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BORKNAGAR: Wenn die Elemente sich verbinden…

Was Lars A. Nedland, der sympathische Tastenflitzer der norwegischen Ausnahmeband BORKNAGAR alles zum neuen Album "Epic" und weiteren Aktionen zu berichten hatte, lest hier.

Nun, ich habe die richtige Entscheidung getroffen. Nachdem mich Fußball nie wirklich interessiert hat und ich eh schon im Vorfeld wusste, dass es unsere Nationalmannschaft nicht ins Viertelfinale schaffen würde, nutzte ich die Gunst der Stunde und befragte den ebenso selbstbewussten wie freundlichen BORKNAGAR-Keyboarder Lars A. Nedland zum furiosen neuen Album Epic. Was aus dem sympathischen, oftmals herzhaft lachenden Norweger heraussprudelte, könnt ihr hier lesen.

Hallo Lars, zuerst möchte ich euch zu Epic, das ich wirklich sehr mag gratulieren. Ich habe es jetzt schon über zehn Mal angehört, doch ich finde, dass es nicht ganz an Empiricism heranreicht.

Ich denke, es wird noch wachsen. Ich bin mir sicher, dass Epic eines der Alben ist, bei denen man schon beim ersten Hören merkt, dass da etwas ist, das man noch nicht begreifen kann und das mit der Zeit immer klarer wird. Ich habe bislang gehofft, dass wir genau das erreichen, schließlich haben wir sehr viel Zeit damit verbracht, die ganzen Details auszuarbeiten.

Es hat auch sehr lange gedauert, bis Epic das Licht der Welt erblickte.

Allerdings, es dauerte ganze drei Jahre. Ich verspreche Dir von ganzem Herzen, dass es dieses Mal nicht mehr so lange dauern wird. Nächstes Mal werden wir schneller sein (lacht). Wir haben auch schon viel neues Material in Arbeit.

Ich war schon vor einem Jahr verwundert wo euer neues Release bleibt, denn seit dem ersten Album dauerte es immer konstante anderthalb Jahre, bis ein neues BORKNAGAR-Album rauskam. Ich gehe mal davon aus, dass die Line Up-Querelen daran nicht unschuldig waren…

Nun, es gibt da so etwas, das wir den BORKNAGAR-Fluch nennen. Aus diversen Gründen – ich weiß auch nicht warum – passiert es uns jedes Mal, dass irgendein Bandmitglied BORKNAGAR verlässt. Wenigstens spielt auf Epic jeder mit, der auch im Booklet steht (lacht). Nun, Jens (ehemaliger Gitarrist – Anm. d. Verf.) und Tyr (ehemaliger Bassist – Anm. d. Verf.) verließen uns aus verschiedenen Gründen. Manchmal muss man die Kräfte im Leben auf andere Bereiche fokussieren, Jens wollte sich erstmal komplett aus der Metalszene zurückziehen. Das war schade, denn er war lange Zeit bei uns, aber es war auf jeden Fall ehrlicher als nur um der Sache willen bei uns zu bleiben.

Als das Album fast ganz eingespielt war, verschob Tyr seinen Aufnahmetermin, weil er sich auf andere Dinge konzentrieren musste. Er versprach uns, dies im Januar nachzuholen, weshalb wir uns erst beraten mussten, inwiefern dies für uns möglich war. Aber Tyr war nicht nur ein Bandmitglied, sondern auch ein Freund, weshalb wir ihm diese Chance geben mussten. Doch er schaffte es leider wieder nicht, da er mit anderen Dingen nach wie vor beschäftigt war. Sowas passiert von Zeit zu Zeit im Leben, wir können weder ihm noch Jens böse sein, beide sind immer noch gute Freunde von uns.

Nun mussten wir jemanden finden, der die Bassparts übernehmen würde. Die einfachste Lösung war, Asgeir (Mickelson, Drummer von BORKNAGAR – Anm d. Verf.) diese Aufgabe aufs Auge zu drücken, da er ein sehr guter Bassist ist. Es war besser ein Bandmitglied dies machen zu lassen, da ihm die Songs bereits bekannt sind, was viel Zeit und Kraft spart. Asgeir hat außerdem ein gutes Studio zu Hause und konnte die Aufnahmen in aller Ruhe machen.

Habt ihr schon Nachfolger für Tyr und Jens in Aussicht?

Nein, haben wir nicht. Wir werden langsam wirklich müde von diesen ständigen Neuintegrationen (lacht). BORKNAGAR ist derzeit eine vierköpfige Band. Auf Tour werden wir einen Session-Gitarrist und einen Session-Bassist mitnehmen, der vielleicht später noch fest in die Band aufgenommen werden könnte. Aber wir funktionieren zu viert wirklich gut, wir sind gute Freunde, musikalisch und textlich passen wir hervorragend zusammen. So wie es jetzt ist, ist es gut.

Du sagtest, ihr habt eine Tour geplant. Nachdem ihr zu Empiricism nur wenige Festival-Shows und keine Touren gespielt habt dachte ich, ihr wollt euch rar machen.

Nein, wir wollen endlich wieder auftreten. Besonders nachdem die letzte Tour wegen den verdammten Bussen gestrichen wurde sind wir sehr heiß drauf, den Fans das Material zu präsentieren. Wir werden zunächst nach den richtigen Session-Mitgliedern suchen und versuchen dann Ende dieses Jahres durch Europa und nächstes Jahr durch die Staaten zu reisen. Wir versuchen das so schnell wie möglich hinzukriegen, wollen das neue Material darbieten und mit den Fans reden.

Gerade euer künftiger Session-Bassist wird es schwer haben. Es ist unglaublich, wie Asgeir (Mickelson – Anm. d. Verf.) so eine Performance an Schlagzeug UND Bass abliefert. Was ist sein Hauptinstrument?


Das Gute daran, bei BORKNAGAR zu spielen ist, dass jeder so viele Sachen machen kann, was wohl auch der Grund ist, warum wir alle noch andere Bands haben. Gerade Asgeir begann seine musikalische Karriere als Gitarrist, begann danach Schlagzeug zu spielen. Bassist war er schon immer, er besitzt einige Bässe und spielt so zum Spaß immer wieder gerne. Es war daher keine derart große Herausforderung für ihn, die Basslinien zu schreiben und zu spielen. Er ist wirklich ein brillanter Musiker. Jetzt können wir übrigens immer Witze machen, dass wir die beste Rhythmus-Sektion in der gesamten Metalszene haben: Der selbe Typ an Bass und Drums, daher spielt er immer exakt mit der Bass-Drum. (lacht)

Benutzt Asgeir auch wie Tyr einen Bass ohne Frets?

Ja, an manchen Stellen. Er spielte mit einem viersaitigen Bass, einem fünfsaitigen mit und einem ohne Frets ein. Je nach dem, welchen Sound der Song benötigt, wurde der Bass ausgewählt. Asgeir nahm die Basstracks in seinem Studio auf, ich war auch anwesend und wir sprachen darüber, wie der Bass klingen soll.

Lars, Du hast auch einen sehr originellen Stil im Schreiben Deiner Keyboard-Melodien und in Bezug auf die Auswahl Deiner Sounds.

Danke, das ist schön zu hören (lacht).

Hammondorgel ist ein Instrument, das im… naja sagen wir mal Black Metal – oder was auch immer ihr für Metal macht – nicht oft gebraucht wird.

Mir geht es auch so, dass ich nicht weiß, wie ich BORKNAGAR kategorisieren soll. Ich sage immer, ich spiele Metal, wenigstens lüge ich dann nicht. (lacht) Ich habe letztens die komplette Version von Epic erhalten, und scheinbar hat selbst Century Media Probleme damit, uns zu umschreiben. Immerhin war ein Sticker auf der CD, auf dem Stand Extreme Avantgarde Post Black Metal.

Ich habe euch übrigens als Mischung von Black Metal, Progressive Metal und Rock umschrieben und mit letzterem meinte ich den Retro Rock aus den Siebzigern.

Ich denke, das ist eine gute Umschreibung. Wir stehen mit einem Fuß im Black Metal-Bereich, mit dem anderem in den Seventies, zumindest wenn es um meine Arbeit mit der Band geht. Das ist gar nicht so verkehrt, immerhin bin ich auch großer Progressive-Fan. Ich habe Bands wie CAMEL und KING CRIMSON immer geliebt und sie inspirieren mich bis heute, aber auch Bands aus den späten Sechzigern und frühen Siebzigern wie DEEP PURPLE und URIAH HEEP. Ich empfinde es auch sehr wichtig, die Hammondorgel authentisch klingen zu lassen, ich habe einen Effekt, der sie wirklich echt klingen lässt, man kann sogar das Holz krachen hören. Ebenso wenn es ums Piano geht, da kann man einfach nicht sampeln. Das würde sich unecht anhören und einen fahlen Nebengeschmack verbreiten.

Ich denke auch, wenn ihr die Synthies und Orgeln nicht so verwenden würdet, wäret ihr grimmiger und negativer. Ich finde, dass BORKNAGAR auf Epic positive Musik machen.

Weißt Du warum? Wir versuchen die Musik und die Texte als Einheit zu erschaffen, und unsere Texte beziehen sich zu einem großen Teil auf alte Gepflogenheiten, wie zum Beispiel andere gut zu behandeln um selbst gut behandelt zu werden. Das ist doch eine sehr positive Einstellung und wir vertreten diese. Uns fehlt auch diese Black Metal-Ästhetik, und wir entwickeln uns immer mehr davon weg.

Das ist eine gute Überleitung zu den Texten. Allgemein gesagt seid ihr fasziniert von alten Kulturen, verbindet dies aber mit Moderne, so als wolltet ihr die alten Einstellungen ins Hier und Jetzt zurückholen.

Wenn wir uns umsehen, die Umwelt betrachten und das was die Menschen tun, erscheinen Dinge unendlich kompliziert im Bezug darauf, was sie bezwecken sollen. Es geht eigentlich darum, unsere Umwelt und Natur mit Respekt zu behandeln. Doch die meisten Leute vergessen heutzutage ihre Wurzeln, sie vergessen dass Menschen ein Teil der Natur und der Umwelt sind. Oftmals sind die alten Umgangsformen die besseren.

Du sagtest eben, dass die Welt zu kompliziert ist. Ist es nicht ironisch, dass Epic das komplizierteste und anspruchsvollste Werk der Bandgeschichte ist?

(lacht) Nun, die Basis unserer Musik ist sehr simpel. Aber wir entwickeln die Musik weiter und arbeiten viele Details heraus. Wir bewegen uns in unserem von uns selbst gestrickten Rahmen und auch darüber hinaus wie wir wollen und verwirklichen das, wonach BORKNAGAR unserer Meinung nach klingen soll. Wie ich schon am Anfang sagte, man hört sofort, dass mehr hinter dem Album steckt als man zu Beginn fassen kann und auch dass wir am Werk sind. Wir haben sicherlich einige sehr komplexe Stellen, aber die halten sich die Waage mit den einfachen Stellen, in denen nur wenige Instrumente und gute Hooklines vorkommen.

Themawechsel. Das Artwork von Epic ist sehr an das von Empiricism angelehnt.


Das stimmt. Die Idee dahinter ist, eine Verbindung zwischen den Alben zu schaffen. Das wird allerdings nicht nur durch das Artwork, auch durch die Musik und die Texte versucht zu erreichen. Oder warum haben wir einen Song wie Quintessence (Name des vierten Albums der Band – Anm. d. Verf.) geschrieben? Wenn Du die Texte auf unseren Alben liest, kannst Du Fragmente erkennen. Auf Empiricism gibt es eine Textstelle, die heißt „When the oceans rise, was auch ein Song von The Archaic Course ist. Wir veröffentlichen Alben, die miteinander verwachsen sind.

Ich habe simpler gedacht: Empiricism und Epic sind sich sowohl von musikalischer als auch von optischer Seite her bislang am ähnlichsten. Der Schritt von Quintessence hin zu Empiricism war bislang der Größte.

Es stimmt, dieser Schritt ist der Größte. Der Grund warum die Entwicklung dieses Mal nicht so groß ausgefallen ist, ist der, dass wir mit Empiricism nun wirklich das fanden, was wir mit BORKNAGAR ausdrücken wollen und wie diese Band klingen soll. Wir fanden, was wir suchten. Mit Epic versuchten wir diese Richtung nun zu verfeinern, besser zu machen und auf ein nächsthöheres Level zu bringen. Und Du hast Recht, gerade diese beiden Alben sind miteinander am stärksten verwoben.

The Archaic Couse mit seinem Quasi-Titelsong Oceans Rise assoziiert für mich Wasser, das brutale Quintessence steht für Feuer, Empiricism klang sehr erdig und wenn ich mir Epic in der richtigen Stimmung anhöre, schwebe ich, es steht also für Luft. Habt ihr einen Kreis durch die vier Elemente durchlaufen?

Wir fühlen uns sehr verbunden mit den Elementen, und das nicht nur weil es einen Song gibt, der Four Element Synchronicity heißt. Deine Interpretation überschneidet sich genau mit meiner, wir durchlaufen mit jedem Album verschiedene Elemente auf verschiedene Art und Weisen. Aber erzähl das bloß niemandem, die Leute sollen das selbst herausfinden (lacht).

Was kommt nach den vier Elementen?

Nun, zunächst planen wir eine DVD für die nicht allzu ferne Zukunft, denn wir haben jede Show seit 1999 mitgeschnitten, daher haben wir sehr viel Material. Außerdem haben wir einen Aufruf an die Fans gestartet, uns ihre Camcorder-Bootlegs zu schicken. Wir haben außerdem schon angefangen an neuen Songs zu arbeiten. Vielleicht wird das nächste Album die vier Elemente ja zusammenführen, wir werden sehen.

Ich möchte nochmal auf eure Entwicklung seit Quintessence zu sprechen kommen. Der Hauptschuldige ist wohl Vintersorg, der euch seine atemberaubende Stimme leiht.

Absolut! Wir sind eh glücklich, dass wir drei der besten Sänger Skandinaviens bei uns hatten, von denen noch dazu keiner versuchte den anderen zu imitieren. Ich liebe die Stimmen von allen Dreien, jeder gab BORKNAGAR eine wichtige Facette. Als Simen die Band wegen DIMMU BORGIR verlassen musste, waren wir sehr glücklich, dass ein charismatischer Sänger wie Vintersorg bei uns landete. Es passte vom ersten Mal als wir ihn trafen menschlich und musikalisch wunderbar und durch ihn begaben wir uns auch mehr in eine progressive Richtung.

Man merkt auch, dass Oystein (G. Brun, Gitarrist – Anm. d. Verf.) nicht mehr der alleinige Songwriter in der Band ist.

Nun, BORKNAGAR begannen ja auch mehr oder weniger als Projekt von ihm. Aber jetzt sind wir vier alle sehr in den Songwriting-Prozess involviert. Er schreibt sicherlich noch zu jedem Song das Skelett auf der Gitarre, aber wir arbeiten mit diesem Material und bringen unsere eigenen Ideen ein. Das Songwriting basiert im Grunde auf ständiger Kollaboration. BORKNAGAR würden nicht so klingen, hätte jemand von uns Vieren die Band verlassen. Wir alle hoffen, dass dies nicht schon wieder passiert. (lacht) Aber ehrlich gesagt denke ich das nicht auf uns zukommt, denn wir vier passen menschlich und musikalisch wunderbar zusammen und haben die selben Ziele.

Vintersorg lebt ja in Schweden, der Rest von BORKNAGAR in Norwegen. Ich gehe mal davon aus, dass das Medium Internet für eure Zusammenarbeit sehr wichtig geworden ist.

Asgeir und ich leben in Oslo, Oystein wohnt 500 Kilometer entfernt in Bergen – versuche das mal zu fahren, bei den norwegischen Straßen würdest Du bei der maximalen Geschwindigkeit von 90 km/h ewig brauchen – und Vintersorg haust in Nordschweden. Wir schicken uns E-mails hin und her und wir telefonieren viel, verdeutlichen dem anderen so, wie wir uns unsere Ideen vorstellen. Das Internet macht vieles einfacher, Entfernungen sind schon lange kein Problem mehr. Ich meine, SOLEFALD wären dann ja unmöglich, da Cornelius, mein einziger Bandkollege in Paris lebt. Wir haben ja bereits drei Alben auf diese Art und Weise fertiggestellt. Vielleicht klingt Epic gerade deshalb komplex, da jeder zu Hause besser in aller Ruhe an seinen Details feilen kann.

Wären BORKNAGAR und SOLEFALD ohne Internet also trotzdem möglich?

Ja, denn es gibt ja noch die normale Post, mit denen man sich Tapes und CDs schicken kann, auch wenn es länger dauert. Ansonsten treffen wir uns ja auch regelmäßig zum Proben. Aber einfacher ist unsere Situation durch das Internet auf jeden Fall geworden.

Wie sieht es eigentlich mit SOLEFALD aus, können wir da bald mit neuem Material rechnen?

Ja, wir haben die Basis für das neue Album geschrieben und wollen im Herbst mit den Aufnahmen beginnen. Es wird aber noch etwas dauern, bis das Album erscheint, denn es wird sehr viel Zeit in Anspruch nehmen, auch da wir dieses Mal mit einem Orchester aufnehmen werden. Wie ich schon gesagt habe, ich mag die echten Instrumente lieber als die gesampelten. Es wird aber auch dauern, bis ich die Arrangements aufgesetzt und aufgeschrieben und die richtigen Leute für diesen Job gefunden habe. Außerdem gibt es ein neues Projekt namens AGE OF SILENCE, mit dem ich im August zusammen mit Hellhammer (Drummer von MAYHEM – Anm. d. Verf.) und Ex-TULUS-Leuten kranken Metal aufnehmen werde.

Lars, ich wünsche Dir mit BORKNAGAR und Deinen anderen Projekten noch viel Erfolg und danke Dir für das Gespräch.

Fotos: Century Media (Copyright Asgeir Mickelson)
Layout: doomster

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