DISMEMBER: Es ist wie bei Indiana Jones

20 Jahre DISMEMBER, ein starkes achtes Album – höchste Zeit, mit Fronter Matti Kärki telefonisch Kontakt aufzunehmen, während er grad auf dem nasskalten Balkon eine Zigarette raucht und ein Feierabendbierchen zischt…

 

DISMEMBER haben mit ihrem diesjährigen Album Dismember erneut gezeigt, wie kraftvoll und schnittig schwedischer Death Metal sein kann. Das Stockholm Urgestein zeigt sich trotz Wechseln im Line Up ohne Schwächen und krönte Ende November die 20jährige Bandgeschichte mit einem Jubiläumsgig in der schwedischen Hauptstadt. Bei so viel Live-Aktivitäten ist es schwer, die Schweden mal zu fassen zu kriegen. Aber zwischen Feierabendbier und Zigarette auf dem nasskalten Balkon – trotz Minusgraden kriegen auch die Stockholmer keine weiße Weihnacht – hat der sympathische Fronter Matti Kärki doch ein Telefon zur Hand und Zeit, das vergangene Jahr Revue passieren zu lassen und unter anderem zu erklären, welches Getränk man selbst als beinharter Elchtöter mit einem Strohhalm zu sich nehmen darf.

 

Doch erst einmal zu eurem achten Album, zu welchem sowohl die Reaktionen der Presse als auch der Fans durchwegs positiv ausgefallen sind. Obwohl der Release von Dismember schon einige Monate her ist, frage ich mich noch immer, warum ihr das Album nach eurem eigenen Bandnamen benannt habt. Gibt es da überhaupt noch Titelmöglichkeiten für die Alben nach Dismember?

Nun, erst muss ich etwas klarstellen: Das Album hat keinen Titel. Während wir das Album aufnahmen, suchten wir nach einem Titel. Ich habe den Jungs einen Haufen mögliche Albumtitel präsentiert, aber sie mochten einfach keinen. Irgendwann hatte ich keine Ideen mehr und ich sagte ihnen, sie sollten doch selber einen Titel bestimmen. Aber sie hatten ebenfalls keine Idee. Mein absolut letzter Vorschlag war Europa burns oder aber überhaupt kein Titel. Die Jungs meinten, Europa burns sei zwar ein guter Songtitel, aber eben kein Albumtitel. Also einigten wir uns darauf, dem Album gar keinen Titel zu geben. Natürlich war bei dieser Variante klar, dass die Leute das Album einfach Dismember nennen würden. Wir wussten das – aber wir haben uns trotzdem dazu entschieden, dem Album keinen Titel zu geben.

Gut, dann nennen wir es fortan das namenlose Album. Könntest du etwas langsamer sprechen, bitte? Ich kann hier in der Schweiz keine Telefongespräche mitschneiden, wir dürfen das nicht…

Hier in Schweden hat man just ein Gesetz verabschiedet, welches dem Staat und der Polizei erlaubt, alles aufzunehmen, was über die schwedische Grenze geht. Also ähnlich wie das amerikanische System. Das schließt E-mails und Telefongespräche mit ein. Das System hört auf Schlüsselwörter wie Terrorist und Spion, wenn solche Wörter fallen, wird das Gespräch aufgezeichnet und ziemlich lang aufbewahrt.

Hm. Was hältst du davon?

Ich gebe einen Scheiß drauf. Ich habe kein Terroristenproblem und nichts zu verbergen.

Und was ist mit der persönlichen Freiheit?

Nun, ich sehe es so. Wenn man Sachen zu verbergen hat, dann regt man sich darüber auf, weil ein solches System das Verstecken erschwert beziehungsweise verunmöglicht. Leute, die sich nicht an die Gesetze halten, regen sich darüber auf. Ich selber kümmere mich nicht darum. Ich habe nichts zu verbergen und muss mich somit auch nicht darüber aufregen. Natürlich regen sich vor allem junge Leute darüber auf, aber wenn ihnen etwas Schlimmes geschehen würde, dann würden sie sich wohl auch darüber aufregen, dass das Gesetz sie nicht davor beschützt hat.

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Death Metal mit einer neuen Vormachtstellung der Gitarrenlines – das namenlose achte DISMEMBER-Album

Es ist auch ein schwieriges Thema, da man sich sozusagen zwischen Freiheit und Sicherheit entscheiden muss, was wohl niemandem leicht fällt. Aber kommen wir zurück zum namenlosen Album. Ich mag daran, wie ihr den traditionellen, typischen DISMEMBER-Sound mit überraschender Gitarrenarbeit kombiniert. Ich denke da an die IRON MAIDEN-Parallelen in Under a Blood Red Sky. Woher kam denn diese Idee?

Das meisten IRON MAIDEN-Zeug kommt von David. Er ist ein riesiger IRON MAIDEN-Fan. Ich übrigens auch.

Als Fred die Band verlassen hat, hat das den Songwritingprozess bei DISMEMBER verändert. Das war sozusagen ein natürlicher Prozess, dass diese Veränderung passieren würde. Wir haben ja schon auf früheren Alben melodiöse Parts gehabt und David hatte einfach noch mehr melodiöse Riffs rumliegen. Nachdem Fred die Band verlassen hatte, arrangierten wir einfach diese melodiösen Parts mit dem neuen Material. In der Vergangenheit hatten wir nicht so super-melodiöse Passagen, also war es cool, mal was Neues auszuprobieren.

Anders war beim neuen Album natürlich auch, dass vor allem Martin und David für das Songwriting und die Arrangements verantwortlich waren. Sie sind beide Gitarristen und das erklärt natürlich die Vormachtstellung der Gitarrenlines. Vorher war Fred als Drummer sehr involviert im Songwriting – jetzt haben wir einen Drummer der sich quasi aus dem Songwriting raushält und den Gitarristen das Feld überlässt. So kreieren die Saitenjungs den größten Teil der Musik. Und natürlich sind wir inzwischen auch spielerisch mehr auf Zack, weil wir so oft live spielen. Diese neuen spielerischen Qualitäten geben einem dann die Möglichkeit, musikalisch mehr realisieren zu können. Neue Ideen, welche früher zu kompliziert waren, lassen sich nun plötzlich spielerisch umsetzen. Das beeinflusst das Songwriting ebenfalls. So, das war jetzt eine komplizierte Antwort, haha.

In der Tat. Weniger kompliziert ist es, herauszufinden, dass das Thema Krieg in den Lyrics eures achten Albums dominiert – man denke etwa an die Texte von Europa Burns, Combat Fatigue oder Black Sun. Auch auf The God that never was war Krieg ein Thema, allerdings ging es – meiner Meinung nach – eher über den inneren, spirituell-psychologischen Krieg eines Individuums. Das aktuelle Album scheint sich eher mit Kriegsereignissen im größeren Rahmen zu beschäftigen…

Früher war es so, dass ich 70% der Lyrics geschrieben habe und Fred 30%. Beim aktuellen Album war es so, dass ich alle Lyrics geschrieben habe. Alle Songs handeln von Krieg, weil ich ein begeisterter Leser von historischen Büchern bin. Mein Hauptgebiet ist der Zweite Weltkrieg. Die meisten Texte handeln vom Krieg. In Combat Fatigue geht es um neuere Kriege. Eine Dokumentation über die Stresssymptome amerikanischer Soldaten hat mich hierzu inspiriert. Also geht es bei mir nicht immer um den Zweiten Weltkrieg.

In den DISMEMBER-Anfangstagen habe ich meistens antireligiöse oder Gore-Texte geschrieben. Mittlerweile beschäftigt mich das Thema Krieg aber viel mehr. Ich sehe mir viele Filme und Dokumentationen an und diese inspirieren mich dann zu meinen Lyrics. Auf dem aktuellen Album hat das Thema Krieg dominiert, aber ich weiß nicht, was mich auf dem nächsten Album beschäftigt.

Wichtig ist mir bei den Lyrics auch, dass ich eine Geschichte erzähle – etwas wozu mich ebenfalls IRON MAIDEN gebracht haben. Man denke etwa an Where Eagles Dare. Auf jeden Fall ist es so, dass ich den Hörern die Möglichkeit bieten möchte, selber zu recherchieren und sozusagen die Geschichte hinter der Geschichte zu finden. Jeder kann Texte schreiben à la Ich hasse Religion und Horrorfilme haben schon so ziemlich alles gezeigt, was man Menschen antun kann. Aber meine Lyrics sollen einen interessanten Hintergrund haben. Etwas, worüber die Menschen mehr lesen können, wo sie mehr Facetten entdecken können. Das ist mein Ziel, wenn ich Texte schreibe.

In dem Fall ist es schon so, dass dich aktuelle Ereignisse und die Medienberichterstattung darüber inspirieren.

Ja, natürlich. Zwar sind meine Lyrics nie platt oder offensichtlich, weil wir keine politische Band sind. Aber das Weltgeschehen beeinflusst mich schon. Bizarre Dinge interessieren mich immer.

Schweden ist ja ein sicheres Land, welches glücklicherweise seit Jahrzehnten vor Kriegen verschont geblieben ist. Soweit ich weiß, habt ihr ziemlich viele irakische Flüchtlinge in Schweden. Man liest Zahlen wie 35.000 (also sieben Mal so viele wie in den USA). Weißt du etwas über ihre Lebenssituation in Schweden?

Schweden folgt dem politischen Grundsatz, möglichst vielen Flüchtlingen zu helfen – also ein sehr humanitärer Ansatz. Unser Land tut soviel es kann, um ihnen zu helfen. Wir haben auch viele Leute aus Afrika hier und aus Ex-Jugoslawien, natürlich. Viele Leute mit schwierigen Lebenssituationen wohnen hier.

Inspiriert dich der Irakkrieg zu Texten?

Vielleicht ist dieser Krieg noch zu frisch und er ist ja auch nicht fertig – auf jeden Fall kann ich nicht wirklich darüber schreiben. Ich will mich nicht auf eine Seite schlagen oder Stellung dazu beziehen, ich will Geschichten über historische Begebenheiten schreiben. Natürlich schaue ich mir die Dokumentationen zum Irakkrieg an und informiere mich über das Leben der Soldaten und die Hintergründe zu den Selbstmordanschlägen. Aber bis jetzt hat mir das alles noch keine Ideen für DISMEMBER-Texte geliefert.

Bei allem Interesse für die Kriegsthematik verherrlichst du den Krieg in deinen Texten nicht. Eine Zeile wie Broken glass under children`s foot in The hills have eyes klingt kritisch. Möchtest du die Leute zum Nachdenken anregen?

Natürlich sind alle Lyrics kritisch, man muss sie nur genau lesen. Ich würde nicht in irgendeiner der beschriebenen Situation sein wollen. The hills have eyes ist zum Beispiel über Sarajevo. Ich hatte einen Freund bei der Arbeit, der damals im Peace keeping Korps in Sarajevo stationiert war. Er hat mir von seinen Erlebnisse aus dieser Zeit erzählt. Später habe ich dann mit einem Serben aus Sarajevo zusammengearbeitet und so auch die andere Seite der Geschichte gehört, sozusagen. Als wir dann mal in Sarajevo ein Konzert gaben, habe ich Bosnier dort getroffen, die mir wiederum ihre Geschichte erzählt haben. Diese verschiedenen Perspektiven und Geschichten – das war alles so freaky, dass ich darüber schreiben musste.

Ich denke, ich habe einfach eine morbide Faszination mit Kriegen. Alle wissen, dass Kriege schrecklich sind, aber trotzdem kämpft jeder mit, wenn ein Krieg ansteht.

In Black Sun kommt das deutsche Wort Reich vor. Wenn man es mit the black sun und 60 years have passed kombiniert, denkt man unweigerlich an den Zweiten Weltkrieg. Um was geht es genau in diesem Song?

Vor einiger Zeit stieß ich auf Bücher, in denen behauptet wurde, dass die Deutschen im Zweiten Weltkrieg die UFOs erfunden hätten. Dieses Konzept faszinierte mich. Außerdem wurde behauptet, dass SS nicht für Schutzstaffel stand, sondern für schwarze Sonne. Dies wäre wiederum eine Art Religion gewesen, geführt von Himmler. Auf jeden Fall fand ich diese Theorie – also SS also schwarze Sonne – interessant. Es las sich wie das Skript für einen Indiana Jones-Film.

Natürlich gibt es noch weitere Theorien dieser Art. Zum Beispiel, dass die Nazis, die überlebt haben, auf der anderen Seite des Mondes wohnen oder am Südpol. Richtig verrückte Stories, man findet sie überall im Internet. Die Geschichte mit dem Südpol ist ziemlich abgefahren. Laut dieser Theorie sollen die Nazis damals eine Expedition gemacht und das Land im Eis Neuschwabenland genannt haben. Es gibt wirklich Leute, die glauben, die SS sei noch immer dort und warte auf den geeigneten Zeitpunkt für die Rückkehr. Der Song Black Sun handelt von all diesen Theorien, über die ich gelesen habe. Die Idee, dass die SS zurückkehren könnte, ist natürlich grauenhaft – so wie der Gedanke, dass welche von denen noch immer am Leben sein könnten. Aber andererseits klingt es halt wirklich mehr wie eine Story bei Indiana Jones.

Was denkst du über die Kombination von Politik und Metal?

Es gibt gute Bands, die sich damit beschäftigen, und das ist okay für mich. Bei DISMEMBER halte ich die Politik allerdings draussen. Ich will keine politischen Statements machen, weil es nichts mit DISMEMBER zu tun hat. Das einzige Statement, das wir alle unterstützen, ist: Religion sucks. Es ist egal, ob es helle oder dunkle Religion ist, egal auf welche Seite man das Kreuz dreht – Religion sucks. Abgesehen davon habe ich selbst natürlich auch meine politischen Ansichten – aber die gehören nur mir und niemandem sonst.

Und was denkst du über NS Black Metal?

Nun, wenn die Linken extrem sein dürfen, dürfen es die Rechten auch sein. Es geht immer auf beide Seiten, Demokratie erstreckt sich immer auf beide Seiten. Wenn die Linken sich schlecht benehmen, können das die Rechten auch. Aber ich bin gegen die Verfolgung von Leuten. Die Leute können machen, was sie wollen, aber sie müssen sich benehmen.

Hier in Schweden haben wir zum Teil das Problem, dass sich die Extreme Linke schlimmer aufführt als die Rechten. Wenn die Rechtsextremen einen Demomarsch veranstalten, dann benehmen sie sich okay. In letzter Zeit haben die Linksextremen damit begonnen, Molotovcocktails auf die Rechten zu werfen, wenn sie zu ihrer Demo aufmarschieren.

Zu den NS Black Metal Bands: Nun, sollen sie sich so aufführen. Aber ich höre sie mir nicht an.

Kommen wir nochmals zurück auf das Sprachliche bei Reich. Es hat mich überrascht, Reich bei DISMEMBER zu finden. Als wäre es ein merkwürdiger Zufall, findet sich das Wort Totenreich auf dem aktuellen NECROPHOBIC-Album Hrimthursum. Und mich hat ein betrunkener Schwede schon mal gefragt, ob Schützenpanzerzerstörung mein deutsches Lieblingswort sei. Mal ehrlich: Was fasziniert die Schweden an der deutschen Sprache?

Haha. Ich weiß nicht. Ich denke, es ist eine coole Sprache. Es ist eine starke Sprache. Es ist wirklich so wroooo… Sehr energisch. Viele Leute sagen, Deutsch klinge hart, aber ich denke, Finnisch klingt viel härter. Vielleicht fasziniert Deutsch die Schweden auch, weil Deutsch nicht allzu schwer zu verstehen ist, wenn man Schwedisch spricht. Man findet ziemlich schnell raus, wie man Wörter zusammensetzt und das fasziniert natürlich. Ich bin da nur am Spekulieren, ich bin kein Linguist.

Aber eben – Reich ist Riket auf Schwedisch, die Wörter sind nah beisammen. Gleichzeitig ist Deutsch einfach kraftvoller. Das Wort Panzerdivision, zum Beispiel. Auf Deutsch spricht man es Panzerdivision aus, auf Schwedisch Panzerdivichuun. Das klingt viel weicher und weniger kraftvoll, haha.

Welche Sprache würdest du gern sprechen können?

Spanisch. Ich weiß nicht, warum. Aber ich würde gerne südamerikanisches Spanisch können. Als wir in Südamerika waren, sprachen die Leute immer Spanisch miteinander und du stehst einfach dort und hörst fasziniert zu. Es ist eine faszinierende Sprache. Es macht auch Spaß, zum Beispiel in Mexiko zu beobachten, wie die Leute in diesem merkwürdigen Gang-Spanish miteinander reden, etwa so wie im Blood in blood out-Film – das Ganze sieht aus, als würde vor deiner Nase ein Minifilm ablaufen. Ich würde wirklich gern Spanisch lernen – aber ich werde wohl nie dazukommen, weil ich zu faul bin.

Ist Englisch wirklich die Sprache, die am meisten Death Metal ist?

Ja, natürlich. Selber kann ich Finnisch, Schwedisch und Englisch. Ich weiß, dass es mehr Menschen auf der Welt gibt, die Chinesisch sprechen als Englisch. Aber meiner Meinung nach ist Englisch eine großartige Erfindung, es ist eine internationale Sprache. Ich kann überall auf dem Planeten Englisch sprechen und dank Englisch was zu essen kriegen und meinen Standpunkt erläutern. Es ist eine wunderbare Sprache und ich liebe Englisch.

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Ich stehe einfach rum – Frontmannaktivitäten während der Rest der Band die Instrumente stimmt…

Ja, ich auch. Jetzt hast du ja beim Touren mehr als genug Gelegenheit, dich auf Englisch zu verständigen. Aber was machst du eigentlich, während die anderen Bandmitglieder ihre Instrumente stimmen beziehungsweise aufstellen?

Ich stehe einfach rum, haha. Die meiste Zeit stehe ich einfach rum und schaue ihnen zu. David und Martin haben ihre Art, die Gitarren und Verstärker für den Gig bereit zu machen. Manchmal sagen sie Matti, mach das oder Matti, gib mir das. Aber sonst sitze ich einfach rum und warte, bis die Show beginnt. Das ist es, was ich mache, haha.

Na, dann kommen wir doch grad zu einer Frage, über welche du dir Gedanken machen könntest, wenn du da so rumstehst: Gibt es Getränke, die man deiner Meinung nach mit einem Strohhalm trinken darf?

Haha. Also ich würde einen Milkshake nicht ohne Strohhalm trinken. Ich meine, einen Erdbeermilkshake ohne Strohhalm – das kriegt man doch kaum runter. Aber Bier, normale Milch, Vodka – die muss man ohne Halm trinken. Nur Milkshakes sind von dieser Regel ausgeschlossen.

Aha. Kommen wir wieder zurück zu ernsten DISMEMBER-Themen. Mich hat es ziemlich erstaunt, als Fred Estby DISMEMBER verlassen hat. Thomas Daun ist euer neuer Drummer und hat auch die Drumlines auf dem akuellen Album eingespielt. Ich mag seinen Drummingstil – sowohl live als auch auf dem Album. Ist er mittlerweile festes Mitglied von DISMEMBER?

Es sieht so aus, als wäre er unser fester Drummer. Wir hatten damals viele Touraktivitäten geplant, wir brauchten schnell einen Drummer. Er zeigte uns auf diesen Tours, was er kann. Bis jetzt – fast zwei Jahre später – hatten wir noch keine Zeit, uns mal hinzusetzen und darüber zu sprechen, ob er jetzt unser permanenter Drummer ist. Aber für mich ist er ein perfektes Bandmitglied. Er ist ein guter Schlagzeuger und ein cooler Typ.

Aber wir haben einfach noch keine Zeit dazu gehabt, ein offizielles Statement im Stil von Thomas ist der neue permanente Drummer zu machen. Wir denken, es versteht sich von selbst. Vielleicht. Wir hatten einfach keine Zeit, weil soviel lief. Ich muss gestehen, ich habe seit seinem Eintritt in die Band nicht darüber nachgedacht – bis du es jetzt erwähnt hast…

Ebenfalls ziemlich neu in euren Reihen ist euer Bassist Tobias Cristiansson. Ich denke, dass eure Rhythmusfraktion mit Tobias und Thomas richtig stark ist, was mir zum ersten Mal bei eurem Gig in Zürich im Februar dieses Jahres aufgefallen ist. Wie seid ihr eigentlich auf Tobias gestoßen?

Wir waren gerade im Studio, um The God that never was aufzunehmen. Wir brauchten einen neuen Bassisten und haben das in Stockholm verlauten lassen. Er hat davon gehört und via Martins Freundin mit uns Kontakt aufgenommen. Wir waren also grad im Studio und er ist dann mal vorbeigekommen. Er hatte einige Songs von uns gelernt und uns gleich überzeugt. Tobias ist ein guter Bassist und ebenfalls ein netter Kerl. Auf eine Art war es also ähnlich wie mit Thomas. Bei Thomas hatten wir vorher noch einen anderen Musiker ausprobiert, aber es war dann schnell klar, dass Thomas der Richtige für uns wäre.

Inwiefern haben diese beiden neueren Mitglieder das Songwriting für vom namenlosen Album beeinflusst?

Ich glaube, Tobias hat einige Riffs für das neue Album gemacht. Sie tönen genau so, wie DISMEMBER-Riffs tönen sollen. Thomas ist technisch fortgeschrittener als Fred, was automatisch dazu führte, dass wir mehr Sachen verwirklichen konnten, die wir vorher spielerisch nicht umsetzen konnten. Thomas verlieh uns sozusagen eine neue Dimension. Selber schreibt er keine Riffs, ich habe noch nie gesehen, dass er eine Gitarre berührt hätte. Aber er trägt einen großen Teil zum Songwriting bei einfach dadurch, dass er ein guter Dummer ist. Im Sinne von: Wir können das machen mit diesem Drummer…

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Bei uns in der Band sind alle gleich wichtig – eine DISMEMBER-Bandpyramide wird also nach Körpergewicht aufgebaut…

Und da ihr zwei neue Mitglieder habt: Wie würde eine DISMEMBER-Bandpyramide aussehen (stell dir einfach mal vor, ihr müsstet das als Cheerleader präsentieren)?

Aha, wieder eine merkwürdige Frage. Aber die sind gut, haha. Nun, wir können die Pyramide nicht nach dem Motto wer ist wichtiger aufbauen, weil bei uns in der Band alle gleich wichtig sind. Also muss man die Pyramide nach Gewicht aufbauen. Ich muss also unten sein, weil die anderen Jungs mich nicht tragen können. Thomas kommt zuoberst hin, er ist am leichtesten. Und die anderen Jungs sind irgendwo in der Mitte, egal in welcher Anordnung, haha.

Kommen wir wieder zu ernsteren Themen. Vor zwei Jahren haben TONY NAIMA & THE BITTERS ihr Coveralbum Dismember veröffentlicht. Was sind deine Gedanken zu diesem Werk?

Er hat nur kleine Parts der Songs genommen und sie selber arrangiert. Wir bekamen die Anfrage damals durch unser Label. Zuerst dachten wir what the fuck und fragten uns, wie das dann klingen würde. Aber wir haben zugesagt, weil wir eben auch neugierig waren.

Eines Tages fuhren wir zu einem Gig in Schweden und wir hörten uns die CD an. Ich wusste erst nicht, was es war, aber dann meinten die Jungs, ich sollte mal auf die Lyrics hören. Da habe ich realisiert, dass es meine Texte waren. Ich denke, es ist cool. Vielleicht ist es nichts für harte Metalheads, die sich nur brutale Mucke anhören. Aber für mich war es lustig zu sehen, wie jemand anderes unsere Musik interpretieren würde.

Bleiben wir gleich bei der Musik. Wie sehr leidest du darunter, dass Menschen bei der Nennung von Musik + Schweden gleich an ABBA denken und nicht an DISMEMBER?

Darunter leide ich überhaupt nicht, haha. ABBA – mal ehrlich, das war das Beste, was Schweden passieren konnte. Dank ihnen ist Schweden auf der Weltkarte. Ich persönlich mag ihre Musik nicht, aber es war gut, was sie für Schweden getan haben. Ich muss allerdings zugeben, dass es mir körperlich nichts ausmacht, ABBA zu hören. Ich bin es gewohnt. Die meisten Leute hier in Schweden sind immun gegen ABBA und halten es aus, sogar wenn sie die Musik nicht mögen.

Aber natürlich hätte ich gerne die Kohle, die sie mit ihrer Musik gemacht haben. Sie haben so viele Alben verkauft. Zum Geld würde ich also nicht nein sagen, haha…

Du vergisst, dass du dann die Kostüme tragen müsstest…

Ja, stimmt. Das ist ja das Beste daran. Ich habe mal alte ABBA-Videos gesehen und dachte mir: Was habt ihr euch nur bei diesen Outfits gedacht? Aber ich vermute, diese Kleider waren damals einfach the thing. Damals war das das heisseste auf dem gesamten Planeten, heute wäre es ein Outfit für Zirkusclowns.

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Es zeigt, wie undramatisch es damals war. – Matti Kärki mag Swedish Death Metal

Etwas, was den schwedischen Death Metal ja mehr in den medialen Mittelpunkt gerückt hat, ist das Buch Swedish Death Metal von Daniel Ekeroth. Was hältst du von seinem Buch?

Ich denke, es gibt einen guten Überblick über die schwedische Metalszene. Daniel ist schon seit langem ein Teil der Szene und er lässt die Jungs zu Wort kommen, die damals ebenfalls aktiv waren. Sie können ihre eigenen Statements machen. Das Buch ist nicht dramatisch. Natürlich war es cool damals, zu diesen Konzerten zu gehen, ich hab´s ja selber miterlebt.

Aber es war nicht so dramamtisch. Es waren einfach junge Leute, die Musik machen und Bier trinken wollten. Das Buch gibt einen sehr guten Überblick darüber, wie es damals war. Wie undramatisch es war. Einfach Menschen, die das durchziehen, was sie machen wollen, weil sie es mochten. Egal ob Death, Thrash oder sonstwelchen Metal. Ich mag das Buch, es ist cool.

Heute sieht die Szene ja anders aus. Das Internet hat die Situation vieler Bands verändert, zum Guten wie zum Schlechten. Wo siehst du die Vor- und Nachteile des Internets?

Ich benutze das World Wide Web jeden Tag, es ist ein wundervolles Werkzeug zum Mailen und Recherchieren. Aber es bringt auch viel Schrott. Alle können was machen und es online stellen. Somit kommt viel überflüssiger Schrott ebenfalls zu einer Bühne.

Tapetrading damals war natürlich schwieriger als das Downloaden im Internet heutzutage. Einerseits ist es einfacher für Bands heute, sich zu präsentieren, auch wenn sie kein Geld haben. Andererseits gibt es sooooo viele Bands, dass man den Überblick verliert. Und jede hat ein neues Stillabel – Switch Metal, Bicycle Metal, was weiß ich. Andererseits kann man auch wirklich rasch neue Bands entdecken.

Die meisten Leute, die ich kenne, suchen im Netz nach neuen Bands. Wenn sie etwas mögen, kaufen sie das Album danach dann auch. Aber eben – das Internet hat gute und schlechte Seiten. Es ist ein wichtiges Werkzeug in der Welt. Und wenn man die positiven Seiten haben will, muss man halt auch mit den negativen Aspekten umgehen.

In den 80ern war das Internet natürlich noch nicht so präsent und die ganze Metalszene sah ziemlich anders aus. Welche Band hat dich – ganz ohne Homepage – zum Metal gebracht?

Natürlich IRON MAIDEN. Beim extremen Metal kann ich mich nicht mehr so genau erinnern. Als ich 12 oder 13 war, haben mir meine älteren Kumpels deutschen Thrash Metal gezeigt – KREATOR, DESTRUCTION, SODOM. Später kam natürlich auch noch BATHORY dazu. Komischerweise mochte ich METALLICA damals nicht, weil es einfach so viele härtere Bands gab…

Ungefähr 1987 fing ich dann mit Tape-Trading an. Mein Lieblingstape damals – bis heute – ist das 88er Demo von AUTOPSY, Critical Madness. Das hat mich komplett zu diesem Stil bekehrt. Ich sagte mir oh my goood, the vocals, awesome. Und das war´s. Meiner Meinung nach ist es bis heute eine der besten Vocals Performances, die man im Metal finden kann…

Wichtig beim Besitzen von Musik jenseits von Mp3s ist ja das Artwork, das zu einem Album dazugehört. Anders als das blutig-schöne Pieces-Artwork kommt euer aktuelles Album mit einem eher schlichten Artwork aus. Wer war dafür verantwortlich?

Also, die Idee kam von mir. Aber weil ich nicht mal ein Strichmännchen zeichnen kann, brauche ich jeweils jemanden, der meine Ideen grafisch umsetzt. Wir haben viel mit Dan Seagrave zusammengearbeitet. Wir gaben ihm jeweils die Grundideen und die Songtitel, dazu einige weitere Ideen, was wir gerne haben würden. Er kam dann jeweils mit einigen Vorschlägen, machte Skizzen und so regelte sich das mit dem Artwork immer problemlos.

Beim neuen Album gingen wir das Ganze anders an. Es stammt von einem Künstler aus Australien, Craig Fraser. Er ist sozusagen der Airbrush-Gott. Er hat eine Gitarre für MORBID ANGEL mit dem Motiv des ersten Albums gestaltet. Er hat uns bei einem Konzert Bilder seiner Arbeit gezeigt. Eines davon zeigte eine fotorealistische Airbrush-Umsetzung eines Marilyn Monroe-Portraits. Er meinte, er würde gerne mit dem Gestalten von Covern anfangen. Bei diesem Album wussten wir, dass wir sozusagen einen Metal Badge als Covermotiv haben wollten. Ich schickte ihm Bildern von Medaillen und er hat uns diesen Vorschlag zurückgeschickt…

Gerade das Pieces-Cover hatte ja einen gewissen Schockwert und auch sonst wart ihr um Schockeffekte nicht verlegen in eurer 20jährigen Karriere. Gibt es eigentlich etwas, was dich schockiert? Was provoziert den Provokateur, sozusagen?

Meinst du, was mich pissed off macht? Ich mag keinen Kindesmissbrauch. Ich bin selber Vater und Kindesmissbrauch geht einfach gar nicht.

Ich muss sagen, dass ich nicht leicht zu schocken bin. Ich habe in meinem Leben einen Haufen kranker Dinge gesehen – Typen, die es mit Pferden treiben, was weiß ich. Heute schaut man sich so viele kranke Dinge an, die Leute schicken einander die ganze Zeit irgendwelche Filmchen via Mobiltelefon oder E-mail. Vor allem die Leute, die mit mir zusammenarbeiten, haha. Auf jeden Fall kriege ich sicher ein Mal täglich einen solchen Clip. Im Sinne von Wenn er das sieht, muss er sich übergeben. Letzten Endes hat man irgendwann einfach so ziemlich alles gesehen. Manchmal sagt man zwar noch Ah, eine neue Todesvariante, haha. Aber man sieht einfach so viel heutzutage.

So oder so: Ich hasse diese verdammten Pädophilen. Dieses Tun kann man einfach auf keine Art und Weise verteidigen oder gutheissen. Für diese Straftat ist nicht mal der Tod eine angemessene Strafe. Für Kindesmissbrauch sollte man eine Million Jahre lang mit Stacheldraht-Analsex bestraft werden. Es gibt nichts Schlimmeres, als ein unschuldiges Kind zu missbrauchen und damit das Leben dieses Kindes zu zerstören.

So ähnlich hat sich Ole von GRAVE auch dazu geäussert. Wie GRAVE habt ihr jetzt auch euer achtes Album draussen – was macht Death Metal eigentlich noch interessant für dich nach 20 Jahren?

Als wir anfingen, wollten wir einfach Musik machen und Konzerte geben. Wir haben nie gedacht, wir werden so groß wie IRON MAIDEN, JUDAS PRIEST oder MOTÖRHEAD. Davon sind wir auch heute noch meilenweit entfernt. Aber ich habe realisiert, dass mich das nicht stört. Was ich hingegen mag, ist, dass wir nach 20 Jahren im Business noch immer da sind und noch immer die Musik spielen können, die wir machen wollen. Death Metal ist also mehr wie ein Lifestyle für uns. Man ist schon so lange in der Band, man kann sich ein Leben nicht ohne die Band vorstellen.

Ich meine, wenn man sich DISMEMBER anschaut – auf und neben der Bühne – sind wir immer die gleichen Menschen. Wir tragen natürlich nicht genau die gleichen Kleider wie auf der Bühne (das wäre ziemlich ungepflegt, haha), aber wir tragen die gleiche Art von Kleidern. Death Metal widerspiegelt einfach unsere Identität.

Eine andere Band, welche diese Death Metal-Identität lebt, sind eure Landsmänner von NECROPHOBIC. Mit ihnen hättet ihr letztes Jahr auf eine Europatour gehen sollen. Wieso wurde diese Tour eigentlich abgesagt damals?

Weil inkompetente Leute etwas sein wollten, was sie nicht sind. Ich spreche von Leuten, die Tours und Shows organisieren und unrealistisch sind. Agencies, die Tours buchen, ohne zu wissen, was sie tun. Die Tour hätte just vor der sommerlichen Festivalsaison stattfinden sollen. Wir sagten ihm, dass das keine so gute Idee wäre. Nichts passierte. Dann hat er die Tour einfach gecancelt, sein Telefon abgeschaltet und seine E-mails nicht mehr beantwortet. Meiner Meinung sind es solche Leute nicht wert, diese Art von Musik zu hören, geschweige denn Bands, die solche Musik machen, zu buchen.

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Brauchen jetzt eine Pause, die mindestens ein Jahr dauert – DISMEMBER

Ja, es war wirklich ärgerlich, dass diese Tour abgesagt wurde. Aber kommen wir zur Zukunft. Schreibt ihr an einem neuen Album?

Nein, das tun wir nicht.

In den letzten drei Jahren waren wir so eingespannt mit der Band, dass wir jetzt Urlaub brauchen. Wir haben uns dazu entschieden, Ende 2008 eine Pause einzuschalten. Eine laaange, laaange Pause. Die mindestens ein Jahr dauert.

Momentan genießen wir es also, zuhause zu sein. Relaxen, ein fast normales Leben leben, weniger Stress, mit der Familie zusammen sein, die Batterien aufladen.

Im Hintergrund laufen allerdings die Arbeiten an einer neuen DVD. Sie wird gerade editiert. So wie ich die anderen DISMEMBER-Jungs kenne, werden sie nach ein paar Monaten zuhause wieder aktiv. Sie werden wieder damit anfangen wollen, Musik zu schreiben. Jetzt, in diesem Moment, ist keiner von uns dazu inspiriert, etwas Neues zu kreieren, weil wir einfach zu müde vom Touren sind. Wenn wir touren, ist es harte Arbeit. Wir reisen nicht luxuriös. Wenn wir Headliner sind, stehen wir oft erst nach Mitternacht auf der Bühne. Der Flug am nächsten Morgen geht dann allerdings um sieben Uhr, und so kriegt man nicht genug Schlaf. Touren ist anstrengend und zehrt an der eigenen Energie. Darum denke ich, dass wir alle eine Pause brauchen. Danach sind wir mit dem Kopf wieder voll dabei und bereit dazu, neue Dinge zu kreieren.

Aus diesem Grund haben wir auch mehrere Angebote für Gigs an Sommerfestivals abgesagt. Wir lösen uns nicht auf, aber wir brauchen ein bisschen Ruhe. Wir sind an das harte Leben auf Tour gewohnt, aber am Ende sind alle ein bisschen müde. Nun sind wir todmüde und wir müssen uns ausruhen. Es macht keinen Spaß, wenn man es nicht genießen kann.

Wir müssen uns ausruhen.

Fotos: Bandfotos von SureShotWorx und Regain Records; Livefoto von Arlette Huguenin D.
Layout: Arlette Huguenin D.

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