HELRUNAR: Heiden heizen mit Holz

HELRUNAR glänzen (noch) nicht mit Webpräsenz, sondern mit ihrem stimmungsvollen, dunklen Pagan Metal. Skald Draugir bringt Licht ins Dunkel und erklärt unter anderem, was Runen für ihn bedeuten und wer nicht an Black Metal-Konzerte gehört…

Nach dem überzeugenden Demo Gràtr und dem beachtlichen Labeleinstand Frostnacht bei Lupus Lounge war es an der Zeit, HELRUNAR etwas genauer zu erforschen. Die Münsteraner frönen bekanntlich dem Pagan Metal und haben einen Hang zur nordischen Mythologie, trotz aktuellem Stromausfall und karger Internetpräsenz steht Skald Draugir via E-mail Red und Antwort.

Erstmal die obligate, aktuelle Münster-Frage: Wart ihr vom Stromausfall betroffen?

Nein, in der entsprechenden Nacht hat in Münster zwar ab und zu das Licht geflackert, aber einen Stromausfall gab es nicht. Betroffen waren die kleineren Gemeinden westlich von Münster. Hätte es einen Stromausfall gegeben hätte es mich wohl nicht sehr gestört, da ich mit Holz heize…

Nach dem altnordisch betitelten Demo Gràtr (Das Weinen) habt ihr euch bei Frostnacht für einen deutschen Albumtitel entschieden. Wie seid ihr darauf gekommen? Hängt die Änderung der Sprachwahl mit den mehrheitlich deutschen Titeln zusammen?

Dass der Titel diesmal Deutsch ist, ist eigentlich ein Zufall. Frostnacht als Albumtitel schwebte mir schon sehr lange vor. Ich habe aber auch Frostnótt, also das selbe Wort in Altnordisch, in Betracht gezogen. Am Ende blieb es aber bei Frostnacht… es erschien einfach passend. Hintergedanken gab es da keine.

Habt ihr wegen des deutschen Titels auf die Runenschrift für die Titelangabe verzichtet? Da ihr euren Bandnamen jeweils in Runen schreibt: haben die Runen für euch eine weitere Bedeutung als nur Schriftzeichen zu sein?

In diesem Falle hat wohl einfach das Design entschieden. Wir fanden den Schrifttypus für den Plattentitel sehr schön, und sahen daher keinen Grund, ihn gegen Runen auszutauschen.

Für mich persönlich haben Runen eine größere Bedeutung als nur Schriftzeichen zu sein… Sie hatten ja schon als sie noch ursprünglich genutzt wurden einen Sinn, der über einen bloßen Lautwert hinausgeht. Einen alten Runenstein darf man nicht wie einen herkömmlichen Text im modernen Sinne verstehen. Erst mit der Christianisierung verloren Runen einiges ihrer mystischen Bedeutung und wurden profaner verwendet, bis man sie schließlich noch etwas später als magische Geheimschrift wieder entdeckte. Für mich sind sie archetypische Symbole, die komplexe Bilder enthalten… Bilder, die tiefe Wahrheiten über unsere Existenz verraten können. Gewissermaßen sind sie für mich auch magisch. Ich sollte aber an dieser Stelle betonen, dass ich der einzige in der Band bin, der sich als heidnisch bezeichnen würde… für Dionysos und Alsvartr sind Mythen einfach nur ein interessantes Thema. Nur weil gerade ich die Texte schreibe, sieht es dann oft so aus, als ob die ganze Band aus Heiden bestünde, was aber so nicht stimmt.

In Vergangenheit und Gegenwart werden Runen und nordische Mythen leider oft für rechte Propaganda missbraucht. Wie steht ihr diesem Missbrauch gegenüber? Habt ihr schon mal negative Erfahrungen in dieser Hinsicht gemacht (wurdet ihr z.B. schon mal in den gleichen Topf wie NSBM-Bands geworfen)? Wie steht ihr zu den z.T. rechten Verflechtungen in der Black Metal-Szene und wie geht ihr damit um?

Das ist ein sehr trauriges Thema… und auch eines, das mich oft wütend macht. Wir stehen dieser Beschmutzung der nordischen Mythologie mehr als kritisch gegenüber. Leute, die meinen, sie könnten Runen, Götter und Mythen mit rechtem Gedankengut vermengen, haben offenbar gar nicht verstanden, worum es geht. Ich kann diese Leute auch nicht als Heiden ernst nehmen, schon gar nicht als Menschen, die auf der Suche nach tieferen Wahrheiten sind (was für mich den größten Teil des heidnischen Glaubens ausmacht).

Einmal ist es geschehen, dass irgendein dubioser Mensch, der sich anonym als Antifa-Vertreter darstellte, uns als zwielichtige Germanentümler bezeichnete. Offenbar hatte er weder unsere Texte noch irgendwelche Interviews gelesen. Seitdem herrscht allerdings Ruhe. Wie gesagt, wir halten von diesen rechten Verflechtungen in der Black Metal Szene gar nichts. Ich denke sogar, dass Fans und Konzertveranstalter sehr viel verantwortungsvoller damit umgehen sollten, z.B. durch Zusammenarbeit mit der Vereinigung Metalheads against Racism. Neonazis, die sich auf Metalkonzerte begeben, machen doch früher oder später sowieso nur Ärger. Keiner will diese Leute da sehen. Da kann man ihnen auch gleich den Eintritt verwehren.

Eure Texte thematisieren oft die nordische Mythologie, ihr widmet euch ihr sowohl auf Deutsch (z.B. Der Trank des Gehängten) als auch auf Altnordisch (Mimis Brunnr (Gratr Önnor)). Beeinflusst euch die Mythologie in eurem täglichen Leben und in euren religiösen Ansichten?

Wie schon gesagt, mir ist die heidnische Spiritualität sehr wichtig, als Lebenseinstellung, als Art und Weise, wie ich mich und die Welt sehe. Alsvartr und Dionysos sehen das aber nicht so, von daher sollte ich diesen Punkt vielleicht nicht so ausweiten, damit es keine Missverständnisse die Band betreffend gibt.

Hinzu zu eurer Beschäftigung mit den nordischen Mythen kommt ja noch, dass du dich Skald Draugir nennst. Woher stammt euer Interesse an der nordischen Mythologie (was war sozusagen die Initialzündung)? Geht dieses Interesse soweit, dass er oder ihr z.B. auch Ältere Nordische Philologie als Studienfach gewählt habt?

Ja, aber es betrifft halt nur mich. Sicherlich habe ich auch wegen meines Glaubens dieses Studienfach gewählt, aber auch wegen meines Interesses an Sprache und Kultur. Ich habe das Heidentum vor ca. 12 Jahren für mich entdeckt… seitdem hat es mich in meinem Leben begleitet.

Gibt es eine altisländische Saga, welche euch besonders gefällt? Wenn ja, welche und warum?

Bei mir sind es vor allem die Egil´s Saga und die Njál´s Saga. Mit diesen Sagas habe ich mich am meisten beschäftigt. Die Egil´s Saga mag ich wohl vor allem, weil die Leute sich darin ordentlich kloppen, in der Njál´s Saga stecken viele Weisheiten. Generell enthalten aber beide Sagas viele interessante Ansätze und sind wunderbare, detailreiche Schilderungen des mittelalterlichen Lebens auf Island.

Mit Dreifach Dorn habt ihr ja auch einen Text auf Frostnacht, welcher sich mit aktueller Kritik an den Autoritäten befasst. Ist dieser Text ein Zeichen für eine lyrische Ausrichtung HELRUNARs hin zu aktuellen Texten und weg von der Mythologie? Oder denkt ihr, dass auch in Zukunft das Augenmerk auf den alten Mythen liegen wird?

Es war schon immer mein Hauptinteresse, modernes Geschehen und moderne Gedanken mit Bildern aus den Mythen zu verbinden. Und das wird auch weiterhin so sein. Es ist ja nicht so, dass zwischen Mythen und der modernen Zeit eine zeitliche oder mentale Differenz herrscht. Ein Mythos ist zeitlos, er verliert auch nach 2000 Jahren nichts von seiner Gültigkeit. Man muss ihn nur zu interpretieren verstehen. Was in den Mythen beschrieben ist, auf symbolischer oder archetypischer Ebene, hat bis heute nichts von seiner Aktualität verloren. Von dorther wird es in den Texten so weitergehen. Beobachtungen der modernen Welt werden im Mythos gespiegelt.

Das
Die Zusammenarbeit mit Coverkünstler Lukasz Jaszak lief so gut, dass man auch in Zukunft mit ihm zusammenarbeiten wird.

Das Cover von Gràtr war mit den gewundenen Wurzeln in schwarz/grau/weiss sehr düster, auf eurem aktuellen Werk verlasst ihr euch mehr auf Grüntöne von Lukasz Jaszak, lasst aber dennoch verschiedene Eindrücke miteinander verschwimmen. Wie ist die Zusammenarbeit mit Lukasz zustande gekommen? Inwiefern war der Gestaltungsprozess von Gràtr anders als derjenige von Frostnacht?

Nun, Lukasz ist der Designer des Labels, so war diese Zusammenarbeit nur eine logische Folge. Das Layout von Grátr habe ich gemeinsam mit meiner Ex-Freundin am Rechner entworfen, bei Frostnacht lief alles per E-Mail. Grundlage für das Coverdesign war ein Haufen Fotos, die Alsvartr gemacht hat. Wir haben alles an Lukasz geschickt, und er hat uns erste Ideen präsentiert, die uns dann wiederum auf neue Ideen brachten, und so ging es dann hin und her. Er hat einfach einen tollen Job gemacht, hat sehr schnell verstanden, worum es atmosphärisch gehen soll. Eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit, die uns viel Spaß gemacht hat. Wir werden natürlich auch in Zukunft mit ihm zusammenarbeiten.

Nach Gràtr arbeitet ihr bei eurem neuen Album mit dem Label Lupus Lounge zusammen. Wie ist die Zusammenarbeit zustande gekommen und wie seid ihr damit zufrieden? Beeinflusst euch die Zusammenarbeit mit Lupus Lounge bei eurem kreativen Schaffen? Wo liegen für euch die spezifischen Vorteile verglichen mit den Gràtr-Demozeiten?

Zu der Zusammenarbeit kam es, als das Mörkeskye-Magazin unser Grátr- Demo an Prophecy weitergeleitet hat. Sie bekundeten recht schnell Interesse, und wir unterzeichneten den Vertag.

Natürlich hat es viele Vorteile. Allein das hervorragende Design mit Digipak wäre für uns allein bei weitem zu teuer und somit nicht möglich gewesen. Und die gute Produktion hätten wir uns so auch nicht leisten können. Abgesehen davon ist es immer gut, jemanden an seiner Seite zu wissen, der Erfahrung in diesem Business hat…

Die schroffe Atmosphäre auf Frostnacht erinnert zum Teil etwas an die Norweger von TAAKE. Inwiefern hat euch das Schaffen anderer Bands beeinflusst? Welche Metalbands inspirieren euch? Hört ihr euch auch Musik aus anderen Genres an, wenn ja, welche?

Diese Antwort würde ausufern, wenn ich jetzt auf alle Bands einginge, die wir so hören. Wichtig für HELRUNAR sind natürlich die alten norwegischen Bands von Anfang bis Mitte der Neunziger. Des weiteren hören wir alle möglichen Formen von Metal, ich höre auch viel Neofolk, skandinavischen Folk, Dark Ambient. Wir hören Klassik, Soundtracks, Mittelalter, Dionysos steht auch auf 70er- Rock. Ein Riesenhaufen Musik also…

Welche Band hat euch sozusagen zum Pagan / Black Metal gebracht?

Das kann ich gar nicht mehr so genau sagen. Vermutlich waren es DARKTHRONE, ENSLAVED, SATYRICON und BURZUM.

Sind die Mitglieder von HELRUNAR auch noch in anderen Projekten aktiv?

Die anderen Bands, in denen wir noch unsere Finger hatten oder haben sind für HELRUNAR ohne jeden Belang.

Wie etwa NERTHUS benutzt ihr ja auch das eher Metal-untypische Instrument Maultrommel, beispielsweise in Der Trank des Gehängten. Warum habt ihr euch gerade für die Maultrommel entschieden? Wie muss man sich die Aufnahmen der Klänge dieses Instruments vorstellen (schließlich kann man ja kein Pick up daran befestigen?)? Setzt ihr die Maultrommel auch live ein?

Die Maultrommel haben wir einfach über das Gesangsmikro abgenommen. Wahrscheinlich kommt meine Idee mit der Maultrommel von meiner Begeisterung für skandinavischen Folk. Live lassen wir sie weg, man würde sie in der ganzen Soundwand wohl kaum hören, weil sie ein recht leises Instrument ist.

Was bedeuten euch Live-Auftritte? Geht ihr mit eurem aktuellen Output auf Tour oder darf man damit erst nach dem nächsten HELRUNAR-Album rechnen? Greift ihr dafür auch auf Sessionmusiker zurück, da ihr ja nur zu dritt seid und Dionysos sowohl die Bass- als auch die Gitarrenpflichten übernimmt?

Auf Tour gehen wir nicht, wir werden aber einige Einzelkonzerte spielen. Wir sind keine total begeisterte Liveband, auch wenn uns die Auftritte jedes Mal große Freude bereiten. Aber es muss halt nicht dauernd sein. Und eine gute Tour wurde uns bisher nicht angeboten. Live werden wir von einem Session-Bassisten und einem Session-Gitarristen unterstützt.

Das
Runen haben für Skald Draugir mehr Bedeutung als nur einfache Schriftzeichen zu sein.

Ihr habt für demnächst eine neue Website angekündigt. Wie kommt es, dass ihr so lange mit einer solch schlichten, ja fast inexistenten Bandwebsite ausgekommen seid? Wolltet ihr damit eure Privatsphäre besser wahren? Inwiefern haltet ihr das Internet für Bands im Underground für wichtig?

Naja, eigentlich hätte die Seite schon viel früher fertig sein sollen, aber es hat sich halt nicht so ergeben. Aber so hat es ja auch geklappt. Als Info-Möglichkeit für die Fans ist so eine Seite natürlich wichtig, aber man sollte es auch nicht überbewerten. Alle wichtigen Infos über uns waren ja auch auf der Lupus Lounge Website zu finden.

Wie seid ihr mit den Pressestimmen auf euer neues Werk zufrieden? Gibt es in dieser Hinsicht ein nennenswertes, besonders positives oder negatives Feedback zu verzeichnen?

Die Pressestimmen waren allesamt hervorragend, und wir sind mehr als zufrieden! Selbst die schlechtesten Reviews sprachen immer noch von einer guten Platte. Wir waren schon überzeugt von unserem Material, aber eine dermaßen positive Resonanz hat uns dann doch überrascht. Ich will da gar keine Review besonders hervorheben, sicherlich haben alle Schreiberlinge ihre Arbeit gewissenhaft erledigt.

Wie sieht die Zukunft von HELRUNAR aus? Wann darf man mit dem Nachfolger von Frostnacht rechnen?

Wir werden frühestens in einem Jahr ins Studio gehen. Bis dahin spielen wir ein paar mal live. Und bald wird es auch endlich Shirts geben.

Takk fyrir für das Beantworten meiner Fragen.

Takk sömuleiðis!

Heill ok sæll!

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