CELLADOR: Musik ist mein Leben

Der ebenso frische wie furiose Erstling bietet reichlich Gesprächsstoff für ein Interview mit Gitarrist Bill Hudson über Kompromisslosigkeit, (musikalische) Geschwindigkeitseskapaden und Zukunftsaussichten.

Ohne Rücksicht auf Verluste brettern CELLADOR auf ihrem Debüt Enter Deception nach vorne los. Geschwindigkeitsbeschränkungen werden ignoriert, so dass sich die Ähnlichkeiten mit anderen Bands, die Melodic Speed Metal als Treibstoff verwenden, in Grenzen halten. Diese ebenso frische wie furiose Erstlingsleistung bietet reichlich Gesprächsstoff für ein Interview mit Gitarrist Bill Hudson.

Welche Elemente magst du bei der Musik von CELLADOR am meisten?

Eindeutig die Eingängigkeit. CELLADOR ist eine gesangsorientierte Power Metal-Band und die hymnischen Refrains haben anfangs meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Als ich die Band zum ersten Mal hörte, dachte ich mir: Was ein großartiger Refrain!, und das liebe ich immer noch an der Band. Daneben mag ich die Gitarrenarbeit, hauptsächlich weil ich als Gitarrist dabei eine große Rolle spiel.

Zeichnet sich in eurer Musik bereits eine Weiterentwicklung ab, wenn du die ersten Songs, die die Marschrichtung vorgaben, mit denen vergleichst, die als letzte für euer Debüt geschrieben wurden?

Nun, sie sind etwas extremer. Wir hatten sogar einen Song, der es nicht aufs Album geschafft hat, der 235 Schläge pro Minute schnell war. Die neueren Stücke sind mehr von extremen Metal-Stilen beeinflusst als die älteren, würde ich sagen. Songs wie Wakening und Releasing The Shadow haben viele Blastbeats und thrashige Riffs, während Leaving All Behind und Forever Unbound eher rein europäischer Power Metal sind. Ich weiß nicht, ob man das als Weiterentwicklung bezeichnen sollte. Anders? Ja. Besser? Das kommt drauf an. Es ist meiner Meinung nach wirklich eine Geschmacksfrage.

Was ließ sich bei den Aufnahmen zu Enter Deception schwieriger auf Band festhalten: die Präzision oder die Spielfreude?

Ein Album aufzunehmen ist immer sehr fordernd. Beides war hart, weil wir versuchen, die Musik und den Groove zu spüren, und gleichzeitig müssen wir alles tight spielen. Und seien wir ehrlich: Es ist nicht immer einfach, wenn man einen Speedpicking-Rhythmus bei 220 Schlägen pro Minute aufnimmt. Es war hart, aber ich denke, unsere Gefühle sind alle auf diesem Album drauf.

Du bist ziemlich jung. In welchem Alter erreichten deine Spiel- und Komponierfähigkeiten das Level an Präzision, die man braucht, um derart ausgetüftelte und rastlose Stücke rüberzubringen?

Seit dem Moment, als ich im Alter von etwa 10 Jahren eine Gitarre in der Hand hielt, bin ich in das Instrument verliebt. Ich begann Ende 1993 mit dem Spielen und hab seither nicht mehr aufgehört. Ich hab mich nie für etwas anderes interessiert während meiner Schulzeit, nicht mal für Mädchen. Als ich um die 14 war, konnte ich bereits Songs von Yngwie und Satriani spielen und rief sogar eine Tribut-Band für die beiden ins Leben. Ein paar Jahre danach begann ich mit dem Schreiben, als ich merkte, dass meine Technik an einem guten Punkt angelangt war, wo das nächste Ziel Stil und Songwriting hieß. Ich weiß nicht genau, wann das war. Es muss irgendwann in der Mitte meiner Teenager-Zeit gewesen sein.

Kannst du den CELLADOR-Songwriting-Prozess von der ersten Idee bis zum letzten Overdub im Studio beschreiben?

Alle Songs auf Enter Deception wurden von unserem Gitarrist Chris Petersen geschrieben, bevor ich überhaupt in die Band einstieg. Es läuft hauptsächlich so, dass er ein Lied schreibt und es in seinem Heimstudio aufnimmt. Dann schickt er uns eine Rohfassung. Nachdem wir unsere Parts gelernt haben, fangen wir an zu jammen und steuern unsere Ideen bei. Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits in der Band. Unser Input ist groß genug, um CELLADOR bei den Songwriting-Credits hinzuschreiben und nicht eine bestimmte Einzelperson. A Sign Far Beyond ist eine Ausnahme, die Chris und unser Sänger Michael Germio zusammen geschrieben haben. Anschließend machen wir uns an die Vorproduktion. Gewöhnlich arbeiten Chris und Michael dabei am Leadgesang, während ich in einem anderen Raum die Chöre und Harmonien schreibe. Dann bringe ich diese Stimmen Michael bei und er nimmt sie auf. Nachdem die Vorproduktion abgeschlossen ist, hören wir das Ergebnis an und schauen, was man hinzufügen bzw. ändern kann, solange bis wir das Gefühl haben, dass ein Stück fertig ist. Im Studio wiederholen wir im Prinzip den ganzen Prozess, gehen dabei aber wesentlich sorgfältiger vor. Die Sache wird vielleicht etwas anders werden, da nun mehr Leute beteiligt sind. Michael und ich haben zum Beispiel bereits den ersten Song geschrieben und als Demo aufgenommen. Chris arbeitet ebenfalls an seinem Material. Ansonsten wird der Prozess mit Sicherheit derselbe sein.

Welcher Abschnitt ist am nervenaufreibendsten?

Auf alle Fälle die Vorproduktion. Dort will jeder seinen Input einbringen und da wir alle unterschiedliche Einflüsse und Hintergründe haben, gibt es bisweilen fünf vollkommen unterschiedliche Meinungen zu ein und demselben Songteil, sei es die Gesangsphrasierung oder die Frage, ob ein Teil verwendet werden soll oder nicht. Michael leidet letztlich am meisten darunter, weil er zwar schon bereit ist zu singen, aber nicht so recht sicher ist, WAS er singen soll. (lacht)

CELLADOR
Gitarrist Bill Hudson setzt klare Prioritäten: Eigentlich denke ich nach dem Aufwachen mehrere Stunden lang an nichts anderes als CELLADOR.

Wie viele Kompromisse muss man eingehen, um ein so kompromissloses Album wie Enter Deception aufzunehmen?

CELLADOR wurden als Power Metal-Band gegründet. Wir wussten, dass es hart werden würde, etwas derartiges im mittleren Westen der USA zu machen und Akzeptanz zu finden. Das war uns ziemlich egal, wir haben einfach die Musik gemacht, die wir lieben. Wir sind in erster Linie große Power Metal-Fans, aber manche Dinge sorgen dafür, dass manche Leute den Stil klischeeüberfrachtet oder manchmal sogar lächerlich finden. Wir haben versucht, solche Sachen wegzulassen. Deshalb gibt es ein paar Unterschiede zwischen uns und anderen Power Metal-Bands. Wir haben keine Balladen, wir verwenden keine Drachen und Schlachten in unseren Texten (obwohl wir uns nie hingesetzt haben und gesagt, wir machen das nicht… die Texte entstanden einfach so) und alle unsere Stücke sind über weite Strecken äußerst schnell. Weiterhin sind wir stark von extremeren Stilen wie Thrash und Death Metal beeinflusst. Bands wie MEGADETH, SLAYER, TESTAMENT und METALLICA gehören genauso zu unseren Lieblingsbands wie HELLOWEEN, STRATOVARIUS und GAMMA RAY. Deswegen verwenden wir häufig Blastbeats, harte Gitarren und fröhliche Mitsingrefrains innerhalb eines Songs.

Wie lange hat eure bislang längste Probe gedauert und in welchem Zustand befand sich euer Schlagzeuger danach?

Um ehrlich zu sein, wir proben nie zu lang. Wir spielen gewöhnlich die Setlist durch und gehen dann die Sachen durch, die wir noch üben müssen. Ich kann nicht die genaue Dauer sagen, aber irgendwas um die vier Stunden. Meiner Meinung nach sind Proben nach drei Stunden nicht mehr produktiv. Die Leute werden müde und die Fehler, die man macht, wird man dort auch nicht mehr korrigieren. Idealerweise geht man nach Hause und übt dort die Sachen, bis man bereit ist. Wir proben mehrmals die Woche, was es einfacher macht, kurze Proben zu haben. Dave Dahir, unser Schlagzeuger, ist erst 17 Jahre alt, folglich hat er eine gute Ausdauer und steckt diese Sessions ziemlich gut weg.

Kannst du eure Musik anhören und genießen, ohne dass du sofort ans Songwriting und an die Aufnahmen denken musst?

Sicher NICHT! Zumindest nicht jetzt gerade. Immer wenn ich mir Enter Deception anhöre, muss ich an die Studiosessions denken. Manchmal erinnere ich mich sogar noch an den Moment, als es aufgenommen wurde, wie viele Anläufe wir brauchten, was ein First Take war und dergleichen. Einmal hörten wir das Album auf dem Rückweg nach einem Konzert an und es war unglaublich, wie viel wir über den Aufnahmeprozess redeten. Wir konnten einfach nicht aufhören! (lacht) Ich schätze, das liegt daran, dass alles noch frisch in unseren Köpfen ist, und ich glaube, dass es in einem Jahr oder so einfacher sein wird, unser Album als Zuhörer und nicht als Musiker anzuhören.

Wann denkst du zum ersten Mal an die Band, nachdem du morgens aufwachst?

Daran denke ich zuallererst, besonders wenn wir auf Tour sind, da Chris und ich uns ein Zimmer teilen und uns gewöhnlich fertigmachen müssen, um direkt nach dem Aufstehen in die nächste Stadt zu fahren. Eigentlich denke ich nach dem Aufwachen mehrere Stunden lang an nichts anderes als an CELLADOR.

Welche Geschäfte ziehen deine Aufmerksamkeit auf sich, wenn du ein Einkaufszentrum betrittst?

Hauptsächlich Buch/DVD/CD-Geschäfte wie Border´s oder Barnes & Noble. Direkt im Anschluss gehe ich Kleider (viel von meinem Geld geht dafür drauf) und Videospiele einkaufen. Ich liebe auch Memorabilien… und unterschiedliche Arten von Vitaminen und Nahrungsergänzungsmitteln. Ich weiß nicht… es hängt alles davon ab, was ich an dem Tag brauche.

Welche Aktivitäten empfiehlst du, während man CELLADOR hört?

Alles, wofür man viel Energie braucht. Ich habe es beim Trainieren gehört, aber ich kam in einen kritischen Bereich und musste etwas anderes auflegen. Es funktionierte allerdings in den ersten paar Minuten. Die Leute reagieren unterschiedlich auf die Musik, aber je schneller sie wird, desto aufgedrehter wird man. Es ist sicherlich nichts, was man bei seinem ersten Date hört, es sei denn, sie/er ist ein CELLADOR-Fan; aber das muss man vorher in Erfahrung bringen. (lacht)

CELLADOR
Bill Hudson über potenzielle Einsatzmöglichkeiten von CELLADORs Musik: Es ist sicherlich nichts, was man bei seinem ersten Date hört, es sei denn, sie/er ist ein CELLADOR-Fan.

Welche Schauspielerin oder welchen Schauspieler hättest du gerne im nächsten CELLADOR-Video, wenn Geld und (deren) Geschmack keine Rolle spielen würden?

Das ist eine tolle Frage, und ich muss auf jeden Fall Keanu Reeves antworten! Der Kerl ist meiner Meinung nach die Definition von COOL, wenn es ums Schauspielen geht! Er ist nicht nur einer meiner Lieblingsschauspieler, sondern spielt auch Bass in einer MR. BIG-Tribute-Band, deren Namen ich gerade vergessen hab.

Eure Musik ist schnell und tobend – treffen diese beiden Eigenschaften auch auf dich als Person zu?

Schnell, ja! Tobend, manchmal! Ich meine, ich bin definitiv aufgedreht! Ich kann nicht eine Minute ruhig sitzen und erledige alles gerne schnell. Zeit ist sehr kostbar. In dieser Hinsicht bin ich also wie unsere Musik. Ich würde allerdings nicht sagen, dass ich tobend bin. Ich kann es sein, wenn man mir dumm kommt, aber die meiste Zeit über bin ich ausgeglichen. Manchmal, wenn mich jemand nicht schnell sein lassen will, kann ich anfangen zu toben. (lacht)

Gibt es Charaktereigenschaften, die alle CELLADOR-Mitglieder besitzen?

Abgesehen von Dave sind wir alle im gleichen Alter und wir sind alle Musiker, die so ziemlich den gleichen Musikgeschmack haben. Wenn du mich fragst, kann das Persönlichkeiten schon sehr ähnlich machen. Wir gehen gemeinsam aus, wir alle mögen Jägermeister (lacht) und wir sind verrückt nach unserer Musik – und nach Videospielen!

Viele der Bands, die ihr als eure Einflüsse nennt, stammen vom europäischen Festland. Stört es dich, wenn deren Sänger einen breiten Akzent haben?

Mich persönlich stört es überhaupt nicht, da ich aus Brasilien komme. Ich hab also selber einen Akzent. Was die anderen Bandmitglieder anbelangt, stört es sie auch nicht sonderlich. Manchmal imitieren sie sogar den Akzent, wenn sie mitsingen. Irgendwie macht der Akzent ihre Interpretation leidenschaftlicher.

Würdest du lieber eine Weltreise machen und fremde Orte besuchen oder eingeschlossen in einer Bücherei monatelang alle möglichen Bücher lesen?

Sicherlich eine Weltreise machen. Ich hab mein ganzes Leben lang Bücher gelesen, das ist eines meiner Lieblingshobbys. Ich bin froh, dass ich mit CELLADOR auf Tour bin, da ich so die ganzen Staaten in den USA besuchen kann. Ich hab das Gefühl, dass ich in meinem Leben noch nicht genügend Orte besucht habe. Ich kenne eigentlich nur Brasilien und die USA so richtig. Ich freue mich darauf, mit CELLADOR weltweit zu touren und andere Länder kennenzulernen, von denen ich völlig besessen bin, wie etwa Finnland und Deutschland.

Wäre für dich ein Jahr im Studio oder ein Jahr auf Tour verlockender?

Sicher ein Jahr unterwegs auf Tour! Die ganze Band würde das unterschreiben. Viele Musiker sagen, sie würden die Studioarbeit nicht mögen. Ich gehöre nicht dazu… Ich habe mein Heimstudio und verbringe einen großen Teil meiner Freizeit dort. Ich liebe es im Studio an meiner Musik zu feilen und Sachen aufzunehmen und auszuprobieren… es ist magisch! Aber nichts gleicht dem Gefühl auf Tour zu sein, ehrlich!!

Gab es je eine Sache, die du mit der gleichen Leidenschaft verfolgt hast wie die Musik?

Ich bin ein Film- und Buchfreak, aber meine Besessenheit konzentriert sich aufs Anschauen und Lesen, nicht darauf, sie zu machen. Ich lese tonnenweise Bücher und kann sechs, sieben Stunden am Stück Filme anschauen. Das kommt der Sache am nächsten… aber Musik ist mein Leben! Ich habe nie etwas anderes gemacht und werde es nie machen.

Was glaubst du, wirst du in zehn Jahren über Enter Deception denken?

Ich werde immer noch stolz darauf sein. Es ist mein erstes Album und ich werde es immer lieben! Es ist mein erstes Kind. Sobald die Tour vorbei ist, lasse ich mir einen Teil des Artworks auf meinen rechten Arm tätowieren. Musikproduktionsstandards verändern sich und wahrscheinlich wird es in zehn Jahren alt klingen, was die Produktion anbelangt, aber ich werde es immer noch lieben. Ich werde es als FAN und nicht als MUSIKER anhören, wie ich oben bereits erwähnt habe!

Fotos: Metal Blade

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