DISILLUSION: Die Kompromisslosigkeit in einer Traumwelt oder: Vernunft im Rahmen des Wahnsinns

DISLLUSION sind eine absolute Ausnahmeband. Oder wie viele Bands kennt ihr, die ihre Jobs schmeißen, nur um sich voll und ganz auf die Entstehung ihres neuen Albums konzentrieren zu können oder die eine perfekte Einheit aus Musik, Texten und Booklet-Gestaltung brauchen, um hundertprozentig mit sich selbst und ihrem Schaffen zufrieden zu sein? Das Ergebnis in Form des ersten Fulllength-Albums gibt ihnen in jedem Fall recht und so war es mir eine Freude, mich lange und ausführlich mit einem gut gelaunten und redseligen Rajk Barthel zu unterhalten.

DISLLUSION sind eine absolute Ausnahmeband. Oder wie viele Bands kennt ihr, die ihre Jobs schmeißen, nur um sich voll und ganz auf die Entstehung ihres neuen Albums konzentrieren zu können oder die eine perfekte Einheit aus Musik, Texten und Booklet-Gestaltung brauchen, um hundertprozentig mit sich selbst und ihrem Schaffen zufrieden zu sein? Das Ergebnis in Form des ersten Albums „Back To Times Of Splendor“ gibt ihnen in jedem Fall recht und so war es mir eine Freude, mich lange und ausführlich mit einem gut gelaunten und redseligen Rajk Barthel zu unterhalten. Aber halten wir uns nicht lange mit Vorreden auf sondern klinken uns einfach gleich mit ins Telefonat…

Hallo Rajk! Glückwunsch zu diesem tollen Album, kann ich nur noch mal sagen.

Danke schön. Hält die Begeisterung noch an?

Ja, absolut. Vor allem den Titelsong muss ich mir immer furchtbar laut anhören, den Anfang finde ich einfach grandios. Die Streicher sind so schön und wenn dann die Gitarren einsetzen, da könnt ich echt heulen…

Dazu gibt es eine ganz nette Anekdote aus dem Studio. Vurtox hat diesen Anfang gemacht, nach dem er ein Konzert hier im Gewandhaus besucht hat. Er ist nach dem Konzert zurück ins Studio und hat das Piano-Outro von „Alone I Stand In Fires“ und direkt im Anschluss das Intro zu „Back To Times Of Splendor“ gemacht. Das Ergebnis war dann sehr überraschend für uns beide, also Jens und mich. Als wir dann im Studio waren und das Intro gehört haben, hatten wir tatsächlich Tränen in den Augen.

Wie war es denn überhaupt, acht Monate lang im Studio zu sein? Ich kann mir vorstellen, dass das wie in einer Traumwelt war. Ihr habt ja sogar eure Jobs aufgegeben, um euch ganz auf das Album konzentrieren zu können. Wie war es denn, aus dieser Welt wieder zurück zu kommen?

Wir sind noch nicht wieder angekommen. Wir sind davon ausgegangen, dass es nach der Deadline für die Abgabe unserer Aufnahmen eine wohlverdiente Pause für uns gibt, wir sind uns dann aber gerade mal eine Woche aus dem Weg gegangen und dann ging es schon weiter mit den Proben für die Releaseshow des Albums. Die Vorbereitungen dazu waren ähnlich wie das Machen einer neuen Platte.

Das kann ich mir Vorstellen. Ich stell es mir zum einen schwierig vor, die vielen Spuren, die ihr auf „Back To Times Of Splendor“ verwendet habt, live umzusetzen, dazu kommt dann auch noch, dass ihr keinen Bassisten zur Verfügung habt.

DISILLUSIONDas ist richtig. Zumindest für die Auftritte im Sommer haben wir jemanden, der den Liveposten am Bass ausfüllt. Es sähe ja auch blöde aus, wenn wir da auf der großen Bühne beim Summer Breeze nur zu dritt stehen. Wir haben jetzt aber jemanden gefunden, der sich die Songs gerade selbst beibringt und wir hoffen, dass es klappt.

Um aber noch mal auf die vorige Frage zurückzukommen, was das ´zurückkommen´ angeht. Direkt im Anschluss an die Aufnahmen ging es also los mit den Vorbereitungen und dann kam auch schon die erste Promo-Welle. Wir geben gerade jeden Tag Interviews, also Telefoninterview und Emailinterviews und da kommen wir einfach überhaupt nicht dazu, uns zu erholen. Wir sind momentan wieder in einer Phase, wie wir sie schon während der Aufnahmen hatten, das schlaucht auf Dauer ziemlich.

Also noch weit entfernt vom normalen Alltag, wie ihr ihn eigentlich geplant hattet, als wir uns das letzte Mal im Januar unterhalten hatten?

Ja, genau. Diese Pause, die wir einfach brauchen, gab es bis jetzt nicht. Vielleicht dann irgendwann im Sommer. Aber dann werden wir vielleicht schon wieder anfangen, uns Gedanken über eine neue Platte zu machen. Aber ich glaube, es gibt schlimmeres. Schlimmer wäre, wenn sich niemand für uns interessieren würde.

Da wird sicherlich die Promoarbeit von Metal Blade einen großen Teil dazu beitragen?

Ja, das ist so. Früher haben wir uns um das alles selbst gekümmert, die ganzen Interviews kommen jetzt von Metal Blade, und das ist auch gut so. Wir haben ein renommiertes Label, das weltweit arbeitet und ihre Promoarbeit ist tausendmal besser als das, was wir machen könnten.

Vurtox arbeitet nun im Studio mit anderen Bands, um ein bisschen Geld zu verdienen, wie ist das denn jetzt bei dir?

DISILLUSIONIch nehme hier und da einen Job an und habe auch mehrere Ideen, was ich längerfristig machen könnte, möchte dazu aber noch nichts näheres verraten. Jens hatte eine lange Zeit bei WOM gearbeitet, doch die Leipziger Filiale hat geschlossen und er ist jetzt auf Jobsuche. Dann gib es ja noch den Jan bei uns, unseren Techniker, der arbeitet nach wie vor im Jugendclub und verdient dort sein Geld.

Was macht er genau bei DISILLUSION?

Jan ist absolut wichtig für die Band, auch wenn man das nach außen gar nicht sieht. Das Tempo, das wir die letzten Jahre als Band gegangen sind, konnten wir auch nur gehen, weil er uns sehr unterstützt hat, auch finanziell. Wenn irgendeine Investition zu tätigen war, die sich keiner mehr leisten konnte, hat er halt was gehabt. So haben wir bislang super als Team funktioniert.

Siehst du eigentlich keine Gefahr darin, dass ihr so viel und so lange aufeinander hockt? Hast du nicht Angst, dass es irgendwann mal einfach zuviel wird, oder dass euch die Arbeit für die Band auffrisst?

Eine Gefahr gibt es immer dann, wenn man unter Druck arbeiten muss. Diese Gefahr hatten wir schon und es gab schon ganz gefährliche Situationen im Studio, das war so gegen Ende des letzten Sommers. Da sind wir uns so massiv auf die Ketten gegangen, dass wir einen Break gemacht haben, da lag die Band auch mal kurz auf Eis. In dem Moment wusste auch keiner, ob und wie es weiter geht. Die Gefahr, die wir jetzt sehen wenn wir schreien, wir brauchen Pause, wir brauchen Urlaub, bezieht sich auf die Arbeit, die mit dem Machen eines neuen Albums verbunden ist. Die Interviewgeschichte und die Vorbereitungen auf die Konzerte kriegen wir schon irgendwie hin, das macht ja auch Spaß, aber man kommt nicht zur Ruhe.

Und wenn du so fragst, ja, ich sehe da eine Gefahr. Vor allem wenn ich an die nächste Platte denke, die wir ja irgendwann in Angriff nehmen werden. Wir hätten uns genau genommen schon eine Pause nach The Porter gönnen müssen, was wir auch nie getan haben.

Ist das schon so eine Art innerer Zwang für euch, immer weiter zu machen?

Irgendwie schon. Und wäre ja auch absolut absurd, jetzt eine Pause zu machen. Es entwickelt sich so eine Eigendynamik und der folgt man dann. Es gibt auch nicht selten Gespräche, wo wir uns alle diese Frage stellen. Was ist jetzt wichtiger, einem Magazin Rede und Antwort zu stehen oder einfach mal mit der Freundin spazieren zu gehen?

Ja, ich kann das schon nachvollziehen und das ist eine schwierige Entscheidung. Ich kann das vielleicht auch ein bisschen mit der Arbeit für vampster vergleichen, wo man auch nie wirklich zur Ruhe kommt, anstatt sich einfach mal einen Mittag in die Sonne zu setzen…

Das kann man sicherlich vergleichen, die Art, wie wir DISILLUSION sehen und wie ihr vampster betreibt, und es gibt noch ganz viele Leute in der Metalszene, die so denken und auch so handeln, das hält die Szene am Leben und macht sie interessant.

Aber gab es für euch nie den Moment wo ihr dachtet, Mensch, jetzt haben wir ein dreiviertel Jahr nur für das neue Album verbraucht, wir sind fast nur im Studio gesessen – was hätten wir in der Zeit sonst alles machen können. Oder sagt ihr, das war eine gute und wichtige Zeit für euch?

Es war auf jeden Fall eine ganz wichtige Zeit und das Ergebnis rechtfertigt wirklich alles. Als die Platte fertig wurde und wir merkten, was das eigentlich bedeutet, erledigte sich auf einmal alles, was wir vorher als massive Probleme betrachtet haben. Jetzt wo die fertige Platte da ist, sehen wir, es hat sich gelohnt und es musste auch so sein, wie wir es gemacht haben. Wir brauchten die lange Zeit dafür, dass die Platte so wird wie sie ist. Wir brauchten auch die Querelen und die Auseinandersetzungen, die wir hatten. Und auch die Zeit, in der Vurtox alleine gearbeitet hat, das war alles nötig. Von daher bereuen wir es nicht.

Ich erinnere mich noch, dass du im Januar gesagt hast, dass ihr mit dem Gedanken ins Studio gegangen seid, die Songs sind alle fertig, jetzt gehen wir kurz ins Studio und nehmen sie alle auf. Dann habt ihr ja aber die ganzen Songs noch mal komplett umgekrempelt und quasi neu geschrieben und arrangiert.

Vurtox,Ja, das ist das Verrückte daran aber das ist typisch für DISILLUSION. Es war so überhaupt nicht geplant, hat sich dann aber so ergeben und es war auch nötig. Es war einfach nötig, solange am Album zu arbeiten

Gut, aber viele Bands würden wahrscheinlich sagen, die Songs sind soweit eigentlich okay, einen Kompromiss müssen wir jetzt eben eingehen, denn wir haben jetzt nicht mehr die Zeit und das Geld, um länger ins Studio zu gehen, lasst sie uns jetzt einfach so aufnehmen wie sie sind und fertig.

Ja, das mag so sein und das ist der Grund, warum meiner Meinung aus Deutschland kaum eine wirklich gute Platte im Metalbereich rauskommt.

Gerade, weil so viele Kompromisse eingegangen werden?

Ja. Kompromisse gibt es bei uns einfach nicht, besonders nicht bei Vurtox. Der kriegt einen Hass bei Kompromissen, haha. Er hat sich auch wirklich am meisten für das Album eingesetzt. Auch in einer Zeit, wo wir anderen nicht so gefragt waren, ist er vom ersten bis zum letzten Tag dran gesessen. Er hat wirklich acht Monate am Stück die Platte gemacht. Das hat glaub ich noch niemand so richtig realisiert, was das bedeutet. Er hat die ganze Zeit durchgearbeitet und die Pausen waren Erschöpfungspausen oder wenn nichts mehr zum Essen im Studio da war. Er hat aber auch schon gesagt, so etwas kann er nicht noch mal machen. Wir werden die nächste Platte auch ganz anders angehen.

Habt ihr euch schon mal drüber unterhalten, wir ihr euch ein zukünftiges Album vorstellt?

Es ist bei DISILLUSION immer ganz schwer, Prognosen zu machen. Auch so eine Platte wie „Back To Times Of Splendor“ hätte vorher niemand von uns erwartet. Eine Wunschvorstellung für das nächste Album ist, es möglichst live einzuspielen, was ja das krasse Gegenteil zu dem ist, was wir nun gemacht haben.

Ja, das kann ich mir ehrlich gesagt zu eurer Musik auch nicht so ganz vorstellen, sie ist so vielschichtig und es passiert sehr viel, jetzt ist halt die Frage, was du unter ´live einspielen´ verstehst – die Basis live gemeinsam einzuspielen und den Rest darauf aufzubauen..?

Wahrscheinlich wird es so werden. Der Plan ist allerdings radikaler. Unsere Idee ist, die Musik auch so zu gestalten, dass sie mit drei Mann zu spielen ist und funktioniert. Wir haben das aber schon etwas relativiert, dass wir zumindest die Basisgeschichten so machen und darauf dann vielleicht die Gitarren overdubben. Vielleicht machen wir es so, vielleicht wird es auch ganz anders… Darin zeigt sich aber auch schon mal, dass die Musik anders werden wird.

Habt ihr euch schon Gedanken über eine zukünftige musikalische Ausrichtung gemacht? Ich denke halt, dass die Songs von „Back To Times Of Splendor“ so klingen, weil sie nach und nach entstanden sind und sehr viel daran gearbeitet und gebastelt wurde. Ich denke, dass sich ein DISILLUSION Song, der am Stück eingespielt wird, ziemlich anders anhören würde.

Da reden wir schon auch viel darüber. Von Vurtox Seite aus, würde alles viel unmetallischer werden, obwohl man so eine Prognose mit Vorsicht genießen muss, denn das einzige, was bei uns sicher ist ist, dass es dann doch ganz anders kommt.

Gut, das beruhigt mich jetzt ehrlich gesagt wieder, ´ruhigere´ DISILLUSION kann ich mir irgendwie so gar nicht vorstellen.

Jens,Ja, aber es wäre ein Trugschluss zu sagen, dass wir jetzt sagen, es wird ruhiger, also wird es das nicht – wir wissen es nicht. Was wir uns eben nicht vorstellen können, ist ein „Back To Times Of Splendor 2“ zu machen. Für uns gesehen ist das das perfekte Metalalbum, das sogar wir uns von vorne bis hinten anhören können. Wenn wir das jetzt versuchen würden zu toppen, würden wir das nicht schaffen.

Das wäre meine nächste Frage gewesen. Musik und Texte bei DISILLUSION sind ja sehr emotional. Und ich persönlich kann mir einfach nicht vorstellen, dass eure Musik noch emotionaler wird und dabei die musikalische Vielfalt und die Komplexität weiter gesteigert werden kann.

Man kann diesen Prozess wahrscheinlich nicht weiter gehen. Diese Entwicklung, die man von „Three Neuron Kings“ über The Porter zu „Back To Times Of Splendor nachzeichnen kann, geht glaube ich nicht weiter…

Genau das wäre nun meine Frage gewesen, wie lange geht das noch weiter? Wie wird diese Entwicklung, die man hört, wenn man sich alle Veröffentlichungen nacheinander anhört, weiter fortgesetzt?

Die Frage beschäftigt uns genauso. Ich habe mich heute Nachmittag erst mit Vurtox darüber unterhalten. Es hängt ja auch maßgeblich von ihm ab, welche Gefühle er hat oder welche Einstellung er beim Songwriting gerade hat. Und wir waren uns noch nicht so ganz einig. Wir werden das nächste Album wahrscheinlich unter einer anderen Prämisse angehen, möglichst weg von dem, was wir bis jetzt hatten. Einfach um zu erreichen, das wir mit einer anderen Grundlage wie sonst beginnen, um etwas neues zu erreichen. Wir denken, dass uns die Pferde dann sowieso wieder durchgehen und sich dadurch eine Verbindung zu dem ergibt, was wir bisher gemacht haben. Das ist aber alles noch sehr offen. Wir können etwas Neues nur anders als wir das bisher gemacht haben schaffen – oder wie lange sollen wir sonst ins Studio gehen, ein Jahr, zwei Jahre?! Oder wenn ich an das aufwendige Coverartwork oder das Booklet denke…

Das Booklet ist ein gutes Stichwort, ihr habt für „Back To Times Of Splendor“ ein sehr schönes 16-seitiges, aufklappbares Cover entworfen, das ist ja auch schon wieder recht ungewöhnlich und das passt zu dem, was du vorhin sagtest und wie für mich eure Musik klingt. Ihr versucht auch hier, etwas möglichst perfektes und kompromissloses zu machen. Ist für euch das Drumherum genauso wichtig wie die Musik an sich?

Ja, das ist für uns wichtig, weil das Booklet ganz eng zur Platte und zur Musik gehört. Jeder Song spiegelt sich im Booklet wider. Man klappt das Booklet auf und es ergibt ein großes, durchgehendes Bild. Eine Seite, manchmal auch zwei Seiten, korrespondieren mit einem bestimmten Song, wo sozusagen bestimmte Situationen, die in den Texten beschrieben sind, dargestellt werden. So sind dann auch diese Einzelbilder mit dem Gesamtbild verbunden. Wenn man sich die Musik anhört und sich dazu die Bilder betrachtet, bekommt man eine ganze Menge mehr von der ganzen Geschichte zu „Back To Times Of Splendor“ mit. So werden auch verschiedene überraschende Wendungen in der Musik plötzlich verständlich und klar. Es ist also ganz klar so, dass Artwork und Texte eine ganz massive Bedeutung für DISILLUSION haben.

Das passt genau zu dem Bild, dass ich von DISILLUSION habe und so ging es mir auch am Anfang bei „Back To Times Of Splendor“, als ich mich zuerst nur mit der Musik beschäftigt habe, die sehr überwältigend und oft überraschend ist, die dann später dadurch aber eine ganz andere Dimension erreicht hat, als ich die Texte zu den Songs erhalten habe.

Zusammen mit dem Booklet ist das dann noch mal etwas anderes. Ich bin selber noch manchmal überrascht. Das Booklet wurde ja von Maika Hallmann aus Zwickau umgesetzt, die das fantastisch gemacht hat. Sie hat so gut wie alles reingepackt, was wir wollten und sie hat auch von sich aus vieles weiter ausgearbeitet. Viele Dinge sieht man auf den ersten Blick gar nicht, am besten ist es, wenn man sich das Cover mal mit einer Lupe anschaut…

…also wie früher, als es noch viel mehr aufwendig gestaltete LP-Cover gab?

Ja, genau, so kann man sich bestimmt noch mal etwas mehr rausholen.

Das Ganze ist also ein alle Sinne ansprechendes Erlebnis.

So war der Plan.

Wann sind denn so die „Bilder“ für die Songs und das gesamte Album bei euch entstanden?

Wir haben uns parallel zu den Aufnahmen oft zusammengesetzt und diskutiert, wie das Booklet aussehen soll.

Es war also wirklich ein durchgehender Prozess, bei dem die Musik entstanden ist und sich parallel dazu die Bilder entwickelt haben?

DISILLUSION

Richtig. Die Bilder, die wir im Booklet abgebildet haben, sind sehr eng mit den Texten verknüpft, die wiederum ja von Vurtox verfasst sind. Er macht die Texte alleine und wir reden dann hinterher darüber. Wir konnten selbst manchmal nur staunen aber über die Texte zu diskutieren war in sofern auch unnötig, weil er seine ganz persönlichen Dinge verarbeitet hat.

Die Texte haben zwei Ebenen. Es gibt eine persönliche Ebene, die dreht sich nur um Vurtox selbst, mit seinen ganz eigenen Gefühlen, die er da nieder schrieb, über die er aber auch nicht redet. Darüber gibt es eine zweite Ebene, eine auch für Außenstehende nachvollziehbare Story, die im Booklet visualisiert ist. Dieses ist dann in unseren gemeinsamen Sitzungen entstanden. Am Anfang hatte ich auch meine Probleme, mir ein zusammenhängendes Panoramabild vorstellen zu können, die Grafiken sind auch erst mit den Texten mitgereift, wovon die letzten relativ spät kamen. Es gab auch ganz andere Ideen, wie man das gestalten kann. Dass es nun so geworden ist, ist einfach über die Zeit so gereift.

Wir haben dazu Bilder aus den verschiedensten Büchern gesucht und die Bibliotheken gestürmt, und Reisetaschen voller Bücher rausgeschleppt, wie wir es schon zu „Three Neuron Kings“ gemacht hatten. Wir haben dann die entsprechenden Bilder rausgesucht, gescannt und der Grafikerin gegeben. Sie hat dann angefangen, alles zusammenzufügen und wir haben dann wiederum unseren Senf dazu abgegeben. Parallel dazu sind wir losgezogen und haben Fotos gemacht. Da gibt es zum Beispiel eine Szene mit einem Wandersmann im Booklet, die haben wir nachgestellt und uns Kostüme besorgt und so weiter. Dann hatten wir das große Glück, eine Fotografin kennen gelernt zu haben, Natalie Pichler, die das Coverfoto geschossen hat.

DISILLUSION

Was kannst du mir denn zum Cover erzählen?

Dazu gibt es auch eine kleine Anekdote. Das Cover-Artwork war lange Zeit noch offen. Wir hatten zwar das Booklet mit den acht durchgängigen Seiten schon, aber da, wo das eigentliche Cover gedacht war, fehlte noch die Frau, die jetzt dort zu sehen ist. Keine von den ursprünglichen acht Seiten hat einzeln gesehen gut als Cover funktioniert. Das war aber unser Plan: Wir falten dieses 16-Seitige Booklet so, dass man ein über acht Seiten durchgängiges Bild erhält und eins davon ist das Cover. Wenn man das Booklet aus der CD-Hülle zieht und aufklappt, kann man dann mehr entdecken. Irgendwann hat Vurtox ein Bild von der Schauspielerin Monica Bellucci genommen und hat es einfach mit ins Booklet eingebaut und diesen goldbraunen Farbton festgelegt, was auch mein Lieblingsfarbton ist. Er hat das dann als Covervorschlag genommen und wir waren alle hin und weg, wir hatten dann nur das Problem, dass Monica Bellucci auf dem Cover war und du kannst dir ja vorstellen, dass das so nicht ging.

Ja, das wollt ich grade fragen, wie ihr dieses Copyright-Problem dann gelöst habt.

Wir haben uns überlegt, sollen wir jetzt Monica oder einen ihrer Dutzend Anwälte fragen…

Ich denke, ihr seid vermutlich gleich von der Idee abgekommen und habt etwas anderes überlegt?

Ja, wir haben dann doch nicht angefragt, haha. Wir haben dann aber eine Freundin gefragt, die ein bisschen wie Monica aussieht und haben sie mit Natalie und dem Ziel zusammengesteckt, dass sie das Bild ganz genau nachstellen. Und sie haben es hingekriegt. Sie haben dafür den ganzen Tag geprobt und sogar ähnliche Kleidung wie auf dem Bild von Monica verwendet, damit es ihm so nahe wie möglich kommt. Es ist zwar natürlich ein wenig anders geworden, erfüllt aber genau das, was wir für das Cover wollten.

Wenn ich mir den Aufwand überlege, den ihr für dieses Album betrieben habt, stellt sich mir die Frage, waren diese Dinge wie das Gestalten des Booklets oder die Geschichte mit den Fotos nicht eine zusätzliche Belastung oder war das für euch eher eine willkommene Abwechslung?

Das war natürlich eine absolute Last. Wir haben parallel zum Mixen ja noch am Booklet gebastelt und gleichzeitig ein paar Dinge mit Metal Blade geklärt, das alles ging natürlich noch mal extra an die Substanz. Es war dann alles Stress, schönes und angenehmes Arbeiten war das nicht.

Es ist ziemlich immens, was alles hinter dem Album steckt, worüber man sich so überhaupt keine Gedanken macht.

Wir haben aber auch Glück gehabt, dass wir mit den richtigen Leuten in Berührung gekommen sind. Es haben ja einige Leute mitgewirkt, auch die Gastmusiker, und jeder hat ein Detail dazu beigetragen aber das alles sind wichtige Details, sonst wäre das Album auch nicht so geworden.

Das denke ich mir. Du hattest vorhin angefangen, etwas zu den Lyrics zu erzählen..?

Genau. Wichtig an dieser zweiten Ebene, die sich in den Texten manifestiert und die man auch in den Bildern sieht ist eine Geschichte, die sich erst während der Zeit im Studio herauskristallisiert hat. Stell dir mal ein Bergdorf vor, so in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts etwa. Dort lebt der Protagonist der Geschichte, ein Jüngling, der auf dem Hof seines Vaters arbeitet und dort zusammen mit seinem Vater relativ schwere Feldarbeit verrichtet. Seine einzige Freude ist seine Geliebte, die auf dem Nachbarhof lebt und mit der er jede freie Minute verbringt, sie sind meistens draußen, ihr geheimer Platz ist ein See in der Nähe. Irgendwann muss die Liebste aber weg aus dem Dorf, weil ihre Familie wegzieht und sie fragt diesen Jüngling, ob er mitkommen möchte. Er ist jetzt im Zweifel: bleibt er hier in seinem Heimatdorf bei seinem Vater oder traut er sich, diesen Schritt zu gehen. Und er bleibt, anfänglich. Er hält es etwa ein Jahr aus und läuft dann seiner Geliebten hinterher.

In den Texten geht es dabei vor allem um die Stationen auf dieser Reise. Mit „…and The Mirror Cracked“ hat man den Aufbruch zu dieser Reise. Der Song „Alone I Stand In Fires“, wird im Booklet durch den Waldes repräsentiert, wo sich aus den Bäumen Fratzen herauswinden und das musikalisch ja auch richtig stürmisch wird, das sind mal zwei Beispiele.

Vurtox,

Würdet ihr es als Konzeptalbum bezeichnen?

Es gibt kein wirkliches Konzept, es gibt keine chronologische Abfolge der Ereignisse. Die ganze Geschichte wird teilweise auch in einem einzelnen Song zusammengefasst und „The Sleep Of Restless Hours“ ist dann der Abschluss der Geschichte, nicht aber das Ende: Der Protagonist ist kurz vor dem Ziel, kehrt dann aber wieder um. Jetzt frag uns aber nicht nach einer Botschaft. Es gibt zwar eine ganze Menge, was man sich da für sich selbst rausziehen kann, und jeder Song für sich erzählt ja auch eine eigene Geschichte…

…so als eine Art Gerüst für die einzelnen Handlungen der Songs?

Ja, genau. Die Songs beschreiben bestimmte Stationen auf seiner Reise. Wenn man das weiß, hilft das, die Texte besser zu verstehen. Und wenn man dann noch weiß, dass hinter den Texten persönliche Geschichten von Vurtox stehen, wird es richtig spannend.

Kommen wir mal auf die Gastmusiker zu sprechen. Du hast vorhin gesagt, dass jeder so seinen Teil, der für das Album wichtig ist, beigetragen hat, wer hat denn da alles mitgewirkt?

Zum einen war das Thomas Bremer von DARK SUNS, die ihren Proberaum im selben Haus wie wir haben. Er hat zum Beispiel bei „…And The Mirror Cracked“ diesen Akustikpart auf dem Klavier gespielt.

Stefan Launicke hat das Klavier-Outro bei „Alone I Stand In Fires“ eingespielt, das war dann schon im Studio in Zwickau. Er ist einer der Partner, der das Tam Recordings mit betreibt. Er hat ja auch ganz viel Seele in dieses Stück reingelegt. Geschrieben wurde es von Vurtox, gespielt hat es aber Stefan. Er hat uns auch bei einigen Streicherarrangements geholfen, da er eine klassische Ausbildung hat. An einer Stelle in „Sleep Of Restless Hours“ hat er noch ein paar Vorschläge gemacht, wie man die Instrumentierung verbessern könnte. Das waren alles kleine Sachen, die man nicht direkt hört, aber „spürt“.

Alex Tscholakov hat zum Beispiel Drumloops über einzelne Teile beigetragen, das ist insgesamt alles wichtig für das Album.

Nach welchen Kriterien habt ihr denn die Gastmusiker ausgewählt? Beim Stefan Launicke gibt es ja die Verbindung durchs Studio..?

Ja, genau, beim Sasch, also Alex Tscholakov, ist es genauso. Er ist ein Mann, dem wir unglaublich viel zu verdanken haben, er hat auch den Mix des Albums und zusammen mit Vurtox die Gesangsaufnahmen gemacht und die Akustikgitarrenpassagen aufgenommen. Er hat sich wahnsinnig reingekniet, er hat dasselbe absurde Tempo und Arbeitspensum mitgemacht. Es war auch wunderbar mit ihm zu arbeiten, er hat sich überhaupt nicht in den Vordergrund gedrängt aber immer kreativ und konstruktiv zum Album beigetragen, uns jedoch jederzeit die Führung überlassen. Dass das Album nun so klingt, haben wir ihm mit zu verdanken, ich glaube, das hätte sonst niemand anders so mitgemacht.

Seine Freundin, Denise Schneider, hat Gesang beigetragen, zum Beispiel bei „Fall“ die Backgroundstimmen, genauso bei „The Sleep Of Restless Hours“ stammen die hysterischen Schreie von ihr.

Jens,

Lass uns noch mal auf ein Thema zurückkommen, was das Album an sich betrifft: Habt ihr nicht manchmal die Gefahr gesehen, dass das Album durch die vielen Spuren, ihr habt ja bis zu zehn Gitarrenspuren an manchen Stellen verwendet und im Lied „Back to Times To Splendor“ kommt ihr auf insgesamt über 100 Tonspuren, überproduziert und zu zerfahren klingt? Oder seit ihr zu dem Ergebnis gekommen, genau so muss es einfach klingen?

Wir hatten dieses Thema auch diskutiert, ob wir das Album nicht überproduzieren. Uns war aber bewusst, dass dies ein Studioalbum ist und dass wir alles nutzen werden, um unser Ziel zu erreichen. Wir wollten eine sehr organische, natürlich klingende Platte haben, was natürlich auch wieder paradox ist – mit möglichst viel Technik eine möglichst natürliche Platte produzieren zu wollen…

Ihr wolltet also durch die vielen Spuren und „Ebenen“ in der Musik dafür sorgen, dass Atmosphäre entsteht?

Genau. Unser Ziel war es, Soundlandschaften zu erstellen. Vurtox hat versucht, das mit „Schmutz“ und Geräuschen hinzubekommen, ähnlich wie er das mit mehreren Ebenen und Collagen beim Layout gemacht hat. Es gab ein Bild, das klar war, oben drauf kommt aber eine Ladung „Schmutz“. Bei uns hieß das bei der Musik „Wabber“. Es gab zu jeder Spur noch eine „Wabber-Spur“, beim Refrain, bei den Gitarren, bei den Melodien… wenn man mal genau zuhört und sich das Album vielleicht mal mit Kopfhörer anhört, hört man dann, wo die ganzen anderen Spuren herkommen. Live zum Beispiel passiert das alles dann natürlich nicht.

Okay, aber das muss ja auch gar nicht sein. Wenn ich mir überlege, wie so der durchschnittliche Sound bei einem Konzert ist, wäre das ja sozusagen Perlen vor die Säue geworfen…

Haha, ja, richtig. Da gibt es dann ja auch genügend „Schmutz“ von Haus aus.

Damit kommen wir gleich zum nächsten Thema. Ich denke man kann sagen, ihr seid Perfektionisten. Seid ihr jetzt, wo das Album fertig und abgeschlossen ist, damit vollkommen zufrieden? Oder gibt es doch noch Kleinigkeiten bei denen ihr sagt, das hätte besser oder anders werden können?

Das ist ja das Verwunderliche und das ist auch der Grund warum wir sagen, das nächste Album wird völlig anders werden. Wir sind total zufrieden damit. Wenn du nach Kleinigkeiten fragst, da gibt es natürlich noch eine lange Liste an Kleinigkeiten aber die merkt außer uns keiner. Es gab zwar hin und wieder, so nach vier, fünf Monaten, die Überlegung, im Prinzip könnten wir die ersten Sachen noch mal neu einspielen. Aber dann wirst du praktisch nie fertig. Wir waren also auch vernünftig kann man sagen…

…so im Rahmen des Wahnsinns…

ja, genau! (lacht und überlegt) Aber es wäre dann auf jeden Fall noch besser geworden!

Rajk,

Mir ist ein Absatz von unserem ersten Interview zu „Three Neuron Kings“ eingefallen, es ging um Einflüsse und um Vorbilder. Da hatte Vurtox gesagt, ihr hättet euch immer wieder Gedanken darüber gemacht, manche Dinge wegzulassen oder zu ändern, weil sie zu sehr nach einer bestimmten Band klangen oder manche Vorbilder zu deutlich herauszuhören waren. Gab es bei „Back To Times Of Splendor“ auch solche Momente?

Da muss ich dir jetzt auch eine mehrgeteilte Antwort darauf geben. Zu „Three Neuron Kings“-Zeiten hatten wir ein richtiges Sammelsurium an Götterbands, denen wir auch nachgeeifert haben: OPETH, EMPEROR, SOILWORK, ANATHEMA. Im Prinzip sind diese Bands natürlich immer noch für uns wichtig, die Einflüsse sind immer noch da. Aber sie haben nicht mehr den Stellenwert wie früher. Wir fühlen uns mittlerweile von irgendwelchen übermächtigen Vorbildern emanzipiert, spätestens nach dieser Platte. Ich glaube wir sind mittlerweile auf einem ganz eigenen Weg. Um deine Frage genauer zu beantworten, es gab keine Stellen wo wir sagten, das hier ist jetzt eine OPETH-Kopie, dies ist eine DEVIN TOWNSEND Kopie – das gibt´s so nicht. Das mussten wir auch gar nicht vermeiden. Gleichzeitig aber, als wir über die Stücke kommuniziert haben, haben wir den einzelnen Teilen Namen gegeben. Da tauchten die ganzen Bands dann aber immer wieder auf: Jetzt kommt der OPETH-Part, dann der TOWNSEND Part, dann kommt ´ne KATATONIA-Klampfe von links, das war schon ganz lustig. So ist das ein Kommunikationsmittel für uns gewesen.

Es ging also einfach darum, den Sound oder die Charakteristik eines Parts einzufangen und durch einen anderen Bandnamen zu beschreiben?

Ja, genau so. Dann wurde halt diskutiert, ob der SOILWORK-Part noch etwas länger kommt oder nicht, das ist einfach unsere interne Sprache. Darin spiegeln sich natürlich auch unsere Einflüsse wider.

Wir hatten es ja vorhin schon mal kurz von der Live-Umsetzung eurer neuen Songs, wie weit seid ihr denn mit der Planung? Habt ihr euch schon Gedanken über die bevorstehenden Konzerte und beispielsweise den Auftritt auf dem diesjährigen SUMMER BREEZE Festival gemacht, auch was die Songauswahl angeht?

DISILLUSIONJa, wir haben eine Setlist für die Auftritte fertig, wir werden die Songs vom neuen Album und die älteren Stücke im Wechsel spielen. Wie die Setlist auf den Festivals aussieht werden wir erst entscheiden können, wenn wir wissen, wie lange wir spielen dürfen. Aber die meisten Songs werden schon von der neuen Platte sein.

Wie geht ihr denn an die Komplexen Stücke ran, wenn ihr sie zu einer livetauglichen Version ummodelt?

Seltsamerweise war „The Sleep Of Restless Hours“, das ja ein sehr langer Song ist und der derjenige ist, der als letztes entstanden ist, ein Song, der sehr gut live umzusetzen war, er funktioniert seltsamerweise am leichtesten. Den spielen wir einfach und er funktioniert. Das mag auch daran liegen, das er erst im neuen Proberaum entstanden ist, in einer Session von Vurtox und Jens, die die Skizzen von dem neuen Song gemacht haben und sie hatten da einen guten Run und das merkt man auch. Der Song hat ein gejammtes Fundament und natürlich auch tausend Spielereien auf der Platte aber die braucht man live nicht für den Song.

Was aber zum Beispiel richtig Probleme macht, ist der Anfang von „…And The Mirror Cracked“. Da gibt es diese zweistimmige Melodielinie und vierstimmige Gitarren in der Rhythmusstrecke und da hat man dann natürlich schon Probleme zu entscheiden, was lässt man weg, was spielt man. Der Song wirkt aber nur deshalb so geil, weil er so ist wie er auf Platte ist. Da haben wir noch keine Lösung und da knobeln wir noch dran.

Ihr möchtet das dann schon nur mit Live-Instrumenten umsetzen?

Ja, wir wollen keine Gitarren oder Gesänge von Band einspielen. Das wäre ja der erste Schritt zur Playbackband. Was wir von Band laufen lassen werden sind Keyboardlinien und Streichergeschichten. Da wir schlecht ein halbes Orchester aufstellen können, ist das, denke ich, legitim. Da nehmen wir dann aber auch nicht alles sondern nur das, was unverzichtbar ist. Die Liveversionen werden von dem her auf jeden Fall viel direkter sein.

DISILLUSION



DISILLUSION online: www.disillusion.de

Fotografien (c) Natalie Pichler

Live-Foto: Captain Chaos

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