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CRADLE OF FILTH: Wir glauben an Arbeitsteilung!

Gitarrist Paul über Nymphetamine, die Fuchsjagd und auf keinen Fall über die Texte …

Im Zuge ihrer Deutschland-Tournee konnte vampster.com die Möglichkeit wahrnehmen, die Leibhaftigen von CRADLE OF FILTH in persona zu interviewen. Die Aufgabe fiel an mich und so machte ich mich auf den Weg zum Kölner E-Werk, um im schwarzen Bus der Sünde Gitarrist Paul Allender ein paar Fragen zum fantastischen neuen Album Nymphetamine, zu den Texten und zur Fuchsjagd zu stellen. Im Bus angekommen, war eine Person gerade damit beschäftigt, über einem Waschbecken geschmackloses englisches Porzellan von merkwürdigen roten Flecken zu säubern. Es war mir leider unmöglich, fest zu stellen, ob es sich dabei um Blutplasma oder Himbeer-Marmelade handelte, denn das Ganze wurde schnell von einem blutrot gestreiften Küchentuch überdeckt, und diese Person verließ wortlos lächelnd den Ort des Geschehens. Dann trat mir ein etwas verschwitzter Paul gegenüber, der seinen Zustand mit seinem täglichen Work-Out erklärte. Sicher handelt es sich dabei um Jungfrauen-zum-Ausbluten-Hochstemmen oder so etwas … Letztendlich stellte sich Paul aber als typischer Engländer heraus, den man so auch in jedem Fussball-Stadion am Bierstand hätte treffen können, um das folgende Gespräch zu führen. Nur bei den Texten schien er nicht bereit, die diabolischen Geheimnisse von COF preis zu geben. Oder kennt er sie wirklich nicht?

Ihr habt erneut euer Label gewechselt. Seid ihr bei Roadrunner jetzt zufrieden? Man hört da ja recht kontroverse Meinungen über das Label…

Wir sind auf jeden Fall zufrieden. Wir hatten verschiedene Angebote und das von Roadrunner war einfach das Beste. Das Label ist sicher nicht perfekt, aber es ist definitiv das Beste, auf dem wir bisher waren. Es ist am Ende ja nur Business und dafür scheinen sie die richtige Wahl zu sein.

Es gibt dort nicht allzu viele Bands eurer Ausrichtung. Ist das ein Vorteil oder ein Nachteil?

Das stimmt, aber sie haben uns trotzdem bisher besser promotet, als die anderen Labels. Mit dem Effekt, dass wir tatsächlich besser verkaufen. Für uns ist das also kein Problem.

Es könnte natürlich auch an der Musik liegen. Wie sind die bisherigen Reaktionen auf Nymphetamine ausgefallen?

Besser als erwartet! Wir hatten eher erwartet, dass die Leute mit der Richtung, in die wir jetzt gehen, unzufrieden sind. Wir hatten nicht geplant in diese Richtung zu gehen, es ist einfach passiert. Es klingt anders, ist aber das was wir wollten. Es passiert manchmal, dass man als Band von neuem Material absolut überzeugt ist, und dann mag es leider ansonsten kein Mensch. Gott sei dank ist es dieses Mal nicht so, denn wir denken, dass die Platte ein verdammt großer Schritt nach vorne für uns ist. Daher ist für uns momentan alles fantastisch! (lacht – der Verf.)

Ich finde, dass das Album etwas thrashiger ist, als die Vorgänger…

Ja, es ist mehr Metal-orientiert und gerade das gefällt uns daran. Wahrscheinlich liegt das am Alter (lacht – der Verf.).

Kann man denn einen musikalischen Wechsel überhaupt planen? Könnte dabei etwas Brauchbares heraus kommen?

Ich denke nicht. Wir wurden in der Vergangenheit schon oft auf so etwas angesprochen, und wahrscheinlich dachten die Leute immer, wir lügen ihnen ins Gesicht, aber man kann so etwas nicht planen. Wir haben das auch nie versucht. Weiterentwicklung ist auch nur auf diese Weise möglich. Sich für ein bestimmtes Genre im Metal zu entscheiden bremst da nur. Wir mögen und machen Heavy Metal. Punkt! Wir könnten sicherlich melodischere Songs schreiben oder härtere, aber der mit Nymphetamine eingeschlagene Weg ist der beste für uns. Außerdem interessieren sich so Fans aus den verschiedensten Genres für die Band, was natürlich auch ein Vorteil für uns ist. Wir haben schließlich melodische und harte Songs. Heavy Metal eben. Die Bandbreite ist sehr groß, die Leute sehen, was wir können und mögen das.

Ihr habt die Hörer sozusagen gut erzogen. Wären denn Veränderungen im Erscheinungsbild und dem Image der Band ebenso denkbar?

CRADLE
Das Nymphetamine-Cover

Nein! Wir versuchen zwar immer neue coole Sachen zu finden, um sie dem Image hinzu zu fügen, aber wir sind sehr zufrieden mit dem Image, das wir haben. Es ist eben purer Heavy Metal.

Ihr hattet also niemals das Verlangen nur in Jeans und T-Shirt auf die Bühne zu gehen?

Wir haben schon mal darüber nachgedacht, aber das wäre dann nicht COF. Es muss einfach bizarrer sein, also bleiben wir bei unseren Klamotten und dem Make-Up.

Kontinuität lasst ihr auch beim Artwork walten. Es wurde auch dieses Mal von Matt Lombard gefertigt…

Ja, und es ist sehr gut geworden. Allerdings würde ich beim nächsten Album auch gerne mal in eine andere Richtung gehen. Etwas mehr in eine wirre Richtung, die die Leute wirklich vor den Kopf stößt.

Habt ihr schon Ideen für das Artwork der Platte oder die Bühnendeko, wenn ihr Songs schreibt?

Nein, das kommt immer erst später. Matt hat auch sehr viele Freiheiten, wenn er das Artwork macht. Die Songs sind dann schon fertig.

Es passt aber sehr gut zur Atmosphäre des Albums. Da ist ein gutes Verständnis und ein Austausch mit dem Designer sicher wichtig…

Ja, es passt sehr gut. Es war auch erst ganz knapp vor der Deadline fertig.

Hat das Label Einfluss genommen auf das Artwork?

Nein, überhaupt nicht.

Das musstest du jetzt aber auch sagen…

(Lacht – der Verf.) Und es ist tatsächlich wahr! Das war aber bisher bei unseren Platten immer der Fall. Das Label ist da eher wie eine Bank, die uns einen Kredit gibt, um unsere Vorstelllungen zu verwirklichen. Es ist ein großes Glück, dass wir bisher immer unsere Freiheiten bewahren konnten, sogar bei Sony.

Lass uns über einzelne Songs sprechen. Ihr werdet sicherlich oft zum Text von Nemesis befragt, der aus der Sicht eines Terroristen geschrieben zu sein scheint…

Tja, also wenn ich ehrlich bin, solltest du besser mit Dani (Dani Filth, Sänger – der Verf.) über die Texte reden, denn ich weiß nicht genau worum es in den Texten geht.

Aber du stehst doch mit ihm auf der Bühne, wenn er die Texte singt. Hast du keine Verbindung zu den Inhalten?

Nein. Wir haben ihn auch gar nicht auf unseren Monitor-Boxen. Wir spielen und hören nur unsere Musik (lacht – der Verf.).

Auch nicht, wenn es um ein politisches oder gesellschaftliches Thema geht, wie in diesem Song?

Nein. Ganz ehrlich, ich habe mir unsere Texte noch nie angehört. Keiner in der Band tut das.

Dani weiß das?

Ja, natürlich. Unsere Arbeit ist die Musik, wir glauben an Arbeitsteilung in der Band (lacht – der Verf.)!

CRADLE
Paul liebt klar gegliederte Zuständigkeitbereiche in seiner Band: Ganz ehrlich, ich habe mir unsere Texte noch nie angehört. Keiner in der Band tut das.

Wenn ihr einen Song schreibt, entsteht ja eine bestimmte Atmosphäre. Habt ihr da nicht auch Ideen, um was es in dem Song gehen sollte?

Nein, wir konzentrieren uns auf die Musik. Wir schreiben es einfach. Wir achten darauf, dass der Song stimmig ist und fließt. Atmosphäre ist uns schon wichtig, aber wir versuchen sie durch Riffs auszudrücken. Wenn der Song fertig ist, bekommt ihn Dani, um den Text zu machen. Natürlich hat er ihn auch schon in der Entstehung gehört, aber er beginnt dann erst seine Arbeit. Er schafft es aber offensichtlich die Atmosphäre in seine Texte zu übertragen.

Habt ihr euch noch nie gefragt, was er da so singt? Vielleicht gefällt es euch ja gar nicht…

Das kümmert uns nicht. Das ist sein Job. Da wollen wir überhaupt nichts von wissen (lacht – der Verf.)

Ich versuche es trotzdem noch mal mit einem Song, nämlich English Fire…

Und ich weiß, warum es so heißt! In der Enstehung hieß es immer der MANOWAR-Song, denn es ist so schön episch und bombastisch. Da passte English Fire sehr gut, denn es klingt auch bombastisch und man denkt sofort an Queen and Country and all that shit.

Wie ist dein Verhältnis zu England und speziell zur Monarchie, ist da Stolz?

Oh ja, auf jeden Fall. Das Land ist zwar gespalten in der Frage der Monarchie, aber ich denke es sollte so bleiben. Es macht unser Land einzigartig. Im Gegensatz zu den USA zum Beispiel, die solche Traditionen nicht haben. Im Endeffekt haben sie ja noch nicht mal eine eigene Geschichte.

Sie haben es zumindestens geschafft, die Geschichte des Landes vor der Kolonisation fast vollständig zu zerstören…

Ja, genau. Und ich bin froh, dass wir so etwas noch haben.

Und die Royals sind auf jeden Fall sehr unterhaltsam…

Auf jeden Fall. Vor allem William. Klasse! Oder Charles und Camilla…

Viele Leute in Deutschland interessieren sich ja sogar dafür. Es gibt eine ganze Riege von Zeitschriften, die sich nahezu ausschließlich damit befassen…

Wirklich? Wer weiß, vielleicht wünschen sich diese Leute ja ihren eigenen König zurück…

Denkst du es gibt in England ein neues Selbstbewusstsein, eine Art nicht-nationalistischer Stolz? MORRISSEY thematisiert das auch auf seiner neuen Platte Irish Blood, English Heart. Oder es gab eine öffentliche Diskussion, welche Flaggen man in Fussball-Stadien verwenden kann, den Union Jack oder die rot-weisse englische Flagge. Es gibt eine Tendenz, den Patriotismus nicht den Nationalisten zu überlassen.

Ich war leider zu selten in England in der letzten Zeit, um das mit zu bekommen. Für mich persönlich ist es schon so, dass unser separat und nicht zu sehr an Europa gebunden werden sollte. Allerdings mag ich auch die Leute nicht, die zu extremistisch und nationalistisch sind. Aber in England wird es zu den Themen Europa und Patriotismus nie eine einheitliche Meinung geben. Das Land bleibt immer gespalten in seinem Verhältnis zu sich selbst und zu Europa. Wir können uns Europa nicht verschließen, sonst würden wir auf der Strecke bleiben, aber viele Leute haben ein komisches Gefühl dabei. Natürlich liegt das auch an der geografischen Situation, da England eine Insel ist. Das macht es einfacher unabhängig zu bleiben. Für Deutschland, in der Mitte Europas wäre solch ein Verhalten sicher schwieriger. Wir haben ja nicht mal den Euro und kommen damit durch. (lacht – der Verf.) Mir persönlich gefällt es auch gut so. Ich verstehe nicht so viel von Wirtschaft. Ich finde nur, dass der Euro vom Erscheinungsbild gegenüber dem Pfund eher wie Spielgeld aussieht, nicht wie richtiges Geld (lacht – der Verf.).

CRADLE
Briten hatten schon immer ein Faible für Traditionen und bizarre Kostümierungen. Paul: Wir versuchen zwar immer neue coole Sachen zu finden, um sie dem Image hinzu zu fügen, aber wir sind sehr zufrieden mit dem Image, das wir haben. Es ist eben purer Heavy Metal.

Im Moment wird diskutiert, mit der Fuchsjagd eine weitere britische Tradition zu verbieten…

Ja, und das ist auch gut so. Das ist wirklich keine schöne Sache. Es ist sehr dumm Tiere zu jagen und sie dann nicht mal zu essen. (lacht – der Verf.) Nein. Im Ernst, man kann nicht Tiere nur aus Spaß töten. Es wird ja noch nicht mal der Pelz verwendet. Zumal es auch sehr brutal ist, nach dem Motto: Oh, da ist noch einer! Lass ihn uns in Stücke reißen!

Obwohl Fuchspelze auf der Bühne sicher auch sehr bizarr wirken würden…

Genau, die wirklich englischen Manowar! (lacht – der Verf.)

Ihr habt für eure Bühnen-Klamotten einen eigenen Designer…

Wir machen das Design selber. Sinwear stellt sie nach unseren Entwürfen her.

Habt ihr überlegt, Kleidung dieser Art auch für den Verkauf zu designen? So wie es die ganzen Rapper tun…

Nein, ich glaube nicht, dass es genug Käufer dafür gäbe. Die Leute von Sinwear verkaufen ja auch eigene Sachen. Aber das ist nicht so unser Ding.

Layout: Uwe

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