mit den anderen derart harmonierte, kein Platz mehr. Insgesamt besteht dieser Studiobericht ja aus drei Teilen. In den ersten beiden Teilen geht es um eben diese Gefühle, die Erfahrungen, was passierte, während der dritte Teil eher eine Geschichte ist, weil ich das wirklich erlebte und es als wunderschön empfand. Wir haben bisher sehr viele Alben gemacht, und wenn wir sie beendet haben, alle von ihnen – unabhängig von den Experimenten oder der musikalischen Richtung – gibt es diese Neugier bei uns und wir hören sie uns an, als wären wir wieder kleine Kinder, die ihr erstes Demo aufnehmen. Mike, der auf diesem Album sehr, sehr wichtig ist, weil er es vom ersten Tag an grundlegend bestimmte – und es ist das erste Mal, dass ich Drums höre und sie als ’atmosphärische Drums’ bezeichnen würde, oder tribal-artige, hypnotische Drums, oder gar Drums, die eine Geschichte erzählen und ich empfand es als wirklich tolle Herausforderung, Vocals auf dieser Basis aufzunehmen. Jedenfalls war Mike sehr enthusiastisch, was dieses Album betrifft. Und es war toll zu beobachten, während ich gerade meine Kopfhörer beiseite legte und völlig von diesem Album gefangen war, er eingeschlafen war, während er die Musik hörte und es war interessant zu fühlen, was noch immer um ihn herum war. Normalerweise können wir in Finnland nicht besonders gut schlafen, weil es immer sehr hell ist und die Besitzer des Apartments, in dem wir waren, investieren nicht gerade viel in Vorhänge. Es war etwas ganz Besonderes, und wenn man aus dieser Situation herauskommt, die im Studio herrscht und die sehr sensibel ist, – und wir sind dann immer sehr empfindsam – war es etwas anderes. Viele Bands nehmen sich eine Playstation mit, aber wir taten das nicht. Wir nahmen Rotwein und typisches portugiesisches Essen mit nach Finnland, und natürlich etwas zu rauchen, was wir aber in Finnland gekauft hatten. Und deshalb verbrachten wir unsere Abende nach dem Studio mit gutem, portugiesischen Essen, wir tranken Rotwein, unterhielten uns viel und lange, so, als wären wir gar nicht in Finnland oder gar in diesem Jahrhundert, in dem es so viele andere Medien zur Unterhaltung gibt. Wir sahen kein Fernsehen, wir erfuhren nichts über den Krieg im Irak, nichts. Es gab nur uns selbst, unser Album und manchmal eine Flucht wie zum Beispiel der Besuch eines KATATONIA-Konzertes oder etwas Ähnliches.

Ein Album aufzunehmen hat nichts mit ’Normalität’ zu tun, auch wenn es eine gewisse Form der Disziplin gibt, dass man früh aufwachen und für acht, neun oder zehn Stunden ins Studio gehen muss. Aber das ist etwas, was man fast unbewusst macht, weil die Fiktion des Albums zu dieser Zeit zu deiner eigenen Realität wird.

Auszug Studiobericht:

“It seems the time has come to open my eyes and to raise my head. Across the room. Mike is there, at his corner, exhausted from everything, with an expression I can not recount. In his body all stretched out, the expression of a man who finally rests. His breeding, strong yet paced, the breeding of a man who breeds released of something we ha to say, a long time ago. In his head, tight to his ears, the blessed headphones now silent after a night of abuse and circulation. And the silhouette of Mike is that of the spirits around him, showing me something all the bad words, karmas, aggressions, misunderstandings, paternalisms, defences, timid outlooks, badmouthing, backstabbing, intolerances, ignorance, vain glories, overlooking, crossroads, turning backs, past recalls, begging, demonstrations, failures, counting changes, resistances, foul plays, bestowed upon our tentative will not erase, for as long as live under this skin.”


Wird man sich in solch extremen Situation, die Ihr einmal im Jahr oder alle zwei Jahre erlebt, Menschen eher bewusst als normalerweise? Bewertet man Dinge anders, weil man in einer solch intensiven Situation fast auf eine Art Metaebene begibt und andere Blickwinkel hat?

Fernando: Über die Bedeutung der Dinge, ja. MOONSPELL ist jetzt zu einer sehr gefestigten Einheit geworden und ich denke, dass wir nach all der Zeit sowohl mit guten als auch negativen Aspekten unseres Wirkens umgehen können, denn wir haben alles erlebt, von extremer Verehrung bis hin zu völliger Verachtung. Und in diesem Paragraphen möchte ich genau das festhalten, denn die Leute, die es nicht verstehen oder sich nicht damit auseinandersetzen wollen, können über unser Album sagen, was sie wollen, nichts wird dieses Bild zerstören und das ist das, was wichtig ist. MOONSPELL ist eine sehr ‚menschliche’ Band. Wenn Du alle Metapher, die Poesie, die Arrangements weglässt, konzentriert sich unsere Musik auf das Menschliche an sich. Der menschliche Faktor ist sehr, sehr wichtig, denn alle Texte, wenn ich sie mit einem Wort zusammenfassen müsste, handeln von der Menschheit, davon, wie wir uns innerhalb des großen Bildes platzieren, selbst davon, wovon wir nichts wissen. Ich denke, es ist für jeden sehr frustrierend, wenn Wissenschaftler uns sagen, dass wir zum Beispiel nur zehn oder zwanzig Prozent unseres Gehirns wirklich benutzen. Musik, und Kunst im allgemeinen, ist nichts anderes als der Versuch, nach diesem Unbekannte zu greifen oder dorthin zu schauen. Darüber möchte ich gerne erzählen. MOONSPELL sind dunkel, aber auch sehr transparent, selbst in der Dynamik der Musik gibt es Parallelen zu dem menschlichen Verhalten – manchmal kraftvoll, manchmal spirituell, ärgerlich, manchmal melancholisch. Deshalb denke ich, dass das beste Bildnis für die Band immer der menschliche Faktor sein wird, wie sehr man auch sonst nach etwas anderem suchen würde. All dies kommt auch immer wieder in unseren Songs vor, von “Mephisto“, dem Faust-Mythos, der sehr wichtig ist, wenn es darum geht, die Menschheit zu definieren, bis hin zu “In and Above Men“, ein Ausdruck, der von Metaphysikern verwendet wird, um Gott zu beschreiben, und ich denke, es ist ein wundervoller Ausdruck. Ich habe es entdeckt, als ich mich mit Kant beschäftigte. Leider ist es nicht mein Ausdruck, aber nun habe ich ihn mir angeeignet. Und es ist fast schon eine philosophische Kategorie, weil es auf großartige Weise vieles erklärt und eine gute Definition für Dinge ist, die in dir sind, die du gleichzeitig aber auch über dir fühlst. In diesem Text ist der Zorn der menschlichen Revolte sehr deutlich. Das heißt, wenn man MOONSPELL auf etwas zusammenfassen und von allen Metaphern und anderen Dingen lösen würde, wäre es der menschliche Faktor, auf den alles hinausläuft.

Du hast eben Kant erwähnt – er war sehr bedeutend, nicht nur Dinge wie die drei Hauptfragen der Philosophie oder der kategorische Imperativ, sondern er gab auch immer wieder neue Fragen vor, überwarf seine Theorien…

Fernando: Natürlich. Neue Antworten werfen immer wieder neue Fragen auf und Kant war der Vorreiter, wenn es darum ging, die selbst gefundenen Schlussfolgerungen wieder zu verwerfen. Das war es, was ihn immer weiter antrieb, obwohl er bereits seine Denkweise gefunden hatte, das Verhältnis zwischen der Gefühlswelt und der rationalen Welt. Und obwohl er keine poetischer Mensch war, ging er sogar so weit zu versuchen, die Bedeutung der Kunst zu entdecken und wie sie chemische Reaktionen in uns hervorruft. Durch die Philosophie habe ich gelernt, was die Klischees und was die Hauptaspekte der Menschheit sind. Auch wenn zum Beispiel viele andere Bands denken, dass das sehr limitierend ist und lieber etwas Surrealistischeres versuchen, ist die Philosophie für mich eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration. Das habe ich aus allen philosophischen Werken gezogen, die ich im Laufe der Jahre gelesen habe. Philosophie geht sogar so weit, dass sie versucht, durch die Sprechweise von Menschen Verbindungen zum Verhalten herzustellen. Ich habe an der Uni sehr viel darüber gelernt und es hat mich nie wieder losgelassen. Selbst wenn ich es nicht beabsichtige, beeinflusst es mich immer wieder, wie auch im Text zu “In And Above Men“ oder “As We Eternally Sleep On It“. Ich wollte etwas sehr Ätherisches und Poetisches machen, aber ich konnte mich nicht für mehr als ein Album zurückhalten, um alle Reflektionen und alles, was ich in der Philosophie gelernt habe – und obwohl ich mich zurzeit weitaus eingehender mit klassischer und moderner Literatur beschäftige, aber viele philosophische Werke sind auch sehr literarisch. Das ist bei Kant zwar nicht der Fall, bis auf einen Text, in dem metaphorische Bilder eines Mannes und einer Insel verwendet. Aber in allen Songs und allen Texten, im besonderen “As We Eternally Sleep On It“, habe ich versucht, traditionelle Sätze zu verwenden. Zum Beispiel sagt man, wenn man ein Problem lösen möchte, aber mehr Zeit braucht: ‚Lass mich darüber schlafen’. Und das ist genau das, was jeder von uns immer macht. Und ich habe diesen Song darüber geschrieben mit diesem philosophischen Aspekt, der eine Verbindung zu Stücken wie “I Am The Eternal Spectator“ aufweist, zum Beispiel diese Apathie, die wir alle aufweisen. Es fasziniert mich zu sehen, wie wir sind, aber trotzdem zusammenarbeiten können, dass Gegensätze unser Leben in einer geraden Linie bestimmen. Es ist eine Fähigkeit in uns, die irgendwoher kommen muss und das versuche ich für mich herauszufinden.

Auszug Studiobericht:

The night brought dinner and drinks, an Ajattara show where good people hang themselves by that modern, pierced, beautiful cause of pain, to very good Bathory celebrative songs, the night brought hugs of recognition and some distance too and the reality that we stand alone all the times and that we are no one among all the other no ones. That said we better head home, and so we did.


Es ist eine sehr nihilistische Beschreibung dafür, dass man ein ‚Niemand’ in einer Menschenmenge ist, die ebenfalls aus einzelnen ‚Niemanden’ besteht. Geht es darum, dass letztlich ein Jeder allein ist, egal welche Beziehungen er zu anderen hat?

Fernando: Das auch, ja. Ich spiele aber gerne mit diesem nihilistischen Ausdrücken. Und das ist auch ein Vorblick auf das, was danach kam, denn zu diesem Zeitpunkt arbeitete ich an dem Text zu “From Lowering Skies“, und eine Zeile ist ‚I am no One, The centre of Universe’. Wir fühlen beides. Wir fühlen diese Nichtigkeit, aber diese Nichtigkeit kann das Zentrum aller Dinge, unseres eigenen Universums werden. Bei MOONSPELL gibt es beides. Natürlich sind wir alles Individuen, aber im Gegensatz zu anderen Bands wollen wir nicht, dass diese Individualität MOONSPELL beeinträchtigt, sei es auch noch so gering, denn es ist etwas, dass ’in and above’ uns ist. Natürlich stehen wir allein. Mike spielt zwar mit uns zusammen, ist aber letztlich auf sich allein gestellt; ich singe mit der Band, letztlich aber allein. Das stimmt. Aber wir versuchen mit MOONSPELL, uns dagegen aufzulehnen. Vor einigen Tagen haben Mike und ich ein Interview hier zusammen gemacht, und er sagte mir, er hätte zur Vorbereitung noch nicht so viele Texte in seinem ganzen Leben gelesen. Aber es war sehr wichtig, dass er es tat. Was ich damit sagen will ist, dass es eine Gemeinschaft bestehend aus ‚no ones’ geben kann, dass es eine Verbindung zwischen ihnen geben kann. Und bei MOONSPELL – denn es sind die Personen, die mir am nächsten stehen – versuchen wir das. Wir versuchen, diese Beziehungen eng zu gestalten. Wir haben viele Probleme zusammen überwinden müssen, vor allem, als wir “Sin/Pecado“ machten. Wir versuchten, uns dem Inneren der Band zu nähern, und alle Dinge, die passierten, insbesondere die Kritik, die wir erhielten und dass unsere Musik eine manchmal sehr sarkastische und herablassende Attitüde aufwies, brachte uns zum Inneren der Band und machte uns dadurch zu Freunden, zu Menschen, die teilen konnten. Wir sind ‚no ones’, wir versuchen aber, diese Realität irgendwie zu korrumpieren, denn letztlich ist alles, was wir machen, ein einsamer Gang. Man kann diesem einsamen Gang aber ein sichtbares Gesicht geben, so dass andere ihn verfolgen können. Ich denke, wenn dies nicht so wäre, hätte dieses Album nicht die Ausdruckskraft, die es meiner Ansicht nach hat. Deshalb ist das Verhältnis innerhalb der Band jetzt sehr gut. Wenn ich zum Beispiel irgendein Gedicht geschrieben habe, setzen wir uns alle hin und ich lese es ihnen vor, was ich vor zwei, drei Jahren noch nicht hätte machen können.

Auszug Studiobericht:

With the conviction that Ricardo and Pedro saw the spirits that night, a block away, with the conviction that Peixoto felt it without even bothering to open his eyes, with the conviction that all is related, I rest my quills over this paper and let some ink out, the spot grows, and grows, and grows…


…ist ein eindrucksvolles Beispiel für diese Zusammengehörigkeit in der Band, denke ich…

Fernando: Das bezieht sich eher auf ein wirkliches Erlebnis. Mike, José Luís und ich waren in einem Apartment, während die anderen einen Block entfernt waren. Als ich das schrieb und darüber nachdachte, wusste ich genau, dass sie gerade definitiv das Gleiche taten. Sie teilten sich gerade einen Joint und hörten sich bei Kerzenlicht das Album an. Ich habe Ricardo und Pedro nie danach gefragt, aber ich wusste, sie saßen dort, Kopfhörer auf, und hörten sich das Album immer wieder an. Denn wir brauchten lange, um zu diesem Album zu gelangen, auch im Vergleich zu den anderen Alben. Und wir waren sehr neugierig und es klang wirklich so, wie wir wollten, dass wir es uns selbst immer wieder beweisen mussten, also genau wie kleine Kinder es machen. Wir waren nicht weit voneinander entfernt, aber ich sah das Bild vor mir, wie sie dort saßen und das gleiche taten wie wir, denn als wir „Darkness & Hope“ aufnahmen, war ich mit ihnen zusammen im Apartment. Vor dem Einschlafen hörten sie sich das Album an, das wusste ich. Das mit den Federn ist natürlich nur poetisches Zeug (lacht).

Auszug Studiobericht:

Today is the day. We have finished the always painful transposing of our ideas, smaller and deeper darknesses, those fragile fragments of the existence we try to impose on ourselves. Everything that has ruminated in our souls now lives through the undecipherable codes of machines and wires and all is contained there. And it is coming out, making a different sense each time it penetrates back where it came from.


Du hast die Aufnahmen hier als schmerzhaften Prozess beschrieben…

Fernando: Es ist immer ein schmerzhafter Prozess, besonders bei diesem Album. Wir arbeiteten sehr viel und wir hatten viele Demos im Vorfeld gemacht. Das größte Problem und der größte Schock für uns war, dass wir für die Albumaufnahmen aus unserem Nest in Lissabon heraus mussten und an einen Ort mussten, der nicht so ’magisch’ ist, wie wir es erwarteten. Unser Proberaum hat diese Magie, aber nun mussten wir das Studio in einen solchen Ort verwandeln. Und manchmal ist es schwer, ein Album zu transponieren. Man muss sich auf viele Dinge konzentrieren. Deshalb ist „The Antidote“ auch kein perfektes Album, wenn es um die Aufnahmen an sich geht. Man hört einige kleine Makel, zum Beispiel Befeuchten der Lippen, bei den Drums hört man etwas. Wir haben es uns sogar hier im Büro noch einmal angehört, um zu sehen, ob es Fehler hat. Nein, es ist nur natürlich, denn wir wollten es ’spirituell’ machen. Wir drehten zum Beispiel im Studio die Mikrofone bis zum Anschlag auf, so dass alles da war. Wie Du sagtest ist „The Antidote“ ein Album, das ‚weniger produziert’ klingt. Das ist es und es klingt sehr natürlich. Das Album zu transponieren, nicht nur aus unserem Innersten heraus, sondern auch von der Atmosphäre bei uns Zuhause in das Studio hinein, war schmerzhaft, und sicherlich empfindet man eine Art von Leere. Es sind zwei Jahre Arbeit, die in diesem Album stecken, und auf einmal ist es fertig, besonders, weil wir nur drei Wochen im Studio hatten. Das ist schmerzvoll. Im Grunde ist man dann ein Opfer der Zeit, denn vor allem in der Musik macht man so viel und es wird dann alles stark zusammengedrängt. Das ist sehr schmerzvoll und ich glaube, dass wir uns deshalb auch einen so besonderen Proberaum geschaffen haben. Wir können immer dorthin gehen, haben dies auch oft getan, und haben unsere persönlichen Leben aufgegeben, weil wir von Mittenacht bis sechs Uhr morgens Musik gemacht haben, Aufnahmen, Demos, Vocals, denn wenn du einmal da bist, willst du auch nicht mehr aufhören. Deshalb haben wir uns das Album auch so oft angehört, um herauszufinden, ob wir uns selbst darin spürten und wiederfinden konnten. Jetzt sind wir etwas relaxter, aber in der Zeit, als wir in Finnland waren, und auch ein, zwei Monate danach kamen wir von dem Album einfach nicht weg, nie. Wir haben uns ständig angerufen und sonst was veranstaltet, um die Bestätigung, dass es wirklich da ist, zu erhalten, weil wir nicht glauben konnten, dass wir nach zwei Jahren Arbeit das Ganze in drei Wochen fertig gestellt hatten. Mike hat die Drums zum Bespiel in anderthalb Tagen aufgenommen, und vorher hat er die Drums zwei Jahre lang ausgearbeitet. Er war zwar sehr gut vorbereitet, es hinterließ aber ein seltsames Gefühl bei ihm. Es ist als Schlagzeuger großartig, wenn die ersten Takes alle passen, das ist der Traum eines jeden Drummers. Es ist gleichzeitig aber auch ein Fluch, denn man fühlt sich danach nicht so, als hätte man seinen Job wirklich gemacht. Ich denke, das ist das Schmerzvolle daran, ein Album aufzunehmen, der Schmerz, sich leer zu fühlen, der Hunger, den man danach hat, etwas Neues zu machen, das einen ausfüllt. Deshalb komponieren wir auch ständig und deshalb habe ich auch schon wieder einen ganzen Stapel Texte fertig (lacht). Man versucht, diese Leere zu füllen.

Und wie ist das Gefühl, letztlich das Album zu veröffentlichen? Schließlich ist ein sehr großer Teil von Dir selbst in diesem Album, und plötzlich wird es anderen erlaubt, darüber zu urteilen. Einige Bands vergleichen ein Album sogar auch mit einem Baby. Man ist bereit, diesen Teil seines Selbst mit anderen zu teilen, wenn man ein Album veröffentlicht, ob sie es zu würdigen wissen oder nicht…

Fernando: Das hängt natürlich von den einzelnen Bands selbst ab. Bei MOONSPELL ist es so, dass wir es absolut zu einer persönlichen Sache machen. Die Konsequenz davon, dass Informationen heutzutage so direkt zugänglich sind ist, dass Leute sehr schnell ein Urteil fällen und abgeben, denn auch wenn sie vielleicht nicht die wirklich notwendigen Informationen haben, ist es für sie genug und sie meinen, sie hätten das Wissen über etwas und könnten direkt ein Urteil abgeben. Ich habe die Kunst, also auch die Musik, immer zwischen Egoismus und Kommunikation angesiedelt. Die Entwicklung, die wir mit MOONSPELL genommen haben, erlaubte uns meiner Ansicht nach, diesen Aspekt der Kommunikation besser zu verstehen. Egoismus muss man nicht wirklich verstehen, denn das ist etwas, von dem man nicht weglaufen und auch nicht wirklich anderen Leuten erklären kann. Wir machen Musik, um uns selbst dazustellen, etwas zu machen, dass uns repräsentiert, da etwas in uns brennt und wir es loswerden müssen. Ich habe immer doch diese romantische Sicht, wenn es um Musik geht, auch in Bezug auf das Schreiben. Viele sagen dann: ‚Klar, aber Ihr wollt Anerkennung’. Sicher, das tun wir, aber der Grund, etwas zu machen, ist das Brennen im Innern, der Effekt ist die Reaktion der Menschen. Beides ist wichtig, denn alle Ereignisse hängen von diesen beiden Faktoren ab. Wenn es um Kommunikation geht, bereiten wir uns alle sehr gut vor. Wie ich eben gesagt habe: da wir bereits viel mit der Band durchgestanden haben, alle Reaktionen von totaler Ablehnung bis hin zu absurder Verehrung, die wir nicht nachvollziehen konnten, sind wir heutzutage sehr gut vorbereitet. Das Teilen ist ein wichtiger Aspekt, und ich bezeichne dieses Prozess als Kommunikation in beide Richtung, und es besteht die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen. MOONSPELL habe ich nie als ’unterhaltsame’ Band gesehen. Wir haben keinen Sinn für Humor und wir nehmen uns ziemlich ernst, alles ist sehr komplex. Viele Leute fragen mich auch: ‚Meinst Du, dass das, was Du da machst, nicht ein wenig zu intellektuell ist?’ Ich glaube nicht, dass es zu intellektuell ist, weil es Leute gibt, die es verstehen. Es gibt so viele Bands heutzutage, die alles präsentieren, außer Herausforderungen für die Leute, so dass ich glaube, dass es zumindest eine kleine Lücke gibt, die wir füllen können. Ich würde es hassen, wenn ich andere Leute als minderwertiger behandeln würde. Es gibt Aspekte, zu denen jeder einen Bezug herstellen kann, das ist die Demokratie der Kultur. Dieses Teilen ist immer ein wenig bizarr wegen der Reaktionen und alles, was damit zu tun hat, aber MOONSPELL haben in den Jahren gelernt, damit umzugehen, wie man kommuniziert und dass diese Kommunikation niemals zum Grund für die Musik wird und dass die Bilder bewahrt, wie eben, wenn Mike mit seinen Kopfhörern einschläft oder der hervorragende Port-Wein, den uns ein Fan gab und den ich bis zum Abschluss des Albums aufbewahrt habe – „The Antidote“ hat auch sehr viel mit Flaschen zu tun (lacht). Diese Bilder müssen in unseren Gedanken frisch bleiben, denn als wir die Single, “Everything Invaded“, veröffentlicht hatten, gab es gleich heftige Reaktionen in unserem Forum auf unserer Webseite. Dieses Forum ist manchmal wirklich wie eine Schlangengrube. Es gab sehr viel Polemik daraufhin, zum Beispiel: ’Das sind nicht mehr MOONSPELL’, oder andere, ähnliche Dinge. Das ist nur ein Beispiel dafür, warum ich es als persönliche Sache bezeichne. Adriano, unser Webmaster, verfiel gleich in Panik: ’Bitte schreib was dazu, irgendwas, damit das aufhört’. Und ich schrieb genau das, was ich empfand: Ich hatte nichts dazu zu sagen, wirklich nichts. Ich schrieb, dass ich bereits mit anderen, neuen Dingen beschäftigt sei. Egal, was andere dazu sagen, es wird mich nicht davon abhalten, weiter an meinem Buch zu arbeiten, oder an dem Multimedia-Zusatz, mit dem ich zu diesem Zeitpunkt beschäftigt war. Oder nicht meine ganze Energie dem Video zu widmen, das zu der Zeit gemacht wurde. Ehrlich gesagt, Kommunikation ist wichtig, Anerkennung ebenfalls, aber es muss spontan geschehen. Wir können nichts dagegen machen, wenn die Leute immer noch in der Vergangenheit von MOONSPELL leben. Das einzige, was wir machen können ist, sie darauf aufmerksam zu machen, was sie unserer Ansicht nach verpassen. Aber, wie gesagt: Es ist nur eine Meinung eines ‚no one’ inmitten von anderen ‚no ones’ (lacht).

Auszug Studiobericht:

…the Sunday of the set-up. Lost bus, closed Metro, and a walk on the darkside from Kaampii to Kallio. Halfway through it we stopped by the bridge where the FINNTROLL guitar player chose to end his life and could still feel the breath of death and the beautiful way his friends and fans looked at it, through their flowers, their notes, their candles and his blood still visible on the ice below. May he rest. We moved on.


…es ist sowohl eine respektvolle Hommage an ihn, verdeutlich aber auch den Gegensatz zwischen Tod und Leben, insbesondere durch die Gleichstellung der letzten beiden Sätze…

Fernando: Ja. Wir haben ihn nie getroffen. Ich habe andere Mitglieder von FINNTROLL getroffen, ihn selbst habe ich aber nie persönlich kennen gelernt. Ich war sehr bewegt von der Art und Weise, wie die Leute in Finnland mit seinem Tod umgingen, denn es ist ein Land, das auf sehr besondere Art mit dem Tod umgeht. Ich weiß bis heute nicht, ob sein Tod durch einen Unfall verursacht wurde oder ob es ein Selbstmord war, aber dieser Ort war voll von ‚Spirits’; überall lagen Blumen, Kerzen, Fotos, Flyer von Bands, etc. Man konnte immer noch den Blutfleck sehen, den sie nicht wegwischen konnten, obwohl sie es wirklich mit allem versucht hatten. Ich sehe den Tod wirklich als größten Einfluss auf das Leben. Der Tod hat viele Ausdrucksebenen, auch in Portugal, wo man auf ähnliche Weise mit dem Tod umgeht. In Finnland fahren die Leute wirklich mit ihrem Leben weiter, das Leben geht weiter. Wir hielten für einen Moment der Stille an, betrachteten das, was dort war, aber wir leben unsere eigenen Leben und das ist der Grund, warum wir wirklich weitergingen, im doppelten Sinne. Wir wussten nicht einmal, dass es diese Stelle war, an der er gestorben war. Es ist an einer sehr bekannten Brücke in einem zentralen Teil von Helsinki. Ich wollte es erzählen, dass wir dort waren. Er hatte viele Freunde in Finnland und die Art und Weise, wie sie sich seiner Person erinnerten, war sehr rührend und bewegend.

In den ’A Diaries’, die auf Eurer Webseite veröffentlicht wurden, gibt es Anspielungen auf H.P. Lovecraft, z.B. die bekannte Zeile ‚Dead but dreaming’, und auch die Texte weisen Bezüge zu diesem Autoren auf…

Fernando: Ja, das stimmt. Vor kurzem bin ich sogar zu einer Präsentation eingeladen worden, auf der die portugiesische Übersetzung eines Gedichtsbandes von Lovecraft vorgestellt wurde, und man lud mich sogar für das Präsentationsforum ein, worauf ich sehr stolz war. Ich lernte dort einen sehr interessante Autoren kennen, der etwas älter ist, und danach beschäftigte ich mich eingehender mit ihm und entdeckte, dass er sehr an der surrealistischen Literaturbewegung interessiert war. Er machte mir ein sehr schönes Kompliment, als wir über die Bedeutung von Lovecraft sprachen, wie ich seine Werke fand, wie ich ihn als Autoren entdeckte, etc. Sie schmissen uns dann aus diesem Buchgeschäft hinaus, weil die anwesenden Personen sehr an dem interessiert waren, was gesagt wurde – es waren alles große Anhänger von Horrorliteratur, und gerade in Portugal ist das Interesse an Science Fiction-, Cyper-Literatur sehr groß. Er sagte mir dann, dass ich ein sehr guter Lovecraft-Leser sei mit dem richtigen Zugang zu ihm, worauf ich natürlich sehr stolz war. Ich mag natürlich auch andere Autoren, wie Richard Matheson, den Autoren von ‚I Am Legend’, Edgar Allan Poe, aber H.P. Lovecraft – besonders, wenn du dich mit seinem Leben auseinandergesetzt hast, seine Krankheiten, die Tatsache, dass er im Grunde Providence, Rhode Island nie verlassen hat, einen sehr kleinen Ort; er sah dort all die Dinge, die er beschrieb, zum Beispiel das Haus in ’The Case of Charles Dexter Ward’ – vielleicht sah er es von seinem eigenen Fenster aus. Er hat in dieser kleinen, abgeschlossenen Welt ein solch großes Meisterwerk erschaffen. Deshalb bin ich ein wirklich großer Anhänger von Lovecraft. Die ’A Diaries’ wollte ich als Stücke verfassen, damit die Leute in „The Antidote“ hineinkommen und die sie dort wiederfinden konnten. Viele Dinge, die dort gezeigt wurden, finden sich in den Texten auf „The Antidote“ wieder. Da ist zum Beispiel diese lange Geschichte über den “Southern Deathstyle“, über diese Brüder. Es war eine sehr surrealistische Art zu schreiben. Leider hatte Adriano keine Zeit, alle Teile der ’A Diaries’ zu veröffentlichen, denn ich habe einen Teil für jeden Song. Aber das werden wir vielleicht später nachholen. Die ’A Diaries’ – in denen das ’A ’ natürlich für ’Antidote ’ steht – wurden von vielen Leuten verfolgt, und auch wenn wir diesen Roman in Verbindung mit dem Album haben, wurde es von vielen mit Interesse verfolgt, weil es etwas anderes ist, eine Art surrealistisches Tagebuch. Wie schon gesagt – ich sehe „The Antidote“ im zentralen Punkt einer Kreuzung, welches ich oft in den Texten verwende, besonders in “In And Above Men“. Es gibt viele Wege und viele Energien, die dort herausgezogen werden können, und ich sehe es fast wie Umberto Ecos ’Das Foucaultsche Pendel’, mit den Energien – zum Beispiel Stonehenge, selbst dieses portugiesische Kloster mit den Templern – ich sehe „The Antidote“ als etwas, das heraussteht und man sich dann von da aus für seinen eigenen Weg entscheiden kann. Der Roman schlug einen Weg ein, mit den ’A Diaries’ schlug ich einen anderen ein, und ich ermutige jeden, der etwas über „The Antidote“ schreiben möchte, das zu tun. Ich glaube, es ist sein vielsagendes Album, besonders wenn man sich die Texte durchliest, und auch ich konnte noch eine andere Richtung einschlagen, wie ich es mit den ’A Diaries’ tat. Es war sehr zufrieden stellend für mich, da ich über Wochen ein Ventil hatte, um Informationen über „The Antidote“ preiszugeben, ohne jedoch die wahre Absicht oder Intention zu enthüllen.

Der Text von “The Southern Deathstyle“ bezieht sich, denke ich, zurück auf das Titelstück von „Darkness & Hope“, auf das, was in Portugal, besonders aber in Saboia geschieht, dieses Dorf mit der höchsten Selbstmordrate überhaupt…

Fernando: Ja, so kann man das sagen. Diese Vibes sind dort sehr konzentriert und sie sind überall. Man kann es sogar spüren, wenn man dort nur eine Schachtel Zigaretten oder ein Bier kauft. Und dann gibt es dort etwas, was ich als ‚the flowers from the mud’ bezeichnet habe. Ich war im Südosten Portugals, wo auch Saboia liegt – ich war nicht direkt in Saboia selbst, sondern am Meer – und eine der Kellnerinnen eines Restaurants, wo ich oft hingehe, ist aus Saboia. Und die Leute dort sind sehr stolz, dass ich sie erwähnte habe, denn ich tat es auf eine sehr respektvolle Weise. (Das Stück Darkness & Hope enthielt eine Widmung für die Menschen in diesem Dorf: “Dedicated to the small great people of Saboia, Alentejo, Portugal.

Hang, rope, silver bullet, magic pill, mandrake´s root. The southern deathstyle – Anm. d. Verf.)
. Aber Du solltest wirklich ihre Energie sehen. Wie alle Menschen in Saboia hat auch sie eine sehr seltsame Lebensgeschichte. Saboia wurde überflutet, so dass sie viele Familienangehörige verloren hatte, insbesondere ihre kleine Schwester. Sie hatte auch kein gutes Verhältnis zu ihren Eltern gehabt. Aber die Energie und Ausstrahlung, die sie hat, war sehr faszinierend. Und ich mag dieses Bild der Blumen, die aus dem Schlamm entstehen, wirklich sehr. Und sie ist wirklich eine dieser Blumen. Man musste sie nur ansehen und wusste sofort, dass sie aus Saboia stammte, welche Freude sie bei den simplen Dingen, die das Leben zu bieten hat, empfindet, trotz des Schmerzes. Irgendwann werde ich einen Song über sie schreiben (lacht).

Du hattest erwähnt, dass Experten – also auch Soziologen und andere – versucht haben, den Grund für diese Form der Depression, der Suizidgedanken zu ergründen, aber mit keiner wirklich eindeutigen Erklärung aufwarten konnten…

Fernando: Es gibt viele Leute, die es versucht haben und auch gute Einblicke gewinnen konnten. Einer ist eben José Luís Peixoto. Es ist eine simple Erklärung, aber wenn man den Süden kennt – und er stammt daher, zwar nicht aus Saboia oder der Umgebung, sondern aus einem noch ländlicheren Gebiet – er sagte, dass dort alles mit Würde zu tun hat. Natürlich gibt es sehr viele Gründe für die hohe Anzahl von Todesfällen und Selbstmorden, aber wenn man sich dem generellen Gefühl annähern möchte, dann stimme ich bis zu einem gewissen Punkt mit ihm überein. Es geht um Würde. Ein verzweifelter Mann, der nicht mehr weiß, wie er seine Familie ernähren soll, weil es eine sehr arme Region ist, oder jemand, der ein anderes Problem hat – hier spielt die Würde des einzelnen mit hinein, die auf eine lange Tradition zurückgeht. Es wird dort akzeptiert. Man geht dorthin und man findet niemanden, der in seiner Familie keinen Selbstmord eines männlichen Angehörigen gehabt hätte, und die Betroffenen waren zum Teil sogar jünger als 30 oder 40 Jahre alt. Aber das ist der Süden Portugals. Selbst viele Kinder sterben dort in Autounfällen, weil die Leute fahren, als würde es keinen nächsten Tag geben. Es ist etwas, dass man nicht wirklich erklären kann. Vielleicht wurde eine spezielle Pflanze dort gesät, oder es liegt ein Fluch auf der Region, über den man nichts weiß. In diesem kleinen Dorf ist der Geist des Südens konzentriert. Im Norden ist es etwas anders, aber wenn man zum Beispiel portugiesische Literatur liest, dann findet man dieses Thema überall und immer wieder, es scheint endlos. Und irgendwie versucht niemand, eine wirkliche Erklärung dafür zu finden. Wir müssen es aber versuchen und ich denke, dass Würde und eine lange Tradition eine Erklärung sein können, glaube aber, dass man nie zum wirklichen Grund für diese Dinge vorstoßen wird. Es könnten auch die Bäume dort sein, die dich einladen, sich dort zu erhängen (lacht). Sie sind sehr faszinierend. Aber es könnten viele Gründe sein und wie ich eben sagte, ist mein Weg, zu den Gründen dafür vorzudringen, darüber zu schreiben und zu reflektieren.

In den Texten geht es vor allem auch um höhere Kräfte im Gegensatz zum menschlichen Wesen, zum Beispiel in “In And Above Men“ und “From Lowering Skies“…

Fernando: Besonders “From Lowering Skies“ ist ein Stück, das ich unbedingt schreiben wollte, denn hier geht es um Besessenheit. Auch wenn dies nicht sehr offensichtlich ist, gibt es eine Ebene in diesem Stück, die jeder sehen und empfinden kann. Ich habe es auch mit der Geographie Portugals in Verbindung gebracht, besonders mit dem Süden des Landes. Ob Du es glaubst oder nicht, Besessenheit durch Geister ist immer noch eine sehr verbreitete Sache in Portugal und ich wollte einen übergeordneten Text zu diesem Thema schreiben, das heißt ich wollte mich nicht nur auf irgendwelche Geister oder Dämonen beziehen, sondern ein Gesamtbild darstellen, weil es für mich eine sehr faszinierende Sache ist, da es sehr oft mit Nervenzusammenbrüchen zu tun hat, während andere Menschen einfach sehr empfänglich für solche Schwingungen sind. Ich habe auch ein Gedicht zu diesem Thema geschrieben, welches ins Englische übersetzt ’Open Safe’ heißt. Unter den älteren Menschen in Portugal gibt es die Theorie, dass einige Menschen ihren ’Safe’ geöffnet haben und somit eine Tür sind, durch die Geister leicht eindringen können. Und diese Theorie habe ich in “From Lowering Skies“ aufgegriffen. Ich habe dieses Mal überhaupt sehr viele der traditionellen Redewendungen und Ansichten in die Texte übernommen. Auch in “Capricorn At Her Feet“, in dem es um ein gänzlich anderes Thema geht. Man muss es wahrscheinlich erklären, damit die Texte etwas klarer und deutlicher werden. Es gibt eine Redewendung, die besagt, dass man die Sterne nicht zählen soll. Als wir Kinder waren, sagten uns unsere Eltern immer, dass wenn wir die Sterne zählten, unsere Hände voller Blasen sein würden. Ich finde, das ist eine sehr faszinierende Geschichte, weil sie überhaupt keinen Sinn macht (lacht). Es gibt sicherlich einen Grund, warum sie nicht wollten, dass wir in dem Himmel schauten und vielleicht hat es etwas mit unserer heidnischen oder auch unserer katholischen Vergangenheit zu tun, ich weiß es nicht, ich müsste dem wirklich einmal nachgehen. Ich finde es sehr interessant, mich mit diesen höheren Dingen und Geistern zu beschäftigen. Der Himmel im Süden Portugals ist wirklich sehr tief und manchmal hat man das Gefühl, das er einen einschließt oder gar erdrückt. Ich finde, “From Lowering Skies“ ist ein sehr faszinierender Song, sehr hypnotisch, tribal-haft, und die Strophen haben diesen obsessiven Aspekt, während der Refrain dem Hörer wirklich das Gefühl vermittelt, dass der Himmel herunterfällt. Und diese Beziehung zu einem höheren Wesen steht natürlich auch in der Tradition Lovecrafts, nicht unbedingt mit den ’Old Ones’ oder ’Cthulhu’ und den anderen, sondern es geht mehr um die formlosen Wesen; ich ziehe die abstrakteren Wesen vor, anstatt ihnen Namen zu geben. Ich bin der Ansicht, dass wenn die Leute sich die Geschichte anschauen, dann können sie selbst ihnen Namen geben. Viele Leute werden sicherlich denken, dass es um Satan geht, weil es um ’Ihn’ geht, der von Himmel herabsteigt, aber es kann auch etwas Anderes sein, es kann sogar eine Person sein. Ich habe für mich irgendwann herausgefunden, dass ich an bestimmte Geister glaube und das ist auch ein zentrales Thema bei „The Antidote“. Ich habe nur versucht, diese Dinge so allgemein wie möglich darzustellen, von der Geburt durch das gesamte Leben hindurch. Ich denke, dass der Text gut gelungen ist, weil er wirklich eine Geschichte wiedergibt, und auch wenn er an sich nicht sehr offensichtlich ist, können die Leute erkennen, dass es hier um Besessenheit geht. Es hat eines der für mich besten Zeilen, die ich geschrieben habe: ‚Seeing is not believing’. Das ist eine wirklich persönliche Erfahrung, die ich gemacht habe, welches ich auch zum Thema eines Buches gemacht habe, an dem ich gerade arbeite und von dem Ort handelt, wo ich lebe, einem sehr seltsamen Vorort von Lissabon (lacht). Aber das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls ist Portugal ein sehr religiöses Land, und jeder noch so kleine Ort hat seinen Schutzheiligen. Es gab dort, wo ich lebe, außerhalb von Lissabon, einmal eine Prozession und dort war ein Kind, das von irgendetwas oder irgendjemandem besessen war. Das Kind war völlig hysterisch. Es machte sich nicht über die Prozession lustig, aber es sagte viele seltsame Dinge. Diese Prozessionen sind sehr spirituell, obwohl es eine katholische Angelegenheit ist. Die Menschen gehen dorthin, weil sie daran glauben. Jeder schaute dieses Kind an, aber niemand tat etwas. Und ich dachte: ‚Ja, zu sehen bedeutet nicht, daran zu glauben’. Das ist nun viele Jahre her, aber ich erinnerte mich daran, als ich diesen Text über Besessenheit schrieb, und habe alle Elemente, die ich kannte, benutzt, um es zu vervollständigen. Jeder Satz beinhaltet viele Geschichten, von denen ich erzählen kann und über die ich oft spreche. Und das ist auch das, was „The Antidote“ ausmacht – es steckt mehr dahinter, als man auf den ersten Blick sieht. Es sind wahrscheinlich die metaphorischsten Texte, die ich je geschrieben habe.

Wenn Du einen Geist, ein Wesen oder Ähnliches hat, das nicht benannt werden kann, das nicht greifbar ist, wird es dadurch eigentlich noch angsterregender als etwas, das sichtbar oder greifbar ist…

Fernando: Ja, genau, und das ist die Art von Horrorliteratur, die ich bevorzuge. Ich bin keine sehr direkte Person, und damit meine ich jetzt auch meine Persönlichkeit. Ich hasse es, wenn Kunst zu offensichtlich ist. Ich hasse es, wenn man nicht darüber nachdenken oder gar grübeln muss, um sie zu erfassen. Deshalb favorisiere ich immer Geschichten, die ein offenes Ende haben. Und meine Lieblingscharaktere sind die, die eine Zweideutigkeit besitzen. Das kommt sicherlich daher, dass ich zu viel Oscar Wilde gelesen habe. Seine Werke beinhalten auch viele Lebensregeln. Er hat sehr oft die Dinge nicht bei einem Namen benannt. Selbst die Charaktere sind zweideutig und lassen sich nicht klar kategorisieren, sie sind immer sehr spirituell. Wilde selbst war das auch und er war schwer einzuschätzen. “The Picture of Dorian Gray“ ist ein gutes Beispiel dafür, in dem es um psychologischen, formlosen Terror geht, und ich würde es als Spannung bezeichnen. Und das ist, denke ich, das Beste an Horrorfiktion, wenn es keine feste Form gibt und das ist genau das, was ich bei den Texten von „The Antidote“ versucht habe. “Lunar Still“ ist ein weiteres Beispiel dafür – man weiß nicht genau, was dort ist, warum es dort ist, warum es so mächtig ist. Man kann vieles dort hineinlegen.



Moonspell
-Website.

Photo credits: Paulo Moreira

Layout & Live-Pics: boxhamster

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