DISILLUSION: Alea, Alien Gloria & der Tabubruch

An einem schönen Frühlingstag im April treffen wir Andy Schmidt von DISILLUSION zum Interview im schönen Würzburg. Vor dem Auftritt im B-Hof nahm er sich die Zeit, unsere Fragen zur aktuellen Single “ALEA“, dem  Crowdfunding Kampagne auf Patreon und natürlich zum kommenden neuen Album zu beantworten.

Wie fühlt es sich denn an, wenn man mit einer Crowdfundig Kampagne so viel Erfolg hat? Aktuell sind es rund 2.500 Euro, die ihr ein Jahr lang pro Monat für ein neues Album zur Verfügung habt.

Also erstens ist es Unglaube. Unglaube, dass es geht. Es gab ja aber auch nicht umsonst vorher das Gefühl, dass es vielleicht sinnvoll wäre, in diese Richtung zu gehen, als wir wieder zurück gekommen sind. Es gab im Vorfeld so viel Support und so viele Leute, die gesagt haben, dass sie eine neue Platte auch ordentlich unterstützen würden.
Trotzdem ist es totaler Unglaube, dass es so geklappt hat und immer noch klappt. Dann ist es Freude – und ich bin mir der Herausforderung und der Veränderung im Leben sehr bewusst.

Fühlst du dich nun unter Druck gesetzt oder verpflichtet?

Organisatorisch verpflichtet, ja. Das kann man jetzt nicht einfach nur so laufen lassen. Aber wir wollen das ja auch einfach machen. Neu ist, dass es nun eine gewisse Offenheit hat, damit müssen wir nun umgehen. Klar hatten wir schonmal Postings mit einem Bild von uns. Nun plötzlich sind es aber Videos mit unseren Botschaften und das ganze Thema. Aber ich sehe das erstmal als Herausforderung.  

Ihr lasst die Fans nun mehr Anteil haben.

Ja, deutlich mehr.

Wisst ihr denn schon, wie das Album sein wird?

(lacht) Ne!

Das stell ich mir total schwer vor. Dass man nun schon etwas preis gibt, dass sich später vielleicht nochmal ändert.

Das machen wir auch nicht. Ich glaube, das erwartet auch niemand. Das wäre auch Quark. Es gibt klare Ideen, es gibt ein paar theoretische Ideen, und Dinge, die wir gar nicht machen wollen. Es gibt Ideen auf die wir uns fokussieren, weil wir wissen, dass wir damit alle gut können. Und dann gibt es ein paar Wünsche und auch konkrete Ideen, die schon da sind. Aber da jetzt schon drüber zu reden, das würde glaube ich keiner erwarten. Und aus ALEA schlussfolgern, wie alles wird, ist auch nicht richtig. Es ist ein Song, und er klingt so, wie die Konstellation in dem Moment war. Morgen klingt es wieder anders.

Für mich klingt er wieder mehr nach „Back To Times Of Splendour“…

Das ist vielleicht nicht ganz so zufällig (lacht)

…als nach „Gloria“. Ich mag die „Gloria“ gerne, aber sie klingt ja doch etwas anders als der Rest.

Ich möchte mich jetzt nicht festlegen, noch was ausschließen. Uns ist schon klar, dass wir jetzt schon Futter gegeben haben. Und das ist auch Absicht. DISILLUSION ist das, was wir gerne machen, und das will ich jetzt nicht an einem Album fest machen. Aber es ist schon eine Gefühlswelt, die man eher auf „Back To Times Of Splendor findet…

…die sich auch komplett bei DISILLUSION durchzieht, von Anfang an. Es ist immer eine Grundstimmung, ein DISILLUSION-Gefühl, das man immer wieder erkennt. Nur bei „Gloria“ ist es anders. Kühler, kälter. Aber das war ja auch beabsichtigt damals.

Ja. Es wirkt auch wie ein Alien auf uns.

Auf euch auch.

Jaja. So drei Songs spielen wir davon noch live und da geht es auch gut, aber ansonsten ist es durch. So gesehen wird es etwas Neues werden. Aber wir werden nicht versuchen, das Rad neu zu erfinden, nur, um es zu machen. Aber kopieren werden wir uns auch nicht. Da sind wir dann auch viel zu hart zu uns selbst.

Ich war ja total entsetzt, als ich gelesen habe,  wie viel ihr von euren beiden Alben verkauft habt und was es für euch bedeutete. Ihr wart da ja sehr offen.

Ja, habe wir uns gedacht, das machen wir mal.

Eigentlich ist es ja ein Tabubruch, da spricht ja normalerweise keiner drüber.  

Vor allem, wieviel da unterm Strich bei rum kommt, das ist noch weniger, als da steht. Da gibt’s ja dann noch die Verträge… Das heißt ja nicht, dass wir bei 20.000 verkauften Alben 5 Euro pro Stück bekommen. Da bist du eher bei 50 Cent bis 1 Euro, und die werden dann auch noch gegen alles gerechnet, und am Ende habe ich keinen Cent von Gloria gesehen. So einfach ist das. Es ist eine Realität und in den Plattenfirmenstrukturen weitestgehend normal…

Ich finde es gut, dass das jemand mal sagt. Es ist ja doch eher so, dass man öfters mal denkt, ach ja, die leben dann ja doch ganz gut von ihrer Musik. Dass man davon aber nicht leben und so keine Familie durchbringen kann, ist halt die andere Seite. Die Verkaufszahlen von 10.000 Stück pro Album, mit einem großen Label, den Fans und der Promotion im Rücken, da habe ich echt geschluckt. Auch was die Zahlen zu ALEA angeht. Ihr schreibt von 500 verkauften Singles. Es wundert mich schon, dass offenbar die Bereitschaft, euch nun zu unterstützen, so groß ist, sich die Single aber nicht gut verkauft hat.

Oh Gott, wie das alles zusammenhängt, weiß ich auch nicht. Wir haben jetzt natürlich keine Riesen Promo-Bude dran hängen. ALEA überhaupt in die Welt zu kriegen, bedeutete auch, dass wir erstmal ganz schön ins Minus gefahren sind, um mit Oktober Promotion jemanden zu finden, der „Alea“ zumindest in Deutschland, Österreich und der Schweiz an den Mann bringt. Wie aber alles andere zusammenhängt, und wie sich das jetzt auswirkt, werden wir sehen. Alleine die Videos bei der Croundfounding Aktion haben mehr Leute erreicht als alle anderen Aktionen davor. Da griff dann plötzlich auch der ganze Mechanismus, über das Teilen auf Facebook und so weiter. Keine Ahnung. Auf der einen Seite sind wir jetzt selbständig, in jeder Hinsicht, auf der anderen Seite schauen wir jetzt trotzdem, dass wir die neue Platte am Ende bestmöglich promoten können. Und wenn wir dafür wieder einen Deal unterschreiben müssen, dann müssen wir sehen. Wir sind jetzt halt auch keine 25 mehr, und schauen auch genau hin, was das dann bedeutet.

Wäre es für euch eine Option, wenn es sich mit der Aktion so abzeichnen sollte, das weiterhin so zu betreiben?

Ja, aber natürlich sind die Kosten schon auch gewaltig. Wir haben die Crowdfounding Aktion nun auch erstmal runtergeschraubt. Auch, damit es klarer wird. Zuerstmal geht es beim Crowdfounding um die reine Produktion. Das heißt aber auch, das alles andere, wie Anfertigung oder die Promo, erstmal von uns selbst getragen werden muss. Und gerade die Promo ist ja das „Problem“. Damit du vor allem international wahrgenommen wirst.

Das bedeutet jetzt..?

Wir müssen erstmal wieder in Vorleistung gehen, bis die Platte fertig ist. Das ist mir schon seit Jahren klar. Mir ist schon völlig klar, was das heißt. Entweder du gibst alles oder du kannst es sein lassen. So ein bisschen und dann schauen wir mal, das wird nichts.

War das auch der Grund, warum es relativ lange so ruhig um euch war?

Ja, auch. Es ging auch nicht mehr, ich hatte Schmerzen im Arm, das war  psychosomatisch. Es war eine richtige Blockade, und dann dauerte es immer noch drei Jahre.

Das klingt ziemlich ernüchternd, wenn man sich auch betrachtet, wie das alles gelaufen ist und wie groß ihr mit euren beiden Alben wahrgenommen wurdet.

Ich habe immer gern Musik gemacht, und es ist auch schön, du kommst damit aber irgendwie zu nichts. Manchmal wäre es aber cooler, in einem Job zu arbeiten, in dem du deine acht Stunden machst und um 18 Uhr Feierabend ist und deine Kohle am Monatsende rumkommt. Ein ganz weltliches Thema. Wir unterhalten uns da auch mit den Jungs ab und zu darüber.

Dazu passt das Stichwort „Kunst vs. Kommerz“. Wie weit ist es überhaupt möglich, mit der Musik, wie ihr sie macht, bzw. mit deinem künstlerischen Anspruch,  kommerziell erfolgreich zu sein? Oder steht das nicht sogar im Widerspruch zueinander? Ist das das Problem?

Noch mehr ist das Problem beim Schreiben. Nicht unbedingt das, was am Ende dabei heraus kommt, sondern, wie es entsteht. Ich kann im Studio zielstrebig mit anderen arbeiten, für andere arbeiten, und dann funktioniert das auch. Aber um einen zehn Minuten DISILLUSION-Song überhaupt in den Fluss zu bringen, da musst du schon vierzig mal, fünfzig mal in die Tiefe gehen und das passiert halt nicht zum Feierabend.

Da kann man sich Abends halt nicht mal kurz ne halbe Stunde hinsetzen…

Ne, das geht nicht.

Wann war dir bei „Alea“ eigentlich klar, dass der Song so werden wird, wie er geworden ist? Für mich ist der Reiz des Songs die eine Idee, die sich über zehn Minuten zieht und häufig variiert wird. Hat sich das einfach so entwickelt oder was das die Idee von Anfang an?

So geplant war es nicht, nein. Also nicht vom Kopf her, dass ich da thematisch so treu bleibe. Aber die ersten sechs Minuten gab es schon relativ kompakt. Da wollte ich dann noch etwas basteln, es fehlte noch der rote Faden und das verbindende Element, ein Finale. Da wollte ich noch etwas probieren, es war dann aber besser, beim Thema zu bleiben.

Das ist ja aber auch das spannende an dem Lied. Zu sehen, wie sich ein Thema entwickeln kann.

Ich hab das dann ja selbst erst gelesen. Ich hatte mir das ja gar nicht vorgenommen. Aber es stimmt. Das passierte aber nicht bewusst. Ich sehe es dann immer erst an den Jungs, wenn wir es proben:  „Alter, was? Da das und dann das und dann doch nicht und dann wieder beim dritten Durchlauf?“. So gesehen finde ich es kompositorisch klasse, weil mich das an klassischer Musik begeistert. Dieses Thema, diese kurze Idee, die dann auf einmal hinten links in den Hörnern runterfällt, das ist natürlich großartig. Das kommt bei mir laienhaft dann mit rein (lacht). Das würde ich schon gerne noch mehr machen. Ich würde gerne noch zwei Jahre Komposition studieren, weil mich das sehr begeistert.

Wann kamen die Trompeten in „Alea“ ins Spiel?

Zu dem Zeitpunkt, den ich vorhin beschrieben habe, war das.

Die sind schon sehr cool. Sie kommen zu einem Zeitpunkt, an dem man denkt, jetzt kann einfach nicht mehr viel kommen. Und das ist so ein richtig schöner Gänsehaut-Moment. Ähnlich wie bei den Geigen am Anfang vom Titelsong auf „Back To The Times Of Splendor“. Alleine wenn ich dran denke, bekomme ich wieder Gänsehaut…

Unfassbar, auch dieser Moment, als ihr plötzlich alle da wart bei der Listeningsession im Mastersound. Das werde ich nie vergessen, niemals. Wir waren gerade fertig, nach einem Jahr. Plötzlich war Presse da. Und dann hieß es: Vorspielen.
 
Oh das stell ich mir schwer vor, war mir damals gar nicht bewusst!


Wir haben die Platte noch nie fertig gehört. Es war gerade fertig gemastert an dem Tag, es lief dann so ein halbes mal durch, um die Übergänge und die Fades zu kontrollieren, aber im Prinzip war das für uns alle das erste Mal. Deswegen sind wir da auch erstmal rausgegangen. Und dann stand der Andreas von Metal Blade da und sagt zu uns so etwas wie „ha, das war scho nicht schlecht.“ (Gelächter)

Das ist für einen Schwaben aber auch ein Mega-Lob!

 Ja, das war „schon nicht schlecht“. Aber Trompeten hast du gesagt. Die sind stark inspiriert von „Der Pate“.   

Sie sind schon sehr ungewöhnlich für das Metal-Genre.

Am Ende hab ich auf alles verzichtet, das einfach zu platt war. Es ging soweit, dass wir für das Cover von ALEA ein modifiziertes Bild von Eugene Delacroixs „Die Freiheit führt das Volk“ verwenden wollten. Es ging uns emotional um die Idee, zu sagen, wir sind wieder da, es geht jetzt los, absolut angefüllt mit Richtigkeit. Das war ja eh klar, dass das der Tenor in dem Lied ist, da sind die Trompeten eine logische Folge. Gitarrenlinien wurden es dann ja auch eine Menge am Ende, die treiben es aber nicht so richtig, die greifen nicht so, wie die Trompete an der Stelle. Dass es natürlich eine Krux ist, weil die Trompete bei jedem Konzert dabei sein müsste. Die Birgit war bei ein paar Konzerten mit.

Ihr könnt sie vermutlich nicht wegen zwei Minuten Trompeteneinsatz immer mitnehmen…

Das ist zwar hart, und es tut mir auch weh, wenn wir es live spielen, so wie heute wieder. Es kommt dann von Band, aber da muss man dann halt durch.

Was war dir bei „Alea“ sonst noch wichtig?

Die Spielzeit von „Alea“ musste zweistellig werden. Das war das einzige, was mir von vornherein klar war, die zehn muss vorne stehen. Oder eine elf.

Das habe ich aber um ehrlich zu sein auch erwartet!

Naja, eben!

Ich hab mich total gefreut, dass ihr wieder da seid. Ok, nur ein Song. Der knallt aber sicher.

Und wenn er nur 8:59 gewesen wäre, hätte irgendwie doof ausgesehen (lacht). Ist irgendwie blöd, so sollte man eigentlich nicht ran gehen. War mir aber irgendwie wichtig.

Ok, letzte Frage noch: Wie sieht es mit aktuellen musikalischen Favorites bei dir aus? Ich weiß noch von früher, da habt ihr OPETH und EMPEROR als Inspiration genannt, wie sieht das heute aus?

Das hat sich bei mir einiges getan. Es liegt auch daran, dass ich durch die Arbeit im Studio übelst weit aufgestellt bin. Zuhause hörte ich die letzten Jahre kaum noch Metal, das kommt aber so langsam zurück, auch weil es sich geändert hat, weil eine neue Welle durchläuft, zum Beispiel die aktuelle IHSAHN oder die „Magma“ von GOJIRA, das ist irgendwie anders, das ist ernstzunehmen. Das sind erwachsene Menschen, kein Kindergarten an keiner Stelle. MASTODON natürlich auch, die machen ihr Ding, auf TOOL freue ich mich nach wie vor. Von der anderen Seite, oh Gott oh Gott, da wüsste ich gar nicht wo ich anfangen sollte. Ich höre immer noch viel Klassik, viel Kindermusik (lacht). Das ist ganz verschieden. Ich muss auch mal sehen, das Ruhe ist. Sonntags, wenn ich dann wirklich mal frei habe, läuft dann schon auch mal KINGS OF CONVENIENCE. Kennt ihr das? Das ist super chillig. Das ist schon fast Beachmucke. Nichts mit Beat, nur Akustikgitarre und lalala-Gesang. Die singen da schon finstere Sachen, lachen aber die ganze Zeit dabei.

>> Konzertbericht: DISILLUSION, Würzburg, B-Hof, 08. April 2017

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