DER WEG EINER FREIHEIT: Keine Chance für Trance

Ein Jahr nach der Wiederveröffentlichung ihres "Debütalbums", meldet sich die Würzburger Black Metal-Band DER WEG EINER FREIHEIT mit einer mächtigen EP namens "Agonie" zurück, die den Weg der Band konsequent weiterführt und wieder fern von Klischees, Pathos und Kitsch den Hörer mit emotionaler Wucht überrennt. Wir plauschen mit Gitarrist und Songschreiber Nikita per e-Mail über die neue EP und testen sein Werbewissen.

Ein Jahr nach der Wiederveröffentlichung ihres Debütalbums, meldet sich die Würzburger Black Metal-Band DER WEG EINER FREIHEIT mit einer EP namens Agonie zurück, die den Weg der Band konsequent weiterführt und wieder fern von Klischees, Pathos und Kitsch den Hörer mit emotionaler Wucht überrennt. Wir plauschen mit Gitarrist und Songschreiber Nikita per e-Mail über die neue EP und testen sein Werbewissen.

Ist Agonie eine EP, die aufzeigen soll, dass ihr nicht nur ein Album veröffentlicht habt, sondern noch immer da seid? Also kein One-Hit Wonder?

Wir hatten nicht vor, uns nach dem Album erst mal auf die faule Haut zu legen, sondern planten schon recht früh, uns auf eine neue Veröffentlichung – jetzt in Form der EP – zu konzentrieren. Ob man uns als One-Hit Wonder sehen will, müssen die Leute für sich entscheiden. Wir machen auf jeden Fall erst mal weiter und die Arbeiten an einem neuen Album laufen auch schon wieder auf Hochtouren.

Warum habt ihr euch für eine EP entschieden? Wäre es langweilig gewesen, nochmal ein ganzes Album in diesem Stil zu schreiben, oder hattet ihr keine Zeit mehr, ein volles Album zu schreiben?

Wir hätten natürlich ein, zwei Jahre warten können, um noch ein paar Minuten mehr für ein volles Album zusammenzubringen. Aber ich wollte unter die Songs der EP einfach einen Strich ziehen, da sie für unsere Verhältnisse einen ziemlich langen Entstehungszeitraum hatten, was auf eine längere Inspirationsebbe im Songwriting kurz nach Release des Albums zurückzuführen ist. Sie sollen daher für sich stehen und sind nun auf diese EP gebannt.

Nach den Aufnahmen zu Agonie stieg euer Drummer Christian aus Zeitgründen aus, ihr habt inzwischen aber schon einen Nachfolger gefunden. Kann es Tobias mit den Blast Beats von Christian aufnehmen? Und woher kennt ihr ihn überhaupt?

Ja das kann er allemal. Dennoch war mit Christians Ausstieg erst mal ein Verlust in unseren Reihen zu verzeichnen, den wir hinnehmen mussten. Tobias habe ich vor einem knappen Jahr auf einem gemeinsamen Konzert kennengelernt. Ich war total begeistert von seinen Fähigkeiten am Schlagzeug und nachdem er schon vorher ein Riesenfan von uns war und unsere Songs gut kannte, war die Entscheidung nicht schwer, ihn bei uns als neuen Drummer aufzunehmen.

Das Material auf Agonie ist verdammt stark, dabei fällt mir wieder auf, dass alles mit den Riffs steht und fällt. Empfindest du das genauso? Ohne gute Grundidee, kein überzeugender Song? Heißt das außerdem, dass du hohe Ansprüche an dein Material stellst?

Ja, unsere Musik baut hauptsächlich auf den Riffs auf und das ist mir auch sehr wichtig. Denn dadurch entsteht für mich die Atmosphäre und man kann mit der Musik fühlen. Wenn ich mir im Entstehungsprozess über Wochen hinweg den gleichen Song mehrmals am Tag hintereinander anhören kann – als Tab oder als Vorproduktion – ohne dass er langweilig wird, dann weiß ich, dass er es auf die nächste Veröffentlichung schaffen wird. Solange das nicht der Fall ist und er mich nicht überzeugt, wird entweder noch daran weitergearbeitet oder der ganze Song verworfen. Ein Song, der okay ist, hinter dem ich aber nicht zu 100% stehe, scheidet aus.

Wie lange hat es gedauert, die Songs zu schreiben? Obwohl sie teils recht komplex sind, wirken sie wie aus einem Guss, es klingt so, als wäre das eine recht spontane Geschichte gewesen…

Das war auf der EP relativ unterschiedlich. Die Welt in mir und Posthum sind jeweils innerhalb von einem Tag fertig geschrieben worden. Der komplette erste Teil von Der stille Fluss entstand aber zum Beispiel schon vor der Wiederveröffentlichung des Debüts im letzten Jahr. Ich hatte einen anderen halbfertigen Song, an dem ich nicht weiterkam und klebte beide Teile einfach zusammen. So ist aus zwei unterschiedlichen Songs ein Ganzer geworden, ohne dass ich viel darüber nachgedacht habe. Im Großen und Ganzen läuft das Songwriting aber eher spontan ab und ich mache mir vorher nicht viele Gedanken über ein bestimmtes Konzept oder eine gewisse Stimmung. Das entscheidet mehr oder weniger meine momentane Laune.

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Vom Künster Andrew Crawshaw ohne Vorgaben gestaltet: Das Artwork von Agonie.

Lief das Songwriting so ab, wie zum Debüt, also hast du alles allein geschrieben, und Christian dazu getrommelt, oder hatte er auch weiteren Einfluss im Songwriting?

Das Ganze lief sehr ähnlich wie zu Debüt-Zeiten ab. Christian nahm zwar nicht direkt Einfluss auf das Songwriting aber ich versuchte trotzdem seinen Anforderungen an Rhythmik und Tempo gerecht zu werden und das Material auf sein Drumming auszurichten. Von daher hat er indirekt vielleicht schon zu einer etwas anderen Richtung beigetragen, die ich ohne ihn nicht eingeschlagen hätte.

Black Metal kann mit die spirituellste Musik überhaupt sein, sie kann dich durch gezielt eingesetzte Repetition in einen völligen Rauschzustand bringen. Verfolgt ihr auch dieses Ziel, den Hörer in Trance zu versetzen? Oder ist das einfach nur ein schöner Nebeneffekt?

Um den Hörer mit unserer Musik in Trance zu versetzen, ist sie meiner Meinung nach zu abwechslungsreich. Es gibt zwar auch Stellen, die in die Länge gezogen sind und die eine solche Stimmung hervorrufen können, aber für uns selbst hat die Musik diesen Effekt eher nicht. Dennoch finde ich auch, dass Black Metal allgemein eine der emotionsreichsten und intensivsten Musikformen ist, die es gibt. Man darf sie nur nicht über alles Andere stellen.

Emotion wird in eurer Musik groß geschrieben – aus welchen Emotionen nimmst du die Ideen für leidenschaftliche, kräftige Stücke wie Ingrimm, Der stille Fluss und Posthum?

Ich bin einfach ein sehr emotionaler Mensch und kann Musik nicht hören, ohne mir dabei etwas bestimmtes vorzustellen oder auch einfach nur den Rhythmus mitzuklopfen. Musik muss Bilder und Gefühle hervorrufen können, mit denen man sich identifizieren kann und das kann ich bei meiner eigenen Musik natürlich am besten tun. Woher diese Emotionen kommen, kann ich aber nicht genau sagen und ich muss es auch nicht unbedingt wissen.

Die intensivsten Songs der EP sind Der stille Fluss und Posthum, weil sie sich über ihre Dauer hinweg so wundervoll entfalten können. Je länger der Song, desto tiefer und besser wird er?

Tiefer wird der Song dadurch meiner Meinung nach schon, da mit der Länge immer eine gewisse Epik einhergeht, die den Gehalt des Songs mehr unterstreicht. Besser ist natürlich Auslegungssache. Mir gefällt sogar der kürzeste Song auf der EP, Die Welt in mir, am besten, auch wenn er nur aus einer Handvoll Riffs besteht. Aber an sich bin ich doch eher Fan von längeren Stücken, da ich es oft schade finde, wenn gute Ideen zu kurz kommen und sie nicht ausgebaut werden.

Apropos Die Welt in mir: Das ist ein recht kurzer, böser Song, der allerdings noch deutlich Luft nach oben zeigt. Oder war es einfach mal an der Zeit eine kurze, knackige, derbe und spontane Nummer zu schreiben?

Dieses Stück ist mitten in der Nacht ohne Gitarre und direkt am Computer entstanden. Komisch eigentlich, dass gerade dieser Song mein Favorit auf der Platte ist, während er für dich scheinbar eher schwächer ist. Ich weiß aber ehrlich gesagt nicht mehr, aus welchem Anlass ich diesen Song geschrieben habe.

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Wenn ich mir im Entstehungsprozess über Wochen hinweg den gleichen Song mehrmals am Tag hintereinander anhören kann, ohne dass er langweilig wird, dann weiß ich, dass er es auf die nächste Veröffentlichung schaffen wird. Nikita (mitte) über seine intuitive Qualitätskontrolle.

Zwischen den vier langen Songs ist ein kurzes Interlude, Ana, das auf dem Thema Gymnopedie Nr. 1 von Erik Satie basiert. Wieso dieses Stück – klassische Vorbildung oder seid ihr Krombacher-Trinker (wegen der Werbung, in der dieses Stück verwendet wurde – Anm. d. Verf.)? Wer ist diese Ana und ist das eine Liebeserklärung an sie?

Also ich bin ja der Meinung, dass das Thema für eine Wüstenrot-Werbung genutzt wurde (Fels in der Brandung, und so weiter). Krombacher ist auch gut, viele kamen auch schon mit Jever; welche Werbung genau weiß ich aber gar nicht. Was jedoch Fakt ist – und das hast du bisher als einziger richtig erkannt – dass das Stück im Original Gymnopedie Nr. 1 heißt und nicht Ana. Ich habe nur einen neuen Titel gewählt, da Gymnopedie für mich in unserem Zusammenhang keinen Sinn hatte und gleichzeitig ist das Stück damit eine Widmung an meine Schwester. Ich interessiere mich sehr für klassische Musik, auch wenn ich komischerweise kaum welche höre. Ich hatte die Melodie während unseres Studioaufenthaltes schon die ganze Zeit im Kopf und habe dann relativ spontan versucht, sie für Gitarre zu arrangieren. Das hat sich am Ende so gut gemacht, dass wir es als kleines Zwischenspiel bzw. als Kontrastprogramm zu den anderen Songs in die EP mit aufgenommen haben.

Aufgenommen habt ihr mit Eike Freese, der euch einen brachialen, voluminösen Sound verpasst hat. Wie war es, mit DER WEG EINER FREIHEIT zum ersten Mal komplett im Studio aufzunehmen, hat Eike nochmal mehr aus euch rausgeholt, im Vergleich zur Arbeitsweise zum Debüt?

Unsere Zeit im Studio war sehr gut und es lief größtenteils alles wie geplant und ohne böse Überraschungen. Ich wollte einfach mal ausprobieren, wie es ist, alles komplett im Studio aufzunehmen und da bot sich das – auch finanziell gesehen – bei der EP auch gerade gut an. Eike hat einen super Job geleistet und war ein sehr guter Partner im Studio. Ich denke, wir haben bei ihm aufnahmetechnisch sehr viel mitnehmen können, worum wir wirklich dankbar sind.

Mir fiel auf, dass der Bass, der stark pumpt, auch mal von den Riffs tonal abweicht und dadurch schöne Melodien bildet. Hast du gemerkt, dass Bass spielen doch nicht so uninteressant ist? Hatte an daran vielleicht auch Eike seinen Anteil?

Auch sehr gut erkannt! Ich wollte dem Bass bei der EP einfach mehr Aufmerksamkeit schenken, wo er doch beim Debüt fast ausschließlich auf die Grundtöne beschränkt war. Ich will auch in Zukunft versuchen, dem Bass einen eigenen Charakter zu geben, da es wie du schon sagst auch ein sehr interessantes Instrument ist und oft zu kurz kommt. Eike hatte darauf aber eigentlich keinen Einfluss. Allgemein sind wir mit komplett fertig strukturierten Songs ins Studio gegangen und es wurde bis auf ein bis zwei Leads nichts mehr daran herumgeschraubt.

Textlich bewegt ihr euch wieder in einem recht abstrakten Raum, von Teufelsanbeterei keine Spur, aber wirklich rosig ist das alles nicht geworden. Das heißt, ich lese viel über Isolation und teils auch Vereinsamung. Sehe ich das richtig, ist Agonie, für das ja sowohl Tobias als auch du Lyrics geschrieben habt, textlich davon gezeichnet?

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Ich will auch in Zukunft versuchen, dem Bass einen eigenen Charakter zu geben, da es ein sehr interessantes Instrument ist und oft zu kurz kommt. …sagt ein Gitarrist, in diesem Fall Nikita Kamprad.

Ja, das ist richtig und ich würde auch sagen, dass das textliche Gesamtkonzept hinter der Band auf diesen Themen aufbaut. Dennoch muss man sich uns nicht als depressive Menschen vorstellen, die am liebsten allein im Zimmer sitzen und sich irgendwelche Gedanken darüber machen, was gerade schief läuft. Ich finde, dass unsere Charaktere eher die Musik zeichnen und nicht die Texte – wobei diese natürlich auch wichtig und ausschlaggebend für das Gesamtbild der Songs sind.

Das Artwork ist in sehr schönen Farben gehalten, recht tief und strahlt die Agonie aus, die das Material nicht hat, war das euer Ziel? Andrew Crawshaw hat in letzter Zeit viele, schöne, stilistisch sehr unterschiedliche Artworks gemacht – habt ihr ihn deshalb engagiert?

Ja, vor allem sind wir durch seine anderen Arbeiten auf ihn aufmerksam geworden. Sein Stil gefällt uns sehr gut und wir sind sehr zufrieden mit dem, was er geleistet hat. Er hat das Artwork mehr oder weniger ohne konzeptionelle Vorlage nur mit Hilfe der Vorproduktionen der Songs entworfen und hat damit die Stimmung wie ich finde sehr gut eingefangen.

Wie sieht es in den kommenden Monaten aus? Ihr habt einige Einzelauftritte, aber werdet ihr auch mal richtig touren, vielleicht als Toursupport auf der nächsten WOLVES IN THE THRONE ROOM-Tour, das würde sich auch stilistisch anbieten…

Wir stecken gerade in der Planung für eine längere Tour, die für Anfang nächsten Jahres angesetzt ist. Außerdem wollen wir im Herbst und Winter noch ein paar Wochenendshows spielen. Einzelauftritte wird es von uns wohl immer weniger geben, da in Kürze jedes Bandmitglied in einer anderen Stadt wohnen wird und uns dann allein schon eine gemeinsame Probe mehrere Hundert Euro kostet. Zudem ist der damit verbundene Zeitaufwand immens, weshalb so etwas außerhalb eines Tour-Rahmens immer schwieriger wird.

Bleibt es eigentlich bei der Trio-Besetzung, plus Sessionmusiker für die Auftritte?

Momentan schaut es danach aus, dass wir bei der Trio-Formation bleiben. Unsere beiden Livemusiker sind jedoch zwei sehr gute Freunde und mittlerweile auch schon fast ein fester Bestandteil der Band.

Nach dem Ende von FUCK YOUR SHADOW FROM BEHIND sind DER WEG EINER FREIHEIT dein einziges Tätigkeitsfeld. Brauchst Du zum Ausgleich noch eine zweite Band, das heißt ist da schon etwas im Busch, oder reicht dir DER WEG EINER FREIHEIT aus?

Zur Zeit spüre ich kein Verlangen nach einem Ausgleich oder neuen Projekten. Ich arbeite mal hier und mal da bei Freunden und Bekannten mit oder experimentiere ein bisschen herum, aber DER WEG EINER FREIHEIT ist mein Haupt-Tätigkeitsfeld und wird es auch bleiben.


Bilder: (c) VIVA HATE RECORDS

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