GOTTHARD: Das Balladen-Gedudel geht mir tierisch auf den Sack!

GOTTHARD rocken wieder, wie sie auf ihrem aktuellen Album "Lipservice" beweisen. Grund genug für ein Gespräch mit Basser Marc, der auch über die Download-Problematik, Lizenzvergaben, offensichtliche Liebeserklärungen und die Probleme beim "Media Markt"-Einkauf etwas zu erzählen hatte.

Die Schweizer GOTTHARD mussten in den letzten Jahren einiges an (zum Teil auch berechtigter) Kritik einstecken.

Nicht für drei ersten Alben Gotthard (1992), Dial Hard (1993) und G. (1996), die aufgrund ihrer knackig-zeitlosen Ausrichtung über jeden noch so kleinen Zweifel erhaben waren.

Auch das 97er D-Frosted-Album, das einige Bandklassiker im umarrangierten akustischen Gewand präsentierte, konnte man noch als gelungenes Experiment durchgehen lassen.

Der Schwerpunkt der Kritik, des Spotts und der Häme richtete sich hauptsächlich gegen die guten, aber viel zu glatt polierten und gitarrenarmen Scheibletten Open (1998) und Homerun (2001, letztmalig vom ehemaligen KROKUS-Basser Chris von Rohr, der alle Alben seit dem Debüt betreute, produziert), die trotz guter Verkaufszahlen viele der alten Fans verstörten und verschreckten.

Zwar machte man dem 2003er Werk Human Zoo (produktionstechnisch von einem gewissen Marc Tanner betreut) wieder kleinere Schritte back to Roots der ersten drei Scheiben, nichtsdestotrotz befand sich aber meiner Meinung nach und rückblickend beurteilt doch die eine oder andere Ballade zuviel auf dem Album.

Bitte versteht mich nicht falsch, ich hab’ nichts gegen gute Balladen, aber auf dem Album einer (hard)rockenden Band sollte die Gewichtung von harten Stücken auf der einen und eher balladesken Songs auf der anderen Seite doch DEUTLICH zu Gunsten der harten Stücke ausfallen.

Das war leider nicht immer der Fall, wenn man in den letzten fünf Jahren eine aktuelle GOTTHARD-Scheibe vorgelegt bekam. Die von mir gewünschte Gewichtung stimmt auf dem aktuellen Album Lipservice wieder deutlich mehr, denn auch wenn man meinetwegen vielleicht ein, zwei Balladen hätte weglassen können, rockt die Band doch über weite Strecken wieder wie zu guten alten Zeiten.

Grund genug für ein Gespräch mit Basser Marc Lynn, der genau wie Sänger Steve Lee, Gitarrist Leo Leoni (die beide das kreative Herz der Band darstellen) und Drummer Hena Habegger auf allen bisherigen Alben der Band zu hören war/ist und früher bei der Schweizer Combo CHINA spielte, deren selbst betitelten Erstling und Sign In The Sky ihr mal antesten solltet. Aber das nur nebenbei…

Hallo Marc, schön dass Ihr im Jahre 2005 wieder hörbar Bock auf knackige Rockmusik habt. Wie kam es zur erneuten Lust auf härtere Klänge? Oder anders gefragt: Wieso habt Ihr keinen Bock mehr auf zu Kuschelrock-taugliche Sounds? Hat Euch die etwas softere musikalische Ausrichtung mehr neue Fans gebracht als alte gekostet? Wie kam es überhaupt zu der doch deutlich weniger harten Ausrichtung eines Albums wie z.B. Open?

Naja, Homerun und Human Zoo waren ja wieder etwas härter als z.B. die Open-Scheibe. Hätten wir aber Lipservice in der Form zum damaligen Zeitpunkt veröffentlicht, dann hätte das null Erfolg gehabt. Wir wollten eher einen fließenden als einen abrupten Übergang zwischen den einzelnen Scheiben sicherstellen. Sicherlich haben wir aufgrund der vorherigen Veröffentlichungen auch Fans verloren, aber man kann es halt nicht allen Leuten Recht machen. Und ich bin mir sicher, dass sich die Leute, die eher auf unsere härteren Songs stehen, mit Sicherheit zuerst beschwert hätten, wenn wir unseren Stil in all den Jahren nie ver- oder geändert hätten. Wir haben in all den Jahren unseren Weg zu finden versucht. Ob die eingeschlagenen Wege immer die richtigen waren oder der momentan eingeschlagene Weg der Richtige ist, wird sich zeigen. Wir haben sicherlich in der Vergangenheit Sachen gemacht und Entscheidungen getroffen, die wir aus heutiger Sicht in der Form nicht mehr machen oder treffen würden. Das lag zum einen an der Plattenfirma, von der wir uns zwar nicht haben reinreden lassen, aber man hat sich zumindest die Meinung der Leute dort angehört. Außerdem arbeitet man ja auch mit Produzenten zusammen, die dich auch in eine gewisse Richtung dirigieren. Natürlich ist es im Nachhinein immer einfach zu sagen, dass diese oder jene Entscheidung die bessere gewesen wäre, aber ich denke, wenn wir acht oder zehn Alben gemacht hätten, die alle gleich klingen, dann hätte das nach einer Weile auch keinen mehr ernsthaft interessiert, oder?

Mag sein, aber ich denke mal, dass gerade im Hardrock/Heavy Metal-Bereich die Fans eher auf Kontinuität stehen und kein großes Interesse an stilistischen Veränderungen ihrer jeweiligen Lieblingsband haben. Haben Euch denn vielleicht auch die negative(re)n Reviews und Meinungen zu den letzten Alben beim Songwriting beeinflusst?

Jein, aber es hat manchmal schon tierisch genervt. Wir sind halt eine nette Band zum Anfassen, die es am liebsten allen Fans recht machen möchte. Doch in allererster Linie müssen wir mit unseren Songs zufrieden sein und dieses Mal wollten wir halt wieder ein bisschen mehr in Richtung Rock gehen.

Würdest Du denn sagen, dass für eine Band wie GOTTHARD die Härtegrad-Obergrenze erreicht ist und es nicht härter als auf Lipservice werden kann/darf?

Würde ich schon sagen, denn auch auf den älteren Alben gab es keine Songs die härter waren als die entsprechenden Songs von Lipservice. Der einzige Unterschied ist vielleicht der, dass wir heute Stücke wie Anytime Anywhere haben, die kompliziert und heavy klingen, während wir früher Songs veröffentlicht haben, die eher einfach und heavy arrangiert wurden und dieses AC/DC-Flair hatten, das jetzt natürlich etwas verloren gegangen ist. Dafür haben wir dieses Mal allerdings eine Härte an den Tag gelegt, die mit einer gewissen Frischheit verbunden ist. Und es kann allein schon deshalb gar nicht härter klingen, weil mir mit Steve einen Sänger in unseren Reihen haben, der wirklich Melodien singen kann und nicht shouten soll. Viele Leute ordnen uns ja auch in die Heavy Metal-Rubrik ein – aber in der sehen wir uns nicht und dort fühlen wir uns auch nicht Zuhause.

Zu Recht, denn auch Bands wie AC/DC, WHITESNAKE oder DEF LEPPARD, die ja im Vergleich mit Euch nicht unähnlich klingen, sind ja keine reinrassigen Metalbands. Apropos AC/DC: Die haben ja offensichtlich für den Song Said And Done Pate gestanden und bei meinem Lieblingssong Cupid Arrow musste ich sofort an die Come An’ Get It-Phase WHITESNAKEs denken. Man muss aber sagen, dass Ihr zwar Eure Einflüsse nicht verbergen könnt oder wollt, aber auch nie so offensichtlich klaut, dass man von einem Plagiat sprechen sollte.

Richtig, gerade Cupid Arrow ist eine offensichtliche Liebeserklärung an die gute alte Zeit. Aber soll ich Dir mal was beichten? Wenn wir mit Bands wie WHITESNAKE, DEF LEPPARD oder AC/DC vergleichen werden, dann sage ich einfach Danke schön!.

Bitte schön! Wo Du gerade den Namen DEF LEPPARD erwähnst, kann ich es mir die kleine Spitze nicht verkneifen, dass Everything I Want nicht nur dezent an die Mannen um Joe Elliot erinnert.

(lacht) Aber der Song klingt wirklich nur aufgrund der zweiten Stimme von Steve so sehr nach DEF LEPPARD. Anfangs fragte ich mich sogar, ob das nicht etwas zu sehr DEF LEPPARD ist. Aber hör Dir den Song mal ohne die zweite Stimme von Steve an, dann würdest Du diesen Vergleich nicht ziehen.

Gotthard
Wir haben die Zusammenarbeit mit unserem Label bzw. unserem Management genauso hinterfragt, wie die Qualität unserer Alben und haben uns überlegt, was man hätte besser machen können bzw. was man in Zukunft besser machen kann. – neue Wege nach 17 Jahren Bandgeschichte

Tja, dazu müsstest Ihr den Song schon als Bonustrack auf Eure nächste Single packen, wie sonst sollte ich in den Genuss dieses Stückes kommen? Ihr habt ja auch euer komplettes Umfeld ausgetauscht. Lag das den o.g. Beeinflussungen und Entscheidungen Eures alten Labels? Oder wollt Ihr, wenn schon Scheiße gebaut wird, diese lieber selber bauen?

(lacht) Das hast Du gut gesagt. Die ganzen Änderungen wurden eigentlich nur deshalb vorgenommen, weil wirklich alle unsere Verträge nahezu zeitgleich ausliefen. Natürlich lagen uns auch diverse Angebote vor, aber wir wollten erstmal eine ganze Zeit lang nichts Neues unterschreiben. Irgendwann erreichten wir dann den Punkt, wo wir mal einen Blick in unsere Geschäftsbücher und -unterlagen geworfen bzw. nach dreizehn Jahren Bandgeschichte mal Bilanz zogen, was wir erreicht bzw. was wir nicht erreicht haben. Dabei haben wir wirklich die Zusammenarbeit mit unserem Label bzw. unserem Management genauso hinterfragt, wie die Qualität unserer Alben und haben uns überlegt, was man hätte besser machen können bzw. was man in Zukunft besser machen kann.

Gutes Thema: Was hätte man denn an den älteren Alben im Nachhinein anders oder vielleicht sogar besser machen können?

Uns fiel halt auf, dass auf den älteren Alben einfach zu viele Keyboards zu hören waren, die die Songs teilweise regelrecht zupflasterten. Glaube mir, im Rahmen der Vorproduktion oder im Demo-Stadium war beinahe wirklich jeder Song auch ein harter oder zumindest härterer Song. Leider war es so, dass die Stücke durch die Keyboards unheimlich an Dynamik und Härte verloren. Rückblickend betrachtet war auch unser Open-Album definitiv zu poppig abgemischt, während auf Homerun und Human Zoo dann wieder mehr Gitarren zu hören waren. Ich bin auch der Meinung bin, dass die Musikhörer momentan wieder Bock auf rockige Musik und nicht mehr auf den Schrott aus dem Radio haben. Deshalb finde ich auch, dass es durchaus Zeit für einen Umbruch ist, denn das Balladen-Gedudel im Radio geht zumindest mir mittlerweile tierisch auf den Sack.

Wie kann denn aber so etwas passieren? Auch wenn vielleicht nicht die ganze Band beim Mischen der Songs im Studio anwesend, so kann ich mir nur schwer vorstellen, dass ihr einen Mischer schalten und walten lasst, wie ER es gerne möchte.

Gotthard
Leo hat auch mit uns im Vorfeld genau besprochen, wohin er mit Lipservice möchte. Nämlich dahin, dass wir GOTTHARD im Jahre 2005 wieder auf das Wesentliche reduziert haben.

Richtig, das war vielleicht ein Fehler, dass wir in der Vergangenheit die Produzenten meistens haben machen lassen anstatt zu sagen Nee, das wollen wir so nicht!. Wir haben uns halt oft gesagt, dass es sich bei dem Produzenten um einen Profi handelt, der weiß, was er wann und wie zu tun hat. Hinzu kommt, dass man als Musiker jede Scheibe mit neuen Songs erstmal nur geil findet, aber wenn dann etwas Zeit vergangen ist und man die Scheibe schon das eine oder andere Mal mit etwas Abstand gehört hat, dann fallen einem schon diverse Kleinigkeiten auf, die man lieber anders gehabt oder gemacht hätte. Teilweise waren die Songs auch viel zu kompliziert und komplex, weil fast jeder aus der Band noch eine Idee hatte, mit der man den jeweiligen Song natürlich noch sehr viel besser hätte machen können. Letztendlich waren dann zu viele Ideen und wir wollten teilweise definitiv zu viel, anstatt uns auf das Einfache zu konzentrieren. Lipservice wurde aufgrund der Erfahrungen von unserem Gitarristen Leo als Hauptproduzent und von Ronald Prent (u.a. RAMMSTEIN, CLAWFINGER) als Co-Produzent betreut. Leo hat auch mit uns, d.h. dem Rest der Band, im Vorfeld genau besprochen, wohin er mit Lipservice möchte. Nämlich dahin, dass wir GOTTHARD im Jahre 2005 wieder auf das Wesentliche reduziert haben.

Ihr kalkuliert also bewusst das Risiko ein, die Fans – die ihr vor fünf Jahren nicht vergraulen wolltet – zu vergraulen, aber im Gegenzug die alten Fans – die ihr vor fünf Jahren vergrault habt – wieder zurück zu gewinnen?

Ich glaube nicht, dass wir die Fans, die erst durch D-frosted oder unsere Balladen auf uns aufmerksam geworden sind, vergraulen. Wir möchten ihnen mit Lipservice nur den Tipp geben, etwas offener zu sein. Glücklicherweise scheinen sie das auch zu sein, denn die bisherigen Reaktionen auf das neue Album, die von Leuten kamen, die sonst nicht so harte und rockige Musik stehen, waren wirklich sehr gut. Für mich ist das auch ein ganz großes Problem, dass man die gute alte Rockmusik kaum noch kennt. Entweder ist es Popmusik oder es ist Heavy Metal – von der Rockmusik, die stilistisch eigentlich zwischen diese beiden Musikrichtung passt, redet man kaum noch. Auf diese Mitte muss man die Leute wieder aufmerksam machen. Es nervt mich tierisch, wenn ich z.B. beim Media Markt einkaufen gehe. Du findest dort u.a. den Heavy Metal-, den Jazz- oder Klassik-Bereich. Aber es gibt keine Abteilung für Rockmusik, denn alles was nicht eindeutig in eine bestimmt Kategorie passt, findet man dort kreuz und quer in der Abteilung für Popmusik verteilt.

Obwohl ich eure Musik schon seit der ersten Scheibe mag und wirklich kein Album richtig schlecht finde, habe ich euch bisher noch nie live bewundern können. Ich komme aber auch aus dem hohen Norden, wo ihr euch in den letzten Jahren an der Livefront relativ rar gemacht habt. Herrscht bei Euch, wie bei vielen anderen stilistisch ähnlichen Bands aus dem Süden Deutschlands oder aus der Schweiz und Österreich, auch ein Nord-Süd-Gefälle, was Verkäufe, Zuschauerzahlen, Größe der Hallen usw. angeht?

Teilweise schon. Wir merken das eindeutig an den Besucherzahlen, denn im Süden fällt es uns sehr, sehr leicht, die entsprechenden Hallen voll zu kriegen. Ich kann auch nicht sagen, woran das liegt. Vielleicht sind die Leute in z.B. München musikalisch doch etwas mehr in den Achtziger verwurzelt, als das vielleicht die Menschen in z.B. Hamburg sind. Im Norden ist die Situation für uns schon etwas schwieriger, aber was die Zuschauerreaktionen betrifft, gibt es wirklich keinen Unterschied, ob Du nun im Süden oder im Norden Deutschlands spielst. Denn für diese Reaktionen ist man ja als Band selbst verantwortlich. Die Leute zeigen ihren guten Willen ja schon dadurch, dass sie Eintritt bezahlt und zum Konzert gekommen sind. Dadurch haben sie das Recht, von der Band unterhalten und von ihr eine gute Show geboten zu kriegen.

Ich habe Euch auf dem Schweden Rock-Festival vermisst. Eine Band mit Eurem Sound hätte doch super dorthin gepasst…

Ja, da gebe ich dir eindeutig recht, aber offensichtlich ist es so, dass irgendeiner der Organisatoren uns oder unsere Musik nicht sonderlich mag, wobei ich dir die Gründe dafür nicht nennen kann. Es könnte allerdings daran liegen, und das war auch ein Grund für die Trennung vom Management, dass einige Leute dieses Managements mit diversen Veranstaltern nicht gerade feinfühlig umgingen, was letztendlich dann wieder auf uns als Band zurückfiel. Wir würden alleine schon deshalb gerne mal dort spielen, weil wir ja auch vier Songs auf dem Album haben, die zusammen mit einigen schwedischen Musikern komponiert wurden.

Ach? Erzähl doch mal ein bisschen mehr davon!

Leo und Steve bekamen von dem schwedischen Songwriting-Duo Anders Wickstroem (spielte früher u.a. bei TREAT und MENTAL HIPPIE BLOOD – der Verf.) und Fredrik Thomander (die beide auch Songs für die A*TEENS, NATURAL oder VANESSA AMOROSI schrieben – der Verf.) das Angebot zum Schreiben einiger Songs. Sie mochten uns und unsere Musik, hatten einige richtig gute Ideen und wir hatten nichts gegen einen Versuch der Zusammenarbeit. Die Jungs schickten uns einige Basics, woraufhin Steve und Leo nach Schweden flogen um nach nur einem Wochenende mit vier mehr oder weniger fertigen Songs wieder heimzukehren. Das waren dann Lift U Up, All We Are, Everything I Want und Cupid Arrow…

Gotthard
Wenn schon Scheiße gebaut wird, dann lieber selber bauen – GOTTHARD legen im Jahr 2005 Wert auf Do it yourself

… das finde ich ja fast schon lustig, denn während Cupid Arrow mein Albumfavorit ist, finde ich Lift U Up erschreckend schwach, vor allen Dingen als erste Single. Irgendwie passt dieses offensichtlich von GARY GLITTERs Klassiker Rock and Roll beeinflusste Stück so gar nicht zu euch und den restlichen Stücken des Albums!

Lift U Up verbindet für uns dreißig Jahre Musik. Der Beginn stammt aus den Siebzigern, dann geht es weiter mit dem Rock’n’Roll der Achtziger und wird eigentlich verbunden mit einem Loop, der einen ziemlich modernen und aktuellen Charakter hat. Für uns ist das ein Good Time-Song, der alleine schon deshalb als erste Single ausgekoppelt wurde…

… die ja u.a. auch eine akustische Fassung des Tracks enthält. Nun seid Ihr ja eine Band, die gerne mal die Akustikklampfe auspackt. Ist für Dich eigentlich grundsätzlich jeder Song im akustischen Gewand reproduzierbar? Und gibt es Deiner Meinung auch GOTTHARD-Stücke, die sich nicht in ein Unplugged-Gewand kleiden lassen?

Nicht jeder, aber die meisten. Ich denke, dass ein guter Song auch im akustischen Gewand reproduzierbar ist. Ob der Song dann besser ist als das Original wird man von Einzelfall zu Einzelfall entscheiden müssen. Es gibt aber auch GOTTHARD-Songs wie z.B. Firedance, die man akustisch nicht umsetzen kann, weil er – da nichts passieren würde – einfach langweilig klingen würde.

Rentieren sich Singleauskopplungen eigentlich überhaupt noch?

Aufgrund des Einsatzes durch die diversen Radiostationen schon. Wir sind zwar mit Lift U Up auf Platz Drei in die Charts eingestiegen, aber für den Verkauf und den Markt lohnen sich Single-Veröffentlichungen kaum noch. Für den Promobereich sind Singles aber schon wichtig, denn wenn eine Single gut läuft bestellen die Händler natürlich ganz andere Mengen des Albums vor, als wenn die Single eher durchwachsen läuft.

Warum habt ihr mit G.-Records ein eigenes Label gegründet und werden auch andere Bands über dieses Label ihre Alben veröffentlichen können?

Im Moment ist es ein reines GOTTHARD-Label, zumindest was den Bereich Schweiz betrifft. Wir hatten es einfach satt, immer hin und her geschoben zu werden. Wir haben in der Schweiz so viele Alben verkauft, dadurch aber in erster Linie immer die Finanzen unserer Firma ausgeglichen, die zum Teil in andere Bands falsch bzw. zu viel investiert hat. Wenn man denn am Ende des Jahres gesagt bekommt, dass die eine oder andere Sache aufgrund fehlender Kohle nicht mehr realisierbar ist, dann ist das einfach eine ärgerliche Sache. Außerdem waren wir an dem Punkt angelangt, an dem man den Zusammenbruch des ganzen Systems beobachten konnte. Damit meine ich, dass Plattenfirmen z.B. wichtige Leute entlassen, unerfahrene Leute einstellen oder mit anderen Firmen fusionieren. Wir hatten halt keine Lust, einen Vertrag zu unterschreiben und ein halbes Jahr später sind unsere Ansprechpartner entlassen oder in andere Bereiche versetzt worden, so dass man wieder nicht mehr als Band Nr. 384 auf dem Label ist. Also gründeten wir ein eigenes Label, auf dem die nächsten Alben erscheinen werden und mit dem wir und unsere Helfer erst unsere Erfahrungen sammeln wollen, bevor uns mit dem Gedanken beschäftigen, dass auch andere Bands über das Label veröffentlichen können. Es ist ja eh ein gewisses Risiko, wenn man als Musiker oder Band ein eigenes Label startet. Das haben ja schon viele Künstler wie MICHAEL JACKSON oder PRINCE versucht, aber MADONNA ist die Einzige, bei der es wirklich erfolgreich funktioniert hat.

Wie arbeitet ein eigenes Label überhaupt, steht dadurch nicht eine Menge an Mehrarbeit an und wie ist die Vergabe von Lizenzen zur Veröffentlichung aktuellen Materials geregelt?

Gotthard
Das neue Album Lipservice erscheint über das bandeigene Label und wird in Deutschland über Nuclear Blast vertrieben.

Wir haben wie erwähnt ein eigenes Label gegründet und einer Schweizer Firma die Lizenz zum Vertrieb des Albums erteilt. Die Zusammenarbeit mit Nuclear Blast sieht so aus, dass auch sie von uns eine Lizenz erhalten haben, ihrerseits aber Sublizenzen an ihre Partner weitergeben. Eine echte Mehrarbeit haben wir durch die Labelgründung eigentlich nicht, außer dass Du Dich auch um das Artwork und die Zusammenarbeit mit dem Presswerk kümmern musst. Der Vorteil ist, dass man durch die Lizenzvergabe Geld einnimmt, das man dann gezielt in andere Dinge investieren kann, ohne dass man Rücksprache mit der Chefetage einer Plattenfirma halten muss – man braucht auch keine Angst haben, dass das Geld dafür verwendet wird, um die Finanzen einer Plattenfirma auszugleichen.

Man könnte ja (s)ein eigenes Label auch zur Veröffentlichung von eventuellen Soloalben missbrauchen. Gibt es bei einem von Euch Pläne in diese Richtung?

Nein. Sicherlich gab es Angebote in diese Richtung, besonders natürlich für Steve. Aber GOTTHARD beschäftigt uns so sehr und nimmt dermaßen viel Zeit in Anspruch, dass man für andere musikalische Dinge fast überhaupt keinen Platz hat.

Nach sieben Studioalben wird es ja langsam mal Zeit für eine Live-CD oder Live-DVD, oder? Zumal man mit einer Veröffentlichung dieser Art den Leuten zeigen könnte, wie rockig eigentlich auch die Stücke klingen, die – wie von dir weiter oben beschrieben – mit Keyboards dicht gekleistert wurden.

Eine solche Veröffentlichung war ja geplant. Ich habe zu Hause auf meinem PC eine fertige Live-CD bzw. eine Live-DVD, aber aufgrund des Labelwechsels haben wir noch keine Lösung gefunden, da es – was Rechte und Lizenzen angeht – noch einiges zu klären gibt. Wir werden auf der kommenden Tour auch wieder viele Konzerte mitschneiden und zumindest Ausschnitte davon veröffentlichen. Im Moment hat aber eh das neue Album Vorrang, das wir quasi als zweites erstes Album und als Neuanfang betrachten.

Wie sieht es eigentlich mit der Akzeptanz bzw. mit Erfolgen im Ausland aus?

Im Moment recht gut, denn bisher wird das neue Album in 42 Ländern veröffentlicht, wobei in ein paar Wochen auch noch Veröffentlichungen in Nord- und Südamerika anstehen. Touren wollen wir dort aber erstmal noch nicht, da unsere bisherigen Scheiben in Amerika bisher nie offiziell, sondern nur über den Importweg erhältlich waren.

Echt? Das wusste ich nicht. Und nicht mal euer alter Produzent/Mentor Chris von Rohr, der ja bis einschließlich Homerun Eure Alben produzierte und als Bassist von KROKUS drüben zumindest zeitweise eine große Nummer war, konnte da irgendwelche Türen für Euch öffnen?

Überhaupt nicht, wobei die Schuld in diesem Falle nicht bei Chris, sondern eindeutig bei unserem alten Label liegt, das an Auslandsveröffentlichungen unserer Scheiben einfach nicht interessiert war, da es an und mit uns in der Schweiz und auch in Deutschland gut verdient hat. Die BMG war einfach nicht bereit, mal neue Dinge auszuprobieren, neue Wege zu gehen und im Nachhinein muss ich sagen, dass die BMG einfach eine zu große Firma mit zu vielen Acts und zuwenig qualifizierten Leuten war. Dagegen kann man als Band einfach nichts machen und deshalb wirst Du wahrscheinlich verstehen, dass wir mit der BMG nur im Inland zufrieden waren und uns auch aus diesem Grund nach neuen Partnern umgesehen haben.

Leidet denn eine Band wie GOTTHARD auch unter der Download-Problematik und wie kann man Deiner Meinung nach dieses Problem lösen oder zumindest teilweise lösen?

Sicher, denn jeder leidet darunter. Das liegt meiner Meinung erstens an der Gesetzgebung und zweitens an der Ethik der Leute, denen man deutlich klar machen muss, dass der Erwerb von Musik einfach nicht gratis ist und sein kann. Ich bin auch dafür, dass man bereits in den Schulen auf diese Problematik eingeht und dass man das Geld, das man sinnlos in irgendwelche Kopierschütze investiert, lieber in neue Technologien steckt, die das Downloaden verhindert. Man könnte vielleicht auch den Preis für CD-Rohlinge deutlich erhöhen, um das Brennen von CDs nicht mehr so einfach und billig zu ermöglichen.

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