CAVALERA CONSPIRACY: Mal mehr Band, mal weniger…

Drummer IGGOR CAVALERA über Streit in der Öffentlichkeit, wie man seine Familie durchbringt und natürlich auch über Musik. Und das Wort Reunion fällt auch in dem ein oder anderen Zusammenhang.

Wir haben es ja nun lange genug gehört…Der Streit, die zehn Jahre Schweigen, der Telefon-Anruf und nun schwupps eine neue Platte…Nachdem der Streit zwischen den beiden Brüdern und SEPULTURA -Gründer MAX und IGGOR CAVALERA ja nun genauso öffentlich beigelegt wurde, wie er begann, wurde es Zeit, sich auch mal wieder um die Musik der beiden zu kümmern. Und da die sich auch wieder um gemeinsame Musik kümmerten, und eine richtig gute Platte veröffentlichten, traf vampster einen entspannten und gut gelaunten Drummer in einer Kölner Hotel Lobby, der mit sich, seiner Familie und dem Leben vollkommen im Reinen zu sein scheint, auch wenn die Größe der Familie ihn manchmal vor Herausforderungen stellt. Aber man wundert sich ja immer wieder, wie viele treusorgende Vorbild-Familienväter sich hinter diesen ganzen Nieten und Tättowierungen verstecken.

Doch zunächst einmal eine unumgängliche Frage:
Ist denn CAVALERA CONSPIRACY nun ein Projekt oder eine wirkliche Band mit Zukunft?

Eigentlich ist es von beidem etwas. Es ist mehr als eine Band, da wir mehr Aktivitäten machen und planen als für ein Projekt. Aber andererseits ist es auch weniger als eine Band, da wir alle noch in andere Bands und Sachen involviert sind und uns deswegen nicht zu 100 % darauf konzentrieren können. Das ist aber eine coole Sache, auf diesem Level zu arbeiten. Wenn wir zusammen sind, fühlt es sich an wie eine Band, wir spielen Shows und so weiter, aber wir müssen nichts von unseren anderen Projekten dafür aufgeben. Man muss also nicht mehr zuhause sitzen und auf die nächste Tour warten oder so.

Als Drummer ist es aber im Moment deine einzige Band, oder?

Ja und Nein. Im dem DJ-Projekt MIXHELL (hier die Myspace-Seite), das ich noch habe, spiele ich auch Drums. Es ist aber eine ganz andere Sache. Als Rock- oder Metal-Band ist CAVALERA CONSPIRACY die einzige Band für mich.

Von welchem Punkt seid ihr beim Schreiben für das Album ausgegangen? Gab es eine direkte Anknüpfung an die Zeit vor dem Split? Wenn man die Platte hört, könnte man das denken…

Als Max und ich wieder in Kontakt kamen, ging es zuerst nur um die Familie. Aber Max hat dies auch musikalisch inspiriert und er schickte mir eine CD mit einigen Riffs und das war der Anfang dieser Platte. Ich bin darüber wirklich glücklich. Aber es gibt keine alten Riffs oder so etwas, es ist alles neu.

Cavalera
Aber es gibt keine alten Riffs oder so etwas, es ist alles neu. – Eine halbe Band, aber keine halben Sachen

Es erinnert aber eher an eure gemeinsame Zeit, als an die Sachen, die ihr danach gemacht habt…

Naja, wir hatten jedenfalls nicht vor, an eine der alten Platten anzuschließen. Wir haben einfach sehr direkt und simpel gearbeitet. Vielleicht ist das eher der Chaos A.D.-Vibe, als der Roots- oder der SOULFLY-Vibe und deswegen klingt die Platte auch eher wie eine straighte Thrash-Platte und weniger experimentell. Von daher verstehe ich den Chaos A.D.-Vergleich sehr gut, denn auch diese Platte war sehr direkt und simpel. Am Anfang, als Max und ich wieder begonnen haben zusammen zu spielen, kam dieses Gefühl, dieser Vibe sehr schnell zurück und die Platte ist das Ergebnis davon.

Wie war es eigentlich für dich, als jetzt diese ganze Familien-Geschichte über den Streit zwischen dir und deinem Bruder so sehr in der Öffentlichkeit stattgefunden hat?

Das ist wirklich verrückt! Klar, gibt es ein Interesse an uns, die Leute wollen wissen, was passiert. Und da wir als Personen in den Medien stehen, betrifft das auch diese Dinge. Es ist natürlich auch eine andere Geschichte, als eine beendete Beziehung und daher interessanter. Aber letzen Endes ist es eben so und ich kann es sowieso nicht ändern, dass die Leute darüber schreiben oder reden.

Ich fand es schon merkwürdig, dass sich alles auf euch als Brüder, die nicht mehr miteinander sprechen fokussiert, denn eigentlich ist so etwas, also dass Familien-Mitglieder über lange Zeit keinen Kontakt haben und zerstritten sind, auch in normalen Familien nicht so ungewöhnlich. Es gibt viele Eltern und Kinder oder Geschwister, die seit Jahren nicht miteinander reden, weil irgend etwas vorgefallen ist. Das ist vielleicht der Unterschied zwischen Band-Kumpels, die sich in die Wolle kriegen und wieder versöhnen. Familien-Bande gehen tiefer und deswegen gehen die Verletzungen auch tiefer.

Das ist absolut richtig. Und es ist auch wirklich nicht so ungewöhnlich. Man redet auch mit seinem Bruder viel offener, als mit einem Freund, denn man hat nicht die Angst ihn als Freund zu verlieren. In der Familie redet man auf einem anderen Level von Ehrlichkeit. Manchmal verliert man dann aber auch seinen Bruder, aber auch wenn man nicht miteinander redet oder Zeit miteinander verbringen will, bleibt er immer dein Bruder. Das ist eine Sache, die definitiv einen Unterschied macht. Das war aber auch der Grund, warum ich ihn jetzt wieder angerufen habe, denn ich wollte, dass wir wieder Brüder sind. Scheiß auf die Musik und alles andere! Wir haben Kinder, die sich kennen sollten und Familien, die zusammen gehören. Das Leben ist nunmal verdammt kurz! Und Max ging es genau so. Denk nur mal an den Tod von Dimebag Darrell. Ich habe mit den Darell-Brüdern immer sehr verbunden gefühlt, denn sie waren uns sehr ähnlich. Auch sie sind zusammen und mit Musik aufgewachsen, hatten dann ihre Band zusammen. Und wenn einem von uns das passiert wäre, hätte ich mir niemals verzeihen können. Selbst wenn Max gesagt hätte: ´Ok, Lass uns wieder Brüder sein, aber niemals wieder zusammen Musik machen, denn das ist schonmal schief gegangen` Damit hätte ich schon das erreicht, was ich wollte. Eigentlich hatte ich auch diese Reaktion erwartet und war mit der Erwartung sehr glücklich. Aber dann hatte mich Max aber angerufen und gesagt, dass ich ihn musikalisch inspiriert hätte und er wieder mit mir Musik machen wolle. Das war für mich natürlich noch besser. Es ist aber alles sehr natürlich passiert und ging nur von uns aus. Wenn mich zum Beispiel ein Anwalt angerufen hätte, der ein Treffen mit meinem Bruder arrangieren wollte oder so etwas, hätte ich nur gesagt: Fuck you! Wir mussten diese Sache von Angesicht zu Angesicht klären, nur so war es möglich. Und so sind wir hier. Das war unser Antrieb. Es hat auch nichts mit den ganzen Gerüchten über eine SEPULTURA-Reunion zu tun, denn auch das lässt sich nicht auf der Geschäfts-Ebene klären. Ich sage nicht, dass es niemals stattfinden wird, aber es müsste aus den richtigen Gründen passieren. Nicht auf Druck eines Labels, dass vielleicht schon Studio-Zeit bucht und ein Drumkit aufbaut oder so etwas. Das ist Scheiße und würde nicht funktionieren. Ich wäre zumindestens nicht dabei.

Also nicht für Geld…

Ich mache jetzt seit über 20 Jahren Musik und habe dafür viel geopfert. Auch meine Familie hat Opfer bringen müssen. Ich war sehr viel weg von zuhause. Als ich SEPULTURA verlassen habe, versprach ich meiner Familie, nicht mehr auf Tour zu gehen, bis ich etwas habe, dass mir noch einmal so wichtig sein würde, wie meine alte Band. Ich muss es nicht des Geldes wegen machen. Ich kann in Brasilien auch normal arbeiten gehen, Jobs machen und meine Familie ernähren. Und als Max dieses Projekt vorschlug, habe ich ihm gesagt, dass es etwas sein muss, an das ich glaube und für das ich Leidenschaft empfinde. Da kommen wir wieder zum Anfang, es ist eben mehr als ein Projekt.

Iggor
Brothers (re)unite!: Wenn mich zum Beispiel ein Anwalt angerufen hätte, der ein Treffen mit meinem Bruder arrangieren wollte oder so etwas, hätte ich nur gesagt: Fuck you!

Was sagst du den Stimmen, die kritisieren, du hättest die nicht mehr so ganz erfolgreichen SEPULTURA verlassen, um auf den deutlich erfolgreicheren SOULFLY -Zug aufzuspringen? Gibt es diese Reaktion überhaupt?

Naja, wenn ich direkt nach meinem Ausstieg in die Band meines Bruders eingestiegen wäre, wäre es vielleicht eine andere Geschichte, auch wenn es so nicht stimmen würde. Aber das habe ich nicht gemacht. Ich respektiere die Band meines Bruders und seine Karriere, von der ich aber kein Teil bin. Auch das bring uns wieder zum Anfang des Gespräches zurück, denn jeder von uns kann Teil von CAVALERA CONSPIRACY sein, ohne alle andere aufgeben zu müssen.

Du hast ja vorhin selber die Gerüchte um eine SEPULTURA-Reunion angesprochen, die jetzt natürlich neues Feuer erhalten. Wie könnte den sowas überhaupt aussehen? Als IRON MAIDEN-Lösung mit Max und Derrick abwechselnd an Gesang und Gitarre? Oder wer muss gehen?

Das ist genau die Sache, Mann! Ich respektiere die Entscheidung von IRON MAIDEN, aber irgendwie, naja, ich weiß nicht. Ich habe keine Ahnung, wie so etwas bei uns aussehen könnte oder in welchem Format eine Reunion stattfinden könnte. Aber da es für mich auch keine konkrete Option ist, sondern nur ein Gedankenspiel, das die Leute gerne betreiben, muss ich mir auch noch keine Gedanken über eine mögliche Form der Band machen. Ich habe auch mit Max nicht über irgendwelche Pläne in dieser Richtung gesprochen. Außerdem müsste auch Andreas Kisser Teil dieser Unterhaltung sein, denn er ist Teil von SEPULTURA .

Hast du denn mit einen derart großen Interesse für CAVALERA CONSPIRACY gerechnet?

Nein! Ich wußte zwar, dass es eine Menge Old-School-Fans gibt, die sich dafür interessieren würden, aber nicht so viele. Ich habe aber nie sehr große Erwartungen an irgendwelche Platten. Das macht es einem einfacher mit Rückschlägen umzugehen, das habe ich gelernt. Wenn man zu viel erwartet, macht man schon etwas falsch. Als wir die Platte aufgenommen haben, gab es auch nur Planungen bis zu den Aufnahmen und nicht für den Zeitraum danach.

Iggor
Wir haben keinen Luxus, aber es soll meinen Kindern gut gehen – IGGOR: Familienvater und Drummer

Kannst du denn dein Leben von dem bestreiten, dass du mit deiner bisherigen Karriere verdient hast?

Es ist hart. Ich habe 5 Kinder und eine große Familie. Ich unterstütze alle, wenn ich kann. Ich versuche meinen Kindern das zu geben, was ich als Kind nicht hatte. Sie sollen nur das Beste bekommen und alle Möglichkeiten haben. Und dazu gehört auch, in einer netten Gegend zu leben und dafür muss man eben hart arbeiten. Geld ist mir nicht wichtig, aber bei allem, was ich mache, versuche ich auch für meine Familie ein Auskommen zu schaffen. Wir haben keinen Luxus, aber es soll meinen Kindern gut gehen. Dabei ist es mir auch wichtig, dass ich viel Zeit mit ihnen verbringe, denn auch das ist Luxus.

Das ist richtig, so etwas ist unbezahlbar. Aber die Wahl des Bandnamens, mit eurem Familien-Namen, deutet aber schon darauf hin, dass ihr etwas aufbauen wollt, denn ihr hättet ja auch einen neutralen Namen wählen können, der vielleicht weniger Aufmerksamkeit erregt hätte und alles auf etwas kleinerer Flamme kochen können.

Wir haben das auch wirklich versucht! Wir wollten uns zuerst INFLIKTED nennen. Aber es gab diesen und jeden anderen Namen, den wir gut fanden schon als Band oder Label oder irgendwas. Da lag es einfach nahe unseren eigenen Familen-Namen zu verwenden, den natürlich noch niemand verwendet hatte. Außer vielleicht unsere Cousins oder so (lacht – der Verf.). Aber letzen Endes ist es eben unser Name und er steht für das, was wir sind.

Und Conspiracy?

Das gefiel mir besonders gut, denn es lässt den Namen wieder etwas offener werden. Es könnte sich auch um ein Buch oder eine Film handeln. Es ist schön rästelhaft. Es klingt auch, als hätten wir eine Gang geformt.

Es klingt wie eine Verschwörung gegen Rest-SEPULTURA .

Ja, auch das könnte man denken (lacht – der Verf.). Es klingt einfach rebellisch und direkt, wie die Musik.

Das ist definitiv der Fall. Die Platte klingt straighter und direkter als die letzten Outputs eurer anderen Bands. auch was den Gesang angeht.

Das ist eben Max Art und Weise zu singen und sich auszudrücken. Obwohl die Texte dieses Mal garnicht mehr so direkt sind wie früher, die Musik ist es auf jeden Fall. Max ist auch im Studio sehr direkt gewesen. es gibt diese Zeile Everybody die tonight, die ist ihm erst im Studio in einer gewissen Euphorie eingefallen. Er hat sie direkt aufgenommen, hat gestrahlt und war total glücklich damit. Das ist witzig, wenn man den Inhalt der Zeile bedenkt. Das ist eben Max.

Bilder: www.cavalera-conspiracy.de / http://www.cavaleraconspiracy.com

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