ELDRITCH: Wir sind eine ziemlich seltsame Band

Sänger Terence Holler hat beim Interview zum Glück eine bessere Stimmung als die Texte vermuten lassen. Er verrät auch den Grund dafür und vermittelt außerdem einen Blick hinter die Kulissen der Bandfassade.

Auf ihrem 7. Studio-Album Blackenday agieren ELDRITCH schnörkelloser denn je. Geblieben sind aber die düsteren Texte, der variable Gesang und die abwechslungsreiche Gitarrenarbeit. Powerthrashriffs treffen so auf resignierende Luftholpassagen. Dazu gibt es wohl dosiert progressive Einsprengsel und eine gewisse Eingängigkeit. Sänger Terence Holler hat beim Interview zum Glück eine bessere Stimmung als die Texte vermuten lassen. Er verrät auch den Grund dafür und vermittelt außerdem einen Blick hinter die Kulissen der Bandfassade.

Habt ihr seit der Produktion und der Veröffentlichung von Blackenday weiterbewegt, z.B. Live-Auftritte vorbereitet, oder seid ihr mit euren Gedanken noch voll beim eigentlichen Album?

Wir haben bereits viele Auftritte gebucht. Wir üben gerade und fangen nächste Woche mit einem Geheimgig unter anderem Namen für die Fans an. Wir werden uns BLACK RAIN nennen und in einer kleinen Location spielen. Am 2. Juni werden wir beim Gods Of Metal-Festival auftreten. Dann geht es weiter zum Sweden Rock und anschließend nach Berlin. Danach folgen noch einige Festivals in Italien mit uns als Headliner. Das sind sechs oder sieben Konzerte im Juni. Den Sommer über werden wir pausieren, Juli, August und vielleicht auch noch September. Im Herbst geht es weiter mit dem ProgPower Scandinavia. Wir werden außerdem noch in Hamburg und einigen weiteren Orten spielen; möglicherweise in Griechenland. Wir sind gerade dabei, das alles klar zu machen. Zur Zeit konzentrieren wir uns also auf die Live-Front.

Wie betrachtest du das Album inzwischen? Gibt es schon Sachen, die du im Nachhinein gerne ändern würdest?

Um ehrlich zu sein sind wir zum ersten Mal in all den Jahren völlig zufrieden mit allem: die Aufmachung, die Musik, die Texte, der Sound. Das ist das erste Mal, dass wir nichts bereuen. Wir sind wirklich glücklich. Jeder in der Band hat die CD im Auto laufen. Ich finde, es ist unser bestes Album; nicht, weil es jetzt erschienen ist. Es ist kraftvoll, eingängig und enthält alle möglichen Einflüsse. Alles ist perfekt.

Kamen während der Aufnahmen oder während des Songwritings zwischendurch auch mal irgendwelche Zweifel auf?

Als wir die Musik gemacht haben und ich mir die Stimmen dazu ausgedacht habe, fand ich bisweilen, dass die Lieder zu eingängig wären. Da hatte ich ein paar Zweifel. Aber dann meinten wir: Wen kümmert das schon? Mich nicht. Mit meinem Instinkt kommt alles von alleine. Nichts ist geplant. ELDRITCH werden nie zu eingängig werden. Wir sind eingängiger als in der Vergangenheit, aber nicht zu eingängig. Wir wollen nur nicht zu plump werden.

Früher habt ihr als Songschreiber immer die ganze Band angegeben. Jetzt schreibt euer Gitarrist Eugene die Musik und du die Texte. Seid ihr beiden die Banddiktatoren?

Ja, natürlich. Keine Demokratie bei ELDRITCH. Demokratie funktioniert nicht. Ich sage die Wahrheit. Sie führt zu nichts. Eine Person reicht bei einer Band vielleicht nicht aus. Zwei Leute sind manchmal fast schon zu viel. Es ist schwierig, sich um alles zu kümmern. Seit Eugene und ich uns um ELDRITCH kümmern, läuft aber alles besser. Keine Streitereien mehr, keine Diskussionen mehr. Man sagt einfach: So sind die Songs. Wenn es euch gefällt, gut; wenn nicht, suchen wir uns jemand anders. Es beklagt sich also niemand. Wir sind alle glücklich.

Die Musik scheint euren Mitmusikern also zu gefallen. Immerhin ist das das erste Album seit El Nino ohne Besetzungswechsel.

Mit den Leuten, die wir jetzt in der Band haben, ist es am besten. Bei den ersten drei Alben war es natürlich ziemlich magisch, weil wir jung waren und zusammen groß wurden. Es waren große Emotion, Alben aufzunehmen und auf Tour zu gehen. Es gab aber immer kleine Probleme innerhalb der Band. Bei den letzten beiden Alben gab es dagegen keine Probleme mehr. Eugene schreibt die Musik und gibt mir die instrumentalen Stücke auf CD. Ich denke mir die Gesangsmelodien und die Texte aus. Dann hören sich die Jungs das Material an und segnen es ab. Allen macht es Spaß, die Lieder zu lernen und zu spielen. Jeder steuert seine Ideen bei. Es ist keine hundertprozentige Diktatur. Aber wir finden es besser, wenn die Kontrolle bei zwei Leuten statt bei fünf liegt.

Wie zeigt sich der Altersunterschied zwischen euch beiden und dem Rest der Band?

Eugene und ich sind natürlich die Ältesten in der Band. Ich bin 39, Eugene ist 37, während alle anderen unter 30 sind. Es ist schon ok. Sie haben ihren Spaß. Sie blicken zu uns mit Bewunderung auf, da wir zumindest hier in Italien recht berühmt sind. Alle Bandmitglieder sind selbst ELDRITCH-Fans. Wir haben sie bei Konzerten kennen gelernt, als sie nach Autogrammen gefragt haben. Für sie ist es eine emotionale Sache mit mir und Eugene zu spielen. Wir freuen uns für sie und sie freuen sich, dass sie mit uns spielen können. Deshalb funktioniert es so gut.

Wie sieht es mit der Bandchemie auf der Bühne aus? Hast du lieber einen Gig, bei dem auf der Bühne alles stimmt, aber das Publikum lethargisch ist, oder hast du lieber schlechten Bühnensound, verstimmte Gitarren und dafür eine tolle Stimmung im Publikum?

Das lässt sich schwer beantworten. Ich spiele natürlich am liebsten einen perfekten Auftritt. Wenn wir eine gute Show spielen, wird das Publikum sich freuen, denke ich. Es kann passieren, dass man ein tolles Publikum und einen miesen Bühnensound hat, wie es manchmal bei Festivals der Fall ist. Ich fühle mich nicht sehr wohl, wenn ich daneben liege, die Gitarren verstimmt sind und das Schlagzeug falsch spielt. Es ist besser, einen guten Auftritt auf die Bretter zu legen und zu versuchen, damit das Publikum zu überzeugen.

ELDRITCH
Die wichtigste Sache in der Geschichte von ELDRITCH ist, dass wir endlich die Keyboards losgeworden sind. (Terence Holler, rechts)

Auf euren ersten Album hattest du noch viele Texte über die unterschiedlichsten Themen. Zuletzt fielen deine Texte dagegen sehr depressiv aus. Steckt da eine bestimmte Routine oder ein Konzept dahinter? Bist du glücklich mit den depressiven Inhalten?

Es ist im Prinzip das Konzept meines Lebens. In der Zeit nach El Nino ging es in meinem Leben fürchterlich bergab. Ich hatte haufenweise Probleme. Mein Vater starb, ich hatte eine Scheidung. Dazu kamen ein paar gesundheitliche Probleme und Geldsorgen – ein ganzer Haufen Mist die letzten sechs, sieben Jahre über. Es ist ganz natürlich für mich, dass ich über Dinge schreibe, die ich hundertprozentig kenne. Ich kann ich über Sachen sprechen, mit denen ich nichts zu tun habe. Ich schreibe keine politischen Sachen, kein Fantasy, keine historischen Sachen, weil ich finde, dass so viele Leute eine Menge Bockmist schreiben. Wenn mir andere Texte durchlese, sehe ich da eine Menge Bullshit – Leute, die versuchen Poeten zu sein, aber keine sind. Deshalb schreibe ich mein eigenes Zeug und niemanden kann sich darüber beklagen, es wäre falsch.

Hast du Eugene schon mal gebeten, etwas speziell für eine Textidee von dir zu schreiben?

Nein, wir verstehen uns gegenseitig blind. Er weiß, wie ich drauf bin. Er schreibt die Musik von sich aus mit einer depressiven Schlagseite. Ich schreibe die Texte immer nach der Musik. Jeder Song auf dem Album hat eine depressive Seite: Das bin ich. Denn ich hatte eine ziemlich deprimierende Zeit in den letzten Jahren. Vielleicht kennt mich Eugene auch so gut, dass er von meiner Situation inspiriert wird. Ich mache das nicht absichtlich. Das ist mein Leben und wie ich allgemein über das Leben denke.

Du hast bei Broken Road eine Zeile, die ich mir angestrichen habe: Everybody should have tasted a bit of my life.

Ja, die ist gut. Es lässt sich schwer erklären. Mein Leben ist wie ein Film. So viele schlechte Sachen sind mir widerfahren in einem fort, dass die Leute manchmal sagen: Nein, ich kann nicht fassen, dass dir wieder so etwas passiert ist. Ein Haufen Pech – aber was zum Teufel… Letztlich bin ich ein guter Kerl. Wenn ich auf der Bühne steh, fühl ich mich gut.

Was war für dich die entscheidendste Veränderung bzw. das wichtigste Ereignis in der Geschichte von ELDRITCH?

Die wichtigste Sache in der Geschichte von ELDRITCH ist, dass wir endlich die Keyboards losgeworden sind, die ich wirklich gehasst habe. Es tut mir leid, das zu sagen, weil ich Keyboards an sich als Instrument nicht hasse. Ich hasse die Art, wie die beiden Keyboarder, die wir im Laufe unserer Karriere in der Band hatten, die Musik angegangen sind. Unsere Musik war immer schon leicht thrashig. Ich weiß nicht, warum diese Leute immer so viele Keyboards reinbringen wollten. Wir hatten viele Streitereien mit Oleg Smirnoff und Sean Henderson beim Abmischen und beim Songwriting. Ich mag Keyboards in der Musik von ELDRITCH nicht sonderlich. Ich habe die Musik lieber direkt ins Gesicht mit zwei Gitarren. Die Keyboards loszuwerden war das beste, was wir hätten tun können. Ich finde, mit den Keyboards klangen wir mehr wie eine progressive Band, die wir nie wirklich waren. Wir waren eher technisch, aber nicht progressiv. Ein paar Einzelteile waren vielleicht progressiv, aber wir haben uns nie als progressive Band gesehen. Mit den Keyboards klangen wir jedoch so. Ohne Keyboards klingen wir jetzt nicht mehr progressiv. Das war das wichtigste Ereignisse in der Bandgeschichte. Und das ist gut so, denn wir verkaufen jetzt mehr Alben als früher. Es funktioniert also.

Werdet ihr noch hin und wieder auf das Thema WATCHTOWER angesprochen?

Wir hörten die Musik von WATCHTOWER in den frühen Jahren als wir unsere ersten Demos komponierten. Wir liebten die Band wirklich, weil sie technisch sehr versiert waren. Da hörten wir den Song The Eldritch. Ich halte es für einen guten Bandnamen, zumal er recht originell ist.

Seid ihr manchmal versucht, selber ein technisch extrem anspruchsvollen Stück zu schreiben, meinetwegen auch mit Thrash-Einflüssen wie es einst CORONER machten?

Ja, wir waren immer schon große CORONER-Fans. Wenn wir nach unseren Einflüssen gefragt werden, nennen wir immer CORONER, FATES WARNING, QUEENSRYCHE, ANNIHILATOR und all diese Sachen. Und um die Wahrheit zu verraten: Wir werden etwas extrem Technisches schreiben, einfach um es der Welt zu zeigen. Denn es gibt immer wieder Journalisten, die meinen, wir wären nicht mehr in der Lage ohne Adriano Dal Canto am Schlagzeug und Martin Kyhn am Bass technische oder progressive Musik zu schreiben. Das stimmt natürlich nicht, weil es schon immer Eugene und ich waren, die die Songs geschrieben haben. Die ersten Ideen stammten immer von uns, auch wenn uns die anderen hier und dort aushalfen. Ich denke, wir werden also Seeds Of Rage Teil 2 schreiben. Das sind jedenfalls die Zukunftspläne unserer Plattenfirma. Eugene und ich werden uns irgendwann hinsetzen, vermutlich gegen Ende dieses Jahres, und ein extrem technisches Album schreiben. Da wir das dann nicht live spielen werden, wird es letztlich zu technisch ausfallen, zu viel des Guten. Die Leute können dann sagen: Hey, diese Typen sind verrückt. Das werden wir machen.

Das würde ich gerne hören.

Ja, wir sind schon dazu in der Lage. Der Grund, warum wir es bisher nicht gemacht haben, war, dass es nicht funktioniert hat. Bei Liveshows verstehen die Leute die ganzen krummen Takte nicht. Wir haben sie immer noch in unserer Musik, auch wenn man es nicht gleich merkt. Wenn man sich unsere Musik anhört, selbst auf dem Blackenday-Album ist nicht alles geradlinig, wenn man dem Schlagzeug folgt. Es gibt ein paar sehr technische Sachen, aber man hört sie nicht unbedingt heraus, weil sie meistens in den schnellen Passagen vorkommen. Auf Seeds Of Rage Teil 2 werden wir all das langsamer machen, und wenn wir etwas Schnelles haben, wird es extrem technisch sein, damit die Leute es sich anhören können.

Letztes Jahr wurden eure ersten beiden Alben wiederveröffentlicht. Darauf war auch jeweils eine Neuaufnahme eines alten Songs. Wie habt ihr die ausgewählt?

Wir fanden, dass diese Songs wahrscheinlich am interessantesten für die Leute wären. Das sind die Stücke, nach denen uns die Leute immer fragen, wenn wir live spielen. Wir haben die einfach in unserem Proberaum aufgenommen, ganz ohne professionelles Equipment; einfach mit einem digitalen 8-Spur-Recorder auf Mini-Disc. Ich finde, es zeigt den Fans, dass wir immer noch dieselbe Band sind. Die Köpfe, die sich damals die Musik ausgedacht haben, sind ja immer noch da. El Nino wird auch noch wiederveröffentlicht werden, ich glaube im Oktober. Wir sind bereits dabei, die Demoaufnahmen aus der damaligen Zeit zusammenzusuchen. Es wird als Bonus fünf oder sechs unveröffentlichte Songs aus der El Nino-Ära geben. Wir spielen ein paar von den alten Liedern auch immer noch bei Liveauftritten. Selbst beim Sweden Rock werden wir etwas vom ersten, zweiten und dritten Album spielen.

ELDRITCH
Die ELDRITCH-Diskographie im Überblick: Seeds Of Rage (1995), Headquake (1997), El Nino (1998), Reverse (2001), Portrait From The Abyss Within (2004), Neighbourhell (2006), Blackenday (2007).

Diskutiert ihr innerhalb der Band gelegentlich über eure Outfits?

Nein, nein. In dieser Hinsicht sind wir eine sehr anarchistische Band. Wir reden eigentlich über nichts anderes als die Musik. Wir sind eine ziemlich seltsame Band. Jeder führt sein eigenes Leben. Wir unterhalten uns über kein anderes Thema außer der Musik. Manchmal klingt es, als wären wir keine richtige Band. Aber so ist es. Wir versuchen, uns gegenseitig nicht großartig in unsere Leben einzumischen. Wir sind lieber fünf Fremde, die sich im Proberaum treffen und zusammen musizieren. Das ist besser für die Band.

Wird sich das während der kommenden Tour vielleicht ändern?

Du meinst unsere Outfits?

Nein, die Beziehungen innerhalb der Band.

Zu den Gigs in Europa werden wir mit meinem Minibus fahren. Unser Schlagzeuger fährt allerdings separat mit seiner Freundin im Wohnmobil. Wir sind schon gute Freunde, aber jeder hat sein eigenes Leben, das er weiterführen möchte. Wenn wir auf der Bühne stehen, sind wir dagegen allesamt Brüder. Letztes Jahr haben wir in den USA gespielt. Wir haben dort natürlich zusammen im Hotel gewohnt und sind gemeinsam gereist. Wenn wir aber Konzerte in der Nähe spielen, fährt häufig jeder mit seinem eigenen Auto hin.

Wie hat sich die Kommunikation mit den Fans für euch über die Jahre hin verändert, besonders im Hinblick auf das Aufkommen des Internets?

Jetzt ist es wirklich klasse. Man kann jetzt so viele Sachen machen, an die man früher nicht einmal im Entferntesten dachte. Heute kann man einen Song auf die MySpace-Seite stellen und die ganze Welt kann ihn anhören. Das war früher unmöglich. Die Leute mussten Reviews lesen, um zu erfahren, dass es uns überhaupt gibt, und sie mussten sich das Album kaufen, um ansatzweise zu verstehen, wer dahinter steckt. Das ist nun alles sehr viel einfacher. Das Internet und die damit verbundenen neuen Kommunikationswege sind sehr wichtig. Einzig Filesharing und illegale Downloads sind nicht gut, weil es den Markt wirklich zerstört. Abgesehen davon halte ich das Internet aber für eine gute Sache.

Du hast vor einiger Zeit ein Album mit der Band VICIOUS MARY veröffentlicht. Was ist inzwischen aus dieser Geschichte geworden?

Das war in gewisser Weise mein Soloalbum. Der Keyboarder in der Band war derselbe wie in ELDRITCH, Sean Henderson. Als ich ihn bei ELDRITCH rausgeworfen habe, verließ er auch das VICIOUS MARY-Projekt. Das war es dann. Ich will mit diesem Kerl nie wieder zusammenarbeiten, da wir uns heftig gestritten haben. Unsere Plattenfirma Frontiers, die wirklich sehr gut sind, machten mir ein Angebot für ein zweites Album. Ich sagte zu, allerdings nur, wenn es auch ohne Keyboarder geht. Das Label war einverstanden. Aber unser Ex-Keyboarder beschwerte sich. Er wollte mitspielen und überredete die anderen Mitglieder. Sie meinten dann: Lass ihn mitspielen, ohne dass ihr zwei euch im Studio begegnet. Ich will den Kerl aber nicht bei meiner Musik dabei haben. Das war dann das Ende. Ich habe viel um die Ohren mit ELDRITCH und ich habe außerdem noch ein Album mit einer neuen Black Metal-Band namens FEAR OR FORCE (???) eingesungen, das in Kürze erscheint.

Bist du zufrieden damit, wie sich deine Gesangsstimme im Laufe der Zeit entwickelt hat?

Ich bin glücklich mit meiner Stimme. Ich kann alle möglichen Musikarten singen. Ich kann thrashig singen, melodische Sachen, Rock. Ich bin vielleicht nicht so perfekt, wie all die europäischen Sänger, die sich recht kalt und irgendwie künstlich anhören. Ich dagegen bin zumindest vielseitiger. Ich man mit meiner Stimme alles machen, was ich will. Das können andere Sänger nicht. Ich könnte Sänger bei einer Thrash Metal-Band wie PANTERA sein, aber auch bei einer Band wie BON JOVI.

Wann hast du zum ersten Mal gemerkt, dass du ein Sänger sein kannst bzw. willst?

Das war in meiner Jugendzeit vor 20 Jahren oder so. Ein paar Kumpels hatten alte Instrumente und suchten einen Sänger. Sie fragten mich, ob ich nicht aus Amerika wäre. Da ich in Amerika aufgewachsen bin, solle ich doch singen. Ich entgegnete: Auf keinen Fall! Ich bin zwar aus Amerika, aber ich hatte nie zuvor gesungen. Sie probten einen Song von Bruce Springsteen namens I´m Going Down ein; der ist von 1984. Ich hatte den Text vor mir und das Mikro in der Hand und begann zu singen. Die Leute, die im Raum waren, klappte die Kinnlade runter. Sie meinten, meine Stimme klänge super durch das Mikrophon. Ich fragte, ob sie Scherze machen. Ich habe dann angefangen, Gesang zu studieren und übte viele Jahre mit Lehrern. Es begann aber alles an diesem einen Abend aus Spaß heraus.

War es eine bewusste Entscheidung, dass neue Album mit sehr ruhigen, cleanen Klängen beginnen zu lassen?

Ja, wir machen das gerne. Viele legen bei ihren Alben gleich mit den schnellen Sachen los. Weil wir uns dessen bewusst sind, wollten wir das genaue Gegenteil machen. Diesmal haben deshalb balladeske Midtempo-Klänge am Anfang, bevor der Song nach einer Minute schneller und aggressiver wird. Silent Flame ist einer der besten Songs auf dem Album. Da stimmt alles.

Ich habe ein paar Durchläufe gebraucht, bis er gezündet hat. Das gilt eigentlich für das ganze Album.

Die Rückmeldungen sind bislang klasse. Es gibt natürlich Ausnahmen.

Ich bevorzuge eben immer noch eure ersten Alben, weil ich sie damals als Teenager zu einer Zeit gekauft habe, als es nicht viel anderes in dieser Richtung gab. Heutzutage werde ich von einer Veröffentlichungsflut erschlagen. Die Alben, die ich in meiner Jugend gehört habe, stechen da immer noch heraus.

Ja, es gibt viele Leute, die unsere ersten Sachen mögen. Manche davon können mit unserem neuen Sound nichts anfangen. Ich finde aber, dass es immer noch viele Gemeinsamkeiten gibt.

Es gibt eben keine Keyboards mehr und die Stücke sind einen Tick eingängiger. Es ist aber noch lange keine Popmusik.

Ja, es ist immer Heavy Metal. Manche Journalisten sind einfach zu streng, wenn sie meinen, ELDRITCH wären jetzt langweilig. Ich finde nicht, dass wir langweilig klingen – lediglich anders. Viele Jahre sind vergangen und viele große Bands haben sich ebenfalls verändert. Als Beispiel möchte ich nur KATATONIA nennen. Sie haben ihren Stil völlig verändert, aber sind immer noch KATATONIA. Ich finde nicht, dass eine Band denselben Stil für ihre gesamte Karriere beibehalten sollte. Viele Bands machen es, aber es muss nicht zwangsläufig so sein. Wenn man sich gerne verändern möchte, warum nicht?

Apropos Veränderung: Kannst du dir vorstellen, irgendwann einmal fröhliche Texte zu schreiben?

Nein, auf keinen Fall. Nein, nein, nein. Jetzt gerade bin ich natürlich glücklich, weil ich heute mit einer absolut hinreißenden Frau unterwegs war. Letztlich werden meine Tage aber nicht aus 24 Stunden Nonstopfröhlichkeit bestehen. Ich hatte jetzt drei Stunden des Glücks und es werden wohl 21 unglückliche Stunden folgen.

Es ist natürlich bedauerlich, dass dir dieses Interview kein Glücksgefühl vermittelt.

Nein, nein, das ist kein trauriges Interview. Das gehört noch zum Spaßteil. Sie hat mich gerade noch an meiner Haustür verabschiedet und ich bin jetzt noch glücklich. Aber ich weiß nicht, was heute Nacht noch los sein wird. Mein Leben ist jedenfalls immer voller Probleme – und selbst wenn ich einmal wirklich glücklich sein sollte, wäre ich vermutlich trotzdem nicht soweit, dass ich fröhliche Text darüber schreiben würde.

Bilder: True Music

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